Bei vorzeitigem Schulabbruch ist § 2 Abs. 1 lit. d FLAG nicht anwendbar
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land, vertreten durch Dr. Heitger-Leitich, vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für Juni 2011 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit den angefochtenen Bescheiden forderte das Finanzamt die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Juni 2011 für den 1991 geborenen Sohn A zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, dass aus der Schulbesuchsbestätigung der Informatikakademie hervorgehe, dass der Schulbesuch im Mai 2011 geendet hat. Die Lehre wurde laut Lehrvertrag am begonnen. Im Zeitraum 06-07/2011 sei keine Berufsausbildung absolviert worden, weshalb die für Juni 2011 ausbezahlten Leistungen zurückzubezahlen sind.
Innerhalb offener Frist wurde Berufung erhoben und eingewendet, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird. Dies treffe im gegenständlichen Fall zu. Der Sohn sollte mit Beginn September 2011 den vom AMS angebotenen ÜBA-Lehrgang gemäß § 30b BAG besuchen, falls bis dahin kein geeigneter anderer Ausbildungsplatz gefunden werden kann. Durch intensive Bemühungen und günstige Umstände konnte bereits am mit der weiteren Berufsausbildung in einem Lehrverhältnis begonnen werden. Ein früherer Beginn sei zwar wünschenswert aber eben nicht möglich gewesen.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies unter Hinweis auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG damit, dass der Sohn laut Bestätigung der Schule das Schuljahr mit abgebrochen hat. Das tatsächliche Schuljahr hätte erst mit geendet.
Dagegen wurde fristgerecht der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen und ergänzend vorgebracht, dass der Schulbesuch tatsächlich mit beendet wurde, da aufgrund des mangelnden Ausbildungsfortschritts das Ausbildungsziel der Ablegung der Reifeprüfung in absehbarer Zeit endgültig als aussichtslos zu beurteilen war. Die Beendigung des Schulbesuches erfolgte im Konsens mit Schule, Eltern und Schüler um nicht sinnlose Zeit verstreichen zu lassen und möglichst rasch einen Ausbildungsplatz für eine technische Lehre zu finden, was mit Ausbildungsbeginn auch gelungen sei. Dies wäre durch "absitzen" der Zeit bis zum Schuljahresende an der mehr als 300 km entfernten Schule zweifellos nicht möglich gewesen. Der formale Verbleib an der Schule bis Schuljahresende unter weitgehendem Fernbleiben vom Unterricht zur Lehrstellensuche über mehrere Wochen sei aus grundsätzlichen Überlegungen nicht in Frage gekommen. Die Interpretation, an einen formalen Abschluss der Schulausbildung anzuknüpfen, sei unzulässig. Das lediglich formale "absitzen" von Schulzeiten, um Familienbeihilfe bis zum Beginn der weiteren Berufsausbildung nicht zu verlieren, mache keinen Sinn und könne nicht Absicht des Gesetzgebers sein. Im gegenständlichen Fall sei nach "Abschluss der Schulausbildung", auch wenn diese nicht erfolgreich war und nicht zum formalen Ende des Schuljahres erfolgte, zum frühestmöglichen Zeitpunkt die weitere Berufsausbildung intensiv betrieben und begonnen worden.
Das Finanzamt legte die Berufung und den Verwaltungsakt an den Unabhängigen Finanzsenat vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (kurz: FLAG) bestimmt, dass zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist.
§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG idF BGBl. I Nr. 90/2007 hatte bis zum folgenden Wortlaut:
"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
................
d) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten,
..............."
Nach den Gesetzesmaterialien (312 BlgNR 15.GP, 2f) sollte mit dieser Bestimmung (Weitergewährung der Familienbeihilfe für drei Monate) dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Kinder oft unmittelbar nach Beendigung der Berufsausbildung nicht ihre Berufstätigkeit aufnehmen können.
Durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I Nr. 111/2010) wurde die lit. d mit Wirksamkeit ab neu gefasst. Aus Gründen der Budgetkonsolidierung wird die Weitergewährung der Familienbeihilfe für drei Monate nach Abschluss der Berufsausbildung nicht mehr gewährt. Damit während der Zeit zwischen einer Schulausbildung und einer weiterführenden Ausbildung familienbeihilfenrechtlich keine Lücke entsteht, war eine ergänzende Regelung im FLAG 1967 aufzunehmen. Durch diese Regelung soll insbesondere die Zeit zwischen der Matura und dem frühestmöglichen Beginn eines Studiums abgedeckt werden, zumal die Eltern im Regelfall weiterhin unterhaltspflichtig sind (vgl. Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 130).
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG (in der 'neuen' im Berufungsfall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 111/2010) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.
Sowohl der 'alten' als auch der 'neuen' (im Berufungsfall anzuwendenden) Fassung ist gemein, dass die Familienbeihilfe nach Abschluss der Schulausbildung weitergewährt werden soll. Daher ist die zur 'alten' Fassung ergangene Rechtsprechung der Höchstgerichte zu diesem Gesetzesbegriff auch weiterhin anwendbar.
Unstrittig ist im konkreten Fall, dass der 1991 geborene Sohn A die Schule mit vorzeitig abgebrochen und am eine Lehre begonnen hat.
Bei der Beurteilung der Frage, ob unter "Abschluss der Berufsausbildung" auch deren vorzeitiger Abbruch zu verstehen ist, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass § 2 Abs. 1 lit. d FLAG bei einem vorzeitigen Abbruch der Berufsausbildung nicht zur Anwendung kommt (vgl. grundlegend, mit Hinweis auf einen damals auch vorliegenden Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes, das höchstgerichtliche Erkenntnis vom , 97/15/0111; in weiterer Folge auch die Erkenntnisse vom , 2003/13/0157, vom , 2006/13/0195, und vom , 2009/13/0118).
Damit ist aber das Schicksal der Berufung entschieden. Der Sohn des Berufungswerbers hat die Schule vorzeitig beendet und sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Schulausbildung befunden. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG ist in diesem Fall nicht anwendbar.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Zeitraum Juni 2011 entsprechen sohin der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at