Dienstnehmereigenschaft bei Hilfsarbeiten
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben kam es zu folgender nunmehr bekämpfter Feststellung:
Herr A hat für die Bw Fenster abgedichtet. Nach Ansicht des Finanzamtes übte er diese Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses aus. Dafür sprachen laut Begründung des Haftungsbescheides folgende Fakten: - Herr A war praktisch ausschließlich für die Bw tätig - Die Bw stellte das Arbeitsmaterial und im Wesentlichen auch das Werkzeug zur Verfügung - Herr A war bei seiner einfachen manipulativen Tätigkeit organisatorisch abhängig - er trug kein Unternehmerrisiko (keine Haftung, keine schriftlichen Verträge) - er wurde nach den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten der Bw tätig - die ihm, nachdem sie sich von seinem Können überzeugt hat, auch bei der Erlangung eines Gewerbescheins behilflich war.
Im Zuge einer KIAB-Überprüfung gab Herr A unter anderem zu Protokoll, dass er täglich von ca 8 bis ca 18 Uhr (mit 1 Stunde Mittagspause) für die Bw tätig ist, seine Arbeit aber nach Typ, Art und Größe der abgedichteten Fenster abgerechnet werde. Andere Auftraggeber habe er zur Zeit noch nicht, aber er habe ohnedies bei der Bw genug zu tun. Er besitze eigenes Werkzeug (wie Bohrmaschine, Schraubenzieher..), größeres Werkzeug leihe er sich von der Bw aus. Als Pauschale seien ca 55 Euro/Fenster ausgemacht (wobei sich die im Akt befindlichen Rechnungen nicht durch 55 teilen lassen).
Aufgrund dieser Feststellungen erließ das Finanzamt den nunmehr bekämpften Haftungs- und Abgabenbescheid.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte der steuerliche Vertreter ein, Herr A verfüge über eine gültige Gewerbeberechtigung deren Überprüfung der Bw wohl nicht angelastet werden könne. Er sei auch für andere Auftraggeber tätig geworden. Er trage sehr wohl ein Unternehmerrisiko, nämlich das eines Subunternehmers und seine Tätigkeit erfordere keine wesentlichen Betriebsmittel.
Nach Ergehen einer ausführlich begründeten abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte der steuerliche Vertreter den Antrag auf Entscheidung durch die 2. Instanz. Dabei fügte er ergänzend hinzu, dass Herr A Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft geleistet habe.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos) Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018).
Für das Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es dabei nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung als Dienstvertrag oder als Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend (vgl. mit weiteren Nachweisen ).
1. Weisungsgebundenheit
Weisungsgebundenheit bedeutet, dass der Arbeitgeber durch individuell-konkrete Anordnungen das Tätigwerden des Dienstnehmers beeinflussen kann (). Derartige Anordnungen können sich etwa auf den Arbeitsort, die Arbeitszeit, eine persönliche Arbeitsleistung (kein generelles Vertretungsrecht), den Einsatz von Arbeitsmitteln, die Arbeitseinteilung, die Unterwerfung unter die betriebliche Kontrolle usw. beziehen; zusammengefasst somit auf Vorgaben, die über das rein sachliche Weisungsrecht hinausgehen und somit auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet sind (vgl. Jakom/Lenneis, EStG, 2010, § 47 Rz 6).
Die Bw hat Herrn A mit dem Firmenauto zu den einzelnen Baustellen geführt und ihm vorgegeben, welche Arbeiten er durchzuführen hat. Im Fall der Krankheit muss sich Herr A bei der Bw melden und nicht - wie es für einen selbständigen Unternehmer typisch ist - für eine Vertretung sorgen. Das Arbeitsmaterial wurde Herrn A ebenso zur Verfügung gestellt wie größeres Werkzeug. Schließlich hat sich die Bw nach Angaben von Herrn A von seiner fachlichen Eignung überzeugt, seine Arbeit somit so kontrolliert, wie die eines Dienstnehmers. All diese Fakten, die eine Weisungsgebundenheit belegen, blieben in der Berufung unwidersprochen.
2. Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Bw
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich unter anderem darin, dass der Arbeitsort und die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers vorgegeben sind. Herr A war auch insoweit in den betrieblichen Organismus der Bw eingegliedert als er laut eigenen Angaben täglich von ca 8 bis 18 Uhr (mit Mittagspause) für die Bw tätig wurde.
3. Andere Merkmale
Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten. Material- oder andere bei gewerblich tätigen Unternehmen anfallende Nebenkosten scheinen allerdings in den Rechnungen nicht auf. Herr A verfügte auch nicht über eine eigene betriebliche Struktur zumal er beispielsweise über keine nennenswerten eigenen Arbeitsmittel verfügte und nicht einmal die Möglichkeit hatte, Rechnungen selbst auszustellen. Daraus lässt sich eindeutig ableiten, dass Herr A seiner Tätigkeit in Ermangelung einer eigenen unternehmerischen Infrastruktur ausschließlich in Abhängigkeit von der Bw nachgehen konnte (vgl. dazu auch ). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen ausgesprochen, dass einfache Hilfsarbeiten, die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf erbracht werden müssen, kein selbständiges Werk darstellen können (vgl. etwa , mwN).
Die Vorbringen der Berufung sind nicht geeignet diese Beurteilung zu erschüttern: Die Feststellungen des Finanzamtes blieben praktisch gänzlich unwidersprochen. Soweit von der Bw behauptet wurde, Herr A hätte auch andere Auftraggeber, muss dem die Aussage von Herrn A entgegen gehalten werden, dass er nur für die Bw tätig wurde, bei der er ohnehin genug zu tun hätte. Bezüglich des in der Berufung vorgebrachten Gewerbescheines ist darauf hinzuweisen, dass es nur auf die Umstände der Ausübung der Tätigkeit ankommt und nicht darauf, ob der Beschäftigte im Besitz eines Gewerbescheines war oder nicht (vgl. ). Auch ist die Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen kein Beweis für die Selbständigkeit.
In Würdigung aller Umstände hat Herr A seine Arbeiten im Rahmen einer nicht selbständigen Tätigkeit, einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs 2 EStG ausgeführt. Die Bw trifft damit wie im Haftungsbescheid vorgeschrieben die Pflicht zur Einbehaltung von Lohnsteuer, die Bezahlung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 Abs 1 FLAG) und die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs 7 und 8 WKG).
Die Berufung war daher abzuweisen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at