OGH vom 16.03.2017, 1Ob49/17p

OGH vom 16.03.2017, 1Ob49/17p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Mag. U***** F*****, vertreten durch die BHF Briefer Hülle Frohner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen den Antragsgegner Dr. H***** F*****, vertreten durch Mag. Rudolf Fidesser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 515/16t-137, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 3 Fam 83/11v-127, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach – insofern bestätigt durch das Rekursgericht – aus, dass sich eine bestimmte Liegenschaft, auf der sich ein abbruchreifes Haus befindet, im Alleineigentum des Antragsgegners verbleibt.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Antragstellerin die lastenfreie Übertragung der Liegenschaft in ihr Eigentum an.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht hat sich mit der von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang erhobenen Beweis- und Tatsachenrüge auseinandergesetzt. Zwar enthält die zweitinstanzliche Entscheidung keine eigenständigen rechtlichen Argumente dazu, jedoch ist erkennbar, dass das Rekursgericht die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zum Verbleib der Liegenschaft im Eigentum des Antragsgegners teilte. Jedenfalls liegt der behauptete Mangel des zweitinstanzlichen Verfahrens nicht vor.

2. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS-Justiz RS0079235 [T1]). Die Aufteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0113732).

3. Die Antragstellerin geht ebenso wie die Vorinstanzen davon aus, dass die während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft mit überwiegenden finanziellen Mitteln des Antragsgegners und seiner Mutter angeschaffte Liegenschaft der Aufteilung unterliegt (siehe RIS-Justiz RS0057298; RS0057401; RS0057478). Nach § 90 Abs 1 EheG darf die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. Nach der Rechtsprechung wird die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen tendenziell an strenge Voraussetzungen geknüpft und deshalb auch als „ultima ratio“ bezeichnet (5 Ob 136/10a mwN = RIS-Justiz RS0057905 [T2]). Dass die Vorinstanzen die im Alleineigentum des Antragsgegners stehende Liegenschaft nicht auf die Antragstellerin übertrugen, ist unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.

Entgegen der Meinung der Antragstellerin sind die Kreditrückzahlungen aus dem Vermögen der Mutter des Antragsgegners nicht auch als zu ihren Gunsten erfolgt zu beurteilen. Stammen Zuwendungen von Angehörigen des beschenkten Ehegatten, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Zuwendung jenem Ehegatten zugute kommen soll, zu dem der Leistende in verwandtschaftlicher Beziehung steht. Dies gilt insbesondere für Geldgeschenke (2 Ob 25/10f = SZ 2010/164 = iFamZ 2011/119, 163 [Deixler-Hübner] = EF-Z 2011/40, 67 [Gitschthaler]; RIS-Justiz RS0057458 [T4]). Da feststeht, dass der Antragsgegner das Geld von seiner Mutter als Vorschuss auf sein Erbe erhielt und diese Zuwendungen nicht auch der Antragstellerin zukommen sollten, liegen keine Anhaltspunkte vor, dass es sich dabei um „eheliche Mittel“ handeln könnte.

4. Es mag Fälle geben, in denen zwar nur ein Ehegatte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, das Haus während der Ehe errichtet wurde, die früheren Ehegatten hiezu etwa zu gleichen Teilen beigetragen haben und sie im Innenverhältnis übereinstimmend der Auffassung waren, dass das Haus ihnen beiden „gehört“, sie also beide übereinstimmend der Meinung waren, materiell Miteigentümer zu sein, die Verbücherung beider früheren Ehegatten aber allenfalls nur aus Bequemlichkeit oder wegen fehlendem Problembewusstsein unterblieben ist (vgl 3 Ob 2224/96x = RIS-Justiz RS0108236). Unter derartigen Umständen wird dem Bewahrungsgrundsatz nur geringere Bedeutung zukommen, jedoch kann vom Vorliegen eines solchen Falls auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen – nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Beiträge zur Finanzierung der Liegenschaft durch die Mutter des Antragsgegners – nicht ausgegangen werden.

5. Ein Rechtsprechungsgrundsatz dahin, dass das von der Antragstellerin betonte – im Gesetz ohnehin nicht positivierte – Optionsrecht des schuldlos (hier – des weniger schuldig) geschiedenen Ehegatten (vgl dazu RIS-Justiz RS0057387 [T1, T 26]; RS0057523 [T5]) den Bewahrungsgrundsatz allein und gänzlich entkräftet, existiert nicht (5 Ob 136/10a).

6. Der Umstand, dass der Antragsgegner ab 2007 die Liegenschaft nicht mehr genutzt hat, ist darauf zurückzuführen, dass nach der Trennung der Parteien die Antragstellerin das Haus im Sommer bewohnte und dem Antragsgegner seit Juni 2012 mit einstweiliger Verfügung die Nutzung untersagt wurde. Gerade die unterlassene Nutzung nach Erlassung der einstweiligen Verfügung gemäß § 382a Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO besagt aber nicht, dass der Antragsgegner kein Interesse mehr an der Liegenschaft hätte. Wenn die Vorinstanzen im konkreten Einzelfall keine Übertragung des Eigentums an dieser Liegenschaft vornahmen, wirft dies keine erhebliche Rechtsfrage auf, haben sie doch dadurch ihren Ermessensspielraum nicht in korrekturbedürftiger Weise überschritten (vgl RIS-Justiz RS0108755 [T1]; RS0113732).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00049.17P.0316.000
Schlagworte:
Familienrecht

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