Wurde der Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt?
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/16/0124 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, vertreten durch Dr. Heitger-Leitich, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe von Oktober 2008 bis September 2010 für das Kind U. entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Tochter des Berufungswerbers (kurz: Bw) hat im Wintersemester 2006 das Bachelorstudium Pädagogik an der Universität Salzburg begonnen und bis zum Ende des Sommersemesters 2008 betrieben. Ab dem Wintersemester 2008 hat die Tochter an der Fachhochschule in X den Studiengang Physiotherapie inskribiert.
Mit Antrag vom ersuchte der Bw um Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter U.. Zur Bekräftigung seines Ansuchens legte er eine Bestätigung des Studienerfolges der Universität Salzburg für das Bachelorstudium Pädagogik über den Zeitraum 2007/08 und die Inskriptionsbestätigung der Fachhochschule für das Wintersemester 2008 Studiengang Physiotherapie bei.
Mit angefochtenem Bescheid wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2008 bis September 2010 mit nachstehender Begründung ab:
" In § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) wird hinsichtlich eines Studienwechsels auf die Bestimmungen des § 17 Studienförderungsgesetz (StudFG) verwiesen.
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende das Studium nach dem jeweils dritten fortgesetzt gemeldeten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat.
Gemäß § 17 Abs. 4 StudFG in der geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 76/2000) ist ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z. 2 nicht mehr zu beachten, wenn die oder der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat.
Das Bachelorstudium Pädagogik (D033645) wurde im WS 06/07 begonnen - erst nach dem 4. Semester (= WS 08/09) erfolgte für das WS 08/09 die Inskription an der Fachhochschule Y Studiengang Physiotherapie - somit handelt es sich um einen familienbeihilfenschädlichen Studienwechsel.
Berechnung Stehzeit (kein Anspruch auf Familienbeihilfe/Kinderabsetzbetrag): Gemäß § 17 Abs. 4 StudFG in der geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 76/2000) ist ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z. 2 nicht mehr zu beachten, wenn die oder der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien (erfolgreich) zurückgelegt hat.
Erst ab Oktober 2010 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Anmerkung: Die Berechnung erfolgte mangels Anrechnungsbescheid - sollte ein Anrechnungsbescheid vorgelegt werden, erfolgt eine Neuberechnung des Anspruchstichtages. "
Innerhalb offener Frist wurde Berufung erhoben und eingewendet, dass es seit jeher der Berufswunsch der Tochter gewesen sei, Physiotherapeutin zu werden. Die Tochter habe sich schon für das Studienjahr 2007/08 in Z und an der Fachhochschule X um die Aufnahme beworben. Da bei diesem Studiengang pro Jahrgang nur 28 Studenten aufgenommen werden, sei die Tochter im Vorjahr bei mehr als 300 BewerberInnen nicht berücksichtigt worden. Im Jahr 2008 sei ein neuer Anlauf genommen worden und die Tochter ist, bei anscheinend mehr als 400 BewerberInnen, nach einem aufwändigen Auswahlverfahren erfolgreich gewesen. Das Studium Pädagogik sei daher nach 4 Semestern unterbrochen worden, es sei aber geplant, die letzten beiden Semester nach der Fachhochschul-Ausbildung zu absolvieren. Es handle sich daher keineswegs um einen Studienabbruch, sondern um die Chance den zentralen Berufswunsch zu erfüllen.
Über Vorhalt legte der Bw die Bestätigungen darüber vor, dass die Tochter im Jahr 2007 in Z und an der Fachhochschule X am Aufnahmeverfahren teilgenommen hat.
Mit Berufungsvorentscheidung vom hat das Finanzamt die Berufung mit eingehender Begründung abgewiesen.
Dagegen wurde fristgerecht der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen und ergänzend vorgebracht, dass der Studienwechsel der Tochter durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden der Studierenden zwingend herbeigeführt worden wäre. Die Tochter habe sich erneut dem Aufnahmeverfahren gestellt und sei erfreulicherweise aufgenommen worden. Eine Ablehnung dieses Fixplatzes hätte bedeutet, dass sie die seit jeher angestrebte Ausbildung voraussichtlich nie mehr absolvieren hätte können. Die Tochter war daher gezwungen, den Studienwechsel vorzunehmen. Eine gleichzeitige Absolvierung beider Studien sei aufgrund der hohen wöchentlichen Stundenzahl nicht möglich.
Mit Bericht vom wurden die Berufung und der erstinstanzliche Verwaltungsakt dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG in der für den Berufungsfall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 90/2007 lautet auszugsweise:
" § 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
.....................
b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. ........
Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß. "
Der mit "Studienwechsel" überschriebene § 17 Studienförderungsgesetz 1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 47/2008 lautet wie folgt:
" § 17. (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:
1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,
3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,
4. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 3.
(3) Nicht als Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 und 2 gilt der Wechsel von der Studienrichtung Medizin zur Studienrichtung Zahnmedizin für Studierende, die die Studienrichtung Medizin vor dem Studienjahr 1998/99 aufgenommen haben und den Studienwechsel spätestens im Sommersemester 2001 vornehmen.
(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt haben. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden. "
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und nicht abgeschlossene Studium nicht weiter fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes von § 3 StudFG 1992 erfasstes Studium beginnt (vgl. z. B. ).
Sachverhaltsmäßig ist unstrittig, dass die Tochter des Bw ihr Studium nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt hat. Daraus wäre grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG iVm § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG zu folgern, dass ein günstiger Studienerfolg nicht vorliegt.
Der Bw beruft sich allerdings darauf, dass es sich bei diesem Studienwechsel um einen solchen im Sinne des § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG gehandelt habe, der durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden seiner Tochter zwingend herbeigeführt worden sei. Wegen Mangel an Studienplätzen an den Fachhochschulen sei ein Studienwechsel nach zwei Semestern nicht möglich gewesen. Die Tochter sei im Folgejahr gezwungen gewesen, den zugesagten Studienplatz anzunehmen, um die gewünschte Ausbildung zu erlangen.
Die Gesetzesmaterialen zu § 17 StudFG führen nach Darlegung des Regelungszieles, durch Einschränkung des Förderungsanspruches bei Studienwechsel auf eine raschere Studienwahl hinzuwirken, was mit dem Grundsatz der StudFG, nur zügig betriebene Studien zu finanzieren, im Einklang stehe, aus, es werde durch eine Ausnahmeregelung, der zu Folge etwa durch Erkrankung oder Unfall erzwungene Studienwechsel den Anspruch auf Studienbeihilfe nicht beseitigen, dafür vorgesorgt, dass Härtefälle vermieden werden können.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 97/12/0371, ausgeführt, der Gesetzgeber verlange mit der Wendung "zwingend herbeigeführt" einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der über eine bloße Kausalität hinausgehe, und es müsse trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein. Als Beispiele werden in diesem Erkenntnis eine gravierende Handverletzung genannt, die zwar das Studiums eines Musikinstruments ausschließt, nicht aber ein geisteswissenschaftliches Studium, sowie eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die zwar die Weiterführung eines sportwissenschaftlichen Studiums unmöglich macht, nicht aber etwa ein rechtswissenschaftliches Studium (vgl. auch ). Nur ein das Vorstudium, nicht jedoch andere (spätere) Studien spezifisch behindernder Grund führt in diesem Sinne den Studienwechsel "zwingend" herbei ().
Der Bw führt in seinen Eingaben keinerlei Gründe an, die seine Tochter zur Aufgabe ihres bisherigen Studiums gezwungen hätten. Es mag sein, dass sie eine Präferenz zur Absolvierung des Studienganges für Physiotherapie gehabt hat; dass der Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurde, wird damit aber in keiner Weise dokumentiert. Es fehlt nämlich jede Angabe, warum die Weiterführung des bisherigen Studiums der Pädagogik für die Tochter des Bw unzumutbar gewesen sein soll.
Die im vorliegenden Berufungsfall erfolgte 'freiwillige' Weiterführung des bisherigen Studiums, weil das beabsichtigte 'neue' Studium durch die Nichtaufnahme an die Fachhochschule noch nicht begonnen werden konnte, erfüllt die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht. Der Umstand, dass eine Inskription für eine beabsichtigte und 'frei gewählte' Studienrichtung wegen Platzmangels verhindert bzw. 'hinausgeschoben' wird, ist somit unerheblich. Der Studienwechsel wurde somit nicht durch ein unabwendbares Ereignis zwingend herbeigeführt.
Die Entscheidung steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates, von der abzugehen der gegenständliche Berufungsfall keinen Anlass bietet (vgl. z.B. Berufungsentscheidungen vom , RV/0406-G/08, vom , RV/0548-W/07, vom , RV/0201-S/04, und vom , RV/1838-W/02).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 17 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 |
Schlagworte | Studienwechsel Vorstudium Platzmangel |
Verweise | -G/08 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at