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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 10.07.2008, RV/0629-G/06

Fehler einer Angestellten der Abgabepflichtigen sind nur bei Vernachlässigung der Kontrollpflichten relevant


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Miterledigte GZ:
RV/0631-G/06
RV/0632-G/06


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0629-G/06-RS1
Wenn sich eine Mitarbeiterin bei der Eingabe im Electronic Banking in der Zeile irrt und danach die einzelnen Abgabenarten miteinander vertauscht werden, in Summe aber die geschuldeten Abgaben zeitgerecht und in voller Höhe entrichtet werden, ist einem nach § 217 Abs. 7 BAO in der Berufung gestellten Nichtfestsetzungsantrag zu entsprechen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Versicherung, gegen die Bescheide des Finanzamtes xxxx vom betreffend Säumniszuschlag für die motorbezogene Versicherungssteuer 8/2004, 11/2004 und 9/2005 entschieden:

Den Berufungen wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (=Bw.) bzw. eine Mitarbeiterin derselben hat für die Monate 8/2004, 11/2004 und 9/2005 im Zuge der Überweisung der motorbezogenen Versicherungssteuer (= MVS), der Versicherungssteuer (VS) und der Feuerschutzsteuer (FS) sich in den Zeilen verschaut und auf diese Weise die einzelnen geschuldeten Beträge jeweils den falschen Abgabenarten zugeordnet. Die Summe der geschuldeten Beträge wurde hingegen korrekt und zeitgerecht eingezahlt.

In den entsprechenden Abgabenerklärungen für 2004, eingereicht am , und für 2005, eingereicht am , hat die Bw. wiederum die tatsächlich entstandenen, auf die einzelnen Abgabenarten entfallenden Abgabenschuldigkeiten in der richtigen Höhe erklärt. Laut diesen Erklärungen kam es weder zu Nachzahlungen noch zu Gutschriften.

Während es auf Grund der Ersterklärung für 2004 zunächst zu keiner Festsetzung kam, wurde unter anderem der Irrtum in der Verrechnungsweisung für 9/2005 mit Buchung vom richtig gestellt. Nachforderungen entstanden dadurch nicht, da die Einzahlungen in Summe richtig waren.

Mit Fax vom gab die Bw. dem Finanzamt bekannt, dass derartige Irrtümer bei der Einzahlung im Wege des Electronic Banking (Elba) auch für 8/2004 und 11/2004 durch Vertauschung der Eingabe passiert seien.

In der Folge erließ das Finanzamt Haftungsbescheide gemäß § 202 BAO für die Zeiträume 8/204, 11/2004 und 9/2005. Die Festsetzungen hinsichtlich der VS führten naturgemäß zu Nachforderungen und wurden hinsichtlich dieser Nachforderungen die strittigen Säumniszuschläge in Höhe von 97.657,30 Euro für 8/2004, in Höhe von 87.636,74 Euro für 11/2004 und in Höhe von 89.146,63 Euro für September 2005 festgesetzt.

In der Folge brachte die Bw. Berufung ein und führte aus, dass die Vertauschungen beim Eintragen der geschuldeten Beträge im Zuge des Electronic Banking Systems entstanden seien.

Die Ermittlung der monatlichen Bemessungsgrundlage sowie die Berechnung der zu entrichtenden Steuer erfolge voll automatisch. Lediglich die Zahlungsanweisung an das Rechnungswesen werde händisch erstellt. Die Erfassung der Zahlungsanweisung im Electronic Banking System erfolge ebenfalls manuell. Hiefür würden gespeicherte Vorlagen verwendet. Diese Vorlagen enthielten bereits alle wichtigen Angaben für die Überweisung, wie zum Beispiel Empfänger, Kontonummer und Verwendungszweck. Nur die Aktualisierung der Beträge erfordere einen manuellen Eingriff und sei hier der Übertragungsfehler passiert.

Im Jahr 2004 habe die Mitarbeiterin, die für die Zahlungsverkehr seit vielen Jahren verantwortlich gewesen sei, die Altersteilzeit in Anspruch genommen und für diesen Bereich eine neue Mitarbeiterin eingeschult. Offensichtlich sei die Wichtigkeit der Erteilung der korrekten Verrechnungsweisung bei den Selbstbemessungsabgaben nicht ausreichend kommuniziert worden. Gleichzeitig hätten sich durch Umstellungen im Team der Zahlungsanweisung Änderungen in der Reihenfolge der gespeicherten Vorlage ergeben, worin sicherlich ein Fehlerpotenzial gelegen sei.

Die Bw. führte weiters aus, dass sämtliche Beträge in Summe korrekt einbezahlt worden seien und die aufgetretenen Irrtümer auf Grund der dargestellten Umstände nicht auf grobes Verschulden zurückzuführen seien. Inzwischen sei im Zahlungsverkehr die gewohnte Qualität und Verlässlichkeit sichergestellt.

Seitens des Finanzamtes wurde vorgebracht, dass die Bw. grobes Verschulden treffe, weil sie ihre Mitarbeiter nicht ausreichend geschult habe und auch keine ausreichenden Kontrollmaßnahmen gesetzt habe.

Auch im Hinblick auf das Finanzausgleichgesetz hätte die Bw. besondere Vorsorge walten lassen müssen, da die Erträge aus FS, MVS und VS verschiedenen Gebietskörperschaften zukommen und die Erträge in der gegenständlichen Größenordnung gravierende Auswirkungen auf Budgetplanung und -vollzug hätten.

Kontrollmaßnahmen für die Zukunft machten grobes Verschulden im Nachhinein nicht ungeschehen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Zunächst ist festzustellen, dass ein grobes Verschulden nur dann gegeben ist, wenn eine auffallende und ungewöhnliche Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt, die den Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich voraussehbar erscheinen lässt.

Grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO ist ebenfalls in einem Verhalten zu sehen, wenn das unbeachtet blieb, was im gegebenen Fall jedermann hätte einleuchten müssen und bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlichem Maß verletzt wurde. Wesentliches Merkmal der auffallenden Sorglosigkeit ist die Voraussehbarkeit des Schadens. Wenn sich jemand über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften hinwegsetzt und sein Handeln den Eintritt des Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich erkennen ließ. Grobes Verschulden ist dem Begriff der auffallenden Sorglosigkeit im Sinne des § 1324 ABGB gleichzusetzen. Grobe Fahrlässigkeit ist dabei anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des schädigenden Erfolges als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (vgl. ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein minderer Grad des Versehens dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (vgl. ).

Grobes Verschulden seitens des Steuerpflichtigen liegt dann nicht vor, wenn das grobe Verschulden von Arbeitnehmern des Abgabepflichtigen verursacht worden ist, soweit dem Abgabepflichtigen selbst kein grobes Verschulden anzulasten ist.

Die Abgabenbehörde erster Instanz geht offensichtlich davon aus, dass der Bw. der relevante Fehler, der ihrer Mitarbeiterin wiederholt (aber zunächst unentdeckt) unterlaufen ist, als grobes Verschulden zuzurechnen wäre.

Der Säumniszuschlag ist eine "Sanktion eigener Art". Er ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht. Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen.

Im vorliegenden Fall ist bereits unter diesem Gesichtspunkt und nach dem Zweck der Norm eine Sanktionierung in Form eines Säumniszuschlages über das Ziel schießend, da die Bw. hinsichtlich der Höhe des geschuldeten Betrages ihren Zahlungsverpflichtungen zeitgerecht und in voller Höhe nachgekommen ist.

Wenn nun nach den Bestimmungen des § 217 Abs. 7 BAO zu prüfen ist, ob die Bw. selbst grob fahrlässig vorgegangen ist bzw. ob ihr ein Überwachungsverschulden der Mitarbeiter zur Last gelegt werden kann, so sind auch unter diesem Gesichtspunkt die Voraussetzungen der Verhängung eines Säumniszuschlages zu verneinen.

Ein Verschulden von Arbeitnehmern des Abgabepflichtigen ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls ausschließlich, ob dem Abgabepflichtigen selbst grobes Verschulden, insbesondere Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist.

Die wiederholte Nichteinhaltung von Zahlungsterminen kann zwar ein Kontrollverschulden darstellen. Im gegenständlichen Fall wurden aber zum Fälligkeitstag für alle Abgabenarten die geschuldeten Beträge vollständig eingezahlt.

Die irrtümliche Vertauschung der Zeilen der einzelnen Abgabenarten im Bereich des Electronic Banking Systems stellt wohl einen Eingabefehler dar, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehen kann, und der bei einer Kontrolle durch die Bw. nicht vordergründig auffallen musste. Die Bw. konnte sich außerdem darauf verlassen, dass die erfahrene und verlässliche Mitarbeiterin, die ja noch weiterhin in Altersteilzeit tätig war, die Einzahlungsvorgänge entsprechend überwachte. Ein Verschauen in der Zeile ist ein Fehler, der auch einem zuverlässigen Menschen passieren kann. Seitens der ausführenden Mitarbeiterin lag danach keinesfalls grobes Verschulden, das in der Folge der Bw. anzulasten war, vor.

Der Zahlungswille zum Fälligkeitstag war jedenfalls unzweifelhaft gegeben (siehe auch ).

Der Umstand, dass derselbe Fehler mehrfach wiederholt wurde, ist dadurch erklärbar, dass dieser erst durch die Verbuchung der Abgabenerklärung des Jahres 2005 evident wurde und der Bw. die Notwendigkeit der Setzung von Gegenmaßnahmen auch nicht bekannt war. Die Bw. konnte sich auf die Überwachung durch die erfahrene Teilzeitkraft verlassen und war daher nicht zur Kontrolle jeder einzelnen Überweisung verpflichtet.

Objektiv betrachtet konnte die Bw. von einer korrekten Entrichtung der Abgaben in den betroffenen Monaten ausgehen, da die Gesamtsumme des monatlich überwiesenen Betrages der Summe der geschuldeten Abgaben entsprach. Das Verschulden eines Angestellten schließt dann ein grobes Verschulden des Abgabepflichtigen aus, wenn dieser der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Bediensteten nachgekommen ist (vgl. , 0020). Auf Grund der geschilderten Umstände stellt das Übersehen der unterlaufenen Fehler keinen Mangel der Kontrolle dar. Dies vor allem deshalb nicht, weil die unterlaufenen Fehler nicht augenscheinlich waren und erst viel später deutlich wurden. Insgesamt gesehen liegt daher kein grobes Überwachungsverschulden vor.

Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
grobes Verschulden
Kontrollverschulden
sorgfältiger Mensch
leichte Fahrlässigkeit
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at