Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 09.04.2010, RV/0817-L/05

Befreiung von der Bodenwertabgabe für Wohnbaugesellschaften

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Mag. Bernhard Renner und die weiteren Mitglieder HR Dr. Wolfgang Freilinger, Dipl.Ing. Christoph Bauer und Leopold Pichlbauer über die Berufung der E GmbH in Adresse1, vertreten durch Proconsult Hueber, Höchtl + Partner, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 4810 Gmunden, Brunnenweg 4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Bodenwertabgabe für das Jahr 2005 nach der am in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom erwarb die E GmbH (Bw.) das Grundstück Nr. aaa der Katastralgemeinde P, Grundbuch L. Für dieses Grundstück wurde die Einlagezahl bbb vergeben.

Mit Einheitswertbescheid vom stellte das Finanzamt Linz zum im Wege einer Nachfeststellung gem. § 22 Abs. 1 BewG für den Grundbesitz in Adresse2, Katastralgemeinde P , EZ bbb , Grundstücksnummer aaa die Art des Steuergegenstandes als Betriebsgrundstück fest und bewertete diese Liegenschaft als unbebautes Grundstück. Den Einheitswert stellte das Finanzamt in Höhe von 78.300 Euro und den gemäß AbgÄG 1982 um 35% erhöhten Einheitswert in Höhe von 105.700 fest.

Am erließ das Finanzamt Linz einen Bescheid über die Bodenwertabgabe und setzte für den unter dem Einheitswert-Aktenzeichen 46 244-2-0785/1 erfassten Grundbesitz die Bodenwertabgabe für das Jahr 2005 in Höhe von Euro 911 fest. In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, dass die Vorschreibung infolge Entstehung der Abgabenpflicht erforderlich war.

Gegen diesen Bescheid über die Bodenwertabgabe erhob der abgabepflichtige Gesellschaft durch ihren Vertreter fristgerecht Berufung und beantragte die Festsetzung der Bodenwertabgabe für das Jahr 2005 und die folgenden Jahren mit Euro Null. Zur Begründung führte der Vertreter aus, dass die Bw. ein Unternehmen sei, deren überwiegende Aufgabe die Schaffung von Wohnungseigentum sei. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 lit c BAG 1960 sei daher der berufungsgegenständliche Grundbesitz von der Bodenwertabgabe befreit.

Mit Ergänzungsvorhalt vom forderte das Finanzamt die Vorlage des Gesellschaftsvertrages, aus dem der Gegenstand und die Aufgaben des Unternehmens der Bw. ersichtlich seien.

Im vorgelegten Gesellschaftsvertrag wird unter Punkt II. Gegenstand des Unternehmens wie folgt definiert: Gegenstand des Unternehmens ist 1. der Betrieb einer Bauunternehmung, die Ausübung des Zimmermeistergewerbes, der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Holz- und Baustoffen, die Ausübung des Bauträgergewerbes, die Überlassung von Arbeitskräften im Baugewerbe, die Beteiligung an anderen Unternehmen, insbesondere an solchen, die im Geschäftsfeld der Gesellschaft tätig sind; 2. die Errichtung von Zweigniederlassungen und der Betrieb von Zweigniederlassungen, der Erwerb von gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen, die Pacht derartiger Unternehmen oder die Beteiligung an derartigen Unternehmen, sowie Übernahme deren Geschäftsführung und Vertretung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt Linz die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass nach § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c Bodenwertabgabegesetz die Bodenwertabgabe für unbebaute Grundstücke entfällt, die im Eigentum von Vereinigungen stehen, deren statutenmäßige Aufgabe überwiegend die Schaffung von Wohnungseigentum ist. Da aus den Statuten des vorgelegten Gesellschaftsvertrages nicht hervorgehe, dass die Aufgabe des Unternehmens überwiegend die Schaffung von Wohnungseigentum sei, könne die Befreiung nicht gewährt werden.

Mit Eingabe vom beantragte die Bw. durch ihren Vertreter die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Der Vertreter führte aus, dass die kategorische Abweisung der Berufung mit dem formalen Abstellen auf den Gesellschaftsvertrag nicht mit der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c BodenwertabgabeG in Einklang zu bringen sei. Erklärter Zweck der Bodenwertabgabe sei es, Bauland und Bauerwartungsland steuerlich stärker zu belasten, um einen gewissen Angebotsdruck auszulösen und damit die Priese zu dämpfen bzw. Bodenspekulation zu verhindern. Der bodenmarktpolitische Zweck werde auch durch die Befreiungstatbestände des § 3 BodenwertabgabeG verdeutlicht. Insbesondere komme klar zum Ausdruck, dass auf keinen Fall der Wohnbau eingeschränkt werden solle. Das formale Element in § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c BodenwertabgabeG solle dabei eine leichtere korrekte einfache Anwendung gewährleisten und gleichzeitig der Missbrauchsbeschränkung dienen. Ob das bloße Abstellen auf die statutenmäßige Aufgabe der überwiegenden Schaffung von Wohnungseigentum diese Ziele auf angemessene Weise erreichen könne, erscheine zweifelhaft. Unter statutenmäßiger Aufgabe werde der ggesellschaftsvertragliche Unternehmensgegenstand der Körperschaft zu verstehen sein; dh. der konkrete Tätigkeitsbereich der Gesellschaft (z.B. Erzeugung von Maschinen, Handel mit Papierwaren). Er gibt darüber Auskunft, mit Hilfe welcher Tätigkeiten und Mittel der Gesellschaftszweck erreicht werden solle. Nach der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Meinung dürfe kein allzu strenger Maßstab an die Anforderungen des Unternehmensgegenstandes angelegt werden, weil es den Gesellschaftern überlassen bleiben könne, wie konkret sie die Tätigkeit der GmbH jeweils umschrieben wissen wollen. In den meisten Branchen neige man dazu, Gesellschaftsverträge möglichst weit zu fassen, um spätere Gesellschaftsvertragsänderungen zu vermeiden, die dann Einstimmigkeit erfordern würden und auch notariatspflichtig wären. Andererseits bleibe eine Überschreitung der ggesellschaftsvertraglichen Unternehmensgegenstanddeterminierung ohne jegliche Konsequenz, sofern sie von allen Gesellschaftern getragen sei. Im Firmenbuch scheine der Unternehmensgegenstand nicht auf, weshalb sich der Rechtsverkehr auf eine etwaige Überschreitung desselben nicht berufen könnte. Die schlichte Formulierung "Zweck der Gesellschaft ist die Schaffung von Wohnungseigentum einschließlich damit in Zusammenhang stehender Hilfs- und Nebengeschäfte" würde dem formalen Erfordernis des § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c BodenwertabgabeG entsprechen und der Gesellschaft dennoch eine jederzeitige tatsächliche Ausweitung des Unternehmensgegenstandes gestatten. § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c BodenwertabgabeG sei zwar leicht vollziehbar, doch könne eine Missbrauchsbeschränkung durch diesen Formalismus nicht erreicht werden. Die Gefahr sei größer, dass Baugesellschaften nicht von der Bodenwertabgabe befreit würden, obwohl sie sich nachweislich hauptsächlich der Wohnungseigentumschaffung widmen, dieses ideelle Ziel jedoch nicht ggesellschaftsvertraglich verankert hätten, während andere Baugesellschaften wegen geschickter Formulierung des Gesellschaftsvertrages in den Genuss der Befreiung kämen. Das Abstellen auf (in der Praxis unbedeutende) Formalitäten bei der Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 BodenwertabgabeG stelle einen Verstoß gegen das dem verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitssatz innewohnende Verhältnismäßigkeitsgebot dar und es wäre der Bw. bei verfassungskonformer Interpretation und bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Befreiung von der Bodenwertabgabe zuzuerkennen.

Das Finanzamt legte die Berufung am dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 3 Abs. 2 Z. 2 lit. c Bodenwertabgabegesetz 1960, BGBl. 1960/285, entfällt die Entrichtung der Bodenwertabgabe für unbebaute Grundstücke, die im Eigentum von Vereinigungen stehen, deren statutenmäßige Aufgabe überwiegend die Schaffung von Wohnungseigentum ist, sowie für unbebaute Grundstücke oder für Anteile von solchen Grundstücken, die durch physische oder juristische Personen von diesen Vereinigungen zum Zwecke der Bebauung oder zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum erworben wurden.

Aus der zitierten Gesetzesstelle ergibt sich, dass die dort geregelte Befreiung von der Bodenwertabgabe nur Vereinigungen (bzw. Gesellschaften) zusteht, deren statutenmäßige Aufgabe überwiegend die Schaffung von Wohnungseigentum ist.

Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, Befreiungen oder sonstige Begünstigungen auch oder ausschließlich von formalen Voraussetzungen abhängig zu machen. Gründe, die für die gesetzestechnische Verwendung von formalen Voraussetzungen zur Erlangung von (steuer)rechtlichen Begünstigungen sprechen, sind jedenfalls die leichte Überprüfbarkeit, weil eine Beweiswürdigung darüber, ob eine Tatsache als gegeben oder nicht gegeben anzusehen ist, unterbleiben kann, und die Rechtssicherheit, weil sich der Normadressat darauf verlassen kann, dass er bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen auch einen Anspruch auf die Erlangung der Begünstigung hat.

Das Abstellen auf einen bestimmten Inhalt in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag ist auch kein Spezifikum des Bodenwertabgabegesetzes, sondern Bestimmungen, die bestimmte Begünstigungen von einem bestimmten Inhalt in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag abhängig machen, finden sich auch in anderen Abgabenvorschriften. So lautet beispielsweise § 41. Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO): "Die Satzung der Körperschaft muss eine ausschließliche und unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben; als Satzung im Sinn der §§ 41 bis 43 gilt auch jede andere sonst in Betracht kommende Rechtsgrundlage einer Körperschaft."

Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates stellt daher das Abstellen auf einen bestimmten Inhalt in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag für das Erlangen einer Steuerbefreiung eine verfassungsmäßig zulässige Gesetzesausgestaltung dar. Das trifft auch auf den konkreten Fall zu, bei dem die statutenmäßige Aufgabe einer Vereinigung (oder einer Gesellschaft) überwiegend in der Schaffung von Wohnungseigentum bestehen muss. Einer verfassungskonformen Interpretation in der Form, wonach es nicht auf den Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, sondern auf die tatsächliche Geschäftsführung der Gesellschaft ankommt, bedarf es daher nicht. Diese von der Bw. geforderte Auslegung des Bodenwertabgabegesetzes würde vielmehr dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Inhalt des Gesetzes widersprechen und der Unabhängige Finanzsenat ist nicht befugt, bei der Anwendung des Gesetzes von dem vom Gesetzgeber dem Gesetz beigegebenen Inhalt abzuweichen.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Prüfung darüber, ob der kodifizierte Gesetzestext selbst einen verfassungswidrigen Inhalt hat, ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines möglichen Gesetzesprüfungsverfahrens zusteht.

Aus den angeführten Gründen war die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 3 Abs. 2 Z 2 lit. c BWAG, Bodenwertabgabegesetz, BGBl. Nr. 285/1960

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at