Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.01.2013, RV/1530-W/12

Abgabennachsicht bei Nachversteuerung von Lohnnachzahlungen im Konkurs

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat_10 im Beisein der Schriftführerin über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberatung_GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte der Berufungswerber (Bw.), von dem zu diesem Zeitpunkt auf seinem Abgabenkonto aushaftenden Rückstand in Höhe von € 18.341,63 einen Teilbetrag von € 17.000,00 nachsehen zu wollen. Begründend wurde vorgebracht, dass die hohe Einkommensteuer 2008 für ihn völlig unerwartet und unvorbereitet gekommen wäre. Die Ursache wäre gewesen, dass er im Jahr 2008 vom Insolvenz-Entgelt-Fonds die aus dem Jahr 2005 strittigen Bezüge erhalten hätte und bei diesen nur 15 % Lohnsteuer einbehalten worden wären. Diese Bezüge hätte der Bw. vollständig in sein neugegründetes Unternehmen B-GmbH investiert. Bei seiner derzeitigen liquiditätsmäßigen Situation wäre es unmöglich, den Rückstand sofort zu begleichen, da ansonsten die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens drohe.

Die steuerpflichtigen Bezüge von der IAF-Service GmbH im Jahr 2008 würden aus seinen offenen Dienstnehmeransprüchen aus dem Konkurs der L-AG aus dem Jahr 2005 stammen. Auf Grund der höheren steuerpflichtigen Einkünfte im Jahr 2008 (neben den IAF-Bezügen) gegenüber dem Jahr 2005 wäre es auf Grund der Progression zu einer höheren Einkommensteuerbelastung im Ausmaß von rund € 17.000,00 gekommen. Die Entrichtung der Einkommensteuerschuld wäre grundsätzlich unbillig im Sinne des § 236 BAO.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen als unbegründet ab und führte aus, dass das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit nicht nachvollzogen werden könne, da der Bw. eine Pension beziehe, die weit über dem gesetzlichen Existenzminimum liege. Die Abstattung der Abgabenschuld in angemessenen Monatsraten erscheine möglich zu sein. Ein ursächlicher Zusammenhang mit einer eventuellen Existenzgefährdung der B-GmbH wäre nicht erkennbar, da den Bw. als alleinigen Gesellschafter der GmbH aus dieser Funktion keine Zahlungsverpflichtungen treffen würden.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass die Abrechnung der IAF-Service GmbH nicht nachvollziehbar gewesen wäre und keinerlei Hinweise auf die zu erwartende Einkommensteuernachzahlung enthalten hätte. Bei den im Jahr 2008 ausbezahlten Beträgen hätte es sich um nachgezahlte Bezüge für die Jahre 2001 und 2002 gehandelt. Seit damals wären sämtliche Ersparnisse für die laufenden Lebenshaltungskosten aufgebraucht worden. Die Entrichtung der Einkommensteuerschuld wäre existenzgefährdend, da außer der Pension kein anderes Einkommen zur Verfügung stehe. Er beziehe auch keine Geschäftsführerbezüge, da die B-GmbH keine Gewinne abwerfe und im Gegenteil alle freien Mittel für die Finanzierung der GmbH verbraucht werden würden.

Abschließend stellte der Bw. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

Mit Schreiben vom gab der Bw. ergänzend bekannt, dass die zeitliche Zuordnung des Lohnzettels der IAF-Service GmbH im Jahr 2008 nicht korrekt wäre, da es sich um Nachzahlungen der Bezüge von der L-AG (Konkursforderungen) für den Zeitraum 06/2001 bis 06/2002 handle. Die erläuternden Bemerkungen zu § 19 Abs. 1 EStG 1988 und § 124b Z 130 EStG idF BGBl. I 161/2005 würden zur Verlagerung des Zuflusszeitpunktes in das Jahr des Entstehens des Anspruches Folgendes ausführen:

"Die Zahlung von Insolvenz-Ausfallsgeld erfolgt in vielen Fällen nicht in dem Kalenderjahr, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eingetreten ist. Dies führt auf Grund der Progressionswirkung teilweise zu erheblichen Nachzahlungen, wenn die Arbeitnehmer im Folgejahr bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt sind und neben den laufenden Bezügen auch die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren zu versteuern haben, während im Insolvenzjahr nur geringe oder keine steuerpflichtigen Einkünfte vorliegen. Die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren sollen daher - wie bereits bisher Pensionsnachzahlungen - dem Kalenderjahr zugeordnet werden, in dem der Anspruch entstanden ist." (siehe auch ).

Demnach wäre der Lohnzettel der IAF-Service GmbH (aus 2008) den Jahren 2001 und 2002 zuzuordnen. Bei korrekter zeitlicher Zuordnung wäre es im Jahr 2008 zu keiner Nachzahlung gekommen.

Mit weiterem Schreiben vom verwies der Bw. auf seine persönliche Vorsprache vom und auf die Vorlage der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie auf seine Unterhaltsverpflichtungen. Hieraus wäre ersichtlich, dass tatsächlich kein pfändbares Vermögen oder Einkommen vorliege. Die Betreibung der Abgabenschulden seitens des Finanzamtes würde zu einer Existenzgefährdung der B-GmbH und seiner Familie führen, da seine Pensionseinkünfte zu Gunsten betrieblicher Kredite dieser GmbH verpfändet wären, woraus sich seine persönliche Unbilligkeit ergeben würde.

Die sachliche Unbilligkeit hätte auch schon der Unabhängige Finanzsenat mit seiner Entscheidung vom , RV/2564-W/10, festgestellt, wonach der Gesetzgeber durch diese Novelle Härten ausräumen hätte wollen, die dann eintreten könnten, wenn der Arbeitnehmer im Jahr der Auszahlung bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt wäre. Nachdem er im Jahr der Auszahlung bereits Pensionsbezüge erhalten hätte, hätte sich ebendiese sachliche Härte ergeben.

Abschließend beantragte der Bw., die Nachsicht auf den gesamten aushaftenden Rückstand in Höhe von derzeit € 18.607,80 auszudehnen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung ebenfalls als unbegründet ab und führte aus, dass gegen eine Nachsichtsgewährung spreche, wenn sich die Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde. In den Angaben zum ursprünglichen Nachsichtsansuchen, in den persönlich bei der Vorsprache im Amt getätigten Aussagen sowie in den Berufungsausführungen hätte der Bw. wiederholt angegeben, dass andere Gläubiger vorhanden wären bzw. dass seine Pension verpfändet worden wäre. Eine Nachsicht würde diese Gläubiger gegenüber der Finanzverwaltung besser stellen.

Eine Nachsicht aus sachlicher Unbilligkeit dürfe nicht unterstellt werden, da gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 nicht berufen worden wäre. Die Nachsicht diene nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen. Es wäre auch nicht behauptet worden, dass damals ein Rechtsmittel wegen einer Rechtsauskunft der Abgabenbehörde aussichtslos erschienen, wegen entschuldbaren Rechtsirrtums unterblieben oder wegen Unzumutbarkeit nicht eingebracht worden wäre.

So bleibe nur die Annahme, dass es ganz allgemein Auswirkungen genereller Normen wären, die unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit im Sinn des § 20 BAO zu sehen wären.

Mit Schreiben vom beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass eine persönliche Unbilligkeit stets dann gegeben wäre, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährde (Ritz, BAO, § 236 Tz 10). Dies wäre im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben, da die fälligen Abgaben derzeit nicht beglichen werden könnten und der Bw. bei der Setzung von Einbringungsmaßnahmen durch den Abgabengläubiger Konkurs anmelden müsste.

In diesem Zusammenhang wäre festzuhalten, dass die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliege, keine Ermessensfrage darstelle, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes. Wären alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liege die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz, BAO, § 236 Tz 16).

In der Berufungsvorentscheidung wäre das Finanzamt im Rahmen der Gesetzesauslegung offensichtlich bereits zu dem Schluss gekommen, dass im gegenständlichen Fall Unbilligkeit vorliege, da die Versagung der Nachsicht mit einer Ermessensübung gemäß § 20 BAO begründet wäre. Damit wäre unstrittig, dass im vorliegenden Fall dem Grunde nach eine persönliche Unbilligkeit gegeben wäre.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre die Behörde zu dem Schluss gekommen, dass es gegen eine Nachsicht spreche, wenn sich diese nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirke. Dem wäre entgegen zu setzen, dass bei der Ermessensübung vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen wäre (Stoll, Ermessen im Steuerrecht, 164; ). Tatsächlich hätte der Bw. in den letzten 15 Jahren seine Steuerschulden stets pünktlich und vollständig bezahlt. Erst im Zuge der Einkommensteuerveranlagung 2008 wären erstmals Säumniszuschläge und Anspruchszinsen festgesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Abgabennachforderung wäre das vom IAF erhaltene Geld bereits nicht mehr vorhanden gewesen. Ein anderweitiger Verbrauch zur Verfügung stehender Mittel trotz offener Abgabenschuldigkeiten wäre demnach nicht vorgelegen.

Weiters wäre zu berücksichtigen, dass es im Interesse der Abgabenbehörde liege, die Ermöglichung der wirtschaftlichen Erholung und Gesundung eines Betriebes und die damit verbundene Erhaltung der Steuerquelle sicherzustellen (VwGH. , 92/14/0137). Im vorliegenden Fall wäre nicht nur die Existenz des Bw., sondern auch die der B-GmbH gefährdet. Somit würde der Abgabengläubiger mit einer Fälligstellung der Abgabennachforderung nicht nur eine mögliche Steuerquelle beim Bw. verlieren, sondern auch die Körperschaftsteuer aus der GmbH bzw. die Lohnsteuer von den dort angestellten Dienstnehmern. Ein Konkurs würde zur Fälligstellung aller Kredite, auch gegenüber der Gesellschaft führen.

Abschließend beantragte der Bw. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde zur sachlichen Unbilligkeit ergänzend ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die Rechtslage von der Abgabenbehörde richtig angewendet worden wäre, der Gesetzgeber jedoch durch eine EStG-Novelle 2005 die sich aus dem Zuflusszeitpunkt gemäß § 19 EStG 1988 ergebenden Härten erkannt und deswegen eine Novelle zum EStG durchgeführt hätte. Der Bw. wäre im gegenständlichen Fall von der alten Rechtslage betroffen gewesen und hätte daher nicht im Rahmen eines Rechtsmittels im Abgabenverfahren dagegen ankämpfen können.

Zur persönlichen Unbilligkeit wurde ergänzend vorgebracht, dass der Bw. zwar seine Pensionsbezüge zu Gunsten der Betriebskredite verpfändet hätte, dieses Pfandrecht jedoch derzeit nicht schlagend wäre. Gerade durch eine Einbringungsmaßnahme der Abgabenbehörde würde eine Existenzgefährdung entstehen.

Der Bw. betonte abschließend, dass er seine Forderungen aus dem Dienstverhältnis gegen die IEF-Service GmbH bis zum OGH durchkämpfen hätte müssen und die Auszahlung der Bezüge zwischen dem Fonds und dem Masseverwalter abgewickelt worden wäre, er daher auf den Zuflusszeitpunkt keinen Einfluss gehabt hätte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. z.B. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben ().

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenswerten möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().

Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt und für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte vorsorgen müssen.

Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Dieser ist daher verpflichtet, im Nachsichtsansuchen die gemäß § 236 BAO bedeutsamen Umstände offen zu legen.

Da vom Bw. sowohl das Vorliegen von persönlicher als auch sachlicher Unbilligkeit behauptet wurde, war zunächst zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall eine sachliche Unbilligkeit vorliegt. Hierbei ist jedoch noch keine Ermessensentscheidung zu treffen, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff auszulegen.

Dabei wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Bw. war bis zur Konkurseröffnung am bei der L-AG beschäftigt, wobei ihm jedoch im Jahr 2001 mehrere und im Jahr 2002 sämtliche Zahlungen vorenthalten wurden, die er im Konkurs seines Dienstgebers anmeldete. Erst im Jahr 2008 erhielt er von der IAF-Service GmbH einen Teil der angemeldeten Forderungen in Höhe von € 80.983,11 brutto, der gemäß § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 mit 6% bzw. 15% versteuert wurde. Mit Bescheid vom wurden diese Bezüge gemeinsam mit den erhaltenen Pensionszahlungen für das Jahr 2008 nachversteuert, was eine Nachforderung an Einkommensteuer in Höhe von € 17.309,05 ergab.

Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren sind gemäß § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 idF BGBl. I 2000/142, soweit sie Bezüge gemäß § 67 Abs. 3, 6 oder 8 lit. e oder f EStG 1988 betreffen, mit dem festen Steuersatz zu versteuern. Von den übrigen Nachzahlungen ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3,4 und 5 EStG 1988 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Der verbleibende Betrag ist als laufender Bezug mit einer vorläufigen laufenden Lohnsteuer in Höhe von 15% zu versteuern.

Aus dem Vorbringen des Bw., dass die zeitliche Zuordnung des Lohnzettels der IAF-Service GmbH im Jahr 2008 nicht korrekt wäre, da die Nachzahlung der Bezüge den Zeitraum 06/2001-06/2002 betreffe, lässt sich nichts gewinnen, weil zum Einen die Nachsicht nicht dazu dient, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Berufungen) nachzuholen () und zum Anderen die Versteuerung der Nachzahlungen im Jahr 2008 ohnehin gesetzeskonform war:

Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 idF AbgÄG 2005, BGBl. I 2005/161, sind Einnahmen in jenem Kalenderjahren bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. (...) Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht.

Gemäß § 124b Z 130 EStG 1988 ist § 19 Abs. 1 EStG 1988 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 161/2005 erstmals für Konkurse, die nach dem eröffnet werden, anzuwenden.

Obwohl § 19 Abs. 1 EStG 1988 idF AbgÄG 2005, BGBl. I 2005/161, wonach Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in dem Jahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch besteht (diesfalls 2001 und 2002), bereits seit in Geltung ist und die Nachzahlung erst danach im Jahr 2008 erfolgte, ist diese Bestimmung im gegenständlichen Fall zufolge der Regelung des § 124b Z 130 EStG 1988 dennoch nicht anzuwenden, da der betreffende Konkurs der L-AG bereits am eröffnet wurde.

Diesfalls fand daher die generelle Regelung des ersten Satzes des § 19 Abs. 1 EStG 1988 Anwendung, wonach Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Aus der vom Bw. genannten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2564-W/10, lässt sich nichts gewinnen, weil diesfalls der Konkursantrag erst im Jahr 2008 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde.

Das Zuflussprinzip entspringt einerseits dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und andererseits dem Prinzip der Periodenzuordnung. Das heißt, dass die Besteuerungsgrundlage die Einkünfte bilden, über die der Steuerpflichtige in einem bestimmten Kalenderjahr wirtschaftlich verfügt hat. Dieses Prinzip ist von der Rechtsprechung als allgemeines Ordnungsprinzip anerkannt.

Es gilt ganz allgemein, dass eine abgabenrechtliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht im Einzelfall als Unbilligkeit gewertet und durch Nachsicht behoben werden kann. Eine Unbilligkeit, die für alle davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt und für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte vorsorgen müssen, ist eine Beseitigung im Wege des sich an Unbilligkeiten aus der Besonderheit des Einzelfalles orientierten § 236 BAO grundsätzlich entzogen (). Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles ist eben dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden ().

Die Rechtsprechung hält einerseits an diesem Grundsatz und andererseits ebenso daran fest, dass bei Lösung der Frage des Vorliegens eines Unbilligkeitstatbestandes auch nicht darauf abgestellt werden kann, ob der Teil der Rechtsunterworfenen, der von der gesetzgeberischen Maßnahme betroffen ist, größer oder kleiner ist, weil nahezu jede Maßnahme des Gesetzgebers konkret nur einen Teil der Rechtsunterworfenen berührt und jede Grenzziehung als Willkür (und im Ergebnis der abgabenrechtlichen Folgen damit als Unbilligkeit) empfunden werden könnte ().

Aus der Einführung neuer Abgaben oder aus dem gänzlichen oder teilweisen Verzicht auf Abgaben im Gesetzeswege, aus der Änderung der gesetzlichen Erhebungsgrundsätze, damit verbundenen aus der Änderung der subjektiven und objektiven Anknüpfung (Steuersubjekte, Steuergegenstand), aus der Schaffung, Erweiterung, Beseitigung oder Änderung von Befreiungs- oder Begünstigungstatbeständen sowie aus Tarifänderungen, die üblicherweise ab einem bestimmten Zeitpunkt wirksam werden, ergeben sich Unterschiede, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach dem Wirksamwerden der Gesetzesänderung verwirklicht worden sind. Die sich aus einer solchen Änderung der Gesetzeslage ergebenden Unterschiede in der Belastung, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach diesen Änderungen bewirkt wurden, können zwar zu subjektiv empfundenen Härten führen, diese treten aber in gleichen Lagen, sohin allgemein ein und sind deswegen nicht Unbilligkeiten des Einzelfalles (). Kommt es zu einer Verbesserung, zu einer Entschärfung oder Entlastung gegenüber der früheren Gesetzeslage, so kann daraus nicht auf eine Unbilligkeit der Ergebnisse der Anwendung der früher geltenden Rechtsvorschriften geschlossen werden.

Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebenso wenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall.

Aus dem Vorbringen ergibt sich zweifelsfrei, dass der vom Bw. aufgezeigte Unbilligkeitsgrund keinen Einzelfall darstellt. Selbst bei Vorliegen eines Mangels in der Gesetzgebung kann dieser jedoch, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht durch Nachsicht einer Abgabe behoben werden, da es in diesem Fall an der auf den Einzelfall beschränkten Unbilligkeit fehlt.

Da keine sachliche Unbilligkeit vorliegt, war nunmehr zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall eine persönliche Unbilligkeit vorliegt.

Für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit muss ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich der Bw. entstehenden Nachteilen bestehen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Unternehmens gefährden würde.

Das Vorbringen des Bw., dass die Existenz seines Unternehmens B-GmbH im Falle von Einbringungsmaßnahmen gefährdet wäre, geht ins Leere, da es sich bei dieser Gesellschaft um ein von ihm unterschiedliches Steuersubjekt handelt.

Der Bw. hat zwar auch die Gefährdung seiner Existenz behauptet, jedoch nicht ausreichend dargelegt, weshalb gerade durch die Einbringung der in Rede stehenden restlichen Abgaben seine wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre, da eine - unbestrittene - Verminderung der Liquidität für die Annahme einer Existenzgefährdung nicht ausreicht (). Der Bw. gefährdete da schon eher seine Existenzgrundlagen durch die Verpfändung seiner Pensionsbezüge zu Gunsten von für die B-GmbH aufgenommenen Krediten in Höhe von € 80.000,00 als durch die im Verhältnis dazu eher bescheidene Nachforderung an Einkommensteuer 2008 in Höhe von € 17.309,05.

Darüber hinaus ist bei einer Verpfändung von Pensionseinkünften grundsätzlich der Verbleib des Existenzminimums zu berücksichtigen, weshalb sich dadurch eine Existenzgefährdung nicht ergeben kann.

Dass die Nachzahlung für den Bw. auf Grund der Veranlagung 2008 unerwartet gekommen wäre, kann nicht nachvollzogen werden, weil ihm bekannt sein musste, dass die IAF-Service GmbH diese Nachzahlung gemäß § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 lediglich mit einem vorläufigen Prozentsatz von lediglich 15% (bzw. 6% für Sonderzahlungen innerhalb des Jahressechstels) der Lohnsteuer unterzog, da er zum Zeitpunkt der Auszahlung laut Auskunft der (nunmehr seit ) IEF-Service GmbH rechtsanwaltlich vertreten war und sich diese "Insolvenzbesteuerung" auch aus dem Gesetz ergibt. Darüber hinaus findet sich auf der Homepage der IEF-Service GmbH folgender Hinweis:

"Nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes unterliegt die Berechnung der Ansprüche einer speziellen ,Insolvenzbesteuerung'. Das führt dazu, dass die bezahlten Nettoansprüche nicht mit der normalen Lohnverrechnung konform gehen. Da die ,Insolvenzsteuer' geringer sein kann als die übliche Lohnsteuer, muss die IEF-Service GmbH dem Finanzamt Jahreslohnzettel über die erhaltenen Zahlungen übermitteln. Das Finanzamt führt eine Veranlagung durch, wodurch es für Sie zu Steuernachzahlungen kommen kann."

Obwohl dem Bw. anlässlich der Auszahlung der Gehaltsnachzahlungen bekannt bzw. schuldhaft nicht bekannt war, dass lediglich eine vorläufige Lohnversteuerung durch die IAF-Service GmbH von lediglich (zwar gesetzeskonformen, aber offensichtlich zu niedrigen) 15% vorgenommen wurde, traf er keine Vorsorge für die zu erwartende Nachzahlung an Einkommensteuer, sondern investierte die mit dem Konkurs der L-AG verbundenen Nachzahlungen (2005 € 22.056,51 brutto, 2006 € 15.120,00 brutto, 2007 € 150.889,91 und 2008 € 80.983,11 brutto) sowie die vorstehend erwähnten, im Jahr 2008 aufgenommenen Kredite in sein ebenfalls 2008 gegründetes Unternehmen.

Weiters versuchte der Bw. das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit widersprüchlich zu begründen:

Zum Einen rechtfertigt der Bw. die beantragte Nachsicht damit, dass ihm außer der verpfändeten Pension kein anderes Einkommen bzw. Vermögen zur Verfügung stehe. Daraus lässt sich aber nichts gewinnen, weil eine Unbilligkeit nach der Judikatur auch dann nicht gegeben ist, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().

Zum Anderen wies der Bw. mit dem im Vorlageantrag enthaltenen Antrag auf Aussetzung der Einhebung darauf hin, dass die Einbringlichkeit der Abgabe nicht gefährdet wäre. Auch die Begründung des Nachsichtsantrages, dass seine derzeitige liquiditätsmäßige Situation es unmöglich mache, den Rückstand sofort zu begleichen, lässt die Möglichkeit offen, den Rückstand zu einem späteren Zeitpunkt oder in Raten zu begleichen.

Können aber Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht ().

Da beide Argumentationen das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit nicht zu belegen vermögen, war auch nicht zu ermitteln, welcher These der Vorrang zu geben ist.

Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint (). Aber selbst wenn man zum Schluss gelangen würde, dass eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe vorliege, muss im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden, dass gegen eine Nachsichtsgewährung spricht, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger (diesfalls der Gläubiger der B-GmbH), zu Gunsten derer seine Pensionseinkünfte verpfändet sind) auswirken würde ().

Die Berufung war somit als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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