Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 04.06.2009, RV/0680-S/08

Antrag auf Wiedereinsetzung


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Miterledigte GZ:
RV/0073-S/09

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., Adresse, vom sowie vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 14. April, 9. Mai und sowie vom betreffend Abweisung von Anträgen auf Familienbeihilfe sowie betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO 2008 entschieden:

Die Berufung vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO 2008 wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Die Berufungen vom betreffend Abweisung von Anträgen auf Familienbeihilfe werden als verspätet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt wies den Antrag der Berufungswerberin auf Familienbeihilfe für ihre drei Kinder (A, B und C) ab März 2007 mit Bescheid vom ab. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass ausländische Studenten mit einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" keinen Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich hätten, da sie sich nur vorübergehend für Ausbildungszwecke in Österreich aufhielten. Am stellte die Berufungswerberin einen Antrag auf Familienbeihilfe für ihr Kind C für den Zeitraum ab Mai 2008. Ein weiterer Antrag auf Familienbeihilfe für Ihr Kind C für den Zeitraum September 2006 bis November 2006 wurde am gestellt. Beide Anträge wurden vom Finanzamt mit Bescheid vom 9. Mai bzw. abgewiesen, wobei die Begründung gleichlautend mit der oben angeführten war.

Am brachte die Berufungswerberin gegen diese drei Abweisungsbescheide das Rechtsmittel der Berufung ein. Das Finanzamt legte die Berufung direkt dem Unabhängigen Finanzsenat zur Bearbeitung vor.

Zeitgleich beantragte die Berufungswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO mit der Begründung, dass dem Antrag auf Familienbeihilfe für ihre drei Kinder für den Zeitraum Dezember 2006 bis Februar 2007 mit Berufungsentscheidung des UFS stattgegeben worden sei. Weiters führte die Berufungswerberin aus: "Ich bin davon ausgegangen, dass der Abweisungsbescheid vom ein Irrtum der 1. Instanz ist, zumal sich im Sachverhalt seit dem Berufungsantrag nichts geändert hat und vom Finanzamt in 1. Instanz auch keine neuen Sachverhalte festgestellt wurden. Meine im Zeitpunkt des Berufungsantrags aktuelle Aufenthaltsbewilligung als Studentin hatte bis Gültigkeit. Die Aufenthaltsbewilligungen meiner Kinder hatten bis zu dem gleichen Datum Gültigkeit. Dies war dem Finanzamt Salzburg auch bekannt, da alle Unterlagen im dort befindlichen Akt vorhanden sind. Mir wurde auch bei einer Vorsprache beim Finanzamt Salzburg mitgeteilt, dass mir sehr wohl auch noch nach Februar 2007 Familienbeihilfe gewährt würde. Darauf vertrauend habe ich abgewartet. Mit Antrag vom habe ich für meine Tochter C wiederum Familienbeihilfe beantragt. Desgleichen habe ich für den Zeitraum vom September 2006 bis November 2006 für meine Tochter C rückwirkend Familienbeihilfe beantragt. Da ich auf die Berufungsentscheidung des UFS-Salzburg vertraute, wartete ich ab und habe erst am durch eine Rechtsberatung erfahren, dass gegen die Abweisungsbescheide vom , und innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung Berufung einzulegen gewesen wäre."

Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgender Begründung ab: "Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO ist dann zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Eine Wiedereinsetzung hat jedoch nur dann zu erfolgen, wenn das Verschulden der Versäumung nur von untergeordneter Bedeutung ist (minderer Grad des Versehens).

Sie führen in Ihrem Schriftsatz aus, dass sie erst am durch eine Rechtsberatung erfahren haben, dass sie gegen die Abweisungsbescheide vom , und innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung eine Berufung einbringen hätten können. Wie eingangs erwähnt, bedarf es eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Laut ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum kein Wiedereinsetzungsgrund. Aus diesem Grunde fehlt die wesentliche Voraussetzung, um einen Wiedereinsetzungsantrag positiv erledigen zu können. Weiters ist noch auszuführen, dass es auch am Grad des Verschuldens scheitern würde, da bei den Abweisungsbescheiden selbstverständlich eine Rechtsmittelbelehrung angeschlossen war."

Die Berufungswerberin stellt in der Folge den Antrag auf Entscheidung ihrer Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend führte darin aus: "Auf Grund des rechtswidrigen Verhaltens des Finanzamtes Salzburg, der falschen Auskunft durch das Finanzamt Salzburg und meinem Vertrauen auf die Berufungsentscheidung und dem darauf gegründeten Vertrauen auf entsprechende Vorgangsweise durch das Finanzamt Salzburg habe ich daher unverschuldet die Berufungsfristen versäumt und beantrage sohin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Diese rechtswidrige Vorgangsweise des Finanzamtes Salzburg ist als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis anzusehen und mir als nicht juristisch geschulter Berufungswerberin ist daher das nicht rechtzeitige Einbringen der Berufung als minderer Grad des Verschuldens anzusehen."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 308 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108-110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Dem Wortlaut und dem Sinn des § 308 Abs. 1 BAO entsprechend, soll das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verhindern, dass einer Partei, die gegen ein unverschuldet oder nur leicht fahrlässig im Sinne des § 1332 ABGB bzw. nicht auffallend sorglos verschuldet, unvorhergesehen oder unabwendbar eintretendes Ereignis nichts unternehmen kann, wegen der prozessualen Folgen dieses Ereignisses die Prüfung ihres materiellen Anspruchs verweigert wird.

Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat. Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind daher - neben der Versäumung einer Frist und einem hiedurch entstandenen Rechtsnachteil - ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und kein grobes Verschulden auf Seiten des Wiedereinsetzungswerbers (zB. Ritz, BAO 2. Auflage, § 308 Tz 1f.).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis hingegen dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Ritz, aaO, § 308 Tz 9f., mwN).

Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sind nach der ständigen Judikatur des VwGH keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe (zB ; vom , 95/16/0311; vom , 97/12/0003; vom , 96/17/0415; siehe dazu auch Stoll, BAO, 2984).

Ein lediglich minderer Grad des Versehens ist der leichten Fahrlässigkeit iSd. § 1332 ABGB gleichzusetzen. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (zB. ). Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und persönlich zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (). Mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum ist nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu beurteilen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die subjektive Beurteilung einer Rechtslage den Antragsteller nicht hindern kann, sich rechtzeitig über die in Betracht kommenden Wirkungen bei Rechtskundigen vorsorglich zu informieren (Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, Seite 2984).

Die Bw. hält den Abweisungsbescheid betreffend eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO 2008 auch deshalb für rechtswidrig, weil gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen worden sei.

Treu und Glauben ist nach Lehre und Rechtsprechung eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die grundsätzlich auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Gemeint ist damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [], § 39 Anm. 9).

Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben versteht man, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben. Dieser Grundsatz ist auch im Abgabenrecht zu beachten. Dies gilt jedoch auch für das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip: "Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden." Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) ist das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben. Im Erkenntnis vom , 98/15/0065, wird unter Hinweis auf die Vorjudikatur festgestellt: Vor dem Hintergrund des Art. 18 Abs. 1 B-VG kommt es der Vollziehung nicht zu, durch bloße Auskunftserteilung die Anordnungen des Gesetzgebers zu unterlaufen.

Die Verbindlichkeit eines Gesetzes wird durch die Auskunftserteilung nicht in Wegfall gebracht. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Exekutive einen Vollzugsspielraum eingeräumt hat. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt somit voraus, dass der Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Von Bedeutung kann er auch bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe sein.

Betreffend dieser im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten unrichtigen Information durch Mitarbeiter des Finanzamtes ist auszuführen, dass es sich bei solchen Auskünften um Wissenserklärungen handelt, welche keine Bescheide darstellen und daher auch keine Bindungswirkung entfalten (vgl. VwGH 94/15/0104 v. ). Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH 93/14/0101 v. ) unmissverständlich festgestellt, dass die Durchsetzung der Rechtsordnung grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Grundsatz von Treu und Glauben hat.

Dem Grundsatz von Treu und Glauben kommt demnach nur dann Bedeutung zu, wenn die betroffene Vorgangsweise der Behörde nicht gegen zwingendes Recht verstößt. Im vorliegenden Fall sind die Vorschriften betreffend Rechtsmittelfrist klar und eindeutig, sodass eine ihrem Wortlaut abweichende Auslegung nicht zugänglich ist. Bereits aus diesen Gründen ergibt sich, mangels Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzung zwingend eine Abweisung des Antrages. Auch ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass im Falle des Vorliegens von Vertrauensschäden für den Steuerpflichtigen, welcher eine "falsche" Auskunft von einer Behörde erhalten hat, eine Durchsetzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nur im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen möglich wäre. Folglich setzt eine solche Nachsicht einen Abgabenanspruch der Behörde voraus, welcher von dieser abgeschrieben werden kann. Keinesfalls kann bei Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben die Nachsicht dazu führen, dass - wie gegenständlich vorliegend - eine Beihilfe gewährt wird.

Wie auch vom Finanzamt zutreffend ausgeführt wurde, kann im gegebenen Fall kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erblickt werden, zumal das Abwarten einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in einem gleichartigen Fall - die stattgebende Berufungsentscheidung des UFS betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2006 bis Februar 2007 ist beim Verwaltungsgerichtshof angefochten - nicht einen derartigen Grund darstellt. Die Berufungswerberin stellte Anträge an das Finanzamt und negierte in der Folge die in den Bescheiden angeführte Rechtsmittelbelehrung, die eine einmonatige Rechtsmittelfrist konkret darstellt. Ein minderer Grad des Versehens liegt in diesem Fall nicht mehr vor, da die Wiedereinsetzungswerberin die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihr nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat (; ). Die Berufung vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO 2008 war somit als unbegründet abzuweisen.

Die Abgabenbehörde hat eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat (§ 273 Abs. 1 lit b BAO iVm § 245 Abs.1 Satz 1 BAO). Davon ausgehend ist die am bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingelangte Berufung gegen die Abweisungsbescheide betreffend Familienbeihilfe vom 14. April, 9. Mai und als verspätet zurückzuweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at