OGH 23.03.2012, 1Ob43/12y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Sollhart & Taumberger Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei M***** F*****, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, wegen 21.784,02 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 158/11m-57, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 27 Cg 203/09b-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte stellte am aus angelieferten Hühnereiern unter anderem pasteurisiertes Eiweiß zur Weiterverarbeitung her; in einer unmittelbar nach der Pasteurisierung gezogenen Probe, die am nächsten Tag bakteriologisch untersucht wurde, wurde ein entsprechend den vorgegebenen Richt- und Grenzwerten einwandfreies mikrobiologisches Analyseergebnis ohne den Nachweis von Salmonellen erzielt. Teile dieser produzierten Ware mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum wurden bis beim Beklagten gelagert und in der Nacht auf den an die Klägerin geliefert. Diese verwendete den Grundstoff vom 27. 1. bis zur Herstellung von Süßspeisen, unter anderem Schokoladenterrinen. In einer solchen (einer „Rückstellprobe“) wurde bei einer Untersuchung am ein Hinweis auf eine erhöhte Keimbelastung festgestellt. Bei weiteren mikrobiologischen Untersuchungen des vom Beklagten gelieferten Hühnereiweißes am 11. und wurden Salmonellen und Pseudomonaden festgestellt; die Schokoladenterrine war wegen der übermäßigen Belastung mit Salmonellen nicht verkehrsfähig. Wie es zu der Keimbelastung gekommen ist, ist nicht feststellbar. Es gibt weder Hinweise darauf, dass im Produktionsprozess des Beklagten oder bei der Lagerung Hygienemängel vorgelegen wären, noch dafür, dass solche Mängel bei der Lagerung der Produkte bei der Klägerin bestanden hätten. Nicht ausgeschlossen ist, dass durch menschliches oder technisches Versagen nicht protokollierte Ereignisse zu einer Kontamination oder einer Vermehrung von Mikroorganismen in den Eiprodukten geführt haben. In der Schokoladenterrine wurde ein anderer Phagentyp festgestellt als der im Grundprodukt (Hühnereiweiß) nachweisbare.
Die Vorinstanzen wiesen das auf Ersatz des entgangenen Verkaufserlöses sowie der entstandenen Kosten gerichtete Klagebegehren ab, wobei das Berufungsgericht die ordentliche Revision für zulässig erklärte. Es vertrat die Auffassung, dass die Anwendung des § 924 ABGB auf verderbliche Waren besondere Probleme aufwerfe, wozu in der Lehre verschiedene Ansätze vertreten würden. Der Klägerin sei aber auch bei Bejahung der Anwendung einer flexiblen Lösung nicht geholfen. Die innerhalb der angegebenen Haltbarkeitsfrist einer mikrobiologischen Analyse unterzogene Rückstellprobe einer Schokoladenterrine der Klägerin habe zwar eine lebensmittelrechtlich zu beanstandende Verseuchung mit Salmonellen ergeben. Diese Terrine sei aber nicht das gelieferte Produkt des Beklagten gewesen, sondern seien darin lediglich die gelieferten Eiprodukte des Beklagten mitverarbeitet worden. Die festgestellte Mangelhaftigkeit müsse daher nicht unbedingt ihre Ursache in einer mangelhaften Lieferung des Beklagten haben, vielmehr könne die Mangelhaftigkeit auch andere - gleich wahrscheinliche - Ursachen haben. Das gelieferte Eiweiß des Beklagten könne demnach trotz der nachgewiesenen bakteriellen Verunreinigungen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache für den Salmonellennachweis bei der Schokoladenterrine bezeichnet werden. Damit habe der Beklagte die Voraussetzungen der Ausnahmeregel des § 924 Satz 3 ABGB bewiesen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Rechtsfrage, ob bzw inwieweit verderbliche Waren von der Vermutungsregel des § 924 Satz 2 ABGB umfasst sind, über den Einzelfall hinausgehend erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme und dazu weder Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, noch die Lehre bei der Auslegung des § 924 Satz 3 ABGB einheitlich sei.
Die dagegen erhobene Berufung ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts mangels Abhängigkeit der Entscheidung von einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, worauf der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auch zutreffend hinweist.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 924 Satz 2 ABGB wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass ein Mangel schon bei der Übergabe vorhanden war, wenn er innerhalb von sechs Monaten hervorkommt. Nach Satz 3 tritt die Vermutung nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.
Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 924 ABGB ist stets, dass der Übernehmer den Beweis führt, dass sich die gelieferte Sache (oder sonstige Leistung) innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist in einem Zustand befunden hat, der als Mangel iSd § 923 ABGB zu qualifizieren wäre, wenn er schon bei Übergabe vorhanden gewesen wäre (vgl dazu nur RIS-Justiz RS0124354). Insbesondere hat daher etwa der Übernehmer bei zwei getrennten dasselbe Werk betreffenden Leistungen aus verschiedenen Vertragsverhältnissen zu beweisen, aus welcher der beiden Leistungen ein später - am Gesamtergebnis -
aufgetretener Mangel resultiert (4 Ob 234/10f).
Wenn die Revisionswerberin nun vermeint, der Beweis der Mangelhaftigkeit „der Sache“ sei ihr deshalb gelungen, weil die Schokoladenterrine, in welcher die Eierprodukte des Beklagten eingearbeitet wurden, wegen eines Salmonellenbefalls nicht verkehrsfähig gewesen sei, verkennt sie den maßgeblichen Beweisgegenstand. Entscheidend ist nicht, ob sich das von ihr hergestellte Endprodukt (Schokoladenterrine), das aus zahlreichen Teilprodukten und im Rahmen eines Prozesses hergestellt wurde, der mögliche weitere Ursachen für die Keimbelastung bietet, innerhalb der Vermutungsfrist als „mangelhaft“ erweist. Vielmehr hätte die Klägerin den Beweis zu führen gehabt, dass die Unbrauchbarkeit dieses Endprodukts auf einen Mangel (übermäßige Keimbelastung) des von der Beklagten übergebenen Grundstoffs zurückgeht, was ihr allerdings nicht gelungen ist.
Ist aber nun der Klägerin der Beweis des Hervorkommens eines Mangels am vom Beklagten gelieferten Grundstoff (pasteurisiertes Eiweiß) nicht gelungen, besteht keine Basis für die Vermutung der Mangelhaftigkeit nach § 924 Satz 2 ABGB, womit sich schließlich auch Fragen der Auslegung des § 924 Satz 3 ABGB nicht mehr stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, womit sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0010OB00043.12Y.0323.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAD-02343