Aussetzung der Besteuerung nach § 30 ErbStG bei erst später fälligem Geldlegat?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Rechtsanwälte, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom betreffend Erbschaftssteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Gemeinsam mit seiner Gattin hatte der im Frühjahr 2005 verstorbene Großvater der Berufungswerberin (in der Folge: Bw.) im Jahr 2003 eine gültiges gemeinschaftliches und wechselbezügliches Testament errichtet und damit den Enkelsohn E.S., einen Cousin der Bw., zum Alleinerben eingesetzt sowie noch weitere, für das gegenständliche Berufungsverfahren indes nicht entscheidungsrelevante, Verfügungen getroffen. In einem gültigen Zusatz zu diesem Testament hatte der Erblasser im Frühjahr 2004 weiters u.a. den Alleinerben verpflichtet, der Bw. einen Betrag von € 20.000,00 innerhalb von zwei Jahren nach Erbantritt, unverzinst und ohne Wertsicherung, auszubezahlen.
Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens hatte die Bw. dem Gerichtskommissär gegenüber erklärt, dieses Legat anzunehmen, jedoch hinsichtlich der Verschaffung des Legates mit dem eingesetzten Alleinerben außergerichtlich eine Vereinbarung zu treffen. Der Alleinerbe wiederum gab in der Folge aus dem Berufungsgrunde des Testamentes vom Jahr 2003 samt Zusatz vom Frühjahr 2004 eine bedingte Erbserklärung ab und anerkannte das der Bw. vom Erblasser ausgesetzte Legat, wobei nochmals festgehalten wurde, dass die Verschaffung dieses Legates außergerichtlich erfolgen würde. Barmittel waren im Nachlassvermögen nach dem im Verlassenschaftsverfahren erstellten Hauptinventar nicht enthalten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid setzte das Finanzamt der Bw. gegenüber für deren Erwerb des Legates, nach Abzug des Freibetrages gemäß § 14 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG), Erbschaftssteuer (ErbSt) in Höhe von € 1.068,00 fest.
Ihre dagegen fristgerecht erhobene Berufung begründete die Bw. damit, dass das Legat noch nicht fällig sei, sondern erst zwei Jahre nach Erbantritt, und wäre dieses tatsächlich auch noch nicht ausbezahlt worden. Der Erbanfall sei sohin nicht gegeben und die Steuerpflicht auch noch nicht entstanden. Überdies wäre § 30 ErbStG analog anzuwenden, da die Nutzung des gesamten Nachlasses dem Alleinerben und nicht der Bw. zustünde, weshalb begehrt werde, den Bescheid aufzuheben und die ErbSt erst nach dem Erbanfall neu zu bemessen bzw. die Besteuerung bis zwei Jahre nach Erbanfall auszusetzen.
In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt begründend aus, durch die Annahme des Legates sei die Steuerschuld bereits mit dem Erbanfall entstanden und habe die spätere Auszahlung keinen Einfluss mehr darauf.
Innerhalb der Frist des § 276 Bundesabgabenordnung stellte die Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und wies nochmals darauf hin, dass ihres Erachtens die Bestimmung des § 30 ErbStG auch auf Vermächtnisse anzuwenden wäre.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen - der nach § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG der Steuer nach diesem Bundesgesetz unterliegt - der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.
Nach § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen, abgesehen von den hier unstrittig nicht vorliegenden Fällen der lit. a) bis f) leg. cit., mit dem Tode des Erblassers.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist unbestritten geblieben und daher davon auszugehen, dass die Bw. das ihr vom Erblasser zugedachte Geldlegat gültig angenommen hat und diese Annahme vom erbserklärten Alleinerben anerkannt worden ist.
Nach herrschender Auffassung (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 30 zu § 2; Dorazil-Taucher, ErbStG, Erbschafts- und Schenkungssteuer, MANZsche Große Gesetzsausgabe, Tz 3.25 zu § 2) erwirbt der Legatar gemäß § 684 ABGB regelmäßig gleich nach dem Tode des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis. Dieses wird somit durch den Anfall ohne Rechtshandlung des Vermächtnisnehmers erworben (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom , 86/16/0016, und vom , 90/16/0214-0216). Obwohl § 689 ABGB von der Annahme des Vermächtnisses spricht, bedarf es zu seinem Erwerb keiner besonderen Erklärung. Allerdings steht dem Vermächtnisnehmer eine ausdrückliche Annahme oder Ausschlagung frei. Für das Vermächtnis sind Anfallstag und Zahlungstag auseinander zu halten. Das Recht des Legatars entsteht zwar mit dem Anfall, es wird jedoch erst mit dem Zahlungstag fällig. Der Legatar braucht nur den Anfallstag, welcher nach § 684 ABGB der Todestag des Erblassers ist, zu erleben. Der Zahlungstag tritt regelmäßig erst später ein (Dorazil-Taucher, a.a.O., Tz 3.24). Im Lichte dieser Ausführungen ergibt sich sohin, dass der Bw. das Geldlegat mit dem Todestag des Erblassers angefallen ist.
Bei einem derartigen Erwerb entsteht daher auch die Steuerschuld, anders als dies die Bw. sieht, nach § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG schon mit dem Anfall des Vermächtnisses an den Bedachten, also mit dem Tode des Erblassers (Fellner, a.a.O., Rz 9 zu § 12; Dorazil-Taucher, a.a.O., Tz 3.26 zu § 2 und Tz 2.9 zu § 12). Daran vermag auch nichts zu ändern, dass dem Vermächtnisnehmer das Legat sachenrechtlich noch gar nicht zugekommen ist bzw. dieser erst in der Zukunft über das angefallene Vermögen frei verfügen wird können (Fellner sowie Dorazil-Taucher, an den zuletzt angegebenen Textstellen; 796/64). Ohne Rücksicht darauf, dass der vermachte Betrag erst innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbantritt fällig werden sollte, war im gegenständlichen Fall daher die Steuerschuld infolge Annahme des Legates durch die Bw. bereits im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers entstanden, weshalb der diesbezügliche Einwand der Bw. ins Leere gehen musste.
Die Bw. hat weiters vorgebracht, die Bestimmung des § 30 ErbStG wäre analog auf Vermächtnisse anzuwenden. Nach dieser Norm kann ein Steuerpflichtiger beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzung einem anderen als dem Steuerpflichtigen zusteht, verlangen, dass die Besteuerung bis zum Erlöschen des Nutzungsrechtes ausgesetzt bleibt.
In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Legat einer Summe Geldes den Erben gemäß § 658 ABGB zur Zahlung derselben verbindet, ohne Rücksicht darauf, ob bares Geld in der Verlassenschaft vorhanden ist oder nicht (Fellner, a.a.O., Rz 31a zu § 2; 400/70). Der Vermächtnisnehmer leitet seinen Anspruch zwar aufgrund einer letztwilligen Verfügung vom Erblasser ab, diese Berufung gibt ihm aber nur ein obligatorisches Forderungsrecht gegen den beschwerten Erben (Fellner, a.a.O., Rz 30 zu § 2; ). Auch Dorazil-Taucher (a.a.O., Tz 3.2 zu § 2) vertreten die Ansicht, dass der Vermächtnisnehmer durch eine letztwillige Verfügung bloß einen Titel erhält, der ihm einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung gewährt. Dem vergleichbar steht auch dem Pflichtteilsberechtigten nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten, anteilig vom Wert des Reinnachlasses abgeleiteten, Geldbetrages (Dorazil-Taucher, a.a.O., Tz 4.6 zu 2), nicht aber ein Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlassvermögens, zu (Fellner, a.a.O., Rz 38 zu § 2). Hiezu hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 93/16/0129, 0130, ausgesprochen, die Norm des § 30 ErbStG könne beim Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches keinesfalls zur Anwendung gelangen, da ein Pflichtteilsberechtigter nicht die Substanz eines Vermögens, dessen Nutzung allenfalls einem anderen zustehen würde, erwerbe, sondern bloß einen schuldrechtlichen Anspruch auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes in Geld. Von einem bloßen Nutzungsrecht des Erben am Nachlassvermögen, aus dem die Pflichtteilsforderung zu berichtigen wäre, könne daher keine Rede sein. Gleiches muss nach Ansicht der Berufungsbehörde auch für ein (Geld-) Vermächtnis gelten, da der Vermächtnisnehmer durch den Erbfall ebenfalls nicht die Substanz von Vermögen, dessen Nutzung jemandem anderen, nämlich dem Erben, zusteht, erwirbt. Dem Erben wiederum steht nicht nur ein bloßes Nutzungsrecht am Nachlassvermögen zu, was aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des § 30 ErbStG darstellt. Schon in Ermangelung dieses Tatbestandsmerkmales musste der auf die Anwendung des § 30 ErbStG abzielenden Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Eine Rechtfertigung dafür, eine unterschiedliche Beurteilung hinsichtlich eines Pflichtteilsanspruches einerseits und eines Geldlegates andererseits, die beide nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Bezahlung einer bestimmten Geldsumme vermitteln, anzustellen, vermag die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht zu erkennen.
Obschon das Finanzamt in seiner die abweisende Berufungsvorentscheidung tragenden Begründung auf die Nichtanwendung des § 30 ErbStG nicht explizit eingegangen ist, so erweist sich der angefochtene Bescheid nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes im Lichte der obigen Ausführungen im Ergebnis dennoch als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Klagenfurt, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 30 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte | Vermächtnis Geldlegat Fälligkeit Steuerschuld Aussetzung der Besteuerung |
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