OGH vom 14.10.1981, 1Ob42/81
Norm
AHG § 8;
Kopf
SZ 54/143
Spruch
Mit der im Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur enthaltenen Behauptung, das Bundesministerium für Finanzen habe schon Jahre vor der Verfügung der Geschäftsaufsicht über eine Bank deren wirtschaftliche Lage gekannt, ohne die notwendigen Schritte der Bankaufsicht unternommen zu haben, ist der durch den Konkurs des Bankunternehmens geschädigte Sparer in genügender Weise seinen sich aus § 8 AHG ergebenden Verpflichtungen nachgekommen; welche Maßnahmen der Bankaufsicht unterlassen wurden, muß er nicht behaupten
(OLG Wien 14 R 93/81; LGZ Wien 40 Cg 531/80)
Text
Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 19. Feber 1976 wurde über das Vermögen der A-Bank Ges.m.b.H. die Geschäftsaufsicht verhängt; mit Beschluß desselben Gerichtes vom , 21 S 12/77, wurde der Konkurs eröffnet. Die Klägerin unterhielt bei dieser Bank verschiedene Einlagen.
Mit dem am bei der beklagten Partei eingelangten Schreiben der klagenden Partei vom wurde die beklagte Partei zur Anerkennung von ziffernmäßig näher detaillierten Schadenersatzansprüchen im Gesamtbetrag von 5 204 774.73 S aufgefordert. In diesem Schreiben heißt es wörtlich: "Die Republik Österreich war nach den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes 1939, DRGBl. I 1955, zur Aufsicht über alle Kreditinstitute in Österreich verpflichtet. Jeder Bankkunde hat ein subjektives Recht darauf, daß die Republik Österreich ihrer Aufsichtspflicht gewissenhaft nachkommt. Tut sie das nicht, so haftet sie für den Schaden, der durch ihre schuldhafte Unterlassung entstanden ist ( zu 1 Ob 36/79). Über das Vermögen der A-Bank Gesellschaft m. b. H. wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom zu 21 S 12/77 das Konkursverfahren eröffnet, nachdem dasselbe Gericht mit Beschluß vom 19. Feber 1976 eine Geschäftsaufsicht bestellt hatte. Obwohl meine Mandantschaft noch bis heute keine nähere Kenntnis von den Umständen des wirtschaftlichen Zusammenbruches der A-Bank für Teilzahlungskredite Gesellschaft m. b. H. hat, ist zu vermuten, daß dem Bundesministerium für Finanzen schon Jahre vor der Verfügung der Geschäftsaufsicht die wirtschaftliche Lage der A-Bank bekannt war, ohne daß es die notwendigen Schritte gegen die A-Bank rechtzeitig unternommen hätte. Fest steht jedenfalls, daß die A-Bank trotz der Bankenaufsicht zusammengebrochen ist, ein Ereignis das nicht hätte eintreten dürfen, wenn die Bankenaufsicht der Republik Österreich ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Da meine Mandatschaft alle ihre Einlagen bei der A-Bank abzüglich der Teilausschüttungen verloren hat, ihr also Schaden entstanden ist, ist sie berechtigt, den Ersatz dieses Schadens, der ihr durch ein rechtswidriges Verhalten eines Organs des Bundes in Vollziehung der Gesetze entstanden ist, zu begehren." Im Anschluß daran erfolgt die detaillierte Bezifferung der Höhe der Ersatzansprüche.
Dieser Ersatzanspruch wurde von der Finanzprokuratur mit Schreiben vom , Zl. 61 080-4/80, abgelehnt. Die klagende Partei begehrte mit ihrer nach Ablehnung ihres Ersatzanspruches durch die beklagte Partei erhobenen Klage Zahlung von 5 113 519.15 S samt Anhang mit der Begründung, daß die A-Bank nicht plötzlich und unvermutet zusammengebrochen sei, sondern es sich dabei um einen sich über Jahre hinstreckenden Prozeß gehandelt habe. Das Bundesministerium für Finanzen, welches als Bankaufsichtsbehörde seiner Überprüfungspflicht auch bei der A-Bank nachgekommen sei, habe schon Jahre vor der Verhängung der Geschäftsaufsicht von der wirtschaftlichen Situation der A-Bank gewußt und hätte schon viel früher mit drastischen Mitteln, die das Kreditwesengesetz 1939 vorgesehen habe, eingreifen müssen. Dadurch, daß das genannte Ministerium diese Mittel verspätet angewendet habe, habe es rechtswidrig in Vollziehung der Gesetze gehandelt. Das Klagebegehren wurde mit Schriftsatz vom 24. Feber 1981 um 53 506.37 S ausgedehnt. Die beklagte Partei war mit Aufforderungsschreiben vom , welches am bei der Finanzprokuratur eingelangt war, auch zur Anerkennung dieses Teilanspruches aufgefordert worden.
Die beklagte Partei wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung ein, daß im Aufforderungsschreiben vom nicht konkretisiert worden sei, welche für den Schadenseintritt kausalen Verpflichtungen aus dem Kreditwesengesetz die Bankaufsicht verletzt habe. Unter den der Bankaufsicht zur Verfügung stehenden Maßnahmen seien unzweifelhaft auch solche denkbar, deren auch frühzeitige Vornahme den konkreten Schaden nicht verhindert hätte. Im übrigen beantragte die beklagte Partei Abweisung des Klagebegehrens und bestritt die Verletzung irgendwelcher nach dem KWG 1939 bestehenden Aufsichtspflichten. Das Erstgericht gab der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges Folge, erklärte das Verfahren ab Klagszustellung für nichtig und wies die Klage zurück. Es führte zur Begründung aus, die Aufforderung der Klägerin vom - die zweite Aufforderung vom enthalte lediglich eine Erweiterung des Ersatzanspruches - entspreche nicht den Erfordernissen des § 8 AHG bzw. der Verordnung der Bundesregierung vom 1. Feber 1949, BGBl. 45, weil es darin an der Schilderung des rechtswidrigen Verhaltens, das der beklagten Partei vorgeworfen werde und das den Ersatzanspruch zu begrunden geeignet sei, fehle. Der Anspruch hätte gehörig individualisiert werden müssen, was nicht geschehen sei. Im Aufforderungsschreiben sei lediglich behauptet worden, daß "Maßnahmen" der Bankaufsicht unterlassen worden seien. Dies sei schon deshalb ungenügend, weil unter den der Kreditaufsicht zur Verfügung stehenden Maßnahmen unzweifelhaft auch solche seien, deren auch rechtzeitige Vornahme den Schadenserfolg nicht verhindert hätte. Die klagende Partei wäre gehalten gewesen, konkret darzulegen, welche Handlungen die Bankaufsicht unterlassen habe und daß diese Unterlassung kausal sei. Erst eine derartige Individualisierung der angeblich den Schadenserfolg auslösenden Unterlassung hätte den Rechtsträger in die Lage versetzt zu prüfen, ob der Ersatzanspruch teilweise oder zur Gänze anzuerkennen oder abzulehnen sel.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es vertrat die Rechtsansicht, der Inhalt des vorliegenden Aufforderungsschreibens sei so weit substantiiert, daß der Rechtsträger durchaus in die Lage versetzt worden sei, den geltend gemachten Anspruch auf seine Berechtigung zu prüfen. Im Aufforderungsschreiben sei behauptet worden, daß dem Bundesministerium für Finanzen die wirtschaftliche Lage der A-Bank schon Jahre vor der Verfügung der Geschäftsaufsicht bekannt gewesen sei, das Bundesministerium für Finanzen aber dennoch die erforderlichen Schritte nicht rechtzeitig unternommen habe. Der Vorwurf gehe also dahin, daß trotz jahrelanger Kenntnis bzw. Kenntnismöglichkeit der wirtschaftlichen Lage der A-Bank überhaupt keine Schritte unternommen worden seien, die nach den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes 1939 möglich gewesen wären. Es werde demnach die Unterlassung jeglicher gesetzlich möglicher Maßnahmen schlechthin behauptet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 8 AHG hat der Geschädigte zunächst den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zur Anerkennung des Ersatzanspruches schriftlich aufzufordern. Kommt dem Geschädigten binnen drei Monaten nach Einlangen dieser Aufforderung beim Rechtsträger eine Erklärung über sein Begehren nicht zu oder wird innerhalb dieser Frist der Ersatz ganz oder zum Teile verweigert, so kann er den Ersatzanspruch durch Klage gegen den Rechtsträger geltend machen. Die Aufforderung kann nicht mit einer - die Fälligstellung bewirkenden - Mahnung, die in der Regel auch durch eine Klage ersetzt werden kann, verglichen werden (JBl. 1960, 611); sie stellt vielmehr einen Formalakt dar, ohne dessen Einhaltung der Rechtsweg unzulässig ist (JBl. 1977, 270; SZ 44/122; SZ 43/78; SZ 23/68 und 349 u. v. a.; Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG, 106).
Die Aufforderung eröffnet den Rechtsweg nur für jene Ansprüche, die darin geltend gemacht wurden. Wird die Aufforderung auf einen Rechtsgrund gestützt, der nicht schon im Aufforderungsschreiben vorgebracht worden ist, so fehlt insoweit die Rechtswegzulässigkeit (EvBl. 1965/69). Durch das Aufforderungsverfahren soll der Rechtsträger in die Lage versetzt werden, zunächst im eigenen Bereich die Stichhältigkeit des Anspruches zu prüfen und eine Sichtung der wirklich strittigen Rechtsfälle vorzunehmen (SZ 51/7; JBl. 1963, 537; SZ 33/37 u. a.; 515 BlgNR V. GP, bei Loebenstein - Kaniak a.a.O., 166). Der Kläger muß daher schon in der Aufforderung an den Rechtsträger das schadensverursachende Verhalten des Beschädigers individualisieren. Für Ansprüche, die gegen den Bund auf Grund des Amtshaftungsgesetzes erhoben werden, bestimmt dazu § 1 Abs. 2 der Verordnung vom 1. Feber 1949, BGBl. 45, daß in der schriftlichen Aufforderung das rechtswidrige Verhalten zu schildern ist, das nach Meinung des Geschädigten den Ersatzanspruch zu begrunden geeignet war, und der Ersatzanspruch genau zu beziffern ist. So wie das Tatsachenvorbringen in der Klage der Klagsgrund ist (SZ 46/109; SZ 44/21 u. a.), der ohne Klagsänderung nicht verwechselt werden darf, so kann im Amtshaftungsverfahren nur jenes Tatsachenvorbringen als Klagsgrund geltend gemacht werden, der zuvor Gegenstand eines Aufforderungsverfahrens gewesen ist (1 Ob 21/77 u. a.). Wie der OGH bereits in der Entscheidung SZ 52/186 ausgesprochen hat, stellten die Bestimmungen über die Bankaufsicht im während des maßgeblichen Zeitraums noch geltenden Kreditwesengesetz 1939, DRGBl. I 1955, Bestimmungen im Interesse der Gläubiger der Kreditinstitute, insbesondere der Sparer, dar, so daß ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer Verletzung der Aufsichtspflicht nach dem Kreditwesengesetz und dadurch eingetretenem Schaden besteht. Gründet der Geschädigte seinen Ersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes, muß er den Eintritt des Schadens und die Übertretung der Norm durch den Beklagten beweisen, es bedarf aber keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhanges, weil die Kausalität der Pflichtwidrigkeit vermutet wird. Besteht die Schadensursache in einer Unterlassung, hat der Beklagte zu beweisen, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen zu haben (SZ 49/144; SZ 44/187 u. a.). Der Schädiger kann sich, wenn die Übertretung des Schutzgesetzes fest steht, nur dadurch von seiner Haftung befreien, daß er sein mangelndes Verschulden nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft macht (Welser, ZVR 1976, 10; vgl. SZ 44/187; SZ 26/59; SZ 24/5 u. a.). Für die klagende Partei sind weder die näheren Umstände, die zum Zusammenbruch der A-Bank führten, erkennbar, da dem einzelnen Einleger ein Recht auf Einblick in die Geschäftsunterlagen des Kreditinstitutes nicht zusteht, noch ist es ihr möglich darzutun, welche konkreten Maßnahmen gesetzt bzw. unterlassen wurden. Mit der - in der Klage sodann mit Beweisangeboten untermauerten - Behauptung, die beklagte Partei habe schon Jahre vor der Verfügung der Geschäftsaufsicht die wirtschaftliche Lage der A-Bank gekannt, ohne daß sie die notwendigen Schritte gegen die A-Bank rechtzeitig unternommen hätte, kam die klagende Partei unter den gegebenen Umständen den ihr nach § 8 AHG obliegenden Verpflichtungen in ausreichender Weise nach. Es war hingegen von der klagenden Partei nicht zu fordern, im Aufforderungsschreiben und in der Klage konkret darzulegen, welche Unterlassungen bei Ausübung der Aufsichtspflicht begangen wurden und daß bei entsprechendem Tätigwerden der Organe der beklagten Partei der Schadenseintritt nicht erfolgt wäre.