Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.01.2013, RV/3067-W/12

Die Einhebung von Aussetzungszinsen ist nicht sachlich unbillig.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat10 über die Berufung des Bw., vertreten durch BzG Wirtschaftstreuhand Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsGmbH, Unternehmensberatung, 3571 Gars am Kamp, Wiener Straße 113/A/1, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs, vertreten durch A. vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom ersuchte der Berufungswerber (Bw) die mit Bescheid vom festgesetzten Aussetzungszinsen in Höhe von € 37.101,92 gemäß § 236 BAO nachzusehen.

Aufgrund einer unterschiedlichen Rechtsmeinung des Steuerberaters (B.) und der Finanzverwaltung betreffend Zufluss von Geschäftsführerbezügen sei es in den Jahren 2002 bis 2009 zu unterschiedlichen steuerlichen Behandlungen der Zuflüsse gekommen. Mit UFS-Entscheidung sei die Zuflussfiktion des Finanzamtes bestätigt und vom Bw. akzeptiert worden, wodurch es zu Aussetzungen der Einhebungen, Wiederaufnahme der Verfahren und dergleichen gekommen sei.

Bei der Durchsicht der Unterlagen sei festgestellt worden, dass immer nur gegen die unterschiedlichen Zuflüsse Berufung erhoben worden sei, aber für den kompletten Rückstand beim Finanzamt eine Aussetzung genehmigt worden sei. Diese Aussetzung einer Berufung sei rechtlich gar nicht möglich. Der Bw. sei der Ansicht gewesen, dass es sich bei den ausgesetzten Beträgen rein um die Besteuerung der Zuflüsse handle, die nicht bestrittenen Steuern hätte er natürlich sofort erledigt, da er immer über positive Konten verfügt habe.

Der sich neu ergebende Rückstand von € 37.101,92 beruhe auf Aussetzungszinsen für eine ausgesetzte Steuerschuld, die ohne dem Wissen des Bw. beantragt und ohne weitere Überprüfung der Finanz gewährleistet worden sei. Für diesen Betrag werde um Nachsicht ersucht. Der Restbetrag sei fristgerecht bezahlt worden.

Weiters sei festzuhalten, dass es durch Änderungen in der Gesetzgebung zu einer Doppelverzinsung der Nachzahlung komme. Einerseits würden die Aussetzungszinsen und andererseits die Anspruchszinsen anfallen. Dadurch komme es zu einer doppelten Zinsbelastung für die Rückstände und dies teilweise auf Basis einer Nichtkontrolle der angestrebten Aussetzung, da für einen Teilbetrag nicht einmal Berufung erhoben worden sei. Eine solche Doppelverzinsung sei sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers und sei ebenfalls zu hinterfragen.

Gemäß § 236 BAO könnten fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung unbillig wäre. Gemäß einer Entscheidung des , könne diese Unbilligkeit sachlich oder persönlich sein.

Im Falle des Bw. könne aufgrund der Verletzung von Treu und Glauben und des daraus resultierenden atypischen Vermögenseingriffes eine sachliche Unbilligkeit angenommen werden.

Eine Verletzung von Treu und Glauben sei anzunehmen, da das Finanzamt unrichtig die fälligen Abgaben ausgesetzt habe, obwohl der Bw. über Guthaben auf seinem Finanzamtskonto bzw. seinen Bankkonten verfügt habe und die Abgaben eingehoben hätten werden können. Aufgrund der unrichtigen Aussetzungen seien dem Bw. nun Zinsen vorgeschrieben worden, deren Einhebung sachlich unbillig wäre.

Es werde daher der Antrag auf Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 37.101,92 gestellt, da der Gesetzgeber ein solches Ergebnis sicherlich nicht beabsichtigt habe und daher die folgende anormale Belastungswirkung und der atypische Vermögenseingriff auf Grund dieses außergewöhnlichen Geschehensablaufes vermieden und auf die Einhebung verzichtet werden sollten.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen unter Zitierung des § 236 BAO mit der Begründung ab, dass eine sachlich bedingte Unbilligkeit nur dann vorliege, wenn sie in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet sei. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles sei aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folge. Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sei die Einziehung nach der Lage des Falles unbillig. Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst würden, nicht sachlich unbillig sei, habe der VwGH schon wiederholt ausgesprochen. Auch im gegenständlichen Fall habe der Bw. durch seine gemäß § 212a BAO gestellten Anträge auf Aussetzung der Einhebung vom bzw. das Entstehen der Aussetzungszinsen ausgelöst und in der Folge während des über längere Zeit laufenden Berufungsverfahrens von der Entrichtung der Abgabenschuld Abstand genommen. Damit sei aber in Bezug auf den Anfall der Aussetzungszinsen eine nach der Rechtslage in Kauf genommene Abgabenschuld vorgelegen. Außerdem enthalte ein Bescheid, mit dem die Aussetzung der Einhebung gewährt werde, regelmäßig den Hinweis, dass Aussetzungszinsen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit gesondertem Bescheid angefordert werden. Zum Einwand der möglichen Doppelverzinsung bedingt durch die Vorschreibung von Aussetzungs- und Anspruchszinsen werde ergänzend festgehalten, dass gemäß § 205 BAO die Differenzbeträge an Einkommen- und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide verzinst würden (Anspruchszinsen). Hingegen erfolge eine Vorschreibung von Aussetzungszinsen nur insoweit, als infolge einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO ein Zahlungsaufschub eintrete. Durch die unterschiedlichen Berechnungszeiträume ergebe sich somit keine Doppelverzinsung.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen habe dem Antrag auf Nachsicht der Aussetzungszinsen nicht entsprochen werden können.

In der nach Fristverlängerung eingebrachten Berufung vom führte der Bw. aus, dass die Aussetzungszinsen von den Steuernachzahlungen berechnet worden seien, die dadurch entstanden seien, da unterschiedliche Auffassungen des steuerlichen Zuflusses von Geschäftsführerbezügen vorgeherrscht hätten.

Falls die Geschäftsführerbezüge in den Folgejahren nicht versteuert geworden wären, wäre der Auffassung des Finanzamtes Folge zu leisten. Im konkreten Fall seien die Rückstellungen im Jahr des tatsächlichen Zuflusses in die Steuererklärung aufgenommen und entsprechend versteuert worden.

Die höheren Einkommensteuerzahlungen der Folgejahre seien entsprechend bezahlt worden. Da sich die Rechtsprechung in der Zwischenzeit eindeutig zu Gunsten der Meinung des Finanzamtes entschieden habe, sei kein weiterer Weg an den VwGH oder VfGH beschritten worden.

Fakt sei allerdings, dass für die Nachzahlungen sowohl Aussetzungszinsen als auch Anspruchszinsen verrechnet worden seien, wobei bei den wiederaufgenommenen Gutschriften der Jahre 2006 bis 2009 nur die Anspruchszinsen gutgeschrieben worden seien.

Dies bedeute, dass für die Jahre 2006 bis 2012 Aussetzungszinsen vorgeschrieben würden, obwohl der Staat durch die Versteuerung in diesen Jahren die Beträge bereits vereinnahmt gehabt habe. Dies entspreche nicht dem Sinne der Rechtsnorm, daher liege hier der klassische Begriff einer sachlichen Unbilligkeit vor.

Die Anspruchszinsen seien nach Ansicht des steuerlichen Vertretung des Bw. gesetzlich gewollt, da dies die Verzinsung für die verspätete Zahlung darstelle. Aussetzungszinsen müssten aber auch auf die Gutschriften erfolgen.

Durch das Zusammentreffen der Aussetzungszinsen und der Anspruchszinsen komme es in Summe zu einer Verzinsung von bis zu 9% nur um Rechtssicherheit zu erhalten.

Dies sei sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers und der Rechtssicherheit.

Der Bw. stelle daher den Antrag auf Nachsicht der doppelten Zinsverrechnung durch die nebeneinander anfallenden Gesetzesmaterien im Ausmaß von € 37.101,92.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall nach einem mehrjährigen Berufungsverfahren im Abgabenverfahren Aussetzungszinsen in einer Höhe angefallen seien, die vom Bw. nicht verschuldet worden und von ihm auch nicht zu vertreten seien. Durch einen Fehler der Abgabenbehörde bei der Gewährung der Aussetzung der Einhebung seien Aussetzungszinsen in Höhe von ca. € 25.000,00 für eine Änderung im Zusammenhang mit dem Verlustvortrag entstanden, der gar nicht den Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sei. Aus diesen Gründen werde, auch unter Verweis auf das schriftliche Vorbingen, in der Einhebung dieser Aussetzungszinsen eine sachliche Unbilligkeit gesehen und deren Nachsicht beantragt.

Die in der Berufung eingewendete Doppelverzinsung sei tatsächlich nicht gegeben, insoweit werde das Berufungsbegehren korrigiert.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/13/0264, 0265).

Zweck des § 236 BAO ist es grundsätzlich nicht, einen Bescheid in einem weiteren (zusätzlichen) Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, es sei denn, es wäre die zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausnahmsweise unverschuldetermaßen nicht möglich gewesen.

Das Vorbringen, dass die mit Bescheiden vom und verfügten Aussetzungen der Einhebung betreffend Einkommensteuer 1999, 2002, 2003 und 2004 sowie der Anspruchszinsen 2002, 2003 und 2004 den kompletten Rückstand betreffen würden, obwohl "nur gegen die unterschiedlichen Zuflüsse Berufung erhoben worden sei", ist daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit der Einhebung aufzuzeigen, zumal der Bw. auch nicht dargetan hat, dass die Rechtsverfolgung nicht möglich gewesen wäre.

Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst werden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen. Vor dem Hintergrund, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liegt das Entstehen der Aussetzungszinsen gegebenenfalls beträchtlicher Höhe zu verhindern, kann auch eine allfällige lange Dauer des Berufungsverfahrens keine sachliche Unbilligkeit in der Einhebung der dadurch aufgelaufenen Aussetzungszinsen begründen. (VwGH, Zl. 99/13/0065 vom ).

Auch im gegenständlichen Berufungsfall hat der Bw. durch seine gemäß § 212a BAO gestellten Anträge auf Aussetzung der Einhebung das Entstehen der Aussetzungszinsen ausgelöst und in der Folge während des Berufungsverfahrens von der Entrichtung der Abgabenschuld Abstand genommen. Damit lag aber in Bezug auf den Anfall der Aussetzungszinsen eine nach der Rechtslage in Kauf genommene Abgabenschuld vor (vgl. ).

Dass die Aussetzung ohne Wissen des Bw. (durch den steuerlichen Vertreter) beantragt worden sei, ist ebenfalls unbeachtlich, da Handlungen (und insbesondere ein Verschulden des Vertreters) dem Vertretenen zuzurechnen sind ().

In der Berufung wird weiters vorgebracht, die Unbilligkeit ergebe sich im vorliegenden Fall ferner daraus, dass die Gutschriftsbeträge, welche sich aus der Einkommensteuer 2006 bis 2009 ergeben haben, bei der Ermittlung der Aussetzungszinsen betreffend Einkommensteuer 1999, 2002, 2003 und 2004 nicht berücksichtigt worden seien, was dazu geführt habe, dass Aussetzungszinsen vorgeschrieben worden seien, obwohl der Staat durch Versteuerung in diesen Jahren die Beträge bereits vereinnahmt gehabt habe.

Dieses vom Bw. angesprochene Fehlen der Saldierung der Abgabenvorschreibungen verschiedener Kalenderjahre ist aber eine Folge der Abgabenbezogenheit der Aussetzung der Einhebung, die es nicht erlaubt, die infolge Herabsetzung einer Abgabenschuld entstehende Gutschrift rückwirkend bei der Berechnung der Aussetzungszinsen für eine andere Abgabenschuld zu berücksichtigen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/15/0167, und vom , 2002/13/0078). Die Vorschreibung der Aussetzungszinsen erfolgte demgemäß im Einklang mit der allgemeinen Rechtslage, sodass ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis nicht erkennbar ist (vgl. dazu auch ).

Da das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit nicht behauptet wurde, erfolgte die Abweisung des Nachsichtsansuchens zu Recht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

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