OGH vom 19.03.2015, 1Ob49/15k

OGH vom 19.03.2015, 1Ob49/15k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** G***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A***** Gesellschaft mbH, gegen die beklagten Parteien 1. I***** Gesellschaft mbH, *****, und 2. Ing. M***** P*****, beide vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft Blümke Schöppl, Linz, wegen 45.457,53 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 210/14m 14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 1 Cg 76/14p 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. § 879 Abs 3 ABGB, auf den sich die Revisionswerber berufen, ist nur auf Vertragsbestimmungen anzuwenden, die in „Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern“ enthalten sind. Die genannten Gesetzesbegriffe werden überwiegend dahin ausgelegt, dass es um Vertragsbedingungen geht, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert hat, etwa auch in Form von bloßen Textbausteinen (vgl dazu nur Bollenberger in KBB 4 § 864a Rz 1 mit Judikaturnachweisen).

Dass der Kläger den Vertragstext und insbesondere die hier maßgeblichen Bestimmung über die Fälligkeit des Kaufpreises für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert hätte, haben die Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Die Revisionsdarlegung, der Kläger verwende in seinen vorformulierten Verträgen zum Verkauf von Liegenschaften aus Konkursmassen soweit für die Beklagten ersichtlich und ermittelbar stets Wendungen mit denen dem Käufer eine Vorausleistungspflicht (ohne Sicherung des Erwerbers durch einen Treuhänder) auferlegt wird, ist einschließlich der dazu vorgelegten Urkunden als unzulässige Neuerung unbeachtlich (§ 504 Abs 2 ZPO).

2. Auch eine Sittenwidrigkeit im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB liegt nicht vor: Zur von den Beklagten bezweifelten Ausgewogenheit der wechselseitigen Vertragspositionen hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass nach dem Vertrag zwar der Kaufpreis innerhalb von sieben Tagen nach Vertragsunterfertigung fällig war, andererseits aber die Beklagten schon mit Rechtswirksamkeit des Vertrags (und damit noch vor Kaufpreiszahlung) in den physischen Besitz und Genuss der Liegenschaft gelangen sollten. Diesem Argument wird in der Revision lediglich entgegengehalten, den Käufern komme vorerst nur die Nutzungsmöglichkeit, nicht aber das (vom Verkäufer geschuldete) Eigentum zu. Dies reicht für sich aber für die Annahme einer sittenwidrigen Verschlechterung ihrer Rechtsposition nicht aus. Unverständlich ist das weitere Argument, die faktische Besitzeinräumung könne „bei allfälligen Konkursszenarien“ jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, kommt doch der Konkurs einer Insolvenzmasse nicht in Betracht.

3. Eine erhebliche und damit sittenwidrige Unausgewogenheit sehen die Beklagten vor allem darin, dass ihnen die vertraglich vorgesehene Vorauszahlungspflicht ohne Zwischenschaltung eines Treuhänders zur Sicherung der Käufer eine Position aufgedrängt habe, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch nicht ohne Weiteres auf sich nehmen würde. Damit wird aber in keiner Weise darauf Bedacht genommen, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Liegenschaftserwerb, sondern um einen Kauf aus einer Konkursmasse handelt, der für den Käufer schon typischerweise erheblich geringere Risiken birgt als der Erwerb von einem Eigentümer, dessen wirtschaftliche Lage, Seriosität und Verlässlichkeit oft nicht leicht eingeschätzt werden kann. Bei einem Erwerb vom Masseverwalter entfällt jedenfalls wegen der im Insolvenzverfahren bestehenden Exekutionssperre (§ 10 Abs 1 IO) das Risiko einer Verschlechterung des Kaufgegenstands durch zwischenzeitig begründete Zwangspfandrechte. Mit der (vertraglich vorgesehenen) Überweisung des Kaufpreises auf ein Massekonto ist auch gewährleistet, dass der Kaufpreis zur späteren Befriedigung der Konkursgläubiger verwendet wird, was letztlich auch eine Löschung der vor Insolvenzeröffnung intabulierten Pfandrechte zur Folge hat.

Welchen Gefahren die Revisionswerber aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung, die eine Vorauszahlung des Kaufpreises vorsah, in unzumutbarer Weise ausgesetzt sein sollten, bleibt auch in ihren umfangreichen Revisionsausführungen offen. Die bloße Rechtsbehauptung, an den den Käufern auferlegten wirtschaftlichen Risiken ändere auch der Umstand nichts, dass der Verkäufer ein Masseverwalter ist, vermag substantielle inhaltliche Ausführungen nicht zu ersetzen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00049.15K.0319.000