Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.03.2012, RV/0332-W/12

Nachsicht im Falle vorhandener Liegenschaften

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als unter der Bedingung, dass


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1.
90 % des Verkaufserlöses der Liegenschaft XY,
2.
90 % der Einlage des Sparbuches der Bawag PSK Konto-Nr. XYZ (mit rund € 16.000,00 beziffert),
3.
das Realisat aus dem bereits beim Finanzamt hinterlegten Sparbuch der Bank Austria Konto-Nr. ZYX (mit rund € 7.000,00 beziffert)

auf das Abgabenkonto eingezahlt wird, die Nachsicht der danach verbleibenden, den Betrag von € 80.000,00 übersteigenden Abgabenverbindlichkeiten bewilligt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom brachte die Berufungswerberin (Bw.) vor, dass sie laut intabuliertem Pfandrecht auf der Liegenschaft EZ1_KG1 den Betrag von € 256.629,25 schulde. Sie hätte diese Schuld betreffend dem Finanzamt den Betrag von € 30.000,00 in diesem Jahr überwiesen und ein Sparbuch mit einem Einlagenstand von etwa € 7.000,00 hinterlegt. Weiters hätte sie dem Finanzamt angeboten, ihre Eigentumswohnung in XY , zu verkaufen und 60 % des Verkaufserlöses an das Finanzamt zu überweisen. Es wäre anzunehmen, dass der Verkaufserlös € 70.000,00 betragen werde, sodass dem Finanzamt ein Betrag von € 42.000,00 überwiesen werden könnte. Außerdem hätte die Bw. dem Finanzamt eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von € 150,00 zur Schuldentilgung angeboten. Das Finanzamt werde auf der der Bw. zur Gänze gehörenden LiegenschaftEZ2_KG2, ein Pfandrecht die noch aushaftende Schuld betreffend intabulieren.

Soferne tatsächlich die Liegenschaft XY , um € 70.000,00 verkauft werden könnte, dann hätte die Bw. dem Finanzamt € 79.000,00 bezahlt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Bw. Pensionistin wäre, kein höheres monatliches Einkommen als etwa € 700,00 erziele und keine andere Wohnmöglichkeit als das Gartenhaus in YZ , hätte, da ja ihre Eigentumswohnung in XY , verkauft werde, beantrage sie, dass ihr die restliche Forderung erlassen werde.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen als unbegründet ab und führte aus, dass die im Ermessen der Abgabenbehörde liegende Entscheidung, ob eine Nachsicht zu bewilligen wäre, zur Voraussetzung hätte, dass die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine persönliche Unbilligkeit ergebe sich aus der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin/ des Antragstellers. Sie bestehe bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung und den im Bereich der/des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Solch ein Fall wäre gegeben, wenn die Einhebung die Existenz der/des Abgabepflichtigen gefährde.

Eine weitere persönliche Unbilligkeit läge vor, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich wären, zB wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte. Dies liege im vorliegenden Fall nicht vor. Wie von der Bw. dargelegt, werde ein Tausch der Besicherung bei ihren Liegenschaftsbesitzen angeboten. Da dadurch keine Verschleuderung von Vermögenswerten vorliege, wäre eine persönliche Unbilligkeit nicht gegeben.

Die Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige- Offenlegungs- und Wahrheitspflichten wäre insbesondere bei Selbstbemessungsabgaben () bei der Ermessensübung jedenfalls zu berücksichtigen.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte die Bw. ein, dass entgegen der Rechtsmeinung des Finanzamtes sehr wohl eine persönliche Unbilligkeit vorliege, da, müsste sie die gesamte Abgabenschuld abstatten, auch jene Liegenschaft, die ihr Lebensmittelpunkt wäre, nämlich in YZ , zwangsversteigert werden müsste. Allgemein bekannt wäre, dass eine Zwangsversteigerung eine Verschleuderung von Vermögenswerten darstelle, wodurch die Bw. Nachteile erleide, die ihre Existenz gefährden würden. Aktenkundig wäre, dass sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits im 61. Lebensjahr gewesen wäre, sohin in einem Alter, in dem die Gefährdung der Existenz wesentlich gefährlicher wäre als bei einem Menschen, der sich auf Grund seines jugendlichen Alters noch eine neue Existenz schaffen könne.

Die Erstbehörde hätte daher die Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben auf ihren Einzelfall abzustellen gehabt.

Richtig wäre, dass die Bw. einen Tausch der Besicherung beider Liegenschaftsbesitze und den Verkauf der Liegenschaft in XY , angeboten und dem Finanzamt 60 % des Verkaufserlöses zugestanden hätte. Dieser Prozentsatz hätte der Vorstellung der Finanzbehörde entsprochen, die damit die persönliche Unbilligkeit ausschließen hätte wollen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (; sowie Stoll, BAO, 583).

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für die Steuerpflichtige/den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben ().

Dabei ist es Sache der Nachsichtswerberin/des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Legt die/der Abgabepflichtige jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, so ist es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren ().

Da von der Bw. selbst keine sachliche Unbilligkeit behauptet wurde, war nunmehr zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall eine persönliche Unbilligkeit vorliegt. Hierbei ist jedoch noch keine Ermessensentscheidung zu treffen, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff auszulegen.

Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen der Nachsichtswerberin/des Nachsichtswerbers gefährdet, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme ().

Für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit muss ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich der Bw. entstehenden Nachteilen bestehen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz der Nachsichtswerberin/des Nachsichtswerbers gefährden würde.

Laut Feststellungen über die wirtschaftliche Lage der Bw. vom erhält sie eine monatliche Pensionszahlung von € 680,00 sowie Unterhaltszahlungen des Ehegatten in unbekannter Höhe, besitzt ein Sparbuch mit einer Einlage von ca. € 6.000,00 (beim Finanzamt hinterlegt) sowie ein weiteres Sparbuch mit einer Einlage von rund € 16.000,00 sowie die zwei bereits genannten Liegenschaften, die einen Einheitswert von etwa € 10.000,00 (Gartenhaus) bzw. € 9.000,00 (Eigentumswohnung) aufweisen. Außerdem bestehen Bankverbindlichkeiten von € 24.000,00 als Altlast ihres ehemaligen Gewerbetriebes.

Entgegen der Ansicht der Bw. bewirkt die Veräußerung der beiden Liegenschaften zwar keine Verschleuderung ihres Vermögens, stellt jedoch dennoch eine persönliche Unbilligkeit dar, weil dadurch ihr dringendes Wohnbedürfnis befriedigt wird und sich die Bw. andernfalls im Hinblick auf die geringen Pensionszahlungen eine Mietwohnung auf dem freien Markt nicht leisten könnte. Eine Gefährdung der Existenz kann daher im Einbringungsfall nicht ausgeschlossen werden.

Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (). Bei der Ermessensübung wird vor allem das bisherige steuerliche Verhalten der/des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen sein ().

Gegen die Bw. spricht, dass die aushaftenden Abgabennachforderungen zum überwiegenden Teil aus bereits weit zurückliegenden Besteuerungsperioden stammen (zB Umsatzsteuer 1995-1999), allerdings spricht wiederum für die Bw., dass sie immer versuchte, mit dem Finanzamt einvernehmliche Regelungen zur Abstattung der Verbindlichkeiten zu treffen, und auch immer wieder größere Einzahlungen auf das Abgabenkonto geleistet wurden. So entrichtete sie am den Betrag von € 30.000,00 und zahlte auch die in Aussicht gestellten (zwar angesichts der Gesamthöhe des Rückstandes inadäquaten, jedoch im Hinblick auf die Höhe ihrer Einkünfte durchaus angemessenen) Ratenzahlungen von € 150,00 regelmäßig monatlich ab Jänner 2012 ein.

Für einen Schuldnachlass spricht auch der schlechte Gesundheitszustand der Bw. Allerdings lässt sich aus der geringen Höhe ihrer Pensionseinkünfte nichts gewinnen, weil diese unter dem Existenzminimum liegen und daher ohnehin nicht gepfändet werden könnten.

Letztlich spricht aber auch gegen eine Nachsichtsgewährung, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (). Da die Bw. in ihrer Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse vom Bankverbindlichkeiten über € 24.000,00 bekanntgab, kann eine Nachsicht im Sinne des Vorschlages der Bw., dem Finanzamt 60 % aus dem Verkaufserlös der Eigentumswohnung zukommen zu lassen, nicht in Betracht kommen, weil aus dem einbehaltenen Verkaufserlös von prognostizierten € 28.000,00 die Bankverbindlichkeiten zur Gänze getilgt werden könnten, hingegen die angebotenen € 42.000,00 für die Abgabenschuld lediglich eine Reduktion von nicht einmal 20 % bedeuten würde.

Dieser Umstand rechtfertigt allerdings auch keine völlige Abweisung des Nachsichtsbegehrens, sodass unter Abwägung aller aufgezeigten Aspekte unter der Bedingung, dass 90 % des Verkaufserlöses der Liegenschaft XY , sowie 90 % der Einlage des der Bw. laut Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse noch verbliebenen Sparbuches der Bawag PSK Konto-Nr. XYZ (mit rund € 16.000,00 beziffert), auf das Abgabenkonto eingezahlt wird, unter Berücksichtigung des Realisates aus dem bereits beim Finanzamt hinterlegten Sparbuch der Bank Austria Konto-Nr. ZYX (mit rund € 7.000,00 beziffert), die Nachsicht der danach verbleibenden, den Betrag von € 80.000,00 (der in Relation zu den jeweiligen Einheitswerten präsumptive Wert der Liegenschaft YZ ) übersteigenden Abgabenverbindlichkeiten bewilligt wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at