OGH vom 19.02.1992, 1Ob4/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma S***** Gesellschaft mbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Peter Baumann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 1,800.000 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 12 R 45/91-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 2 Cg 208/90-10, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Gmunden das Ansuchen der klagenden Partei um Erteilung der Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe im Kehrbezirk B*****, und um die Genehmigung der Bestellung des Herwig Franz O***** als Geschäftsführer gemäß §§ 9 Abs 1 und 39 Abs 2 GewO 1973 ab. Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom , Zl Ge-29302/3-1986/Wab/Ke im Grunde des § 9 GewO 1973 iVm § 18 GmbH-Gesetz als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, für die klagende Partei sei laut Eintragung im Handelsregister Helga S***** als Geschäftsführerin bestellt. Die klagende Partei habe mit Eingabe vom bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden um die Erteilung der Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe und um die Genehmigung der Bestellung des Herwig Franz O***** als gewerberechtlicher Geschäftsführer angesucht. Dieser Antrag sei von der Geschäftsführerin Helga S***** unterfertigt gewesen. Gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden habe der Gesellschafter Hermann S***** für die klagende Partei unter Hinweis auf eine von der Geschäftsführerin Helga S***** am unterzeichnete Vollmacht Berufung erhoben. Auf Anfrage habe Helga S***** mit Eingabe vom folgendes bekanntgegeben: "Ich habe Ihr Schreiben vom erhalten und gebe Ihnen folgendes bekannt: Eine Vollmacht an Herrn Hermann S***** ist nicht mehr aufrecht, da ich mit meine Geschäftsanteile abgetreten habe und ich daher nicht mehr Geschäftsführer bin."
Der Verwaltungsgerichtshof gab mit Erkenntnis vom , Zl 87/04/0146-7, der Beschwerde der klagenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom Folge und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit eines Inhaltes auf. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann zunächst das Schreiben der Helga S***** vom nicht als Bekanntgabe der Kündigung der von ihr namens der klagenden Partei an Hermann S***** erteilten Vollmacht angesehen werden. Es bedeutet vielmehr, wie sich aus dem Hinweis auf den von ihr angenommenen Verlust der Stellung einer Geschäftsführerin ergibt, bloß den Ausdruck einer verfehlten Rechtsansicht der Verfasserin. Darüber hinaus irrt die belangte Behörde, wenn sie offensichtlich meint, eine von der Gesellschaft erteilte Vollmacht erlösche, sobald jener Geschäftsführer, der seinerzeit die Vollmacht namens der Gesellschaft erteilte, seine Stellung als Geschäftsführer verliert. Derartiges kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Der Aktenlage nach wurde über die Berufung der klagenden Partei noch nicht entschieden. Die klagende Partei stellte einen Devolutionsantrag an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten. Eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde von diesem mit Beschluß vom , Zl 88/04/0206, aus den Gründen des § 27 VwGG zurückgewiesen.
In der Zwischenzeit war dem Kurt Josef L***** über sein Ansuchen vom mit Rechtswirksamkeit vom die Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe für den Kehrbezirk B***** verliehen worden.
Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrt die klagende Partei aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 1,800.000 s.A. Organe der Republik Österreich hätten in völlig rechtswidriger und grob fahrlässiger Weise der klagenden Partei trotz Vorliegen der Voraussetzungen keine Konzession erteilt und vielmehr einem Dritten die Konzession verliehen. Aufgrund Bedarfswegfalles sei die klagende Partei in ihrem Vermögen darin geschädigt worden, daß sie unabhängig vom Ausgang des Säumnisverfahrens eine Konzession nicht mehr erhalten könne. Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Gewerbeordnungsnovelle 1988 hätte bei rechtzeitiger Entscheidung der klagenden Partei die Konzession erteilt werden müssen.
Die beklagte Partei wendete ein, die vom Landeshauptmann von Oberösterreich im Bescheid vom geäußerte Rechtsansicht sei vertretbar gewesen.
Das Erstgericht wies, sich der Argumentation der beklagten Partei anschließend, das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Die vom Landeshauptmann für Oberösterreich im Bescheid vom geäußerte Rechtsansicht sei nicht nur schlichtweg falsch, sondern auch unvertretbar gewesen. Als Vollmachtskündigung könne diese Mitteilung der Helga S***** vom schon deshalb nicht aufgefaßt werden, weil Helga S***** nach ihren eigenen Angaben schon seit nicht mehr Geschäftsführerin der klagenden Partei gewesen sei. Sie habe daher am die Gesellschaft mbH schon nach ihrer eigenen Erklärung nicht mehr vertreten können. Ab Kenntnis dieser Mitteilung habe sich das Organ der beklagten Partei aber auch nicht auf den Stand des Handelsregisters berufen können, weil gemäß § 15 Abs 1 HGB jeder gegen sich gelten lassen müsse, wenn ihm Abweichungen von den eingetragenen Tatsachen bekannt seien. Daß jedoch Helga S***** noch zu Zeiten ihrer Vertretungsbefugnis dem Hermann S***** die Vollmacht gekündigt habe, lasse sich bei Auslegung der Mitteilung vom unter Anlegung des Sorgfaltsmaßstabes nach § 1299 ABGB ebenfalls nicht vertreten. Nur eine sorglose oberflächliche Beurteilung der Mitteilung vom habe zu jener Auslegung führen können, die zur Zurückweisung der Berufung geführt habe. Für dieses schuldhafte Verhalten hafte jedoch die beklagte Partei, zumal sie sich auf Umstände, die ein an sich unvertretbares Handeln im Einzelfall noch hätten entschuldigen können, gar nicht berufen habe. Unvertretbar sei jedenfalls auch jene Ansicht, wonach mit dem Erlöschen der Geschäftsführerbefugnis auch eine vom ehemaligen Geschäftsführer erteilte Vollmacht ihre Wirksamkeit verloren habe. Dafür gebe es, wie schon der Verwaltungsgerichtshof habe erkennen lassen, im Gesetz nicht einmal einen Anhaltspunkt. Auch aus diesem Gesichtspunkt sei daher eine Haftung der beklagten Partei für die Folgen der rechtswidrigen Zurückweisung der Berufung zu bejahen. Ob und welche Schäden durch diese Vorgangsweise der klagenden Partei kausal bewirkt worden seien, lasse sich den erstrichterlichen Feststellungen nicht entnehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 87/04/0146, steht fest, daß Organe der beklagten Partei rechtswidrig handelten. Diese rechtswidrige Vorgangsweise erfolgte aber auch schuldhaft. Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe. Es begründet allerdings nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung einen Amtshaftungsanspruch. Ein Verschulden eines Organes liegt nicht vor, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht. Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit Verschulden des Organes wird angenommen, wenn die Entscheidung von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht (SZ 63/106 mwN).
Von einer solchen klaren Gesetzeslage wurde aber entgegen den Ausführungen der beklagten Partei abgewichen. Unstrittig ist, daß die Geschäftsführerin Helga S***** den Hermann S***** eine ihm zur Vertretung im Gewerbeverfahren berechtigende Vollmacht ordnungsgemäß erteilt hat. Nach § 10 Abs 2 AVG sind Zweifel über Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts regeln auch das Erlöschen der Vollmacht (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5 Rz 144 mwN). Diese Vollmacht konnte demnach zwar nach § 1020 ABGB vom Vollmachtgeber (der klagenden Partei) widerrufen werden. Für die Gesellschaft konnte Helga S***** aber nur solange handeln, als ihr Organstellung zukam. Daß Helga S***** während dieses Zeitraumes die Vollmacht widerrufen hätte, wurde nicht festgestellt. Die Rechtsansicht der Berufungsbehörde im Gewerbeverfahren, von Helga S***** nach Beendigung ihrer Organstellung abgegebene Erklärungen hätten bewirkt, daß Hermann S***** im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung nicht mehr als bevollmächtigt anzusehen gewesen sei, entbehrt, wie schon der Verwaltungsgerichtshof ausführte, damit jeder gesetzlichen Grundlage. Zum Zeitpunkt des Schreibens der Helga S***** am hätte vielmehr, wie sich schon aus der Regelung des § 18 Abs 1 GmbH-Gesetz ergibt, nur der zu diesem Zeitpunkt bestellte Geschäftsführer die an Hermann S***** erteilte Vollmacht widerrufen können. Sollte die Behörde ungeachtet dieser klaren Gesetzeslage Zweifel an der Unwirksamkeit eines Widerrufes der Vollmacht gehabt haben, wäre sie verpflichtet gewesen, vor Zurückweisung der Berufung vorerst durch Anfrage an die Berufungswerberin die Frage der Vollmachtserteilung an Hermann S***** zu klären, allenfalls auch den Versuch zu unternehmen, einen Vollmachtsmangel zu sanieren (vgl VwSlg 17 A).
Es wird daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, zu prüfen sein, ob das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten von Organen der beklagten Partei kausal für den von der klagenden Partei behaupteten Schaden gewesen sein konnte. Soweit zur Beurteilung des geltend gemachten Anspruches die Richtigkeit des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom maßgeblich wäre und darüber eine bindende Entscheidung noch nicht vorliegt, wäre, wenn auf Grund des festzustellenden Sachverhaltes die Rechtswidrigkeit des Bescheides von den Gerichten in selbständiger Prüfung nicht verneint wurde (SZ 55/81 ua), nach § 11 AHG vorzugehen.
Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.
Fundstelle(n):
ZAAAD-01598