Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.03.2011, RV/1440-W/10

Nachsicht von Abgabenschulden des Erblassers

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrat Dr. Walter Mette, Mag. Bernhard Pammer und Gerhard Mayerhofer über die Berufung der Bw, vertreten durch W-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragten die Berufungswerber (Bw) die Nachsicht des bereits fälligen Abgabenrückstandes in Höhe von € 53.272,31.

Der Abgabenrückstand resultiere im Wesentlichen aus der Einkommensteuer 2006 und 2007 des im Jahr 2007 verstorbenen MS. Die drei Kinder (M, G und L) hätten den überschuldeten Nachlass übernommen. Sie befänden sich derzeit in Ausbildung und verfügten über kein eigenes Einkommen. Die zum Nachlass gehörende Liegenschaft am SG, sei im Erdgeschoss zwar vermietet, jedoch deckten die Mieteinnahmen gerade die laufenden Erhaltungskosten der Liegenschaft ab.

Zur Begründung werde auf ein Schreiben von G S an MB verwiesen, wonach die finanzielle Lage der Bw seit dem Tod ihres Vaters sehr schwierig sei. Sie seien im Alter von 17 bis 21 Jahre gewesen, als ihr Vater gestorben sei. Zusätzlich seien sie großteils finanziell auf ihren Vater angewiesen gewesen, der mehr als ihre Mutter verdient habe. L und G hätten € 888,00 Kindergeld vom Vater erhalten, M denselben Betrag von der Mutter. Allerdings habe ihr Vater auch große Teile von Studiengebühren etc. gezahlt. Deshalb seien sie in der glücklichen Situation gewesen, zu studieren, wo sie gewollt hätten, was sich auch an ihren jetzigen Aufenthaltsorten wiederspiegle. L habe dieses Jahr erfolgreich maturiert und bereite sich jetzt intensiv auf die Aufnahmeprüfung im Konservatorium in B vor. M habe dieses Jahr seine vorläufige Ausbildung in Be abgeschlossen und werde im Herbst eine Aufnahmeprüfung in einer Kunstakademie in W angehen. G studiere weiter in E Physik.

Die Bw seien noch in ihrer Ausbildung und hätten also alle kein Einkommen. Die Finanzverwaltung ihres Vaters sei auf ein sehr hohes Einkommen zugeschnitten gewesen. Er habe allein bei der Bs einen Kredit über mehrere hunderttausend Euro gehabt. Zusätzlich gebe es persönliche Forderungen von mehreren zehntausenden Euro. Der Endbeschluss von Notarin VW weise eine Nettoüberschuldung auf.

Der Zahljahresplan ihres Vaters zur Abzahlung der Kredite in Raten sei für die Bw mit einer monatlichen Halbwaisen-Rente von € 412,00 natürlich nicht erfüllbar. Zusätzlich habe der Nachfolge-Arzt leider die Ordination ihres Vaters nicht übernommen, da das Gericht in Gm das Angebot für die Ablöse der Ordination abgelehnt und es als zu gering und daher nicht im Interesse der Kinder des Verstorbenen eingeschätzt habe. Das hätte gut € 70.000,00 ausmachen können. Zwar hätten die Bw ein Haus in Gm, aber sie müssten es sehr gut verkaufen, und selbst dann wäre ihre finanzielle Situation noch nicht gelöst, da sie weiterhin als Nichtverdiener mit Schulden aussteigen würden. Dazu sei anzumerken, dass der Marktwert einer Immobilie sinke, wenn die Leute über die Kaufnot der Eigentümer Bescheid wüssten. Ihr Zuhause in W wollten sie nicht verkaufen.

Wenn ihre Zahlrückstände beim Finanzamt erlassen würden, könnten sich die Bw darauf konzentrieren, die großen Kredite abzuzahlen und ihre Ausbildung trotz der schwierigen persönlichen Situation nach dem Tod ihres Vaters möglichst gut abschließen.

Die Einhebung der offenen Abgabenschuld würde infolge der dargestellten besonderen Umstände dieses Einzelfalles die wirtschaftliche Existenz der Bw massiv gefährden (persönliche Unbilligkeit).

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung brachten die Bw ergänzend vor, dass sie den überschuldeten Nachlass mittels unbedingter Erbserklärung angenommen hätten.

Die monatlichen Mieteinnahmen aus der Vermietung des Erdgeschosses der zum Nachlass gehörenden Liegenschaft am SG, seien an die Hausbank verpfändet, jene aus der Vermietung des ersten Stocks seien an das Finanzamt abgetreten. Bei der finanzierenden Hausbank bestünden Verbindlichkeiten der Bw aus der unbedingten Erbserklärung in Höhe von rund € 272.000,00. Die Besicherung der Hausbank bestehe durch eine Hypothek im ersten Rang auf der Liegenschaft SG, und auf einer Eigentumswohnung in der Gu in W, die von den Bw als Wohnung benutzt werde.

Die Begründung des Bescheides, dass die Gefährdung der Existenz der Gesamtschuldner durch die Einhebung der Abgaben in diesem Fall durch die vorhandenen Vermögenswerte (Liegenschaft, Wohnungseigentum), durch die Mieteinnahmen erzielt würden, nicht gegeben sei, sei nicht korrekt. Nach Erörterung der geplanten Vorgangsweise der Hausbank in mehreren Verhandlungen biete die Hausbank eine Weiterfinanzierung des bestehenden Obligos sowie einer Abschlagszahlung an das Finanzamt in Höhe von € 25.000,00 an, falls sämtliche vorhandenen Mieteinnahmen zur langfristigen Tilgung des Obligos verwendet werden könnten. Andernfalls werde die Bank die Liegenschaft verwerten und sich aus dem Veräußerungserlös teilweise befriedigen. Dies wäre für die Bw eindeutig existenzgefährdend, da ihre sämtlichen Vermögenswerte damit zerschlagen werden würden und die restlichen, nicht gedeckten Schulden durch sie abgedeckt werden müssten. Es würden dann aber auch keine Mieteinnahmen mehr zufließen, aus denen die Bw die verbleibenden Schulden abdecken könnten.

Die Bw wären bereit, eine Abschlagszahlung in Höhe von € 25.000,00 zur teilweisen Abdeckung des Abgabenrückstandes zu leisten.

Die Bw stellen den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch den gesamten Berufungssenat und auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass die Abgabe der unbedingten Erbserklärung auch aufgrund einer nicht optimalen Beratung seitens des Notars erfolgt sei, weswegen in der Folge dann ein Erlös aus dem Verkauf der Ordination nicht habe lukriert werden können und letztendlich nur Kosten angefallen seien. Bis Ende des Jahres 2011 bestehe seitens der Hausbank eine Befristung dahingehend, dass ein freihändiger Verkauf der Liegenschaft in Gmünd stattfinden könne, danach drohe die Verwertung durch die Bank zu einem nicht dem tatsächlichen Wert entsprechenden Preis. Alle 3 Erben lebten von der Waisenrente nach ihrem Vater und befänden sich in Ausbildung. Von der Mutter werde keine finanzielle Unterstützung bezahlt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Die von den Bw geltend gemachte "persönliche" Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers bzw. seiner Familie gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Vorerst ist zum angefochtenen Bescheid zu bemerken, dass die Adressierung des angefochtenen Bescheides (bloß) an die "Erben nach MS", somit ohne Angaben der Namen dieser Erben, mangelhaft geblieben ist. Dennoch wurde durch diesen Mangel die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () erforderliche hinreichende Identifizierbarkeit der Adressaten des Bescheides nicht verhindert, sodass die Bw hiedurch in ihren Rechten nicht verletzt worden sind.

Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeiten liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend mitverursacht sein. Laut Aktenlage werden aufgrund einer Forderungsexekution € 600,00 monatlich an das Finanzamt überwiesen, sodass laut Kontoabfrage vom ein Betrag von € 44.208,23 unberichtigt aushaftet. Die Tilgung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten ist daher schon aufgrund dieser Überweisungen möglich, ohne dass damit außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen verbunden wären.

Sofern die Bw in der geplanten Vorgangsweise der Hausbank für den Fall, dass nicht sämtliche vorhandenen Mieteinnahmen zur langfristigen Tilgung des Obligos verwendet werden könnten, nämlich der Verwertung der Liegenschaft und teilweisen Befriedigung aus dem Veräußerungserlös, eine Existenzgefährdung erblickt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Gefährdung durch die Einhebung der Bankverbindlichkeiten und nicht der nachsichtsgegenständlichen Abgabe verursacht ist.

Angesichts der vorliegenden Relation zwischen der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuld in Höhe von € 53.272,31 und der Bankschulden in Höhe von ca. € 272.000,00 liegt eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung auch deshalb nicht vor, weil eine Nachsicht im Hinblick auf den gesamten Schuldenstand zu keiner wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Lage der Bw führen würde (vgl. ).

Selbst wenn die Rechtsfrage der Unbilligkeit der Einhebung im vorliegenden Fall bejaht werden würde, wäre die Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen, wobei zu diesen Umständen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () sowohl die Tatsache, dass die allfällige Nachsicht im Hinblick auf den Gesamtschuldenstand zu keiner wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Lage der Bw oder gar zu einer Sanierung führen würde, als auch die Tatsache, dass sich die Nachsicht ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung und zugunsten anderer Gläubiger der Bw auswirkte, zählen.

Mangels Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO konnte die beantragte Nachsicht somit nicht gewährt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
persönliche Unbilligkeit
Existenzgefährdung
Ermessensentscheidung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at