Abweisung einer Aussetzung der Vollziehung nach Art 244 ZK
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der D-GmbH, Adr., vertreten durch Graf von Westphalen Bappert & Modest, Rechtsanwälte, 20354 Hamburg, Große Bleichen 21, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Salzburg/Erstattungen vom , Zl. 610/00000/6/1999, betreffend Aussetzung der Vollziehung nach Art 244 ZK entschieden:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Im verfahrensgegenständlichen Fall sprach das Zollamt Salzburg/Erstattungen (ZASE) dem Beschwerdeführer (Bf.) im Oktober 1999 mit Bescheid eine Ausfuhrerstattung in Höhe von EUR 4.954,98 zu. Diese Summe forderte die belangte Behörde von der D-GmbH mit Bescheid vom zurück und schrieb gleichzeitig eine Sanktion nach Artikel 51 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 800/99 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Höhe von EUR 9.910,00 sowie Zinsen in Höhe von EUR 986,69vor.
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. mit Schreiben vom form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und stellte im selben Schriftsatz einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung. Der Aussetzungsantrag wird mit dem Argument, die Berufung wäre nach Lage des Falles keineswegs als wenig Erfolg versprechend zu bezeichnen, auf § 212a BAO gestützt. Im Berufungsverfahren der Hauptsache wird eine nach Ansicht der Bf. vorliegende Verletzung des Parteiengehörs vorgebracht sowie die angeblich bereits eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs eingewendet.
Mit Bescheid vom gab die Rechtsmittelbehörde erster Instanz der Berufung in der Hauptsache teilweise statt. Sie reduzierte den Sanktionsbetrag in Höhe von 200% des Differenzbetrages zwischen beantragter und geltender Erstattung auf 50% dieses Wertes, weil ihrer Ansicht nach ein Nachweis für ein vorsätzliches Handeln des Ausführers nicht vorliegt. Ebenfalls am wies das ZASE den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art 244 Zollkodex 1992 (ZK) in Verbindung mit § 212a BAO mit der Begründung ab, über den Antrag auf Aussetzung könne wegen ergangener Berufungsvorentscheidung in der Hauptsache nicht mehr meritorisch entschieden werden.
Gegen die Abweisung der Aussetzung der Vollziehung brachte die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter mit Schreiben vom eine Berufung ein und begründete diese im Wesentlichen damit, die Erfolgsaussichten des gegen die Berufungsvorentscheidung vom eingelegten Rechtsmittels der Beschwerde würden überwiegen und argumentiert dabei inhaltlich mit dem Beschwerdevorbringen. Mit dem nunmehr vor dem Unabhängigen Finanzsenat angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der dagegen mit Schriftsatz vom eingebrachten Beschwerde beantragt die Bf. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Auf Grund der nationalen Bestimmung des § 1 Abs 5 des Ausfuhrerstattungsgesetzes (AEG) ist im Aussetzungsverfahren betreffend Rückforderung von Ausfuhrerstattungen Art 244 ZK anzuwenden. Die nationalen Bestimmungen über die Zahlungserleichterungen und die Aussetzung der Einhebung der Abgaben nach § 212a BAO sind nur insoweit anzuwenden, als diese Art 244 ZK nicht entgegenstehen oder Art 244 ZK keine Regelung enthält und eine solche dem nationalen Gesetzgeber überlassen wird ( Zl. 98/17/0227).
Der verfahrensgegenständliche Aussetzungsantrag vom wird zwar wie erwähnt ausschließlich auf § 212a BAO gestützt, da jedoch aus dem Schreiben der Parteiwille eindeutig hervorgeht, war über den Antrag auf der Grundlage der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden.
Bei der Aussetzung der Vollziehung nach Art 244 ZK handelt es sich, wie bei der Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, um eine begünstigende Bestimmung. Der Abgabepflichtige hat daher aus eigenem überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen ( Zl. 2002/16/0139). Dem Wortlaut im Schriftsatz vom , die Berufung wäre nach Lage des Falles keineswegs als wenig Erfolg versprechend zu bezeichnen, ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung als Aussetzungsgrund sieht. Die Gefahr eines unersetzbaren Schadens wurde nicht geltend gemacht.
Die belangte Behörde wies den Aussetzungsantrag mit Bescheid vom mit dem Argument als unbegründet ab, über die Berufung gegen den beeinspruchten Bescheid wäre zwischenzeitlich mit Berufungsvorentscheidung entschieden worden. Da über den Aussetzungsantrag bis zum Ergehen der Entscheidung in der Hauptsache nicht entschieden wurde, wäre der Antrag, wie die belangte Behörde sinngemäß ausführt, aufgrund der Bestimmung des § 212a Abs 5 BAO - ohne Prüfung von vorgebrachten Aussetzungsgründen - als unbegründet abzuweisen. Diese Vorgangsweise erweist sich im Lichte des VwGH-Erkenntnisses vom , Zl. 2002/16/0047, das ebenfalls in einer Ausfuhrerstattungsangelegenheit ergangenen ist, als verfehlt. Dort wird ausgeführt:
"[...] Die belangte Behörde stützte ihre abweisenden Entscheidungen unter Bejahung der Anwendbarkeit des Art. 244 Zollkodex (ZK) - ohne auf die Sache einzugehen - allein auf den Umstand, dass die den "betreffenden Aussetzungsverfahren zugrunde liegenden Rechtsbehelfsverfahren mit Berufungsentscheidungen (der belangten Behörde) vom ...abgeschlossen (wurden). Durch das Ergehen der Berufungsentscheidungen liegen keine angefochtenen Entscheidungen mehr vor. Die Beschwerde war daher ohne näheres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen abzuweisen ..."
Diese Rechtsansicht widerspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Aussetzungsbestimmungen des § 212a BAO und des Art. 244 ZK, wonach dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass die Erledigung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung nur bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die maßgebende Berufung zulässig wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/16/0018, und vom , Zl. 91/14/0164, auf deren nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Demnach hätte sich die belangte Behörde in den vorliegenden Fällen nicht auf die mittlerweile erfolgte Erledigung der maßgeblichen Verfahren in den Hauptsachen berufen dürfen, sondern hätte dessen ungeachtet über die Beschwerden in den Aussetzungsverfahren in der Sache entscheiden müssen. [...]"
Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist identisch zu beurteilen. Auch das ZASE hätte sich nicht auf die mittlerweile ergangene Erledigung in der Hauptsache berufen dürfen, sondern die belangte Behörde hätte sich im erstinstanzlichen Aussetzungsverfahren mit dem geltend gemachten Aussetzungsgrund (begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung) inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Gegen die Abweisung der Aussetzung legte die Bf. form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und führt darin begründend aus, die Erfolgsaussichten des gegen die Berufungsvorentscheidung vom eingelegten Rechtsmittels der Beschwerde würden überwiegen. Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, sie würde die Ansicht der Bf. zu den Erfolgsaussichten der Beschwerde nicht teilen. Die Begründung ist in diesem wesentlichen Punkt wiederum verfehlt.
Nach der in Österreich für das Verfahren der Aussetzung geltenden Bestimmung des § 212a Abs 5 BAO schließt die Verfügung des Ablaufs anlässlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung eine neuerliche Antragstellung im Falle der Einbringung eines Vorlageantrages (sinngemäß: Beschwerde) nicht aus. Ein Rechtsmittelwerber kann also sowohl zum Rechtsbehelf der ersten Stufe (Berufung) als auch auf der zweiten Rechtsbehelfsstufe (Beschwerde) einen Aussetzungsantrag stellen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Aussetzungsantrag zur Berufung, nicht zur Beschwerde. Die belangte Behörde übersieht in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung vom , dass sie in diesem Fall nicht die Erfolgsaussichten der Beschwerde, sondern die Erfolgsaussichten der Berufung zu beurteilen hat. Dazu der VwGH im Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0018:
"Wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag geprüft werden, so sind darunter die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag durch die Behörde erster Instanz zu verstehen, wobei die Aussichten der Berufung an Hand des Berufungsvorbringens zu prüfen sind (Hinweis E , 98/16/0296)."
In diesem Sinne hat der Unabhängige Finanzsenat nun zu prüfen, ob sich aus dem in der Berufung vom Vorgebrachten begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides vom ergeben. Die Berufung wird mit dem Vorliegen einer Verletzung des Parteiengehörs sowie mit der angeblich bereits eingetretenen Verjährung des Rückforderungsanspruchs begründet.
Aus der Aktenlage ergibt sich jedoch kein Hinweis auf eine Verletzung des Parteiengehörs. Maßgebliche Vertreter der D-GmbH wurden im Zuge einer am im Unternehmen durchgeführten Hausdurchsuchung mit dem Gegenstand der Ermittlungen vertraut gemacht und hatten im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme Gelegenheit, zur Sachverhaltsannahme der Behörde Stellung zu nehmen. Es kann aber ohnehin dahingestellt bleiben, ob im Rahmen der Erlassung des Rückforderungsbescheides das Parteiengehör verletzt wurde, weil die Verletzung des Parteiengehörs kein absoluter Verfahrensmangel ist. Selbst wenn die Abgabenbehörde erster Instanz das Recht auf Parteiengehör verletzt hätte, wäre dieser Mangel im Berufungsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid sanierbar gewesen (siehe dazu Ritz, BAO Kommentar, Rz 21 zu § 115).
Im Zeitpunkt der Antragstellung zur Aussetzung war die Frage, ob die vierjährige Verjährungsbestimmung der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften im Ausfuhrerstattungsrecht Anwendung findet, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH anhängig (Handlbauer, Rs C-278/02). Nach Witte/Alexander (Zollkodex Kommentar Art 244 Rz 19) ist regelmäßig wenigstens insoweit Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, als eine Rechtsfrage des Rechtsstreits dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art 234 EGV vorgelegt wurde. Das EuGH-Urteil im Fall Handlbauer erging am ; über den Aussetzungsantrag wurde am entschieden. Nachdem für die Beurteilung der Aussetzungsgründe die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Abgabenbehörde erster Instanz maßgebend sind, und in der Rs C-278/02 die in der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 enthaltenen Verjährungsbestimmungen im Ausfuhrerstattungsrecht für anwendbar erklärt wurden, ergeben sich auch aus der Verjährungseinwendung keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Wie oben bereits ausgeführt, sind im Aussetzungsverfahren zur Berufung die Voraussetzungen anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen. Somit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die in der Beschwerde vom enthaltene Begründung, weil die Bf. - mit einer zur Beschwerde vom in der Hauptsache übereinstimmenden Begründung - die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung in "erheblichen Erfolgsaussichten für das bereits anhängige Rechtsmittel der Beschwerde" sieht.
Da sich zum Zeitpunkt aus dem Berufungsvorbringen in der Hauptsache keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rückforderungsbescheides vom ergeben haben, erweist sich die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung, und damit die abweisende Berufungsvorentscheidung im Aussetzungsverfahren, dem Grunde nach als richtig. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 244 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Ausfuhrerstattung Aussetzung der Vollziehung begründete Zweifel angefochtene Entscheidung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at