Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.03.2011, RV/0719-W/11

Abzugsfähigkeit von Sachwalterschaftskosten als außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0719-W/11-RS1
Wird Pflegegeld bezogen, so können die Sachwalterschaftskosten gem. § 34 Abs. 6 EStG ohne Selbstbehalt aber unter Abzug des Pflegegeldes als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., S.straße, vertreten durch Dr. Josef Weller, 1150 Wien, Mariahilferstraße 140, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) machte in der Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2009 folgende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend:

Heim- und Behandlungskosten in Höhe von € 4.637,93 sowie Sachwalterschaftskosten in Höhe von € 2.061,--. Davon brachte der Bw. erhaltenes Pflegegeld in Höhe von € 3.411,60 in Abzug, sodass daraus Aufwendungen in Höhe von € 3.287,33 resultierten. Im Zuge der Veranlagung wurden jedoch die Sachwalterschaftskosten nur mit einem Selbstbehalt anerkannt, sodass diese keinerlei steuerliche Auswirkung hatten. Gegen den Bescheid vom wurde mit Schriftsatz vom fristgerecht berufen und als Begründung folgendes vorgebracht:

Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Sachwalterschaftskosten liegen vor, da der Bw. während des gesamten Jahres 2009 Pflegegeld bezogen habe. Auf die Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG 1988 werde verwiesen. Weiters wurde die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem gesamten Berufungssenat beantragt. Nachdem die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen worden war, stellte der Bw. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag. Ergänzend wurde darauf verwiesen, dass die besondere Betreuungsbedürftigkeit bzw. Behinderung bereits durch die Tatsache der Sachwalterschaftsbestellung erwiesen sei, da niemand ohne besondere Betreuungsbedürftigkeit unter Sachwalterschaft gestellt werde.

Auf die Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem gesamten Berufungssenat wurde durch den steuerlichen Vertreter des Bw. am verzichtet.

Über die Berufung wurde erwogen:

Das Einkommensteuergesetz unterscheidet hinsichtlich der Berücksichtigung von Aufwendungen aus dem Titel der Behinderung zwischen Aufwendungen die mit und solchen die ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, ein Freibetrag nach Abs. 3 je nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu.

Gemäß Abs. 5 leg.cit. können an Stelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden. Diese Bestimmung verweist auf § 34 Abs. 6.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 regelt grundsätzlich, welche Aufwendungen ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden können.

§ 35 sieht die Berücksichtigung von Aufwendungen wegen außergewöhnlicher Belastung aus dem Titel der Behinderung in Form eines Freibetrages oder der tatsächlichen Kosten für den Fall vor, dass der Steuerpflichtige keine pflegebedingten Geldleistungen bezieht.

§ 34 Abs. 6 regelt jedoch folgendes: Ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes können abgezogen werden: Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige pflegebedingte Geldleistungen (es wird ausdrücklich auf das Pflegegeld verwiesen) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.

Gemäß § 34 Abs. 6 sind also jene Mehraufwendungen abzugsfähig, die dem Behinderten aus dem Titel der Behinderung entstehen und die hinsichtlich ihrer Höhe nicht durch das Pflegegeld abgedeckt werden können. Voraussetzung für den Abzug dieser Mehraufwendungen ohne Selbstbehalt ist also nur, dass der Behinderte Pflegegeld bezieht. Es ist nicht zu überprüfen, aus welchem Grund er Pflegegeld bezieht und daher auch nicht zu überprüfen, ob eine Behinderung, die zum Bezug von Pflegegeld berechtigt grundsätzlich überhaupt vorliegt.

Wenn der Behinderte hingegen kein Pflegegeld bezieht, kann er gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 die tatsächlichen Kosten, die ihm auf Grund seiner Behinderung entstehen als außergewöhnliche Belastung geltend machen, muss aber den Grad der Behinderung bzw. die Minderung der Erwerbsfähigkeit nachweisen.

Dass Sachwalterschaftskosten eine außergewöhnliche Belastung darstellen, steht außer Streit (vgl. ). Erfolgt jedoch der entsprechende Nachweis über das Ausmaß der Behinderung nicht, können diese Aufwendungen nur unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes geltend gemacht werden (vgl. ). Bei geltend gemachten Sachwalterschaftskosten ist daher nur dann ein Selbstbehalt zu berücksichtigen, wenn der Behinderte keine pflegebedingten Geldleistungen erhält und die Behinderung bzw. deren Ausmaß nicht durch ein Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertewesen nachweist.

Diese Voraussetzungen für den Abzug eines Selbstbehaltes von den geltend gemachten Kosten liegen im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor.

Da es sich bei den Sachwalterschaftskosten um Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung handelt und der Bw. Pflegegeld bezieht, ist § 34 Abs. 6 EStG 1988 anzuwenden.

Obwohl der Unabhängige Finanzsenat an Erlassmeinungen des Bundesministeriums für Finanzen nicht gebunden ist, ist in diesem Zusammenhang dennoch auf die Randziffer 839g der Einkommensteuerrichtlinien zu verweisen, wo es heißt: Bei Zuerkennung von Pflegegeld ist, sofern ein Behindertenpass (noch) nicht ausgestellt wurde, von einer mindestens 25%igen Erwerbsunfähigkeit (Grad der Behinderung) auszugehen, sodass in diesen Fällen ein Nachweis nicht erforderlich ist.

Der Bw. hat aber nicht die tatsächlichen Kosten im Sinne des § 35 Abs. 5, für die die amtliche Feststellung des Grades der Behinderung erforderlich wäre, geltend gemacht hat, sondern gemäß § 34 Abs. 6 jene Aufwendungen, die aus dem Titel der Behinderung den Pflegegeldbezug übersteigen. Der Bezug von Pflegegeld schränkt also einerseits die Höhe der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen aus dem Titel der Behinderung ein, andererseits werden an den Nachweis der Behinderung geringere Anforderungen gestellt, als in § 35, wo es darum geht, die tatsächlichen Kosten ohne Abzug eines Selbstbehaltes geltend machen zu können.

Die Sachwalterschaftskosten in Höhe von € 2.061.- sind daher gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 ohne Berücksichtigung eines Selbtsbehaltes, jedoch vermindert um den Pflegegeldbezug, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen:

Heim-und Behandlungskosten:

€ 4.637,93

Sachwalterschaftskosten:

€ 2.061.-

- Pflegegeld

€ 3.411,60

außergewöhnliche Belastung

€ 3.287,33

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2011/02

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at