Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges am selben Tag zwischen Lebensgefährten.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des MS, HWS, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Grunderwerbsteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Kaufvertrag vom
MS und CS , beide wohnhaft in HWS, kaufen zu gleichen Teilen das landwirtschaftlich genutzte Grundstück im Ausmaß von 1.224 m² mit der EZ XY, von AH um einen Kaufpreis von 63.000,00 €. Die Käufer verpflichten sich, diesen Kaufpreis bis spätestens treuhändig auf einem Konto des Schriftenverfassers zu hinterlegen.
Punkt XI: gegenseitige Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes ... Zur Absicherung des vorgenannten Rechtes vereinbaren die Käufer die Einräumung des wechselseitigen Vorkaufsrechtes hinsichtlich ihrer jeweiligen Hälfteanteile.
Stornovertrag vom
I. Gemäß Kaufvertrag vom hat MS von AH einen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ XY um den auf ihn entfallenden Kaufpreis von 31.500,00 € erworben. Dieser Kaufvertrag wurde im Grundbuch noch nicht durchgeführt.
II. AH und MS kommen dahingehend überein, obigen Erwerbsvorgang vollinhaltlich zu stornieren, sodass der zwischen AH und MS abgeschlossene Kaufvertrag vom als niemals abgeschlossen zu gelten hat.
V. Die mit der Errichtung dieses Vertrages verbundenen Kosten trägt MS.
VI. Die Vertragsparteien ersuchen im Sinne des § 17 GrEStG von einer Festsetzung der Grunderwerbsteuer (GrESt) Abstand zu nehmen. In diesem Zusammenhang erklären die Vertragsparteien übereinstimmend, dass der Verkäufer AH bei der weiteren Disposition hinsichtlich des von Herrn MS vormals erworbenen Hälfteanteiles an der EZ XY , in keiner Weise beschränkt ist.
VII. Festgestellt wird, dass die im Kaufvertrag vom gemäß Punkt XI. eingeräumten Rechte als gegenstandslos zu betrachten sind.
Kaufvertrag vom
CS kauft eine Liegenschaftshälfte an der EZ XY , um den Kaufpreis von 31.500,00 €, sodass sie unter Bedachtnahme auf ihren Erwerb gemäß Kaufvertrag vom nunmehr Alleineigentümerin der Liegenschaft wird. Die Käuferin verpflichtet sich, diesen Kaufpreis bis spätestens treuhändig auf einem Konto des Schriftenverfassers zu hinterlegen.
Für den Erwerb des gesamten Grundstückes durch CS hat der Schriftenverfasser die GrESt selbst berechnet.
Grunderwerbsteuerbescheid vom
Betreffend den vorangegangenen Erwerb eines Hälfteanteiles an der Liegenschaft durch MS hat das Finanzamt zusätzlich GrESt von der halben Gegenleistung in Höhe von 1.102,50 € festgesetzt, weil die Befreiung gemäß § 17 GrEStG nicht zuerkannt werden könne. Der Verkäufer habe nicht die volle Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innehatte, wiedererlangt.
Berufung vom
Gegen diesen Grunderwerbsteuerbescheid hat MS, nunmehriger Berufungswerber, =Bw, Berufung eingelegt, weil der Kaufvertrag vom ehest möglich wieder storniert worden sei. Deshalb bestehe kein Kaufvertrag mehr, der einen Anspruch auf Übereignung des Grundstückes begründe. Es sei auch keine Gegenleistung erbracht worden. Der Erwerbsvorgang sei rechtlich nicht verwirklicht und auch nicht intabuliert worden. Aus dem Stornovertrag sei ersichtlich, dass der Kaufvertrag als niemals abgeschlossen zu gelten habe und der Verkäufer wieder über die uneingeschränkte Verfügungsmacht verfügt habe, weil er in keiner Weise beschränkt worden sei.
Das Finanzamt hat die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung als unbegründet abgewiesen, weil aufgrund des zeitlichen und persönlichen Naheverhältnisses und der identen Vertragsbedingungen eine vollständige Rückgängigmachung des ersten Erwerbsvorganges nicht angenommen werden kann.
Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag vom , weil der Abschluss des neuen Kaufvertrages ausschließlich zwischen CS und AH erfolgt sei. Der Bw habe ihn weder ermöglicht noch sei CS im Voraus als neuer Käufer bestimmt worden. Wäre dem Bw die Konsequenz der Stornierung bekannt gewesen, hätte er einige Tage Wartefrist verstreichen lassen. Der Bw habe ausschließlich seinen Kauf rückgängig machen wollen, zu dem nachfolgenden Kauf habe er nichts beigetragen. Im Vertrauen auf die Rechtsordnung habe er auf die von einem öffentlichen Notar festgesetzte Disposition bezüglich der Wiedererlangung der Verfügungsmacht vertraut.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs.1 Zif. 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG) unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Inländischen Grundstückes begründet, der GrESt.
Gemäß § 17 Abs.1 GrEStG wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt
1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,
2. wenn der Erwerbsvorgang aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,
3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,
4. wenn das geschenkte Grundstück ...
Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräusserer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des § 17 Abs.1 Zif. 1 und 2 sinngemäß (§ 17 Abs. 2 GrEStG).
Anträge nach Abs. 1 bis 4 sind bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Frist endet keinesfalls jedoch vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Festsetzung (§ 17 Abs. 5 GrEStG).
Im gegenständlichen Berufungsfall wird mit dem Hinweis auf Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges vom im Sinne des § 17 Abs. 1 Zif. 1 GrEStG mit Stornovertrag vom die Nichtfestsetzung der GrESt begehrt.
§ 17 GrEStG stellt eine Ausnahme von dem für die Verkehrsteuern geltenden Grundsatz dar, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Vereinbarungen, mag diesen von den Parteien auch Rückwirkung beigelegt worden sein, nicht wieder beseitigt werden kann.
Die Anwendung des § 17 GrEStG hat nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung.
Seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates des , vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass ein Erwerbsvorgang dann rückgängig gemacht ist, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor dem Vertragsabschluss innegehabt hatte, durch einen der in § 17 Abs. 1 Zif.1 GrEStG genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt. "Rückgängig gemacht" ist somit ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtstellung wiedererlangt.
Erfolgt die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgen, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, das Grundstück einem Dritten zu verkaufen. Eine Rückgängigmachung liegt also dann nicht vor, wenn ein Vertrag zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben wird, gleichzeitig das Grundstück auf eine vom Käufer ausgesuchte andere Person zu übertragen (). Dabei hat bei derartigen Begünstigungstatbeständen wie § 17 GrEStG der die Begünstigung in Anspruch nehmende Steuerpflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Im einem weiteren Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, dass aus dem Inhalt der von denselben Rechtsanwälten errichteten Verträge, der zeitlichen Nähe der Vertragsabwicklung wie auch aus dem persönlichen Naheverhältnis zwischen dem Erst- und Zweiterwerber der Liegenschaft, den Zahlungsmodalitäten und der Zahlungsabwicklung auf das Fehlen der freien Verfügungsmacht des Verkäufers geschlossen werden könne, wenn der Verkäufer darüber hinaus kein finanzielles Risiko bei der Stornierung des ersten Kaufvertrages und dem kurz darauf erfolgten Abschluss des zweiten Kaufvertrages zu tragen gehabt habe ().
Von der Wiedererlangung einer freien Verfügungsmacht kann angesichts des Umstandes, dass die Aufhebung eines Kaufvertrages lediglich zu dem Zweck erfolgte, um das Grundstück postwendend zu denselben Konditionen an einen nahen Angehörigen des "Erstkäufers" zu verkaufen, nicht ernsthaft gesprochen werden ().
Im vorliegenden Fall lässt das Gesamtbild aber nur den Schluss zu, dass der Verkäufer die Verfügungsmacht über die Liegenschaft EZ XY durch den Stornovertrag vom nicht wiedererlangt hat.
Vor allem das persönliche Naheverhältnis zwischen den beiden Erstkäufern spricht gegen die gänzliche Rückabwicklung. Lt. Melderegister hat der Bw seit mit CS einen gemeinsamen Hauptwohnsitz gehabt, zunächst in Adr1 und von bis in Adr2. Auch wenn CS infolge des Stornovertrages und Abschluss eines neuen Kaufvertrages das Eigentum formell direkt vom Verkäufer erworben hat, so ändert dies nichts daran, dass lediglich ein Eigentümerwechsel stattfinden, nicht aber der Kaufgegenstand tatsächlich an den Verkäufer zurückgestellt werden sollte. Das unterstreichen auch die in Punkt XI. des Kaufvertrages vom zwischen dem Bw und seiner damaligen Lebensgefährtin vereinbarten Rechte (Belastungs- und Veräußerungsverbot, Vorkaufsrecht). Es ist daher nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht anzunehmen, dass CS in Anbetracht ihres halben Miteigentumsanteiles den Lebensgefährten ohne weiteres aus seinen vertraglichen Verpflichtungen entlassen hätte. Offenbar wollten sich die Lebensgefährten die Liegenschaft jedenfalls sichern. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Verkäufer der Vertragsauflösung zugestimmt hätte, wäre nicht bereits die neue Käuferin festgestanden.
Die freie Verfügungsmacht ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch die Auswahl und Suche eines neuen Käufers, neuerliche Vertragsverhandlungen bezüglich der Kaufpreishöhe und der Fälligkeit des Kaufpreises bzw. das Kaufpreiszahlungsrisiko. Gegenständlich wurden der Stornovertrag und der neue Kaufvertrag mit der schon bisherigen Erstkäuferin am gleichen Tag und bereits 6 Tage nach dem ursprünglichen Verkauf abgeschlossen. In Anbetracht dieser zeitlichen Abfolge der Rechtsgeschäfte und der Tatsache, dass Gegenstand des Rechtsgeschäftes nur ein Hälfteanteil am Grundstück gewesen ist, wäre es dem Verkäufer offenkundig nicht möglich gewesen, das Grundstück am gleichen Tag an einen beliebigen von ihm ausgesuchten Dritten zu veräußern. Vielmehr war bereits bei Auflösung des ersten Kaufvertrages bereits klar, dass anstelle des Bw die Zweitkäuferin das Grundstück nunmehr als Alleineigentümerin erwerben wird. Der Verkäufer hat daher die freie Verfügungsmacht über das Grundstück im Sinne des GrEStG nicht wiedererlangt. Nicht zuletzt erfolgte die Übernahme der Kosten durch den Bw, sodass der Verkäufer kein finanzielles Risiko bei der Stornierung des ersten Kaufvertrages und dem kurz darauf folgenden Abschluss des zweiten Kaufvertrages zu tragen hatte. Als weiteres Indiz für das Fehlen der freien Verfügungsmacht kann angeführt werden, dass sämtliche Verträge vom gleichen Schriftenverfasser mit nahezu gleicher Textierung errichtet wurden.
Insgesamt kann daher aus dem Inhalt der von ein und demselben Notar errichteten Verträge, der zeitlichen Abfolge der Vertragsabwicklung, dem persönlichen Naheverhältnis zwischen dem Bw und CS, der Tatsache, dass es sich nur um einen Hälfteanteil an einer Liegenschaft gehandelt hat sowie der Kostenübernahme durch den Bw auf das Fehlen der Wiedererlangung einer freien Verfügungsmacht des Verkäufers geschlossen werden. Auch das Verschieben der Stornierung um mehrere Tage hätte an dieser Beurteilung nichts ändern können. Vielmehr unterstreicht dieses Berufungsvorbringen gerade den Zusammenhang zwischen den Erwerbsvorgängen und die Einflussmöglichkeit des Bw. Nicht der Verkäufer hatte ein Interesse am weiteren Schicksal des Grundstückes, sondern der Bw. Durch die Stornovereinbarung wurde der Vertrag zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben, die Liegenschaft gleichzeitig unter Vermeidung einer neuerlichen GrESt-pflicht an die Lebensgefährtin des Bw weiter zu veräußern. Der Veräußerer erlangte in Wahrheit die Möglichkeit, die Liegenschaft einem außen stehenden Dritten zu verkaufen, nicht mehr zurück.
Es liegen daher im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges iSd. § 17 Abs. 1 Zif. 1 GrEStG nicht vor und war die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at