Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 22.03.2011, RV/0875-I/10

Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. D., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Wiedereinsetzung (§ 308 BAO) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit zwei Berufungsvorentscheidungen vom gab das Finanzamt der vom Berufungswerber (Bw.) erhobenen Berufung vom , die sich unter anderem gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2007 vom richtete, teilweise statt. Wie aus den im Akt befindlichen Postrückscheinen ersichtlich ist, wurde eine Berufungsvorentscheidung an den Bw. nach einem vergeblichen Zustellversuch am durch Hinterlegung am zugestellt. Die andere Berufungsvorentscheidung wurde dem Bw. am an der Abgabestelle (Wohnung) zugestellt. Den diesbezüglichen Vorlageantrag vom , der am zur Post gegeben wurde, wies das Finanzamt mit Bescheiden vom als verspätet zurück.

Mit Schriftsatz vom erhob der steuerliche Vertreter Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid. Ausgeführt wurde, dass der Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht worden sei. Der Bw. habe dem steuerlichen Vertreter versichert, dass "die Berufungsvorentscheidung" erst am hinterlegt und am beim Postamt abgeholt worden sei. Gleichzeitig wurde für den Fall der Versäumung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrages ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Da dieser (nicht näher begründete) Wiedereinsetzungsantrag nicht den Inhaltserfordernissen des § 309a BAO entsprach, führte das Finanzamt ein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 85 Abs. 2 BAO durch. Im Mängelbehebungsschreiben vom führte der steuerliche Vertreter Folgendes aus:

"...a) Den Berufungen gegen die Steuerbescheide für das Jahr 2007 wurde mittels Berufungsvorentscheidungen vom nur teilweise stattgegeben. Daher wurde der Vorlageantrag zur Berufungsvorentscheidung am eingereicht. Der Vorlageantrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Berufungsvorentscheidungen am zugestellt wurden und somit dieser Antrag verspätet eingebracht wurde und damit die Berufungsfrist versäumt wurde.

b) Nach Übermittlung der Berufungsvorentscheidungen an meine Kanzlei und nach erfolgter Rücksprache mit Herrn Dr. B... hat mir dieser glaubhaft versichert, dass die Hinterlegung der Schriftstücke am erfolgt sei und er diese am beim Postamt abgeholt habe.

Mittlerweile wurde in Erfahrung gebracht, dass die Hinterlegung lt. Auskunft des Zustellpostamtes .... angeblich erst am und die Abholung am erfolgte.

Da für Herrn Dr. B... zu diesem Zeitpunkt mehrere Schriftstücke hinterlegt wurden, kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass ihm bei der Zuordnung ein Fehler passiert ist.

c) Aufgrund der Angaben unter Punkt b erfolgte die Eintragung in das Fristenverzeichnis und wurde der Vorlageantrag vom verfasst und wegen Ende der Schalteröffnungszeiten am dem Postamt 6010 zum Versand übergeben.

d) Die Abweisung des Vorlageantrages erfolgte am , der Antrag gemäß § 208 (richtig: § 308 BAO) wurde am gestellt.

Ich ersuche daher unter Würdigung der vorgebrachten Argumente um Antragsstattgabe..."

Das Finanzamt gab dem Wiedereinsetzungsantrag mit Bescheid vom keine Folge. Ausgeführt wurde, der Bw. habe behauptet, die Berufungsvorentscheidungen vom seien ihm am 5. 1. oder durch Hinterlegung zugestellt worden. Weiters habe der Bw. vorgebracht, dass ihm in diesem Zeitraum mehrere Schriftstücke durch Hinterlegung zugestellt worden seien, sodass ihm möglicherweise ein Fehler bei der Zuordnung unterlaufen sei. Nach der Aktenlage habe das Finanzamt dem Bw. nur die Berufungsvorentscheidungen vom zugesendet, wobei davon auszugehen sei, dass Erledigungen der Finanzbehörde sich schon allein durch ihr Äußeres deutlich von anderen, ebenfalls durch Hinterlegung zugestellten Schriftstücken unterschieden. Somit sei dem Bw. kein minderer Grad des Versehens zuzubilligen.

In der dagegen erhobenen Berufung vom wurde Folgendes eingewendet:

"In der Bescheidbegründung wird davon ausgegangen, dass sich Erledigungen der Finanzbehörde schon allein durch ihr Äußeres von anderen, ebenfalls durch Hinterlegung zugestellten Schriftstücken unterscheiden. Hinterlegung eines Schriftstückes bedingt die Zustellung mit Zustellnachweis. Dafür wird von Verwaltungsbehörden die Zustellung mittels Rückscheinbrief (RSa oder RSb) angewandt. Nach Abtrennung des Rückscheines unterscheiden sich die jeweiligen Briefe in keiner Weise in ihrem Äußeren - weder in der Abmessung noch in ihrer sonstigen Erscheinungsform (Farbe etc.). Zur Dokumentation lege ich zwei anonymisierte Schreiben bei. Einem Fehler in der Zuordnung NUR auf Grund des maschinell und sehr klein aufgedruckten verklausulierten Inhaltes den geringen Grad des Versehens abzusprechen, widerspricht dem Gedanken des § 308 BAO und der Rechtsprechung der Höchstgerichte..."

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist einer Partei gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 308 Abs. 3 BAO binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.

Wie bereits eingangs erwähnt, wurden die Berufungsvorentscheidungen vom dem Bw. am zugestellt. Kopien der Postrückscheine wurden dem steuerlichen Vertreter mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom zur Kenntnis gebracht. Im Antwortschreiben vom blieb der steuerliche Vertreter dabei, dass die Berufungsvorentscheidungen nach Auskunft des Bw. am zugestellt und am beim Postamt behoben worden seien. Die "divergierenden Angaben" auf den Rückscheinen könne sich der steuerliche Vertreter nicht erklären. Diesem Schreiben waren Kopien mehrerer E-Mails des Bw. und des steuerlichen Vertreters betreffend das Datum der Zustellung der Berufungsvorentscheidungen beigeschlossen, woraus unter anderem hervorgeht, dass der Bw. anlässlich einer persönlichen Vorsprache im Zustellpostamt am in einen "Retourschein" Einsicht genommen habe, dem zufolge die Zustellung am erfolgt sei.

Dazu ist festzustellen, dass primäre Voraussetzung für den Erfolg eines Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 308 Abs. 1 BAO die Versäumung einer Frist ist, weshalb die Anwendung des Rechtsbehelfes der Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt, wenn der Wiedereinsetzungswerber eine Frist gar nicht versäumt hat. Somit kann der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag nicht erfolgreich auf die Behauptung gestützt werden, die Berufungsvorentscheidungen vom seien dem Bw. durch Hinterlegung am 5. 1. oder zugestellt worden. Träfe diese Behauptung zu, wäre die Frist des § 276 Abs. 2 BAO nicht versäumt, sondern der am zur Post gegebene Vorlageantrag vom rechtzeitig eingebracht worden.

Im Mängelbehebungsschreiben vom wurde auch vorgebracht, dass mehrere für den Bw. bestimmte Schriftstücke hinterlegt worden seien, sodass nicht auszuschließen sei, dass dem Bw. bei der Zuordnung ein Irrtum unterlaufen sei. Nach diesem Vorbringen wäre das Ereignis im Sinn des § 308 Abs. 1 BAO, welches den steuerlichen Vertreter an der Einhaltung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrages gehindert hat, in einem Irrtum des Bw. über den Beginn des Fristenlaufes gelegen. Auch diese Ausführungen verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg, weil den Bw. anlässlich der Erteilung des Auftrages an den steuerlichen Vertreter, einen Vorlageantrag einzubringen, im Rahmen der ihn als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht die Obliegenheit traf, sich - etwa durch eine Anfrage beim Finanzamt - Gewissheit darüber zu verschaffen, wann der Beginn des Fristenlaufes eingetreten ist (vgl. z. B. ; , 0191). In einem diesbezüglichen Irrtum des Bw. ist kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im hier maßgeblichen Sinn, sondern eine verschuldete Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung zu erblicken. Der Einwand, zum fraglichen Zeitpunkt seien an den Bw. mehrere behördliche Erledigungen versendet worden, ändert an der ihm anzulastenden auffallenden Sorglosigkeit nichts, weil auch in einem derartigen Fall die für die Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt zumutbar ist. Die in der Berufung angestellten Überlegungen zum äußeren Erscheinungsbild von Rückscheinbriefen (maschineller Aufdruck des Absenders in zu geringer Schriftgröße, "verklausulierter Inhalt" etc.) sind nicht geeignet, einen bloß minderen Grad des Versehens aufzuzeigen, zumal nicht zu erkennen ist, inwiefern eine solche Gestaltung zu Zweifeln oder Irrtümern betreffend das Zustelldatum Anlass geben hätte sollen. Vielmehr befindet sich das Finanzamt im Ergebnis im Recht, wenn es von einem den Grad eines bloß minderen Versehens übersteigenden Verschulden des Bw. ausgegangen ist und deshalb die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 Abs. 1 BAO als nicht gegeben angesehen hat. Somit war wie im Spruch angeführt zu entscheiden

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Irrtum
Fristenlauf
auffallende Sorglosigkeit
Zustelldatum

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