Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.03.2011, RV/0031-W/11

Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der FinanzOnline-Verordnung, Rückgängigmachung einer Überrechnung,


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Miterledigte GZ:
RV/0833-W/11

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 624/11 eingebracht. Mit Beschluss vom abgelehnt und dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/13/0002 eingebracht. Zurückweisung mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/0031-W/11-RS1
wie RV/0032-W/11-RS1
Bringt eine für FinanzOnline zuständige Sachbearbeiterin einer mit Geldvollmacht ausgestatteten Steuerberatungskanzlei unter missbräuchlicher Verwendung der Teilnehmeridentifikation Rückzahlungs- bzw. Überrechnungsanträge ein, so gelten diese gemäß § 1 Abs. 4 FOnV als von einem legitimierten Steuerberater gestellt. Darauf beruhende Überweisungen des Finanzamtes sind rechtmäßig. Dem Teilnehmer, nicht jedoch dadurch geschädigten anderen Personen, wird jedoch das Recht eingeräumt, glaubhaft zu machen, dass das Anbringen trotz Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten (§ 1 Abs. 3 FOnV) unter missbräuchlicher Verwendung seiner Teilnehmeridentität durch einen Dritten gestellt wurde (§ 1 Abs. 4 FOnV).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat10 im Beisein der Schriftführerin E. über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vertreten durch W., vom betreffend Rückbuchung einer Überrechnung und über die Berufung vom betreffend Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO) vom nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom brachte der Berufungswerber (Bw.) einen Antrag auf "Rückbuchung einer Steuerübertragung" ein.

Begründend wurde ausgeführt, dass die X-Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH(richtig: X- Wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberatung, im Folgenden kurz X- ) am die Übertragung eines Betrages von € 70.000,00 auf ihr eigenes Steuerkonto veranlasst habe, obwohl diesbezüglich kein Auftrag und keine Geldvollmacht vorlägen.

Es werde daher um Rückbuchung dieses Betrages auf das Steuerkonto des Bw. ersucht.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Umbuchung und Überrechnung eines Guthabens vom Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen auf jenes eines anderen Abgabepflichtigen nur mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommen werden dürfe, wobei die Zustimmung auch von einem mit ordnungsgemäßer Geldvollmacht ausgestatteten Vertreter des Verfügungsberechtigten erteilt werden könne. Im vorliegenden Fall sei die Überrechnung in Höhe von € 70.000,00 zu Gunsten des Abgabenkontos beim Finanzamt Wien 4/5/10 mit der Steuernummer 123/4567auf Grund der zu diesem Zeitpunkt aufrechten Geldvollmacht des steuerlichen Vertreters erfolgt.

Eine Rückbuchung könnte allenfalls unter gleichen Voraussetzungen nur mit Zustimmung der Verfügungsberechtigten, nämlich der X-erfolgen.

In der dagegen am form- und fristgerecht eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, dass die Übertragung des Betrages in Höhe von € 70.000,00 auf das Steuerkonto der X-erfolgt sei, obwohl diesbezüglich keine Geldvollmacht vorgelegen sei.

Wenn sich die X-auf eine Geldvollmacht berufen habe, die nun tatsächlich nicht vorgelegen sei, könne dies nicht zu Lasten des zu Unrecht als Vollmachtgeber Bezeichneten gehen, überdies handle es sich hier um ein offensichtliches Insichgeschäft, da das Guthaben vom Steuerkonto des Bw. zur Abdeckung eines Rückstandes auf dem Steuerkonto der X-überrechnet worden sei.

Dieses Insichgeschäft sei zu keiner Zeit durch eine Geldvollmacht, noch durch eine besondere Vollmacht gedeckt gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Selbstkontrahieren nur dann zulässig, wenn jegliche Gefährdung der Vertretenen ausgeschlossen oder das Insichgeschäft vom Vertretenen gestattet worden sei. Ein weiteres Erfordernis für die Wirksamkeit des Selbstkontrahierens sei ein nach außen in Erscheinung tretender Akt (Manifestationsakt) der für Dritte feststellbar sei (, 426/76).

Wenn eine entsprechende Vollmacht nicht vorliege, sei das Auftrags- oder Vertragsverhältnis nichtig und der Bw. sei so zu stellen, als ob die Übertragung nie erfolgt wäre.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom wurde begründend ausgeführt, dass für einen Antrag auf Rückzahlung an jemand anderen als den Abgabepflichtigen oder Überrechnung von Guthaben auf ein Abgabenkonto anderer Personen als des Abgabepflichtigen, somit auch auf das Abgabenkonto des Bevollmächtigten es einer Geldvollmacht bedürfe.

Die mit eingebrachte Vollmacht vom gelte als Geldvollmacht. Entgegen den Ausführungen in der Berufung, dass der Vertreter sich lediglich auf die Berufung (Anm: gemeint offenbar Vollmacht) berufen habe, diese jedoch nicht vorgelegen sei, werde auf die Beilage verwiesen. Somit würde sich eine weitere Auseinandersetzung mit den Angaben in der Berufung bezüglich der fehlenden Vollmacht erübrigen.

Dagegen beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend zum bisherigen Vorbringen aus, dass er, wie sich aus dem Steuerakt ergebe, Vollmacht an die X-erteilt habe.

Diese Vollmacht umfasse entgegen der mit der X-getroffenen Vereinbarung jedoch auch eine Geldvollmacht.

Sämtliche Überweisungen (Steuervorauszahlungen) habe der Bw. immer auf sein Steuerkonto beim Finanzamt durchgeführt. Er stelle fest, dass der Betrag in Höhe von € 70.000,00 von seinem Steuerkonto abgebucht bzw. überrechnet worden sei.

Laut Abrechnungsbescheid vom seien die elektronisch eingebrachten Anträge auf Rückzahlung und Überrechnung von der steuerlichen Vertretung, der X-, unter Bezugnahme auf die Geldvollmacht vom , welche bis gültig gewesen sei, eingebracht worden.

Der gegenständliche Überrechnungsantrag auf das Steuerkonto der X-sei jedoch nicht von dieser gestellt worden, da, wie sich aus dem Strafakt beim Straflandesgericht Wien ergebe, diese nicht vom alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer Mag. G., sondern von Frau B. (Im Folgenden: Frau B.) ohne Wissen und Willen des Geschäftsführers gestellt worden sei.

Dieser Antrag sei aus folgenden Gründen für den Bw. unwirksam gestellt worden:

Sollte der Antrag ersichtlich von Frau B. eingebracht worden sein, dann wäre dieser zurückzuweisen gewesen. "Einschreiter" im Sinne des § 85 Abs. 2 BAO sei, wer das Anbringen bei der Behörde stelle, sei es für sich oder für einen anderen, wer also der Behörde gegenüber tätig werde. Sei ein Antragsteller nicht legitimiert, sei er nicht befugt, das den Gegenstand des Anbringens Bildende rechtens geltend zu machen, so sei das Anbringen nicht in meritorische Behandlung zu nehmen, es sei zurückzuweisen ().

Bestünden Zweifel, wem ein Anbringen zuzurechnen sei, wer Träger des Begehrens sei, wer Ansprüche in materieller oder verfahrensrechtlicher (prozessualer) Hinsicht erhebe, für wessen Rechtssphäre Erklärungen abgegeben oder Verbindlichkeiten eingegangen würden, so sei die Behörde, bei der Anbringen solcher Art eingebracht würden, verpflichtet, sich darüber etwa durch Anfragen, Erhebungen und Einvernahmen Klarheit zu verschaffen ( und vom , 85/10/129). Wiederholt sei, dass diese Erhebungen über den Träger des Anbringens nur dann erforderlich und von Bedeutung sei, wenn dem Anbringen nicht von vornherein und eindeutig als Einschreiter ein anderer als der Legitimierte zu entnehmen gewesen sei. Diesfalls wäre ohne besonderes Verfahren zurückzuweisen gewesen. Frau B. sei niemals eine Vollmacht vom Bw. erteilt worden und hätte auch nicht erteilt werden können, da sie zu keinem Zeitpunkt eine berufsberechtigte Person gewesen sei und somit auch keine befugte Bevollmächtigte habe sein können. Berufsberechtigte seien berechtigt, sich ihrer Angestellten im internen Kanzleibetrieb und im Außenverkehr als Erfüllungsgehilfen zu bedienen (§ 94 Abs. 1 WTBG). Verbindliche Erklärungen könne außer dem Berufsberechtigten selbst nur sein Vertreter gemäß § 92 oder § 93 oder ein von ihm selbst besonders ermächtigter Berufsberechtigter oder Berufsanwärter abgeben (§ 94 Abs. 3 WTBG). Frau B. sei nie Berufsberechtigte oder Berufsanwärterin gewesen. Auch die handelsrechtliche Stellung als Prokurist sei berufsrechtlich bedeutungslos. Aus diesem Grunde seien die von Frau B. abgegebenen Erklärungen bzw. Anbringen wirkungslos.

Sollte jedoch aus dem Antrag auf Überrechnung nicht ersichtlich sein, dass der Antrag von Frau B. eingebracht worden sei, so sei, wie sich aus dem Strafakt ergebe, dennoch erwiesen, dass der Antrag von ihr unter Vortäuschung einer Vertretungsbefugnis gestellt worden sei.

Frau B. sei für die X-nicht vertretungsberechtigt gewesen. Der Antrag sei daher nicht von der X-gestellt worden.

Die Betrugshandlung sei nicht gegenüber dem Bw. sondern gegenüber dem Finanzamt gesetzt worden. Frau B. habe, wie sie selbst in ihrem Schuldeingeständnis ausführe, nicht den Bw., sondern das Finanzamt getäuscht, in dem sie eine Vertretungsbefugnis für die X-vorgegeben habe.

Dies sei vergleichbar, als ob sie bei einem Papierantrag die Unterschrift des Mag.G. gefälscht hätte.

Mangels Vertretungsbefugnis habe somit nicht die Firma X-der Überrechnungsantrag gestellt.

Doch selbst wenn eine Vertretungsmacht vorgelegen wäre, könne ein vorhandenes Steuerguthaben niemals dazu verwendet werden, die Steuerschuld der bevollmächtigten X-abzudecken.

Dieses Insichgeschäft sei zu keiner Zeit durch eine Vollmacht gedeckt gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sei ein Selbstkontrahieren nur zulässig, wenn jegliche Gefährdung der Vertretenen ausgeschlossen sei oder das Insichgeschäft vom Vertretenen gestattet worden sei. Ein weiteres Erfordernis für die Wirksamkeit des Selbstkontrahierens sei ein nach außen in Erscheinung tretender Akt (Manifestationsakt), der für Dritte feststellbar sei.

Wenn eine entsprechende Vollmacht für das Insichgeschäft nicht vorliege, sei das Auftrags- oder Vertragsverhältnis nichtig und der Bw. sei so zu stellen, als ob die Übertragung nie erfolgt wäre.

2.) Mit Eingabe vom brachte der Berufungswerber einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides für die letzten fünf Jahre ein, da bei den vom Finanzamt getätigten Überrechnungen bzw. Umbuchungen Zweifel bestünden. Die Anträge dürften von einer nicht mit entsprechender Geldvollmacht ausgestatteten steuerlichen Vertretung beantragt worden sein, wenn überhaupt von einer standesrechtlichen aktivlegitimierten Person.

In dem am erlassenen Abrechnungsbescheid führte das Finanzamt aus, dass das Abgabenkonto zum einen Stand von € 0,00 aufweise.

Es seien im besagten Zeitraum folgende Rückzahlungen (Geschäftsfall 20 und Überrechnungen (Geschäftsfall 10) durchgeführt worden:

GF 20 € 27.876,57
GF 20 € 9.450,37
GF 20 € 5.000,00
GF 20 € 8.444,23
GF 20 € 28.140,00
GF 20 € 28.140,00
GF 20 € 32.203,63
GF 20 € 59.348,82
GF 10 € 70.000,00 (Zu Gunsten des Abgabenkontos 00-123/4567)
GF 20 € 25.000,00
GF 20 € 25.000,00

Die Rückzahlungen sowie die Überrechnung seien auf Grund von elektronisch eingebrachten Anträgen des steuerlichen Vertreters, der X-,unter Bezugnahme auf die Geldvollmacht vom , gültig bis , erfolgt.

Die Begründung zu der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung ist im wesentlichen inhaltsgleich mit dem oben angeführten Vorlageantrag betreffend Rückbuchung und wird daher nicht wiedergegeben.

Zusätzlich wurde vorgebracht, dass - soferne die Anträge ersichtlich von Frau B. eingebracht worden seien, dies dem Finanzamt spätestens zum Zeitpunkt der ersten Übertragung hätte auffallen müssen.

Weiters wurde zusammenfassend festgehalten, dass Anbringen von Frau B.auf Grund ihrer fehlenden Legitimation als ungültig und wirkungslos zu behandeln seien. Somit hätte auch keine Rückzahlung und Überrechnung von Seiten des Finanzamtes an einen Nichtberechtigten durchgeführt werden dürfen. Folge man den Richtlinien für die Abgabeneinhebung (RAE) RZ 1937, so würden bei einem Fehler des Finanzamtes Rückzahlungen an einen Nichtberechtigten keine schuldbefreiende Wirkung für das Finanzamt bewirken, eine neuerliche Auszahlung an die Berechtigten hätte zu erfolgen.

Die Buchung vom , Geschäftsfall 20, in Höhe von € 28.140,00 sei anscheinend irrtümlich doppelt erfasst worden.

Die Anberaumung einer mündlichen Senatsverhandlung wurde beantragt.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Teilnehmer X- die gegenständlichen Anträge über FinanzOnline eingebracht habe, jedoch seien diese Anträge offenkundig von Frau B. gestellt worden. Dies sei auch in ihrem Schuldeingeständnis dokumentiert.

Wenngleich die FinanzOnline-Verordnung verfüge, dass unter einer bestimmten Teilnehmeridentifikation gestellte Anträge auf jeden Fall der Kanzlei zuzurechnen seien, werde im gegenständlichen Fall zu überprüfen sein, durch welche Person die gegenständlichen Anträge auf Grund der Benutzeridentifikation (BENID) gestellt worden seien. In Zeiten, in denen derartige Anträge mit Unterschriften der legitimierten Personen gestellt hätten werden müssen (vor FinanzOnline), wären derartige Anträge nicht rechtsgültig gewesen. Nunmehr sei dem Missbrauch bei unbefugter Verwendung der BENID Tür und Tor geöffnet.

Es werde der Beweisantrag gestellt, beim BRZ festzustellen, mit welcher BENID des Teilnehmers X-die gegenständlichen Anträge gestellt worden seien, zum Beweis dafür, dass diese Anträge von einer nach dem WTBG nicht legitimierten Person gestellt worden seien.

Sollte die FinanzOnline-Verordnung dem WTBG widersprechen, wäre diese gesetzwidrig.

Der Bw. lege den Abschlussbericht des Landespolizeikommandos Wien vom vor, aus welchem hervorgehe, dass sich Fr. B. im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung schuldig bekannt hat, die gegenständlichen Anträge ohne Wissen ihres Gatten gestellt zu haben.

Der Bw. führte in der mündlichen Berufungsverhandlung weiters aus, dass das zuständige Finanzamt bei der Überrechnung vom Bedenken hätte haben müssen, dass derartig hohe Beträge von seinem Konto auf das Konto der X-überrechnet werden und auch Bedenken gehabt habe, wie sich aus der Zeugeneinvernahme des W. vom vor dem Landeskriminalamt Niederösterreich ergebe.

Weiters brachte der Bw. vor, dass das Betriebsfinanzamt der X-mit Konkurs gedroht habe und deswegen die Überrechnung der Steuerguthaben erfolgt sei. In der Folge habe das Betriebsfinanzamt dann Bedenken gegen die Überrechnung gehabt, welche erst ein halbes Jahr später dokumentiert worden seien.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Ausgehend vom Standpunkt des Bw., dass die am erfolgte Überrechnung des Betrages in Höhe von € 70.000,00 von seinem Abgabenkonto unzulässig gewesen sei, besteht gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () in Wahrheit Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto des Bw. Ein derartiger Streit ist in einem Verfahren nach § 216 BAO auszutragen. Der Bescheid vom ist nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne der eben zitierten Gesetzesstelle zugänglich ().

Da über eine Abrechnung hinsichtlich einer bestimmten Abgabe nicht mehrmals abgesprochen werden kann, wird die Berufung gegen den Bescheid vom betreffend Rückbuchung einer Überrechnung in das Berufungsverfahren betreffend Abrechnung miteinbezogen.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde verbleibende Guthaben zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

§ 215 Abs. 4 BAO bestimmt, dass Guthaben, soweit diese nicht mit Abgabenschuldigkeiten verrechnet wurden, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 94/15/0033, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom , 84/13/0229, aussprach, folgt aus § 215 Abs. 4 BAO, dass Umbuchungen bzw. Überrechnungen von einem Abgabenkonto auf das Abgabenkonto eines anderen Steuerpflichtigen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommen werden dürfen, wobei die Zustimmung auch von einem mit ordnungsgemäßer Geldvollmacht ausgestatteten Vertreter des Verfügungsberechtigten erteilt werden kann. Das bedeutet aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass die Abgabenbehörde dann, wenn sie gegen dieses Gebot verstößt, den unzulässigen Buchungsvorgang wiederum rückgängig machen könnte. Denn mit der Rückgängigmachung würde sie wieder gegen dasselbe Gebot verstoßen; sie würde die "Rückbuchung" (Umbuchung, Überrechnung) ohne Zustimmung des nunmehr Verfügungsberechtigten vornehmen.

Die Ausführungen des Bw. konzentrieren sich darauf, dass die Rückzahlungsanträge bzw. der Überrechnungsantrag unwirksam seien, da Frau B. zu deren Einbringung nicht legitimiert gewesen sei.

Gemäß § 1 Abs. 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 haben Parteien und deren Vertreter, die an FinanzOnline teilnehmen und dafür von den Abgabenbehörden eine Teilnehmeridentifikation, Benutzeridentifikation und ein persönliches Passwort (PIN) erhalten, diese, auch wenn sie selbst bestimmt wurden, sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe darauf zu verhindern und die Weitergabe der Benutzeridentifikation und des persönlichen Passworts (PIN) zu unterlassen. Die Weitergabe der Teilnehmeridentifikation zum Zweck der Einräumung entsprechender Benutzeridentifikationen an andere Personen ist im eigenen Verantwortungsbereich des Teilnehmers nach Maßgabe der für den jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung stehenden Funktionen (Abs. 2) zulässig, doch haben die so berechtigten Personen dieselben Sorgfaltspflichten, insbesondere dürfen die Benutzeridentifikation und das persönliche Passwort (PIN) nicht weitergegeben werden. Der Teilnehmer darf jede Benutzeridentifikation jeweils nur einer natürlichen Person zuordnen.

Gemäß § 1 Abs. 4 FinanzOnline-Verordnung 2006 gilt ein unter einer bestimmten Teilnehmeridentifikation gestelltes Anbringen gilt unabhängig davon, wer die Übermittlung tatsächlich durchführt, als Anbringen desjenigen, auf den diese Teilnehmeridentifikation ausgestellt worden ist, es sei denn, der Teilnehmer macht glaubhaft, dass das Anbringen trotz Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten (Abs. 3) unter missbräuchlicher Verwendung seiner Teilnehmeridentität durch einen Dritten gestellt wurde. Dies gilt auch bei Datenübermittlung mittels eines Webservices (Abs. 2).

Eine Datenabfrage ergab, dass sämtlichen im Abrechnungsbescheid angeführten Rückzahlungen/Überrechnungen Anbringen, die unter Verwendung der Teilnehmeridentifikation der X-gestellt wurden, zu Grunde liegen.

Gemäß § 1 Abs. 4 FinanzOnline-Verordnung sind daher die gegenständlichen Rückzahlungs- und Überrechnungsanträge der X-zuzurechnen.

§ 1 Abs. 4 FinanzOnline-Verordnung lässt nur eine Glaubhaftmachung des Teilnehmers, nicht jedoch eines Dritten (des Bw.) zu, dass das Anbringen trotz Einhaltung der Sorgfaltspflichten unter missbräuchlicher Verwendung seiner Teilnehmeridentität durch einen Dritten gestellt wurde. Eine derartige Glaubhaftmachung durch den Geschäftsführer der X-ist nicht erfolgt.

Selbst wenn eine Glaubhaftmachung durch den Bw. möglich wäre, müsste die missbräuchliche Verwendung der Teilnehmeridentität trotz Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch den Geschäftsführer erfolgt sein, um eine Zurechnung zur Steuerberatung X- zu verneinen.

Eine derartige Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch den Geschäftsführer der X-ist im gegenständlichen Fall keinesfalls gegeben gewesen.

Gemäß dem vorliegenden Firmenbuchauszug fungierte Frau B.im Zeitraum bis als Prokuristin der X-. Die Abberufung steht offenbar im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen Frau B.wegen § 147 Abs. 2 StrG (Schwerer Betrug), das mit Verurteilung endete (Nachweis: EKIS Abfrage).

Dem Protokoll über die Gläubigerausschusssitzung im Konkurs über das Vermögen der genannten GmbH ist zu entnehmen, dass die Gemeinschuldnerin Kundengelder veruntreut hat.

Der Masseverwalter führt aus, dass nach Angaben des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin (die GmbH) Frau B. seit 19 Jahren die gesamte Administration der Kanzlei geführt habe. Sie sei auch für die gesamte Kontenverwaltung und Buchhaltung der Gemeinschuldnerin zuständig gewesen. Frau B. habe vorsätzlich verabsäumt, sieben Jahre hindurch Steuererklärungen bei dem für die Gemeinschuldnerin zuständigen Finanzamt einzureichen.

Weiters führt der Masseverwalter aus, dass Frau B. "faktische Geschäftsführerin" der Gemeinschuldnerin gewesen sei, sämtliche administrativen Tätigkeiten verrichtet habe und für die gesamte Buchhaltung und das Finanzonline zuständig gewesen sei.

Diese Feststellungen erhellen einerseits, dass die Handlungen der Frau B., die faktische Geschäftsführerin und für Finanzonline zuständig war, der X-zuzurechnen sind, andererseits, dass dem Geschäftsführer zumindest schwerwiegende Verletzungen der obliegenden Sorgfaltspflichten vorzuwerfen sind.

Trotz strafrechtlicher Verurteilung wegen schweren Betruges und offizieller Abberufung als Prokuristin beschäftigte er seine Gattin als faktische Geschäftsführerin mit Zugriff auf die Finanzonlinedaten, offensichtlich ohne diese in irgendeiner Form zu überwachen.

Dass er der Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist, ergibt sich schon daraus, dass die Rückzahlungen zum Teil auf Bankkonten der X-und teilweise auchauf das Abgabenkonto der GmbH durchgeführt wurden, so dass dies Herrn Mag.G. als Geschäftsführer jedenfalls hätte auffallen müssen. Ebenso kann einem sorgfältigen Geschäftsführer nicht verborgen bleiben, dass Steuererklärungen über Jahre hinweg nicht beim Finanzamt eingereicht werden.

Ob allerdings Frau B. gemäß WTBG berechtigt war, Rückzahlungsanträge zu stellen oder nicht und ob sich hieraus zivilrechtliche Ansprüche des Bw. ergeben, ist in diesem Verfahren nicht zu klären (vgl. ).

Im Hinblick darauf, dass der Unabhängige Finanzsenat nach den Verfahrensergebnissen nicht bezweifelt, dass die Anträge von Frau B. gestellt wurden, fasste dieser den Beschluss, vom Beweisantrag, beim BRZ Erhebungen dahingehend zu führen, mit welcher mit welcher BENID die Anträge gestellt wurden, war gemäß § 183 Abs. 3 BAO abzusehen, da die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden (vgl. ).

Die vom Bw. ins Treffen geführten Regeln des WTGB machen Aussagen darüber, wer im Rahmen einer Steuerberatungskanzlei verbindliche Erklärungen abzugeben berechtigt ist, nicht aber wem im Wege von FinanzOnline abgegebene Anbringen zuzurechnen sind.

Darüber gibt § 1 Abs. 4 FinanzOnline-Verordnung Auskunft. Der vom Bw. eingewendete Widerspruch zum WTGB besteht daher nicht.

Für den vorliegenden Berufungsfall ist maßgeblich, dass die Überrechnungsanträge von einer Angestellten und für Finanzonline zuständigen Person unter Verwendung der Teilnehmeridentifikation der X-eingebracht wurden, dass Pflichtverletzungen des Geschäftsführers vorliegen sowie dass das Abgabenguthaben des Bw. nicht wiederauflebbare Minderungen durch die Rückzahlungen bzw. Überrechnung erfahren hat.

Bringt eine für FinanzOnline zuständige Sachbearbeiterin einer mit Geldvollmacht ausgestatteten Steuerberatungskanzlei unter missbräuchlicher Verwendung der Teilnehmeridentifikation Rückzahlungs- bzw. Überrechnungsanträge ein, so gelten diese gemäß § 1 Abs. 4 FOnV als von einem legitimierten Steuerberater gestellt. Darauf beruhende Überweisungen des Finanzamtes sind rechtmäßig.

Dem Teilnehmer, nicht jedoch dadurch geschädigten anderen Personen, wird jedoch das Recht eingeräumt, glaubhaft zu machen, dass das Anbringen trotz Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten (§ 1 Abs. 3 FOnV) unter missbräuchlicher Verwendung seiner Teilnehmeridentität durch einen Dritten gestellt wurde (§ 1 Abs. 4 FOnV).

Auf Grund der vorgelegenen Geldvollmacht konnten seitens des Finanzamtes keine Zweifel an der Einschreiterbefugnis der X- bestehen. Ein Fehlverhalten des Finanzamtes ist nicht erkennbar.

Der Vergleich mit der Unterschriftsfälschung ist schon deshalb unzutreffend, da bei einer vorliegenden Urkunde das Finanzamt die Unterschrift hätte kontrollieren können bzw. müssen, was bei einem elektronischen Antrag jedoch nicht möglich ist. Da für einen elektronischen Antrag, wie bereits erwähnt, Zugriffscodes erforderlich sind, waren keine weiteren Ermittlungen seitens der Bediensteten des Finanzamtes erforderlich.

Den angefochtenen Bescheiden lastet daher keine Rechtswidrigkeit an, weshalb die Berufungen als unbegründet abzuweisen waren.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 94 Abs. 1 WTBG, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999
FOnV, FinanzOnline-Verordnung, BGBl. II Nr. 71/1998
§ 183 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at