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OGH vom 27.09.2005, 1Ob42/05s

OGH vom 27.09.2005, 1Ob42/05s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in Braunau, wider die beklagte Partei L***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Denkmayr Schwarzmayr Riess, Rechtsanwaltspartnerschaft in Mauerkirchen, wegen Feststellung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert EUR 34.969), über die Revisionen beider Parteien (Revisionsinteresse der klagenden Partei EUR 24.684; Revisionsinteresse der beklagten Partei EUR 10.285) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 231/04z-22, womit das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom , GZ 1 Cg 44/04z-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1) Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben, das angefochtene Teilurteil in dessen Punkt 1 (Feststellungsbegehren) aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahren sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

2) Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Unternehmensgegenstand der in Deutschland ansässigen Klägerin sind die Entwicklung und der Vertrieb von Sicherheitsschuhen, jener der Beklagten die Herstellung und der Vertrieb von Berufsbekleidung.

Mit Handelsvertretervertrag vom Dezember 2001 (Beilage A) übertrug die Beklagte der Klägerin die Vertretung ihrer Berufsbekleidungsprodukte für verschiedene Länder Europas, unter anderem für Deutschland. In einem weiteren Handelsvertretervertrag betraute die Klägerin die in Österreich ansässige Beklagte mit dem Vertrieb ihrer Sicherheitsschuhe in Österreich und in einigen dessen Nachbarländern. Verfahrensgegenständlich ist der Handelsvertretervertrag Beilage A. In dessen § 2 („Pflichten der Handelsvertretung") ist vereinbart, dass die Klägerin bei der Vermittlung von Verkaufsgeschäften die Interessen der Beklagten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen und etwaige besondere Umstände im Einzelfall zu beachten habe. Eine Regelung, was im Fall einer Interessenkollission bei Legung eines gemeinschaftlichen Anbots durch die Klägerin (betreffend Berufsbekleidung und Schuhe) gelten solle, findet sich nicht. In § 8 Abs 4 („Dauer des Vertrags") ist festgehalten, dass das Recht beider Parteien unberührt bleibt, den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Ein solcher wichtiger Grund liege insbesonders vor, wenn die Klägerin in Konkurrenz zur Beklagten treten sollte, ferner wenn die Beklagte zu Kunden der Klägerin eine direkte Beziehung herstellen oder die Zahlung der Provision nicht termingerecht erfolgen sollte.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie deren Vorgangsweise in einem Geschäftsfall mit einem Großkunden als gravierend vertragswidrig erachte und sie daher auffordere, schriftlich zu erklären, dass dieser Großkunde von den Wirkungen des Handelsvertretungsvertrags ausgenommen sei. Sollte eine diesbezügliche Erklärung der Klägerin nicht bis längstens bei der Beklagten einlangen, würde bereits jetzt der Handelsvertretungsvertrag aus wichtigem Grund aufgelöst und für beendet erklärt. Die Klägerin gab die von der Beklagten gewünschte Erklärung nicht ab. Die Beklagte ging daraufhin von der Beendigung des Handelsvertretervertrags aus. Ab Oktober 2003 übermittelte sie der Klägerin keine Provisionsabrechnungen mehr, obwohl sie noch bis an einen (von der Klägerin akquirierten) Kunden von diesem bestellte Textilien auslieferte.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, der Handelsvertretervertrag (Beilage A) sei aufrecht und bestehe bis fort. Weiters erhob sie ein Rechnungslegungsbegehren über die vom Handelsvertretervertrag umfassten Produkte für die Monate Oktober bis Dezember 2003 sowie Jänner und Februar 2004 und ein auf Zahlung des sich auf Grund der Rechnungslegung ergebenden Guthabensbetrags gerichtetes Leistungsbegehren. Sie brachte vor, das Vertragsverhältnis sei zunächst auf eine Dauer von drei Jahren abgeschlossen worden und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem halben Jahr zum Schluss eines Kalenderjahres kündbar gewesen. Der Ende August 2003 von der Beklagten abgegebenen Erklärung könnten die Wirkungen der Kündigung daher frühestens mit zukommen. Wichtige Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses habe die Klägerin nicht zu verantworten. Sie habe sich in jeder Weise vertragskonform verhalten. Die Beklagte sei daher zur begehrten Rechnungslegung und zur Zahlung des sich daraus ergebenden Provisionsbetrags verpflichtet.

Die Beklagte wendete ein, entgegen der getroffenen Vereinbarung habe die Klägerin keine entsprechenden Vertriebsaktivitäten an den Tag gelegt, worauf sie schon im Dezember 2002 hingewiesen worden sei. Dennoch sei es bei einer unzureichenden Betreuung der Kunden geblieben. Auf die Ausschreibung eines Großauftrags in Deutschland hin habe die Klägerin zunächst ein „Vollangebot" (Kleidung, Schuhe sowie Schutz- und Sicherheitsausrüstung) abgegeben. Ohne jegliche Rücksprache habe sie aus diesem Vollangebot dann das Angebot für die Schutz- und Sicherheitsausrüstung herausgenommen, weswegen der Großkunde, der nur Wert auf ein „ Komplettangebot " gelegt habe, den Auftrag nicht erteilt habe. Durch diese Handlungsweise der Klägerin sei die Vertrauensbasis derart gestört worden, dass danach die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen sei. Bis Oktober 2003 habe die Beklagte ohnedies ordnungsgemäß Rechnung gelegt und Zahlungen geleistet. Danach seien keine Geschäftsabschlüsse mehr für die Beklagte getätigt worden, sodass auch keine Provision zustünde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es traf im Hinblick auf die Ausschreibung eines Unternehmens über die Sicherheitsausrüstung und Bekleidung für etwa 3.000 bis 4.000 Mitarbeiter (über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus) die weiteren Feststellungen, der Einkaufsleiter dieses Unternehmens habe Wert auf ein „Komplettangebot" gelegt, nämlich betreffend Bekleidung, Sicherheitsschuhe und den „PSA-Bereich" (dieser umfasste Helm, Arbeitshandschuhe, Schutzbrille etc). Die Klägerin habe ein Anbot erstellt, das die von ihr vertriebenen Sicherheitsschuhe, die Bekleidung der Beklagten und den von dritter Seite beigeschafften „PSA-Bereich" beinhaltet habe. Dem Einkaufsleiter seien aber die angebotenen Schuhe zu hochwertig, die Textilien und der „PSA-Bereich" zu teuer gewesen. Außerdem habe der Einkaufsleiter den Eindruck gehabt, dass Differenzen und Spannungen zwischen den Geschäftsführern der nunmehrigen Streitteile bestünden und die Organisation der Klägerin „kein schlüssiges Bild ergebe", sodass er „abgesehen von unterschiedlichen Preisvorstellungen eine Auftragsvergabe an die Klägerin, die überdies auch den 'PSA-Bereich' aus ihrem Anbot herausgenommen hatte, nicht vornehmen wollte". Zum Vorwurf mangelnder Vertriebsaktivitäten stellte das Erstgericht fest, dass nach Ansicht des Geschäftsführers der Beklagten das Geschäftsverhältnis im Jahr 2002 noch halbwegs „funktioniert" habe, jedoch bemängelt worden sei, dass es außerhalb Deutschlands zu keinen Geschäftsakquierungen gekommen sei. Zur Unterstützung des mit dem Vertrieb der Produkte der Beklagten befassten Außendienstmitarbeiters der Klägerin seien daraufhin im Frühjahr bzw Frühsommer 2003 zwei zusätzliche Mitarbeiter mit dem Auftrag zugezogen worden, Neuakquirierungen im Bereich Textilien und Schuhe zu bewerkstelligen. Der im Jahr 2003 von der Beklagten in Deutschland erzielte Gesamtjahresumsatz habe sich auf ca 700.000 EUR belaufen. Bei einem (von der Klägerin akquirierten) Großkunden seien im Jahr 2003 die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr von 250.000 EUR auf 500.000 EUR gesteigert worden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es sei der Beklagten nicht gelungen, den Beweis zu erbringen, die Klägerin habe eine schwerwiegende Vertragsverletzung gesetzt, welche eine vorzeitige Auflösung des Handelsvertretungsvertrags aus wichtigem Grund rechtfertige. Weder könne von einem unzureichenden Engagement bzw einer mangelhaften Betreuung der Kunden die Rede sein, noch habe die Beklagte aufzuzeigen vermocht, gegen welche Vertragsbestimmungen die Klägerin durch ihre Vorgangsweise im Zusammenhang mit dem erhofften Großauftrag verstoßen habe. Aus den Bestimmungen des Handelsvertretervertrags lasse sich keine Verpflichtung der Klägerin entnehmen, die Sicherheitsschuhe oder den zugekauften „PSA-Bereich" zu Preisen anbieten zu müssen, die ihr unwirtschaftlich erschienen, nur um auf diese Weise das Zustandekommen eines Kaufs von Bekleidungsartikeln der Beklagten sicherzustellen. Mangels Vorliegens eines zureichenden Grunds für eine vorzeitige Vertragsauflösung hätte die Beklagte das Vertragsverhältnis frühestens mit auflösen können. Dem Feststellungsbegehren, der Vertrag bestehe bis zu diesem Zeitpunkt fort, komme sohin Berechtigung zu. Auch dem Rechnungslegungs- sowie Zahlungsbegehren sei stattzugeben, weil die Klägerin im Rahmen einer Stufenklage zunächst sämtliche Abrechnungsunterlagen benötige, um die ihr zustehenden Provisionen betragsmäßig geltend machen zu können.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung mit Teilurteil dahin ab, dass es das Feststellungsbegehren abwies und die Stattgebung des Rechnungslegungsbegehrens bestätigte. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei jedem Begehren 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Den rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts sei insoweit zuzustimmen, als die Klägerin weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet gewesen sei, ihre Sicherheitsschuhe oder den zugekauften „PSA-Bereich" zu unrentablen Preisen anzubieten, nur um der Beklagten das Textilgeschäft mit dem Großkunden sicherzustellen. Allerdings habe das Erstgericht nicht berücksichtigt, dass es einen Unterschied mache, ob die Klägerin einen dieser Bereiche von vornherein nicht angeboten oder ob sie ein bereits gelegtes Anbot wieder zurückgenommen habe. Nur Ersteres wäre im Hinblick auf § 22 HVertrG unbedenklich. Das Zurückziehen eines bereits gelegten Anbots aus der nachträglich gewonnenen Erkenntnis, dieses sei unrentabel, müsse hingegen einen „verheerenden Eindruck" auf den Verhandlungspartner machen; die Rücknahme einer Willenserklärung im Geschäftsverkehr aus der Erwägung, die Kalkulation wäre unrentabel, sei „unprofessionell"; dieses Vorgehen sei geeignet, beim Empfänger des Angebots „Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anbieters hervorzurufen". In diesem Sinn sei die Rückziehung des Anbots betreffend den „PSA-Bereich" jedenfalls mit den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns und der Pflicht zur Wahrung der Interessen der Beklagten (siehe § 2 des Handelsvertretungsvertrags) nicht vereinbar, weswegen ein wichtiger Grund für die Auflösung dieses Vertrages vorgelegen sei. Aus der mangelnden Berechtigung des Feststellungsbegehrens folge aber nicht die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens. Dem Handelsvertreter stehe auch für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Stufenklage nach Art XLII EGZPO zu, soweit ihm gemäß § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG eine Provision gebühre, also der Provisionsanspruch aus einem Geschäft resultiere, das überwiegend auf seine Tätigkeit während des Vertragsverhältnisses zurückzuführen und der Abschluss innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu Stande gekommen sei. Der Zeitraum Oktober 2003 bis Februar 2004 sei für den Geschäftszweig „Berufsbekleidung" als angemessene Frist im Sinn des § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG anzusehen. Die Beklagte habe dagegen auch keine Argumente vorgebracht. Dem Rechnungslegungsbegehren sei sohin mit Teilurteil stattzugeben, über die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Provisionen sei derzeit noch nicht abzusprechen.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt, jene der Beklagten hingegen unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision der Klägerin:

Es trifft zu, dass das Berufungsgericht vom Erstgericht nicht getroffene bzw vom Ersturteil abweichende Feststellungen seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, ohne eine Beweisergänzung- oder -wiederholung vorzunehmen. Obwohl das Erstgericht keinerlei bedeutsame Feststellungen zu den Gründen der Rückziehung des „Komplettangebots" getroffen hat - lediglich in der Beweiswürdigung wird ausgeführt, es sei unstrittig, dass die Klägerin den „PSA-Bereich" wegen überhöhter Preisvorstellungen aus dem Angebot „herausgenommen" habe -, ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Kalkulation der Klägerin „unrentabel" gewesen und der Rückziehung ein schuldhafter Sorgfaltsverstoß der Klägerin infolge eines (allein ihr) zurechenbaren Kalkulationsirrtums (offensichtlich hinsichtlich des „PSA-Bereichs") zu Grunde gelegen sei. Zugleich unterstellt das Berufungsgericht, dass eine wegen „unrentabler Kalkulation" erfolgte Rückziehung eines Anbots im Geschäftsverkehr generell als „unprofessionell" angesehen werde und einen „verheerenden" Eindruck auf den Vertragspartner hinterlasse. Dabei handelt es sich jedoch nur um Annahmen, die in den Feststellungen keine ausreichenden Grundlagen finden. Ausgehend vom tatsächlich vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt wäre aber die Abweisung des auf Feststellung eines bis Ende 2004 aufrechten Vertragsverhältnisses gerichteten Klagebegehrens nicht berechtigt:

Ein wichtiger Grund für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags liegt vor, wenn besondere Umstände unter Berücksichtigung des Wesens und Zwecks des Vertrags und unter Gesamtwürdigung aller Gegebenheiten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem ursprünglich im Vertrag vorgesehenen oder dem durch ordentliche Kündigung herbeizuführenden Beendigungszeitpunkt für den Unternehmer unzumutbar erscheinen lassen (SZ 60/218 mwN). Was als wichtiger Grund anzusehen ist, kann angesichts der Vielfalt des Lebens nur im Einzelfall beurteilt werden (Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, 450, 452). Als genereller Maßstab für das Vorhandensein eines wichtigen Auflösungsgrunds sind Vertragsverletzungen anzusehen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz ABGB berechtigten; ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatteten und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zuließen (Binder in Schwimann, ABGB2, § 918 Rz 16 mwN). Für Handelsvertreter sind als Richtschnur die in § 22 HVertrG (demonstrativ) aufgezählten Gründe maßgeblich, die - wie hier - einzelvertraglich erweitert bzw ergänzt werden können. Im vorliegenden Fall ist weiters die im Vergleich zu anderen Handelsvertreterverträgen besondere Situation zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Falle eines nicht nur die Produkte der Beklagten, sondern auch ihre eigenen Produkte umfassenden „Komplettangebots" neben den Interessen der Beklagten regelmäßig auch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen wahrzunehmen hatte. Den Beweis des Vorliegens eines - trotz der speziellen Situation - gegebenen wichtigen Grunds zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags hat der Unternehmer anzutreten (1 Ob 342/97v). Diesen Beweis hätte die Beklagte - geht man von den Feststellungen des Erstgerichts aus - nicht erbracht. Weder hat sie nachgewiesen, warum sich die Klägerin durch die „Herausnahme des PSA-Bereichs" aus dem Anbot einer Handlung schuldig gemacht hätte, die sie des weiteren Vertrauens unwürdig erscheinen ließe (§ 22 Abs 2 Z 2 HVertrG), noch ist festgestellt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten eine wesentliche Vertragsbestimmung gemäß § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG verletzt, sie also einen schuldhaften Verstoß gegen die in § 2 des Vertrags übernommenen Pflichten zur Wahrung der Interessen der Beklagten gesetzt hätte. Allein die nicht durch Fehlverhalten der Klägerin hervorgerufene Unzufriedenheit der Beklagten mit dem Erfolg der Vertriebstätigkeit der Klägerin sowie der Umstand, dass diese auf ihre (wesentlichen) Provisionsansprüche aus dem Geschäft mit dem Großkunden nicht verzichten wollte, stellten weder einen wichtigen Grund im Sinne des § 22 HVertrG noch einen der in § 8 des Vertrags vereinbarten Auflösungsgründe dar. Dennoch ist eine abschließende Beurteilung, ob ein wichtiger Grund zur Auflösung des Handelsvertretervertrags gegeben war, derzeit nicht möglich, da das Berufungsgericht die Beweisrüge der Beklagten betreffend die Feststellungen zu sämtlichen Vertriebsaktivitäten der Klägerin, die der Beklagten ungenügend erschienen, unerledigt gelassen hat. Damit erweist sich die Aufhebung des Berufungsurteils in dessen Pkt 1) als unumgänglich.

Zu der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob Verschulden und welcher Grad des Verschuldens für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grund gegeben sein muss, existiert bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, auf die zu verweisen ist (siehe nur 1 Ob 342/97v mwN).

Zu Revision der Beklagten:

1) Unbekämpft steht fest, dass die Beklagte, obwohl sie an einen wichtigen, von der Klägerin akquirierten Großkunden noch bis Textilien auslieferte, seit Oktober 2003 keine Provisionsabrechnungen mehr gelegt hat. In ihrer Berufung brachte die Beklagte in diesem Zusammenhang nur vor, dass ihrem Standpunkt nach das Vertragsverhältnis spätestens seit aufgelöst sei und daher mangels eines Rechtsanspruchs auch das Rechnungslegungsbegehren „ins Leere gehe" (Seite 11 der Berufungsschrift). Erstmals im Revisionsverfahren bringt die Beklagte nun vor, dass aus der Auslieferung von Textilien an den genannten Kunden deshalb keine Provisionsansprüche nach § 11 HVertrG resultierten, da es sich nur um Nachbestellungen gehandelt habe, weswegen das Rechnungslegungsbegehren unberechtigt sei. Diese Ausführungen widersprechen dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und sind daher unbeachtlich.

2) Selbst wenn das fortgesetzte Berufungsverfahren die vorzeitige Beendigung des Handelsvertretervertrags erbrächte, liegt keiner der geltend gemachten Revisionsgründe vor:

Die in der Berufung der Beklagten im Rahmen des Berufungsgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gewünschte ergänzende Feststellung, die Klägerin habe im Jahr 2003 keine Neukunden geworben, wurde - wie sich aus Seite 9 der Berufungsschrift eindeutig ergibt - allein im Hinblick auf den von der Beklagten eingenommenen Prozessstandpunkt begehrt, die Klägerin habe ihre Vertriebstätigkeit derart vernachlässigt, dass ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Handelsvertretervertrags vorliege. Wenngleich das Berufungsgericht (ausgehend von seiner Rechtsansicht) diese Rechtsrüge unerledigt gelassen hat, stellt dies weder einen Mangel des Berufungsverfahrens, noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung dar. Wie bereits dargelegt, fehlt ein erstinstanzliches Vorbringen der Beklagten, ein nachvertraglicher Provisionsanspruch nach § 11 HVertrG wäre deshalb zu verneinen, da die Textillieferungen an den Großkunden nur auf Nachbestellungen (und nicht auf die überwiegende Tätigkeit der Klägerin) zurückzuführen seien. Der Versuch der Beklagten, in der Berufungsschrift in einem gänzlich anderem Zusammenhang ergänzend begehrte Feststellungen in der Revisionsschrift zu einem neuen Thema (§ 11 HVertrG) heranzuziehen, mit dem Ziel, ihr dazu mangelndes (erstinstanzliches) Vorbringen wettzumachen, muss fehlschlagen. Dies trifft auch auf die weiters ergänzend gewünschte Feststellung zu, die Klägerin habe per sämtliche Muster und Informationsmaterialien zurückgestellt.

3) Vorbehaltlich der Ergebnisse des fortgesetzten Berufungsverfahrens ist auszuführen:

Zweck der „angemessenen Frist" nach § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG ist, der Nachwirkung der Tätigkeit des Handelsvertreters eine Grenze zu setzen (Feil, Handelsvertretergesetz 1993, 45). Wie bereits das Berufungsgericht festgehalten hat, hat die Beklagte zur 5-monatigen Frist kein konkretes Vorbringen erstattet, aus welchen Gründen dieser Zeitraum eine unangemessene Frist sein sollte. Die Beklagte hat sich vielmehr auf die Behauptung beschränkt, ein für den Zeitraum nach Beendigung des Handelsvertretervertrags gestelltes Rechnungslegungsbegehren sei jedenfalls unberechtigt. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, es seien damit keine ausreichenden Tatsachen vorgebracht worden, aus denen sich die Unangemessenheit der Frist ergäbe, ist dies nicht zu beanstanden. Ob eine Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, kann im Übrigen nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042828).

Da die Beklagte keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufzeigt, ist ihre Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.