Keine Nachsicht, wenn Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen können
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Denk Wirtschaftstreuhand KG, 4040 Linz, Parzhofstraße 8, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin bezog neben relativ geringen eigenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab dem Jahr 2004 auch eine Witwenpension, verabsäumte es jedoch eine Steuererklärung abzugeben (§ 42 Abs. 1 Z 3 iVm § 41 Abs. 1 Z 2 EStG). Auch seitens des Finanzamtes erging keine diesbezügliche Aufforderung iSd § 42 Abs. 1 Z 1 EStG.
Erst nachdem die Berufungswerberin für das Jahr 2008 eine Steuererklärung (Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung) eingereicht hatte, wurde der Bezug von zwei lohnsteuerpflichtigen Bezügen iSd § 41 Abs. 1 Z 2 EStG vom Finanzamt wahrgenommen.
Daraufhin wurden mit Bescheiden vom die Einkommensteuern für die Jahre 2004 bis 2008 sowie Anspruchszinsen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt 7.289,41 € festgesetzt.
Mit Eingabe vom wurde von der steuerlichen Vertreterin der Berufungswerberin beantragt, diesen Abgabenrückstand wegen persönlicher Unbilligkeit gemäß § 236 BAO nachzusehen. Die Nachforderung resultiere daraus, dass die Berufungswerberin seit Mitte 2004 eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehegatten beziehe und daneben noch einer Teilzeitbeschäftigung als Reinigungskraft nachgegangen sei. Sie sei zu dieser Tätigkeit insbesondere dadurch gezwungen gewesen, dass die Pension unter dem Existenzminimum, d.h. unter dem Richtsatz für die Ausgleichszulage gelegen sei, und damit für ihren Unterhalt nicht ausgereicht habe. Die Berufungswerberin habe bis zum Jahr 2004 stets nur unselbstständige Einkünfte erzielt und auch niemals mehr als ein Dienstverhältnis gleichzeitig während des Jahres gehabt. Als einfache Arbeiterin ohne Ausbildung sei sie davon ausgegangen, dass durch den Bezug der Witwenpension sowie bei ihrer unselbstständigen Tätigkeit von dieser Pension bereits alle erforderlichen Abgaben einbehalten würden. Weder ihr Arbeitgeber noch andere Stellen wie insbesondere das Finanzamt hätten sie mittels Informationsschreiben oder sonstiger Belehrung darauf aufmerksam gemacht, dass durch den Bezug dieser Pension nunmehr die Abgabe einer Steuererklärung erforderlich wäre. Nun sei es jedoch allgemeine Verwaltungspraxis in der Finanzverwaltung, dass nach Ablauf der neunmonatigen Frist für die Abgabe der Steuererklärung (Arbeitnehmerpflichtveranlagung) das Finanzamt regelmäßig den Steuerpflichtigen dazu auffordere, insbesondere durch Zusenden der entsprechenden Steuererklärungsformulare, der Abgabepflicht für das abgelaufene Jahr nachzukommen. Diese von den österreichischen Finanzämtern gepflogene Praxis mache vor allem bei den unselbstständig Erwerbstätigen, die während des Jahres zwei oder mehr selbstständige Einkünfte beziehen, Sinn, da diese Steuerpflichtigen bislang keine Erklärungen selbständig abgeben hätten müssen und sie daher regelmäßig davon ausgingen, dass mit dem Abzug der Dienstnehmer-Abgaben für sie alle abgabenrechtliche Pflichten erledigt seien. Aus unerklärlichen Gründen sei bei der Berufungswerberin jedoch seit dem Jahr 2004 keine Aufforderung und keinerlei Hinweis des Finanzamtes auf eine Abgabe der Steuererklärung erfolgt. Die Berufungswerberin habe daher überhaupt keinen Anhaltspunkt gehabt, dass sich seit dem Jahr 2004 gegenüber den Vorjahren für sie irgendwelche Änderungen ergeben hätten und sie davon abweichende geänderte abgabenrechtliche Pflichten hätte. Naturgemäß habe sich jeder Steuerpflichtige um die ihn treffenden abgabenrechtlichen Pflichten zu kümmern, doch könne im Falle der Berufungswerberin der Verschuldensmaßstab auf Grund der erwähnten Umstande (bislang stets nur unselbständig tätig, Ausübung einfachster Hilfstätigkeiten, geringe Schulausbildung) mit Sicherheit nicht zu streng angelegt werden. Darüber hinaus sei eben gerade durch das Unterbleiben der Aufforderung und Information seitens der Abgabenbehörde die Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Jahre 2004-2008 mit verursacht worden und hätte die Aufforderung gerade bei der Berufungswerberin besondere Bedeutung und positive Wirkung gehabt. Aufgrund dieser Umstände habe die Berufungswerberin in den letzten Jahren stets darauf vertraut, zu Recht die ihr zur Verfügung stehenden, zum Leben gerade ausreichenden Mittel zur Gänze verbrauchen zu können. Sie habe ihre Einkünfte zur Bestreitung ihres einfachen und bescheidenen Lebens somit im guten Glauben zur Gänze verbraucht. Nunmehr sei durch die einmalige Aufrollung der letzten fünf Jahre mittels Abgabenbescheiden eine Abgabenvorschreibung auf sie zugekommen, deren Entrichtung sie in ihrer Existenz geradezu gefährden würde. Sie verfüge über kein nennenswertes Vermögen und liege mit ihren Einkünften aus der Witwenpension sowie ihrer Teilzeitbeschäftigung nur knapp über dem vom Gesetz vorgesehenen Existenzminimum. Im Jahr 2009 sei der Berufungswerberin im Mai von der bisherigen Arbeitgeberin, zu der sie in den letzten Jahren ihr einziges Dienstverhältnis gehabt habe, gekündigt worden, da die Filiale, wo sie gearbeitet habe, geschlossen worden sei. Daraufhin habe die Berufungswerberin einige Monate Arbeitslosengeld bezogen und in den restlichen Monaten des Jahres 2009 zwei bis drei wechselnde Dienstverhältnisse gehabt. Diese Dienstverhältnisse hätten jedoch zeitlich in einem geringeren Umfang wie bei der früheren Arbeitgeberin bestanden. Zuletzt habe die Berufungswerberin eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von rund 13 Wochenstunden angetreten, die sie noch ausübe. Aufgrund der bestehenden Wirtschaftskrise könne jedoch nicht gesagt werden, wie lange sie diese Tätigkeit ausüben werde können. Realistisch sei davon auszugehen, dass sie in Zukunft öfters ihre Arbeitgeber wechseln müssen werde und zwischendurch immer wieder auch arbeitslos sein werde. Für die Zukunft werde somit davon auszugehen sein, dass sie neben ihrer Pension, die unter dem Richtsatz für die Ausgleichszulage liege, nur sehr eingeschränkt erwerbstätig sein werde, sodass überhaupt fraglich sei, ob sie ein pfändbares Einkommen erwirtschaften werde (vgl. ). Aus all dem ergebe sich, dass eine Einhebung der vorgeschriebenen Abgaben in Höhe von € 7.289,41 in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen und existenziellen Belastung und Zumutbarkeit bei der Berufungswerberin stehe. Diese persönliche Unbilligkeit der Einhebung ergebe sich einerseits aus der Höhe der vorgeschriebenen Abgabe im Verhältnis zum persönlichen Einkommen und andererseits aus der geschilderten wirtschaftlichen Lage der Berufungswerberin und der sie nunmehr so überraschend treffenden Abgabenvorschreibung. Es werde daher ersucht, dem Antrag auf gänzliche Nachsicht des Abgabenrückstandes auf Grund der persönlichen Unbilligkeit wegen der geschilderten Umstände stattzugeben und die drohende existenzielle Gefährdung der Berufungswerberin zu berücksichtigen.
Das Finanzamt wies dieses Ansuchen mit Bescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die die Berufungswerberin treffende Steuererklärungspflicht keine Aufforderung zur Abgabe von Erklärungen seitens des Finanzamtes vorausgesetzt habe. Die im Nachsichtsansuchen angeführten Argumente, dass die Nachsichtswerberin bislang nur unselbständig tätig gewesen sei, einfachste Hilfstätigkeiten ausübe und nur über eine geringe Schulbildung verfüge, könnte keine sachliche Unbilligkeit begründen. Die Einhebung einer Einkommensteuernachforderung aufgrund mehrerer zumindest zeitweise gleichzeitiger Bezüge sei nicht unbillig, weil es sich dabei lediglich um die Auswirkung genereller Normen handle. Der behaupteten persönlichen Unbilligkeit der Einhebung hielt das Finanzamt entgegen, dass Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden seien und die jeden gleichen berühren könnten, der einen Steuertatbestand verwirkliche, eine Nachsicht nicht rechtfertigen könnten. Selbst wenn das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit bejaht würde, wäre im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass die Berufungswerberin aufgrund ihres Alters (geb. ) noch einige Jahre am Erwerbsleben teilnehmen könne. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass ihr die Entrichtung der Abgabenschulden zu einem späteren Zeitpunkt bzw. in Raten möglich und zumutbar sein werde.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben und die Gewährung der begehrten Nachsicht beantragt. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen wurde ausgeführt, dass im Nachsichtsansuchen keine Gründe für eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung vorgebracht worden wären. Das Finanzamt irre demnach wenn es meine, dass mit dem Vorbringen der Entstehungsgeschichte und des Hintergrundes des Abgabenrückstandes für eine sachliche Unbilligkeit plädiert werde. Richtig sei vielmehr, dass das Nachsichtsansuchen ausschließlich auf den Grund der persönlichen Unbilligkeit gestützt werde. Diese persönliche Unbilligkeit werde wie im Nachsichtsantrag ausgeführt auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Berufungswerberin gestützt. Diese Gefährdung würde durch die Einhebung des offenen Abgabenbetrages deshalb verursacht, weil die Berufungswerberin lediglich über Einkünfte knapp über dem Existenzminimum verfüge. Sie sei knapp 53 Jahre alt und werde in Zukunft nur noch wenige Jahre neben ihrer sehr geringen Witwenpension (monatlich rund 700,- €) über geringe zusätzliche Einkünfte aus einer Teilzeitbeschäftigung verfügen, da ihr aus gesundheitlichen Gründen eine weitergehende Beschäftigung nicht möglich sei. Zurzeit übe sie eine Beschäftigung im Ausmaß von rund 13 Wochenstunden aus (Reinigungsarbeiten für rd. 350,- € pro Monat), wodurch sie über ein gesamtes Monatseinkommen in Höhe des Existenzminimums bzw. knapp darüber verfügen könne. Die Pfändung ihrer Witwenpension bzw. ihres Teilzeitgehaltes zur Einhebung des Abgabenrückstandes wäre - wenn überhaupt - daher nur ganz minimal monatlich möglich. Eine wenn auch monatlich sehr geringe Pfändung würde ihr gerade den zum Leben notwendigen Unterhalt belassen. Würde dem Abgabepflichtigen zur Bestreitung seines Unterhaltes aber nur der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension verbleiben, indiziere eine derartige zweifellos bestehende wirtschaftliche Notlage eine persönliche Unbilligkeit (). Wie im Nachsichtsansuchen ausführlich geschildert, habe die Berufungswerberin die Einkommensteuererklärungen für 2004 - 2008 nicht wissentlich nicht beim Finanzamt eingereicht, sondern sei dies vielmehr ihrer absoluten Unerfahrenheit mit der selbständigen Erledigung von steuerlichen Angelegenheiten einerseits aber auch ihrer geringen Bildung und gewissen Naivität andererseits zuzuschreiben. Sie sei zeitlebens nur unselbstständig beschäftigt gewesen und habe bis zum Erhalt der Witwenpension keinerlei Erklärungen beim Finanzamt einzureichen gehabt. Sie sei es als Lohnsteuerpflichtige gewohnt gewesen, dass Abgabenangelegenheiten mit dem Einbehalt der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für sie erledigt waren. Natürlich habe sie in dieser Situation wie jeder andere Abgabepflichtige auch die Verpflichtung zur Abgabe eine Steuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) gehabt. Es sei aber darauf hingewiesen worden, dass das Finanzamt eben gegenüber anderen Abgabenpflichtigen regelmäßig nach Ablaufen der neunmonatigen Frist für die Einreichung der Pflichtveranlagung Erinnerungen und Einmahnungen zur Abgabe der Erklärung verschicke und dies eben über mehrere Jahre bei der Berufungswerberin nicht geschehen sei. Dadurch sei es eben auf Grund ihrer nur sehr eingeschränkt vorwerfbaren Unwissenheit zu einem Zusammenballen mehrerer an sich jährlich zu entrichtender Abgabenbeträge gekommen, deren Einhebung nunmehr eben für die Berufungswerberin eine massive Existenzbedrohung darstellen würde. Zusammenfassend werde daher nochmals betont, dass im gegebenen Fall eine persönliche Unbilligkeit der Berufungswerberin deshalb vorliege, da sie über kein nennenswertes Vermögen verfüge, und ihr bei einer Einhebung der Abgabenlast bloß der gerade notwendige Lebensunterhalt verbleiben würde. Hinsichtlich des Ermessens sollte ausschlaggebend sein, dass die Berufungswerberin eine redliche Staatsbürgerin und Abgabepflichtige sei, die nicht wissentlich Abgabenbeträge nicht abgeführt habe, sondern bei der eine Reihe von ungünstigen Umständen dazu geführt hätten, dass sie aus Unwissenheit über mehrere Jahre die Einkommensteuernachzahlung nicht entrichtet habe. Ohne massive Beeinträchtigung ihrer Existenz wäre sie nicht in der Lage, die entstandene hohe Abgabenschuld, die in keinem Verhältnis zu ihrem derzeitigen und auch zukünftig zu erwartenden Einkommen stehe, abzutragen.
Mit elektronisch eingebrachtem Anbringen vom ersuchte die Berufungswerberin um Stundung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenforderungen bis . Eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben liege nicht vor, da die Steuerpflichtige über ein laufendes Einkommen aus einem Dienstverhältnis verfüge und somit im Weg einer Ratenzahlung die volle Rückzahlung möglich sei.
Das Finanzamt wies dieses Ansuchen mit Bescheid vom ab, da der Berufung gegen die Nachsichtsabweisung aller Voraussicht nach kein Erfolg beschieden sein werde und die Bewilligung einer Stundung nur nach Vorlage entsprechender Sicherheiten erfolgen könne.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben und beantragt, hinsichtlich des nachsichtsgegenständlichen Abgabenrückstandes von 7.289,41 € zumindest die Entrichtung in monatlichen Raten unter Berücksichtigung des Existenzminimums (Raten zu rund 200 € pro Monat) zu gewähren. Die Berufungswerberin verfüge lediglich über monatliche Einkünfte von rund 1.050,00 € (Witwenpension, geringe Nebenbeschäftigung) und kein sonstiges Vermögen. Es sei ihr daher nicht möglich den offenen Abgabenrückstand vollends in einem Betrag zu entrichten. Es werde daher ersucht, dass die Berufungswerberin den offenen Betrag in Monatsraten von 200 € abbezahlen könne. Das entspreche in etwa dem monatlich pfändbaren Betrag. Eine sofortige volle Entrichtung sei nicht möglich und würde den notwendigen Unterhalt gefährden. Durch eine Stattgabe des Ratenansuchens wäre auch die Einbringung des Abgabenbetrages nicht gefährdet, da die Raten aus dem verfügbaren und pfändbaren Einkommen gezahlt werden könnten und die Berufungswerberin auch weiterhin einer Nebenbeschäftigung nachgehen werde. Über die im Bescheid geforderten Sicherheiten verfüge die Berufungswerberin nicht.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt diese Berufung ab. Die Einbringlichkeit erscheine gefährdet, da keine Sicherheiten vorgelegt werden hätten können und die angebotenen Raten nicht entrichtet worden seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.
In einem Nachsichtsverfahren hat der Antragsteller einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels von sich aus, ohne dass es noch gesonderter Aufforderungen bedarf, das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann persönlich oder sachlich bedingt sein.
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Das Vorliegen einer solchen sachlichen Unbilligkeit wurde von der Berufungswerberin nicht dargetan, vielmehr wurde in der gegenständlichen Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben ins Treffen geführt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der Berufungswerberin erwähnten Erkenntnis () die Ansicht vertreten, dass eine wirtschaftliche Notlage vorliege, die eine Unbilligkeit gemäß § 236 Abs. 1 BAO indiziere, wenn ein Steuerpflichtiger über keine vermögenswerten Wirtschaftsgüter verfüge und ihm zur Bestreitung seines Unterhaltes nur der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension nach dem ASVG verbleibe.
Abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof damit nicht ausgesprochen hat, dass in einem solchen Fall jedenfalls immer eine persönliche Unbilligkeit anzunehmen sei, sondern die genannten Umstände lediglich Indizwirkung für eine Unbilligkeit hätten, wurde diese Ansicht in weiteren Erkenntnissen nicht mehr wiederholt. Ganz im Gegenteil führte der Verwaltungsgerichtshof etwa in der Entscheidung wörtlich aus: "In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, der Beschwerdeführer erziele Einkünfte von monatlich EUR 1.427,70. Dieser Betrag liege über dem Existenzminimum, es verblieben also pfändbare Beträge. Wenn die zwangsweise Eintreibung der Steuerforderung erfolgte, würde sich am monatlichen Einkommen des Beschwerdeführers etwas ändern, es würde sich dieses monatliche Einkommen nämlich verschlechtern. Auch dieses Vorbringen zeigt nicht auf, dass die belangte Behörde zu Unrecht persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ausgeschlossen hätte. Einbußen an vermögenswerten Interessen sind allgemein mit der Abgabenleistung verbunden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0189) und begründen für sich keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung."
Auch der Unabhängige Finanzsenat wies bereits wiederholt darauf hin, es werde von dem bei einer Pensionspfändung verbleibenden "Existenzminimum" angenommen, dass der Verpflichtete damit seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten könne. Die Tatsache der (drohenden) zwangsweisen Hereinbringung der Abgabenschuld vermöge daher für sich allein noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen (-I/02; ; ).
Dass die sofortige Entrichtung von Abgabenforderungen, die mehrere Jahre betreffen und zu einem vom Abgabepflichtigen nicht erwarteten Zeitpunkt schlagend werden, im Einzelfall für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden sein kann, trifft zu. Um derartigen Härten zu begegnen, sieht die Bundesabgabenordnung die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 212 vor (). Können Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht ( mwN; in diesem Sinne auch ).
Die Berufungswerberin erzielte laut vorliegenden Lohnzetteln in den Jahren 2009 bis 2011 steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 13.765,99 € (2009), 13.003,93 € (2010) und 13.149,24 € (2011). Sonstige Vermögenswerte sind weder aktenkundig noch wurden solche vom Finanzamt festgestellt. Bei dieser wirtschaftlichen Lage erscheinen jedoch die von der Berufungswerberin selbst angebotenen monatlichen Raten von 200 € angemessen und ausreichend, um die Abdeckung des nachsichtsgegenständlichen Abgabenrückstandes in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Besondere Sicherheitsleistungen erscheinen dazu nicht zwingend erforderlich; sollte eine derartige Ratenbewilligung nicht eingehalten werden, würde Terminverlust eintreten und der Abgabenrückstand vollstreckbar. Allenfalls käme zur Besicherung des Abgabengläubigers eine sicherungsweise Zession des Pensionsbezuges der Berufungswerberin in Betracht.
Da somit im gegenständlichen Fall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 236 BAO nicht erfüllt sind, blieb für eine Ermessenentscheidung kein Raum, in der allenfalls noch die näheren Umstände erörtert werden hätten können, warum die Berufungswerberin vom Finanzamt nicht zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen aufgefordert worden war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Verweise | -I/02 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at