Steuerliche Verwertung von Verlusten im Zusammenhang mit einem Sanierungsgewinn
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Miterledigte GZ: |
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RV/0235-W/08 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der K. GmbH RNF K. GmbH & Co KG, 0000 Wien, A-Gasse 1, vertreten durch PKF Österreicher- Staribacher Wirtschaftsprüfung GmbH, 1010 Wien, Hegelgasse 8, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Mag. Thomas Zach, vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005, Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 entschieden:
1) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Mit der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet der angefochtene neue Sachbescheid (Feststellungsbescheid für das Jahr 2005) ex lege aus dem Rechtsbestand aus.
2) Die Berufung betreffend den Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 wird gemäß § 273 Abs.1 lit. a BAO als unzulässig geworden zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Bw. ist eine Kommanditgesellschaft in der Textileinzelhandelsbranche, die unter dem Namen "M." zwei Boutiquen an den Standorten 0000 Wien, A-Straße 1-3, und 0000 Wien, B-Straße 3 betrieben hat. Der Komplementär ist die Firma K. GmbH, der Kommanditist ist Mag. D. K..
Mit Gesellschaftsvertrag vom beteiligten sich die Gesellschafter Dr. E. A. mit einer Einlage von S 900.000, Mag. F. B. (mit einer Einlage von S 300.000) und Dr. G. C. (mit einer Einlage von S 300.000) als atypisch stille Gesellschafter am Handelsgewerbe der Kommanditgesellschaft. Für ihre geleisteten Einlagen erhielten die stillen Gesellschafter Beteiligungen - Dr. A. 52 %, Mag. B. und Dr. C. jeweils 18 % - am laufenden Erfolg sowie am Vermögen inklusive stiller Reserven und Firmenwert des Unternehmens. Von den restlichen Gesellschaftern - zum damaligen Zeitpunkt war auch noch H. K. als Kommanditistin beteiligt - waren Mag. D. K. mit 8 %, H. K. mit 3 %, die Fa. K. GmbH mit 1 % am Gewinn/ Verlust der Gesellschaft beteiligt.
Mit der Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 wurden dem Finanzamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit € 645.997,99 angezeigt, von denen auf die in Rede stehende GmbH € 6.459,97, Mag. K. € 71.059,77, Mag. B. € 116.279,65, Dr. C. € 116.279,65 und Dr. A. € 335.918,95 entfielen.
Mit dem ursprünglichen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 setzte das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb abgabenerklärungsgemäß fest. Die Gesamteinkünfte enthielten einen Sanierungsgewinn von € 634.000, von dem Mag. B. und Dr. C. jeweils € 111.900,99, Mag. K. € 53.129,19, K. GmbH € 3.740,59, Dr. A. € 335.639,59 und Verlassenschaft nach K. H. € 17.688,65 zugerechnet wurden.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO anlässlich der Außenprüfung betreffend u. a. die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gemäß für die Jahre 2003 bis 2005 versagte der Außenprüfer Hubert Stierschneider die Versagung der Anerkennung des in Höhe von € 634.000 geltend gemachten Sanierungsgewinns mit der Begründung, die Bw. habe folgende Verluste für die Jahre 1995 bis 2004 erwirtschaftet und auf die Gesellschafter aufgeteilt:
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Komplementär | Kommanditisten | Atypisch stille Gesellschafter | Summe | ||||
Fa. K. - GmbH | Mag. D.K. | Verl. n. H.K. | Dr. E.A. | Mag. F.B. | Dr. I.C. | Einkünfte | |
1995 | -116.957,00 | -1.386.706,00 | -477.163,00 | -2.328.886,00 | -806.152,00 | -806.152,00 | -5.922.016,- |
1996 | 1.188.621,00 | 16.966.311,00 | 5.653.919,00 | -236.838,00 | -81.982,00 | -81.982,00 | 23.408.049,- |
1997 | 15.779,00 | 282.484,00 | 91.088,00 | -479.477,00 | -165.973,00 | -165.972,00 | -422.071,- |
1998 | 13.554,00 | 264.670,00 | 84.408,00 | -595.273,00 | -206.055,00 | -206.055,00 | -644.751,- |
1999 | 5.651,00 | 136.448,00 | 25.699,00 | -2.211,00 | -304,00 | -304,00 | 164.979,- |
2000 | 5.508,00 | 135.314,00 | 25.274,00 | -9.587,00 | - 2.857,00 | -2.857,00 | 150.795,- |
2001 | 4.603,00 | 128.076,00 | 22.560,00 | -56.629,00 | - 19.141,00 | - 19.141,00 | 60.328,- |
S. | 1.116.759,- | 16.526.597,- | 5.425.785,- | -3.708.901,- | -1.282.464,- | -1.282.463,- | 16.795.313,- |
€ | € | € | € | € | € | € | |
S. | 81.158,04 | 1.201.034,64 | 394.307,17 | -269.536,35 | -93.200,29 | -93.200,22 | 1.220.563,00 |
2002 | -4,93 | 6.591,91 | 621,08 | -21.767,80 | -7.501,46 | -7.501,46 | -15.002,92 |
2003 | -1.274,39 | -14.018,33 | 0,00 | -66.268,47 | -22.939,10 | -22.939,10 | -45.878,20 |
2004 | -2.104,12 | -23.145,23 | 0,00 | -109.413,81 | -37.874,02 | -37.874,02 | -75.748,04 |
S. | 77.774,60 | 1.170.462,99 | 394.928,25 | -466.986,43 | -161.514,87 | -161.514,87 | 1.083.933,84 |
Von den zugewiesenen Verlusten seien folgende nur gegen zukünftige Überschüsse aus derselben Einkunftsquelle zu verrechnen:
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Kompl. | Kommand. | Atypisch stille Gesellschafter | Summe | ||||
Fa. K.- GmbH | Mag. D.K. | Verl. n. H.K. | Dr. E.A. | Mag. F.B. | Dr. I.C. | Einkünfte | |
1995 | 166,00 | 1.324,00 | 497,00 | 8.606,00 | 2.978,00 | 2.978,00 | 15.059,00 |
1996 | - 166,00 | -1.324,00 | -497,00 | 1.450,00 | 502,00 | 502,00 | 1.957,00 |
1997 | 0,00 | ||||||
1998 | 24.938,00 | 8.312,00 | 8.313,00 | 41.563,00 | |||
1999 | 0,00 | ||||||
2000 | 0,00 | ||||||
2001 | 0,00 | ||||||
S. | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 34.994,00 | 11.792,00 | 11.793,00 | 58.579,00 |
€ | € | € | € | € | € | € | |
S. | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 2.543,11 | 856,96 | 857,03 | 4.257,10 |
2002 | 0,00 | ||||||
2003 | 0,00 | ||||||
2004 | 0,00 | ||||||
S. | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 2.543,11 | 856,96 | 857,03 | 4.257,10 |
Die restlichen Verluste seien voll ausgleichsfähig und seien von den Gesellschaftern mit Ausnahme der Komplementär - GmbH zur Gänze mit anderen positiven Einkünften verrechnet worden, sodass diesbezüglich keine Verlustvorträge mehr vorhanden seien.
Infolge hoher Verbindlichkeiten bei nachstehend angeführten Gläubigern habe die Bw. ein Entschuldungsverfahren angestrebt, das in Form eines außergerichtlichen Vergleichs mit einer Ausgleichsquote von 20 % im Jahr 2005 abgeschlossen worden sei. Der außergerichtliche Vergleich sei von den Gläubigern Finanzamt für den 9., 18., 19. Bezirk und Klosterneuburg (€ 581.000) und der Kanzlei J. (€ 53.000) mit einem Schuldennachlass von € 634.000, der gleichzeitig erlösmäßig als Sanierungsgewinn erfasst worden sei, angenommen worden. Für den als Erlös gebuchten Sanierungsgewinn habe die Bw. die begünstigte Besteuerung im Sinn des § 36 EStG in Verbindung mit § 206 BAO beantragt, die eine Nichtfestsetzung des Abgabenanspruchs in Höhe des Schuldennachlasses vorsehe.
Als rechtliche Begründung für die Versagung der Anerkennung des beantragten Sanierungsgewinnes führte der Außenprüfer ins Treffen, dass die Anwendung des § 36 EStG 1988 ein gerichtliches Entschuldungsverfahren in Form eines Ausgleichs oder Zwangsausgleichs voraussetze. Für außergerichtliche Ausgleichsverfahren, wie im konkreten Fall dargestellt, könne die Begünstigung des § 36 EStG nicht zur Anwendung kommen. Für Sanierungsfälle außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens sei daher eine begünstige Besteuerung des Sanierungsgewinns nur nach Maßgabe des § 206 BAO möglich. Bei Anwendung dieser Bestimmung sei jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwiefern die Sanierungsbedürftigkeit auf unangemessen hohe Entnahmen zurückzuführen sei, bzw. inwieweit sich die zur Sanierungsbedürftigkeit führenden Verluste bereits steuerlich ausgewirkt hätten. Im konkreten Fall seien die Verluste der Bw. der Jahre 1995 bis 2004 von allen Gesellschaftern mit Ausnahme der Komplementär - GmbH zur Gänze gegen andere positive Einkünfte verrechnet worden. Eine begünstigte Besteuerung ermögliche, dass eine Benachteiligung von jenen Abgabepflichtigen (z. B. Einzelunternehmen) zur Folge habe, für die eine solche Verlustverwertung nicht möglich wäre, und ihre Verluste nur nach Maßgabe des § 18 EStG mit dem begünstigt besteuerten Sanierungsgewinn verrechnen könnten. Das Vorliegen anderer positiver Einkünfte stehe dem Erfordernis der Sanierungsbedürftigkeit entgegen. Mangels gesetzlicher Grundlage könne daher weder die Begünstigung des § 36 EStG, noch eine Nichtfestsetzung des Abgabenanspruches nach Maßgabe des § 206 BAO zur Anwendung kommen. Der auf die Komplementär - GmbH entfallende Sanierungsgewinn sei gegen die bestehenden Verlustvorträge zu verrechnen.
Die steuerliche Konsequenz sei, dass die Einkünfte der Gesellschafter im Jahr 2005 um die verrechenbaren Verluste der Vorjahre zu vermindern seien.
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Kompl. | Kommanditist. | Atypisch stille Gesellschafter | Summe | |||
K.- GmbH | Mag. D.K. | Dr. E.A. | Mag. F.B. | Dr. I.C. | Einkünfte | |
€ | € | € | € | € | € | |
Einkünfte aus Gw. | 6.459,97 | 71.059,77 | 335.918,95 | 116.279,65 | 116.279,65 | 232.559,30 |
SGW | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Verrechenb. Verl. aus Vorjahren | 0,00 | 0,00 | 2.543,11 | 856,96 | 857,03 | 4.257,10 |
Als Begründung für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO führte der Außenprüfer unter Bezugnahme auf den zitierten Text des § 303 Abs. 4 BAO ins Treffen, dass die Tatsache, dass die Verluste der Vorjahre 1995 bis 2004 von den Gesellschaftern Mag. D. K. (Kommanditist) und den atypisch stillen Gesellschaftern Dr. E. A., Mag. F. B. und Dr. I. C. zur Gänze gegen andere Einkünfte betriebliche und außerbetriebliche Einkünfte verrechnet worden seien, im konkreten Fall erst im Zug des durchgeführten Außenprüfungsverfahren festzustellen gewesen sei. Die steuerliche Verwertung der an die Gesellschafter zugewiesenen Verluste könne vom feststellenden Finanzamt nicht ohne Einsichtnahme in die betreffenden Aktenteile sämtlicher Gesellschafter festgestellt werden. In der Kenntniserlangung der steuerlichen Verwertung durch die Gesellschafter würden somit neue Tatsachen vorliegen, die eine Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahren 2005 rechtfertigen würden. Bei der dabei im Sinn des § 20 vorzunehmenden Interessenabwägung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteieninteresse) einzuräumen.
Aufgrund der obigen Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht vom (mit Verweis auf die Niederschrift) erließ das Finanzamt Bescheide, mit denen das Verfahren hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen und die Einkünfte der Bw. gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 neu festgestellt wurden.
Mit der Berufung gegen die vorgenannten Bescheide bestritt der steuerliche Vertreter das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes, entgegnete der Feststellung betreffend Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005, dass in den Einkünften keine begünstigten Sanierungsgewinne enthalten seien, und stellte die Anträge auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 Abs. 1 BAO und die Berufungsentscheidung durch den gesamten Berufungssenat gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO.
Als Begründung wider das Vorliegen einer neuen Tatsache im Sinn des § 303 Abs. 4 BAO führte der steuerliche Vertreter ins Treffen:
"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind zwingend alle für den Sanierungsgewinn maßgebenden Umstände im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu prüfen und festzustellen. Wurde im Spruch eines Feststellungsbescheides ausgesprochen, dass in den Einkünfteanteilen der Gesellschafter Sanierungsgewinne enthalten sind, ist damit die rechtliche Qualifikation dieses Teilbetrages aus dem Einkunftsanteil als Einkommensteil im Sinn des § 36 EStG bindend festgelegt. Hingegen würde eine im Ergebnis zu einer "Zwei-Stufen-Theorie" führende Auslegung in Form einer Prüfung der Frage der Sanierungswürdigkeit auf Gesellschafterebene erst im jeweiligen Veranlagungsverfahren letztlich bedeuten, Inhalten eines Feststellungsbescheides nach § 188 BAO die in § 192 BAO statuierte Bindungskraft abzusprechen ( 97/13/0204 ). Schließlich hindert das der Einkommensteuerfestsetzung vorgelagerte Feststellungsverfahren nicht daran, die unterschiedlichen, persönlichen Verhältnisse einzelner Gesellschafter zu berücksichtigen ( 89/13/0151 ; , 97/13/0204 ). Wenn dies nach der Rechtsprechung selbst für Feststellungen über das Vermögen der Gesellschafter gilt, muss dies noch vielmehr für die bedeutend leichter zu erhebende Frage der bloßen Verlustverrechnung gelten. Nur aus dem Umstand, dass das Finanzamt nunmehr zu dem Ergebnis kommt, dass die ursprüngliche Feststellung der Einkünfte rechtlich verfehlt gewesen sein soll, kann jedenfalls kein Wiederaufnahmegrund abgeleitet werden. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, auch wenn diese erst nach vorheriger Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage gewonnen werden, stellen ebenso wenig wie das Hervorkommen von Rechtsirrtümern keine Tatsachen und somit keine Wiederaufnahmegründe dar (Ritz, BAO³, § 303 Rz 9 mit Verweis auf 91/13/0224 ; , 96/15/0148 bzw. 90/15/0118 )."
Dem darauf folgenden Zitat des § 303 Abs. 4 BAO fügte der steuerliche Vertreter hinzu: Im gegenständlichen Fall seien keine neuen Beweismittel vorgelegen, weshalb es sich nur um den Tatbestand der neuen Tatsachen handeln könne. Diese wiederum könnten nur dann relevant sein, wenn a) diese Tatsachen im Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und b) die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Mit der Berufung bestritt der steuerliche Vertreter die Wertung der Kenntnis des Sanierungsgewinns als neue Tatsache mit der Begründung, dass diese Kenntnis aus rein sprachlichen Gründen nicht als neue Tatsache im Sinn des § 303 BAO anzusehen sei. Da dieser Umstand im Abgabenverfahren von der Abgabenbehörde in voller Kenntnis des Sanierungsgewinnes anerkannt, also berücksichtigt worden sei, fehle jener Tatbestandsteil, der bewirke, dass diese Tatsache im Verfahren bisher nicht geltend gemacht worden sei. Es sei vielmehr umgekehrt. Sei gerade der Umstand des Sanierungsgewinnes im Abgabenverfahren bekannt gewesen, auch geltend gemacht worden und so von der Abgabenbehörde akzeptiert worden, so könne daher schon ex definitione keinesfalls davon gesprochen werden, dass im bisherigen Abgabenverfahren diese Tatsache "nicht geltend gemacht worden wäre".
Für den Fall, dass ein Sanierungsgewinn nicht im Abgabenverfahren geltend gemacht worden wäre, hätte die Abgabenbehörde den Sanierungsgewinn nicht so veranlagen können; aufgrund der Vorschriften im EDV-mäßigen Veranlagungssystem müsse ein Sanierungsgewinn zwingend geltend gemacht werden, bei der einheitlich gesonderten Gewinnfeststellung müsse er auch als solcher veranlagt werden. Genau dies sei bei der Erstveranlagung erfolgt, sodass keinesfalls von nicht geltend gemachten Tatsachen gesprochen werden könne. Vielmehr sei umgekehrt durch die Geltendmachung des Sanierungsgewinnes und dessen erklärungsgemäße Veranlagung diese Tatsache im Abgabenverfahren bekannt gewesen und berücksichtigt worden.
Als Begründung wider die Behauptung, dass bei Kenntnis dieser Tatsache ein anders lautender Bescheid herbeigeführt werden hätte können, brachte der steuerliche Vertreter vor, dass die Abgabenbehörde selbst die Anerkennung des Sanierungsgewinnes durch ihre bescheidmäßige Veranlagung durchgeführt habe und daher ein anders lautender Bescheid auch bei heutiger Kenntnislage von der Abgabenbehörde nicht durch geänderten Tatsachen beeinflusst werden "würde". Die Ermessensentscheidung der Anerkennung des Sanierungsgewinnes sei durch die Abgabenbehörde in voller Kenntnis aller Tatsachen und Umstände so getroffen worden und ein Abweichen davon keine Änderung auf Tatsachen- oder Beweismittelebene, sondern eine spätere rechtliche (und im Übrigen nicht der Gesetzeslage entsprechende) Würdigung, also eine geänderte Würdigung desselben Sachverhaltes durch die Abgabenbehörde bei unveränderter Tatsachen- und Beweismittellage. Dies werde aber durch § 303 Abs. 4 BAO ausgeschlossen, wo sogar das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (was im gegenständlichen Fall nicht vorliege) keinesfalls als Wiederaufnahmegrund anzusehen sei. Gerade in dem Spannungsverhältnis zwischen § 299 BAO und § 303 BAO lasse sich klar herausarbeiten, dass § 303 Abs. 4 BAO das neue Hervorkommen von bisher nicht geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel erfordere; das Umwürdigen der bekannten Tatsachen und Beweismittel sei aber nur im Rahmen eines § 299 BAO - sofern materielle Unrichtigkeit vorliege - möglich.
Für den Fall, dass § 303 Abs. 4 BAO die jederzeitige Änderung jeglicher rechtlichen Würdigung zulasse, sei einerseits die textliche Formulierung des § 303 Abs. 4 BAO (... Neuhervorkommen ...) falsch gewählt, andererseits "würde" die Vorschrift des § 299 BAO inhaltsleer werden. Da die Auslegung des Gesetzes niemals so erfolgen dürfe, dass eine unsinnige und unnötige Gesetzesvorschrift unterstellt werde, könne bei Auslegung des § 303 Abs. 4 BAO ein Wiederaufnahmetatbestand im gegenständlichen Fall nicht vorliegen.
Weder § 36 EStG 1988, noch § 206 BAO normiere ein Tatbestandsmerkmal der "Verlustverrechnung auf Gesellschafterebene": Eine derartige Prämisse finde sich vielmehr nur in den Einkommensteuerrichtlinien 2000, Rz 7268 und entbehre jeder gesetzlichen Deckung (vgl. zur - unbeachtlichen - Rechtsqualität der erlassmäßigen Regelung sowie Kofler, ecolex 2003, 448 f.). Aufschlüsse über ein vom Gesetz gar nicht erfasstes und somit für die Beurteilung der zugrundeliegenden Rechtsfrage irrelevantes Tatbestandsmerkmal könnten zwingend keinesfalls einen Wiederaufnahmegrund darstellen.
Nachdem das Finanzamt in Kenntnis von sämtlichen Beteiligungsverhältnissen und der jeweilige Sanierungsgewinn in den Steuererklärungen offen ausgewiesen gewesen sei, sei die Wiederaufnahme des Verfahrens somit zweifelsfrei zu Unrecht verfügt worden. Dies umso mehr als bereits am eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 abgewickelt worden sei, bei welcher bereits der Finanzverwaltung voll inhaltlich nicht nur die beteiligten Gesellschafter, sondern auch die Verlustverrechnung bekannt gewesen sei.
Aus der Niederschrift sei ersichtlich, dass sich die Gesellschafter bereits im Jahr 1995 beteiligt hätten; die Verlustverhältnisse bzw. Gewinnverhältnisse seien der Finanzverwaltung schon in der Betriebsprüfung über die Jahre 1995 bis 1997 voll inhaltlich bekannt gewesen. Es sei daher eine Frage der Verlustverrechnung bereits ab dem Jahr 1995 der Finanzverwaltung bekannt und sei von der Finanzbehörde - nach Prüfung der Jahre 1995 bis 1997 - in dieser Weise veranlagt worden. Daher sei keinesfalls von neuen bekannt gewordenen Umständen in der Betriebsprüfung, die jetzt Streitgegenstand seien, die Rede, da die Abgabenbehörde schon aufgrund ihrer EDV-mäßigen Erfassung der Gewinn- und Verlusttangenten bei allen Gesellschaftern über deren steuerlichen Verhältnisse voll informiert sei. Eine Verlustzuweisung ohne Kenntnis der Abgabenbehörde sei rein technisch nicht möglich, da diese Verlustzuweisung immer nur im Einkommensteuerbescheid, welcher durch die Finanzverwaltung zu erlassen sei, erfasst werden könne und nur dort seine "steuerliche Wirkung" erzielen könne. Diese steuerliche Wirkung sei der Abgabenbehörde aber bereits seit dem Jahr 1995 voll inhaltlich bekannt gewesen.
Gegen die Feststellung gemäß § 188 BAO wendete der steuerliche Vertreter ein, dass, wenn das Finanzamt die nunmehrige Verweigerung des Sanierungsgewinns mit der in den Jahren 1995 bis 2004 auf Gesellschafterebene teilweise erfolgten Verrechnung der Verluste mit anderen positiven Einkünften begründe, sich schon an dieser Überlegung die Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides zeige, weil auch der Komplementär - GmbH, die keine derartigen Verrechnungen vornehmen habe können, die Zuerkennung eines begünstigten Sanierungsgewinns verweigert worden sei.
Wider die Begründung des angefochtenen Bescheids, derzufolge "das Vorliegen anderer positiver Einkünfte (auf Gesellschafterebene) dem Erfordernis der Sanierungsbedürftigkeit entgegensteht", brachte der steuerliche Vertreter vor: "Bei Betrieben von Personengesellschaften ist auf das Vermögen jener Gesellschafter, die keine Nachschusspflicht betrifft, nicht Bedacht zu nehmen (Zorn in Hofstätter/Reichl, EStG 1988 III, 36. Lief., § 36 Rz 8). Da das private Vermögen der Mitunternehmer nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nur insoweit in die Betrachtung einbezogen werden darf, als auch die Gläubiger auf solches Vermögen greifen können (Erkenntnis vom , 89/13/0252; , 97/13/0204), hat das Privatvermögen von Kommanditisten und atypischen stillen Gesellschaftern bei der Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit der Gesellschaft außer Betracht zu bleiben (Doralt/ Heinrich, EStG, 8. Auflage, § 36 Tz 67)".
§ 206 räume der Behörde einen Ermessensspielraum für die Fälle außerhalb eines gerichtlichen Ausgleichs oder Zwangsausgleichs ein (vgl. Einkommensteuerrichtlinien 2000, Rz 7268). Im Rahmen dieser Ermessensübung sei für den konkreten Fall zu beachten, dass es für die Bw. aus faktischen Gründen unmöglich gewesen sei, einen gerichtlichen Ausgleich im Sinn der Ausgleichsordnung oder eines Zwangsausgleichs, somit entsprechend der Normvoraussetzungen des § 36 EStG durchzuführen. Dies sei das Ergebnis der Bestimmungen des § 23 Abs. 1 KO gewesen, wonach der Bestandgeber unbeschadet des Anspruchs auf Ersatz des verursachten Schadens den Bestandvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfrist kündigen könne. Im konkreten Fall hätte diese sondergesetzliche Kündigungsbestimmung zur Kündigung des Bestandvertrags durch den Bestandgeber ohne einer Abgeltung des Weitergabe- und Untervermietrechts geführt, das Bestandobjekt wäre diesem also ohne Erbringung einer Gegenleistung zur weiteren Verwertung zugefallen (vgl. hierzu bereits die Stellungnahme von Rechtsanwalt Mag. L., Beilage 3 zum Schreiben vom ). Da erst durch die Veräußerung dieser Mietrechte die Mittel zur Erfüllung des Ausgleichs erzielt werden hätten können, müsse es für jedermann verständlich sein, dass die außergerichtliche Sanierungslösung der einzige gangbare Weg gewesen sei.
Zur Berücksichtigung im Rahmen dieser Ermessensentscheidung, inwieweit die Sanierungsbedürftigkeit auf unangemessen hohe Entnahmen zurückzuführen sei (Einkommensteuerrichtlinien 2000, Rz 7268) sei für den konkreten Fall zu beachten, dass nicht einmal ein einziger Euro bzw. Schilling von den Gesellschaftern entnommen worden sei.
Mit Schreiben vom zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf mündliche Verhandlung sowie Senatsverhandlung zurück.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in allen Fällen, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, zulässig.
Nach Ritz, BAO³, Tz 7 und 10 jeweils zu § 303 sind Tatsachen ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/14/0038, und , 95/14/0094); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0108; , 96/15/0148; , 95/14/0094). Dass dem angefochtenen Wiederaufnahmebescheid eine Tatsache im Sinn des § 303 BAO zugrunde gelegen wäre, war anhand der die Wiederaufnahme des Verfahrens begründenden Ausführungen in der Niederschrift vom , auf die Tz 2 PB ("Wiederaufnahme des Verfahrens") verwies, zu verneinen, wenn dort mit der Kenntniserlangung der steuerlichen Verwertung durch die Gesellschafter das Vorliegen einer Tatsache im Sinn des § 303 BAO begründet wird. Die steuerliche Verwertung von Verlusten spricht aber weder für, noch gegen das Vorliegen eines Sanierungsgewinnes im Sinn des § 36 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Mangels einer neuen Tatsache im Sinn des § 303 BAO, die einen im Spruch anders lautenden Bescheid bewirkt hätte und aufgrund dieser die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 gemäß § 303 Abs. 4 BAO in rechtlicher Hinsicht zulässig gewesen wäre, war daher der Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellungen von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 Folge zu geben und der angefochtene Wiederaufnahmebescheid aufzuheben. Mit der Aufhebung des angefochtenen Wiederaufnahmebescheides trat § 307 Abs. 3 BAO zufolge das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hatte. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides schied somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus; der Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO in seiner Urfassung lebte wieder auf. Sind nach § 243 BAO nur Bescheide mit Berufung anfechtbar, so war die Berufung gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 gemäß § 273 Abs.1 BAO als unzulässig geworden zurückzuweisen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 36 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Sanierungsgewinn |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at