OGH vom 03.04.2008, 1Ob43/08t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Putz, Dr. Andreas Rischka und Mag. Bernhard Löw, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in Wien, wegen 26.961,72 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 148/07b-55, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 20 Cg 51/03h-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.538,28 EUR (darin enthalten 256,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des InvFG legte im Frühjahr 2000 einen Kapitalanlagefonds auf und beauftragte die beklagte Bank mit dem Fondsmanagement, für das bei der Beklagten ein bestimmter Mitarbeiter (im Folgenden: Bankmitarbeiter) verantwortlich war. Dieser führte mit dem Kläger ein Gespräch über einen allfälligen Erwerb von Anteilen an diesem Fonds. Dabei erklärte er, er sei von der Beklagten zum Fondsmanager bestellt worden; dass bei einem Erwerb von Fondsanteilen ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Unternehmen, nämlich der Kapitalanlagegesellschaft, begründet werden sollte, erfuhr der Kläger erst im Lauf dieses Prozesses. Der Bankmitarbeiter gab dem Kläger Informationen über die geplante Anlagestrategie und das damit verbundene (überschaubare) Risiko; es sei zu erwarten, dass sich das eingesetzte Geld in sieben Jahren verdoppeln werde. Da der Kläger dem Bankmitarbeiter vertraute, erwarb er Fondsanteile um rund 27.000 EUR. Erstmals im Frühjahr bzw Sommer 2002 erfuhr er von einem deutlichen Wertverlust seiner Anlage. Ursache dafür war, dass zu Fondsbeginn mit einem sehr wachstumsorientierten Investmentansatz begonnen worden war, dessen Ausrichtung im Geschäftsjahr 2001/2002 noch aggressiver geworden war.
Sein Schadenersatzbegehren stützte der Kläger im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte entgegen den Angaben im von ihr aufgelegten Prospekt und den Zusagen des Bankmitarbeiters die Anlagestrategie geändert und damit den schweren Wertverlust des Fonds verursacht habe.
Die Beklagte bestritt ihre Passivlegitimation, da Vertragspartnerin des Klägers die Kapitalanlagegesellschaft sei; als Fondsmanagerin hafte sie dem Kläger nicht für eine allenfalls fehlerhafte Fondsgebarung. Das Fondsmanagement habe den Angaben im Prospekt und den Fondsbestimmungen entsprochen, insbesondere dem Grundsatz der Risikostreuung. Der Schaden sei nicht durch ein verfehltes Fondsmanagement, sondern durch Kurseinbrüche an allen Börsen entstanden. Im Hinblick auf die zuletzt erfolgte Klageausdehnung wurde auch der Einwand der Verjährung erhoben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen aus, der Grundsatz der Risikostreuung sei im vorliegenden Fall nicht verletzt worden. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen die Allgemeinen und Besonderen Fondsbestimmungen vor. Die Ankündigung, dass sich das Geld in sieben Jahren verdoppeln werde, lasse sich mit einer konservativen Ausrichtung nicht vereinbaren. In rechtlicher Hinsicht argumentierte das Erstgericht, es habe die behauptete Änderung der Anlagestrategie von einem konservativen auf einen aggressiven Ansatz im Herbst 2000 nicht gegeben. Auf eine von Anfang an nicht der Zusage entsprechende (aggressive) Veranlagungsstrategie habe der Kläger sein Begehren nicht gestützt. Es könne daher dahin gestellt bleiben, wie die nach den Verfahrensergebnissen widersprüchliche Zusage hinsichtlich der Anlagestrategie zu bewerten sei. Ebenso erübrige sich eine Auseinandersetzung mit dem Einwand der mangelnden Passivlegitimation.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Ein Kapitalanlagefonds sei ein überwiegend aus Wertpapieren bestehendes Sondervermögen, das im Miteigentum der Anteilinhaber stehe. Nur die Kapitalanlagegesellschaft sei berechtigt, über die Vermögenswerte zu verfügen; sie handle dabei im eigenen Namen für Rechnung der Anteilinhaber. § 3 Abs 3 InvFG berechtige die Kapitalanlagegesellschaft, sich bei der Verwaltung von Kapitalanlagefonds Dritter zu bedienen und diesen auch das Recht zur Verfügung über die Vermögenswerte zu überlassen; der Dritte handle hiebei für Rechnung der Anteilinhaber. Durch eine solche Vereinbarung würden die Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft nicht berührt. Diese hafte für Handlungen des Dritten wie für eigenes Handeln. Das Rechtsverhältnis zwischen Anteilinhaber und Kapitalanlagegesellschaft sei im Wesentlichen als Auftragsvertrag gemäß den §§ 1002 ff ABGB zu qualifizieren. Die Beklagte sei hier nicht Kapitalanlagegesellschaft im Sinn der §§ 2 f InvFG, sondern Dritte im Sinn des § 3 Abs 3 InvFG, der die Kapitalanlagegesellschaft das Recht zur Verfügung über die Vermögenswerte überlassen habe. Eine Haftung wegen sorgfaltswidrigen Fondsmanagements aufgrund des Investmentvertrags könne daher ausschließlich gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft geltend gemacht werden. Die Vereinbarung zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Beklagten sei nicht als Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zu qualifizieren, weil ein solcher dort nicht anzunehmen sei, wo der Dritte gegen einen der Kontrahenten Ansprüche aus eigenem Vertrag habe. Da aufgrund des Investmentvertrags ein unmittelbarer Anspruch gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft bestehe, sei eine Haftung der beklagten Fondsmanagerin unter diesem Aspekt zu verneinen. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein (sonstiges) Sonderrechtsverhältnis zur Beklagten stützen, das in der Bewerbung des Fonds durch die Beklagte und in der offenkundig durch die Beklagte erfolgten Vermittlung des Anteilserwerbs erblickt werden könnte. Im Zusammenhang mit einer solchen Sonderrechtsbeziehung würden nur Beratungsfehler in Betracht kommen, auf die sich der Kläger jedoch ausdrücklich nicht gestützt habe. Als einzige mögliche Anspruchsgrundlage verbliebe die Haftung aufgrund der Verletzung von Schutzgesetzen, bei der allerdings insbesondere die Gehilfenhaftung nicht greife. Schutzgesetze seien konkrete Verhaltensvorschriften, die ein Verhalten schon wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit verbieten. Die nur allgemein gehaltene Verpflichtung nach § 3 Abs 1 InvFG zur Wahrung der Interessen der Anteilinhaber, zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der Bestimmungen des InvFG und der Fondsbestimmungen sei nicht ausreichend konkret, um als Schutzgesetz in diesem Sinne qualifiziert zu sein. Für die Einhaltung einer bestimmten Anlagestrategie hafte den Anlegern die Kapitalanlagegesellschaft, nicht aber der von dieser beauftragte Fondsmanager. Die Haftung der Beklagten könnte sich lediglich aus der unrichtigen Präsentation im Rahmen des Vertriebs der Fondsanteile ergeben, die der Kläger aber ausdrücklich nicht geltend gemacht habe. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Haftung des Fondsmanagers gegenüber den Anlegern noch nicht Stellung genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Soweit der Kläger in der Revision den Versuch unternimmt, das Zustandekommen eines eigenen Vertragsverhältnisses („ganz spezieller Investmentvertrag") mit der Beklagten zu begründen, das der Beklagten aufgrund der Zusagen ihres Mitarbeiters weitergehende Pflichten auferlegte, als sie die Kapitalanlagegesellschaft selbst treffen, übersieht er, dass Anhaltspunkte für eine derartige Vertretungsmacht des Bankmitarbeiters nicht vorliegen. Der Kläger hat auch nie behauptet, dass die Beklagte ihrem Mitarbeiter die Vollmacht eingeräumt hätte, über die bloße Vermittlung von Anlagegeschäften mit der Kapitalanlagegesellschaft hinaus „spezielle Investmentverträge" mit Bankkunden abzuschließen und damit namens der Beklagten gegenüber dem Kunden eine Verantwortung zu übernehmen, wie sie die Kapitalanlagegesellschaft selbst trifft oder die sogar noch darüber hinausgeht. Auf eine Haftung der Beklagten wegen eines „gewöhnlichen" Beratungsfehlers beruft sich der Kläger nicht.
Zu Recht sind die Vorinstanzen auch der Auffassung des Klägers nicht gefolgt, dass sich aus § 3 Abs 3 InvFG eine unmittelbare Haftung des Fondsmanagers gegenüber den Anteilinhabern ergebe, wenn durch verfehltes Fondsmanagement das Fondsvermögen geschmälert wird.
Das Gesetz selbst trifft dazu keine ausdrückliche Aussage, sondern äußert sich lediglich zur Haftung der Kapitalanlagegesellschaft für Pflichtverletzungen eines Dritten, dessen sie sich bei der Verwaltung des Kapitalanlagefonds bedient hat. Dazu ordnet das Gesetz in § 3 Abs 3 InvFG in der hier anzuwendenden Fassung (ganz ähnlich § 3 Abs 3 Z 8 idF BGBl I 2003/80) an, dass die Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 3 Abs 1 zweiter Satz durch eine solche Vereinbarung nicht berührt werden, und die Kapitalanlagegesellschaft für Handlungen des Dritten wie für eigenes Handeln haftet.
Der Revisionswerber meint nun, dass eine solche gesetzliche Anordnung nicht erforderlich gewesen wäre, wenn es lediglich um eine Haftung für fremdes Verhalten im Sinne des § 1313a ABGB gegangen wäre, die sich ohnehin schon aus allgemeinen Regeln ergäbe; wegen der ausdrücklichen Festschreibung der Haftung der Kapitalanlagegesellschaft liege vielmehr die Interpretation nahe, dass es zu einem Schuldeintritt des Dritten komme.
Dem ist nicht zu folgen. Wie sich bereits aus den Gesetzesmaterialien (abgedruckt etwa bei Majcen/Minihold/Weber, Investmentfondsgesetz, 23) ergibt, sollte mit der erörterten Formulierung nur klargestellt werden, dass durch eine solche Übertragung weder die Pflichten noch die Haftung der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber den Anteilinhabern eingeschränkt werden können. Auch in der Literatur wird vertreten, dass durch § 3 Abs 3 letzter Satz InvFG eine Erfüllungsgehilfenhaftung im Sinn des § 1313a ABGB normiert werde (vgl etwa Heidinger, Das neue Investmentfondsrecht, 60; ähnlich Paul, Investmentgeschäft, 78). Selbst der Revisionswerber gesteht zu, dass ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter dort nicht zu unterstellen ist, wo der Dritte - gegenüber seinem Vertragspartner - Ansprüche aus eigenem Vertrag hat. Er vermag allerdings nicht zu begründen, aus welchen Erwägungen gerade Anteilinhabern nach dem InvFG (ausnahmsweise) zwei Haftende zur Verfügung stehen sollten. Diese können sich - auch bei einem Fehlverhalten eines externen Fondsmanagers - mit ihren Ersatzansprüchen an die Kapitalanlagegesellschaft halten. Warum gerade in diesem Rechtsbereich eine Schadenersatzhaftung des unmittelbaren Vertragspartners nicht ausreichen sollte und entgegen allgemeinen Grundsätzen auch den Erfüllungsgehilfen des unmittelbaren Vertragspartners eine Schadenersatzhaftung treffen sollte, ist nicht zu erkennen. Eine besondere - in anderen Rechtsbereichen nicht vorhandene - Schutzlücke vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.
Ähnliches ist den Erwägungen des Revisionswerbers entgegen zu halten, soweit er die Haftung der Beklagten aus der Verletzung von Schutzgesetzen ableiten will. Auch wenn die Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 3 Abs 3 InvFG berechtigt ist, sich bei der Verwaltung von Kapitalanlagefonds Dritter zu bedienen und diesen auch das Recht zur Verfügung über die Vermögenswerte zu überlassen, wobei der Dritte dabei für Rechnung der Anteilinhaber handelt, ist damit keineswegs gesagt, dass den Dritten, hier also die Beklagte als Fondsmanagerin, unmittelbare Pflichten gegenüber den Anteilinhabern treffen, deren Verletzung zur Begründung deliktischer Schadenersatzansprüche führen könnte. Gegen das Vorliegen eines Schutzgesetzes im Sinne des allgemeinen Verständnisses spricht schon, dass im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich die Anteilinhaber geschützt sein können, die aber ohnehin zur Kapitalanlagegesellschaft in einem Vertragsverhältnis stehen, das letztere zu einem sorgfältigen und gewissenhaften Verhalten im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 2 InvFG verpflichtet. Wer ohnehin vertragsrechtlichen Schutz genießt, bedarf keines zusätzlichen Schutzes durch - noch dazu inhaltsgleiche - (deliktsrechtlich einzuordnende) Verhaltenspflichten des Gehilfen des Vertragspartners im Sinne von Schutzgesetzen. Letztlich würde die vom Revisionswerber gewünschte deliktsrechtliche Einordnung auch dazu führen, dass jeden Mitarbeiter der Kapitalanlagegesellschaft, der mit der Fondsverwaltung betraut ist, eine eigene persönliche (deliktische) Haftung träfe, wenn er das Fondsvermögen durch schuldhaftes Fehlverhalten schmälert. Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er - gerade für reine Vermögensschäden - eine derartige Konsequenz, die im Übrigen im Gesetzeswortlaut in keiner Weise Niederschlag findet, angestrebt hätte.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Anteilinhaber einen Dritten - sei es nun ein Dienstnehmer der Kapitalanlagegesellschaft oder ein selbstständiger Dritter im Sinne des § 3 Abs 3 Satz 1 InvFG - wegen fehlerhaften Fondsmanagements nicht unmittelbar auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können. Derartige Ansprüche sind vielmehr allein gegen die Kapitalanlagegesellschaft zu richten, die sich gegebenenfalls beim betreffenden Dritten, der sich (nur) ihr gegenüber verpflichtet hat, die Fondsverwaltung vorzunehmen bzw daran mitzuwirken, regressieren kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.