Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.01.2013, RV/2098-W/12

Geschäftsführerhaftung im Falle ausgesetzter Abgaben

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2098-W/12-RS1
Einem Geschäftsführer kann keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn die Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ausgesetzt war und er vor der Verfügung des Ablaufes seine Geschäftsführung zurücklegte.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat_10 im Beisein der Schriftführerin über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberatungs_GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm. § 80 BAO als Geschäftsführer der M-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 22.457,24, nämlich


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Abgabe
Betrag
Fälligkeit
Körperschaftsteuer 2001
21.633,13
Anspruchszinsen 2001
824,11

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Begründend wurde vorgebracht, dass die Abgaben bei der Gesellschaft voraussichtlich nicht einbringlich wären. Der Bw. hätte seine Geschäftsführertätigkeit mit , der weitere Geschäftsführer Z.N. mit beendet.

Bemessungsgrundlage für die Haftung würde die Körperschaftsteuer 2001 samt Anspruchszinsen darstellen. Das dagegen erhobene ordentliche Rechtsmittelverfahren wäre mit einer abweisenden Entscheidung abgeschlossen worden. Es wäre zwar am eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden, jedoch kein Antrag auf Aussetzung der Abgaben, weshalb keine Hemmung der Einbringung bestehe.

Weiters bemerkte das Finanzamt, dass die Beteiligung von 18% an der GmbH keinen Einfluss auf die Haftungsbemessungsgrundlage hätte. Vielmehr liege für beide Geschäftsführer ein Gesamtschuldverhältnis vor, weshalb jeder für die gesamten Abgaben zur Haftung herangezogen werden könne.

Da keine Beweismittel betreffend die Frage, wer von beiden Geschäftsführern für die steuerlichen Belange zuständig gewesen wäre, vorgelegt worden wären und der Bw. schließlich für die Geschäftsführung alleine verantwortlich gewesen wäre, müsse geschlossen werden, dass jeder der Geschäftsführer das Pouvoir gehabt hätte, steuerliche Maßnahmen zu treffen.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass aus dem Firmenbuch ersichtlich wäre, dass die Gesellschaft derzeit keinen Geschäftsführer hätte. Er wäre ab als Vertreter bestellt worden, allerdings ab nur mehr gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer Z.N. vertretungsbefugt gewesen. Da es zwischen den beiden Geschäftsführern zu unüberbrückbaren Meinungsdifferenzen gekommen wäre und der Bw. lediglich über einen Geschäftsanteil von 18% verfügt hätte, wäre es schlussendlich zur Einstellung der Geschäftstätigkeit gekommen. Dieser Umstand wäre auf Grund zahlreicher Eingaben in den letzten Jahren amtsbekannt geworden. Daraus wäre resultiert, dass der Bw. am seine Geschäftsführungsposition niedergelegt hätte. Die Austragung von Herrn N. wäre im Juni 2007 erfolgt. Seither hätte die Gesellschaft keinen Geschäftsführer mehr.

Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2001 wäre eine am eingebrachte VwGH-Beschwerde anhängig. Die Abgaben wären bis von der Einhebung ausgesetzt gewesen.

Weiters wurde ausgeführt, dass gemäß § 9 Abs. 1 BAO die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften würden, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen würden, und wären befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten würden, entrichtet werden würden.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen wäre, ob den Vertreter diese Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hätte, bestimme sich danach, wann die Abgaben nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Der Bw. wäre in der Zeit vom bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Die Haftung erstrecke sich auf Abgaben, deren Zahlungstermin in diese Zeit falle. Die haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten wären jedoch von der Einhebung ausgesetzt und damit erst rund 2 ½ Jahre nach Rücklegung der Geschäftsführerfunktion durch den Bw. zu entrichten gewesen. Es könne ihm daher keine unter der Sanktion des § 9 BAO stehende Verletzung der Zahlungspflicht vorgeworfen werden. Diesbezüglich verweise er auf die UFS-Entscheidung vom , RV/0412-L/09, in der unmissverständlich klargestellt werde, dass die ausgesetzte Körperschaftsteuer einschließlich aller Nebenabgaben von der Haftung zu befreien wäre.

Eine Verletzung der abgabenrechtlichen Zahlungspflicht liege aus den dargelegten Gründen auch bei der Körperschaftsteuer 2001 nicht vor. Da somit eine Haftungsinanspruchnahme dem Grunde nach nicht zum Tragen komme, könnten Ausführungen zur Berechnung und Abdeckung des sogenannten Quotenschadens, der sich aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergebe, unterbleiben.

Der Haftungsbescheid stehe daher im diametralen Widerspruch zur genannten UFS-Entscheidung und wäre somit materiell rechtswidrig. Weiters wäre im Haftungsbescheid falsch ausgeführt, dass beim VwGH kein Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abgabe eingebracht worden wäre. Die Behörde sollte wissen, dass das nicht möglich wäre. Schließlich widerspreche es den obigen Ausführungen und dem Firmenbuchstand, wenn im Haftungsbescheid ausgeführt werde, dass der Bw. für die Geschäftsführung alleine verantwortlich gewesen wäre.

Abschließend beantragte der Bw. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Berufungssenat.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Firmenbuch war der Bw. im Zeitraum ab bis gemeinsam mit G.V. und im Zeitraum vom bis gemeinsam mit Z.N. Geschäftsführer der M-GmbH, weshalb ihm gemeinsam mit den Mitgeschäftsführern die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend ().

Laut Abgabenkonto erfolgte die erstmalige Festsetzung der haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuer 2001 samt den Anspruchszinsen mit Bescheid vom und hatte eine Fälligkeit mit . In der dagegen am erhobenen Berufung beantragte die Gesellschaft die Aussetzung der Einhebung dieser Abgaben, die mit Bescheid vom bewilligt wurde. Auch im Vorlageantrag vom wurde erneut die Aussetzung beantragt, der ebenfalls stattgegeben wurde. Nach der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1637-W/04, wurde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung mit Bescheiden vom bzw. verfügt.

Dem Einwand des Bw., dass die haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten von der Einhebung ausgesetzt, damit erst rund 2 ½ Jahre nach Rücklegung der Geschäftsführerfunktion durch den Bw. zu entrichten gewesen wären, war zu folgen, da wie bereits ausgeführt für das Vorliegen einer haftungsbegründenden schuldhaften Pflichtverletzung bei der erstmaligen Festsetzung der Körperschaftsteuer nicht der Fälligkeitstag, sondern der Zeitpunkt von wesentlicher Bedeutung ist, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften, im gegenständlichen Fall § 212a Abs. 5 BAO, wonach die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub besteht, der mit dem Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf endet, zu entrichten gewesen wären.

Da die Fristenkette nach der erstmaligen Vorschreibung der Abgabe () bis zur Verfügung des Ablaufes ( bzw. ) geschlossen und der Bw. lediglich bis Geschäftsführer der GmbH war, kann ihm keine schuldhafte Pflichtverletzung an der Nichtentrichtung der Abgaben angelastet werden (siehe auch die vom Bw. angeführte Berufungsentscheidung des ).

Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der M-GmbH nicht zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird.

Zum Antrag des Bw. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass der Bw. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in seinem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass der Unabhängige Finanzsenat bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ecolex 2013/152

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at