TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 01.04.2011, RV/3737-W/10

Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung, Ortsabwesenheit von bloß einem Tag hindert die Zustellung durch Hinterlegung nicht

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Zurückweisung einer Berufung (§ 273 BAO) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden vom 12. Jänner und pfändete das Finanzamt dem Berufungswerber (Bw.) zustehende Forderungen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung der damaligen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom abgewiesen.

Der mit Schreiben vom vom Bw. gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde am vom Finanzamt wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen. Diesen Bescheid hob der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom auf, woraufhin das Finanzamt am an den Bw. einen Auftrag zur Behebung der dem Wiederaufnahmsantrag anhaftenden Mängel erteilte.

Da zwar ein Schriftstück des Bw. vom beim Finanzamt einlangte, das jedoch zur Mängelbehebung nichts beizutragen vermocht hätte, erklärte das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Pfändungsverfahrens vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO mit Bescheid vom , zugestellt durch Hinterlegung am , als zurückgenommen.

Da die dagegen eingebrachte Berufung zwar vom datiert gewesen, aber laut Poststempel erst am aufgegeben worden wäre, wies das Finanzamt die Berufung mit Bescheid vom als verspätet eingebracht zurück.

Dagegen richtet sich die nunmehr gegenständliche Berufung des Bw. vom . Darin wurde begründend vorgebracht, dass die Poststücke am nicht vor 11:00 Uhr im Postkasten gelegen wären, da die Zustellzeit verschieden wäre, weshalb er die Benachrichtigung erst am nächsten Tag erhalten hätte, da er dan ganzen Tag ab 10:00 Uhr nicht in YZ gewesen wäre. Er beantrage daher Fristverlängerung und beziehe sich auf § 16 Abs. 5 Zustellgesetz. Der Inhalt des Schreibens wäre ihm erst am zur Kenntnis gelangt. Ein Monat hätte nach allgemein gesichterten Bestimmungen 30 bzw. 31 Tage.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Dazu wurde ausgeführt, dass der Zurücknahmebescheid am beim Postamt YZ hinterlegt worden wäre, wobei vom Zustellorgan als Tag, an dem die Sendung zur Abholung bereitgestanden wäre, ebenfalls der angegeben worden wäre. Mit dieser Hinterlegung hätte somit die Abholfrist begonnen und wäre dieser Tag gemäß § 17 Zustellgesetz auch der Beginn der Rechtsmittelfrist.

Gemäß § 97 BAO würden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben würden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt wären. Bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen wäre, erfolge die Bekanntmachung durch Zustellung - somit gemäß § 17 Zustellgesetz mit dem Beginn der Abholfrist - somit am .

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO betrage die Rechtsmittelfrist für die Einbringung von Berufungen einen Monat. Ritz führe dazu in BAO3 Folgendes aus: Für nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen regle § 108 Abs. 2 BAO deren Ende. Unter "Benennung" wäre der Wochentag, unter "Zahl" das Monatsdatum oder die Jahreszahl gemeint (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht3, Tz 235). Daher ende beispielsweise die einen Monat betragende Berufungsfrist (§ 245 Abs. 1 BAO), wenn die Zustellung des Bescheides am 28. Februar erfolge, am 28. März, und wenn sie am 31. März erfolge, am 30. April (jeweils sofern sich aus § 108 Abs. 3 zweiter Satz BAO kein späteres Ende der Frist ergebe).

Im gegenständlichen Fall hätte die einmonatige Berufungsfrist gemäß § 245 Abs. 1 BAO am (Dienstag) geendet, da diese Frist betreffend kein Fristverlängerungsansuchen eingebracht worden wäre und es nicht relevant wäre, wann der Bw. das Schriftstück tatsächlich behoben hätte.

Die mit datierte Berufung wäre am bei der zuständigen Behörde eingelangt. Da gemäß § 108 Abs. 4 BAO die Tage des Postlaufes in die Fristenberechnung nicht eingerechnet würden und das Schriftstück als Poststempel den aufweise, gelte als Tag der Einbringung der .

Da die Berufungsfrist am geendet hätte, die Berufung jedoch erst am eingelangt wäre, wäre sie als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Mit Schreiben vom beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass laut Zustellgesetz der nächste Tag als Tag der Zustellung gelte, zumal ein Bundesgesetz sicher höher einzustufen wäre als ein Ritz oder Walter/Mayer). Da in den Bescheiden des Finanzamtes bei der Rechtsmittelbelehrung kein Hinweis auf die Möglichkeit der Fristverlängerung angeführt wäre, beantrage der Bw. hiermit die Fristverlängerung.

Wenn die Berufungsfrist vier Wochen wäre, dann wären es exakt 28 Tage. Wenn die Frist jedoch einen Monat wäre, wären das mehr als 28 Tage, eine einfache Milchmädchenrechnung. Die Berufung wäre in allen Fällen zeitgerecht erfolgt.

Mit Schreiben vom ersuchte der Unabhängige Finanzsenat den Bw. um Bekanntgabe, ob er am ortsabwesend war und zutreffendenfalls um Erbringung eines geeigneten Nachweises.

In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte der Bw. mit Schreiben vom mit, dass er am mit seiner Wohnungsvermieterin H.S., die dies auch bestätige, in Mariazell gewesen wäre. Die Abfahrt wäre nach 9:00 Uhr und die Rückkehr nach 24:00 Uhr gewesen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 (1) Zustellgesetz im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zu Grunde:

Der Bescheid betreffend Zurücknahme des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom wurde am nach erfolglosem Zustellversuch am selben Tag gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz durch Hinterlegung (erster Tag der Abholfrist war der ) zugestellt, da der Bw. an der angegebenen Adresse XY, nicht angetroffen wurde, aber das Zustellorgan der Post Grund zur Annahme hatte, dass sich der Bw. als Empfänger des Schriftstückes regelmäßig an dieser Abgabestelle aufhielt.

An diesem Zustell- und Hinterlegungstag war der Bw. laut seiner Auskunft in der Vorhaltsbeantwortung vom ab 9:00 Uhr ortsabwesend (Aufenthalt in Mariazell) und kam nach Mitternacht wieder an seine Abgabestelle zurück. Der diesbezüglichen Rechtfertigung des Bw. sowie der Bestätigung durch seine Bekannte kam Glaubwürdigkeit zu.

Nachdem das hinterlegte Schriftstück durch den Bw. am behoben wurde, brachte er mit Schreiben vom , laut Poststempel aber erst am aufgegeben, das Rechtsmittel der Berufung ein.

Die Berufungsfrist beträgt gemäß § 245 Abs. 1 BAO erster Satz einen Monat.

Bei der Berechnung der Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird gemäß § 108 (1) BAO der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

Da hinterlegte Sendungen gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz Zustellgesetz mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, begann die Berufungsfrist am und endete gemäß § 245 Abs. 1 BAO iVm § 108 Abs. 2 BAO am .

Dem Einwand des Bw., er wäre am ortsabwesend gewesen, ist zu entgegnen, dass zwar nach § 17 Abs. 3 vierter Satz Zustellgesetz die rechtmäßig hinterlegte Sendung dann nicht mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gilt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Jedoch wird zum Begriff "rechtzeitig" bei Rechtsmittelfristen von der Rechtsprechung (zB ) die Auffassung vertreten, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auszugehen wäre, dass ein Großteil der berufstätigen, tagsüber von der Abgabestelle abwesenden Bevölkerung bei Kenntnis von der postamtlichen Hinterlegung einer Sendung üblicherweise die Möglichkeit hat, die Sendung jedenfalls an dem der Hinterlegung nächstfolgenden Werktag zu beheben.

Daraus, dass der Bw. im gegenständlichen Fall nicht berufsbedingt ortsabwesend war, sondern offenbar privat veranlasst, lässt sich aber auch nichts gewinnen, weil der Verwaltungsgerichtshof sich in seiner Entscheidung vom , 91/16/0091, mit der Frage befasste, wann davon die Rede sein kann, dass jemand "rechtzeitig" von einem Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte und zu dem Schluss kam, dass ein Vergleich zu einer wegen Berufstätigkeit beim Zustellversuch nicht an der Zustelladresse anwesenden Person gezogen werden muss. Da es dem Bw. genau wie einer am wegen Berufstätigkeit nicht an der Abgabestelle anwesenden Person somit möglich gewesen wäre, das hinterlegte Schriftstück am zu beheben, ändert sich am Beginn der Berufungsfrist nichts.

Der Einwand des Bw., dass ihm der Inhalt des Schreibens erst am zur Kenntnis gelangte, geht ins Leere, weil es auf den Zeitpunkt der Abholung des Schriftstückes nicht ankommt, da die Hinterlegung als Zustellung gilt, unabhängig davon, ob der Empfänger tatsächlich von ihr Kenntnis erlangt und ob die Sendung behoben wird ().

Wenn der Bw. moniert, dass ein Monat nach allgemein gesicherten Bestimmungen 30 bzw. 31 Tage hätte, ist ihm entgegenzuhalten, dass gemäß § 108 Abs. 2 BAO nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates enden, der durch seine Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Da der Februar 2010 28 Tage hatte, war die Frist zur Einbringung der gegenständlichen Berufung vom bis auch nur 28 Tage lang. Wäre der Bescheid beispielsweise im März zugestellt worden, würde die Frist 31 Tage betragen. Diese Ungleichmäßigkeit ist jedoch unumgänglich und offenbar auch vom Gesetzgeber so gewollt.

Die Abgabenbehörde hat eine Berufung gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Da der Poststempel der am verfassten Berufung jedoch den Aufdruck trägt und die Bestimmungen des § 108 Abs. 3 BAO auf Grund des normalen Wochentages (der war ein Dienstag) nicht zum Tragen kamen, war die gemäß § 108 Abs. 4 BAO erst am eingebrachte Berufung gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet eingebracht zurückzuweisen.

Die gegen den zu Recht erlassenen Zurückweisungsbescheid erhobene Berufung war daher abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 273 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 5 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 3 zweiter Satz BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 273 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at