Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 02.03.2012, RV/3419-W/11

Familienbeihilfenanspruch für subsidiär Schutzberechtigte

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Familienbeihilfe für die Zeiträume August 2006 bis Dezember 2007, Mai 2008 bis November 2008 und ab Dezember 2009 entschieden:

Der Berufung wird betreffend die Monate Oktober 2007 und November 2007 Folge gegeben. Die Familienbeihilfe für das Kind M steht für diesen Zeitraum zu. Der angefochtene Bescheid wird betreffend diese Monate aufgehoben.

Hinsichtlich der Zeiträume August 2006 bis September 2007, Dezember 2007, Mai 2008 bis November 2008 und Dezember 2009 bis August 2011 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt diesbezüglich unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Antrag vom ersuchte die Berufungswerberin (im Text mit Bw. abgekürzt) für die Jahre 2006 bis 2011 um Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren am xxx geborenen Sohn a M . Im Antragsformular wurden unter anderem folgende Daten ausgefüllt:


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Antragsteller
aaA
Versicherungsnummer
vvv
Staatsbürgerschaft
Russisch
Datum der Einreise nach Österreich
Personenstand
verwitwet seit
Kindererziehung
Allein
Beruf
Heimhelferin
Staatsbürgerschaft d. Kindes
Russisch
Datum d. Einreise d. Kindes
Das Kind wohnt ständig bei
Bw.
Tätigkeit d. Kindes
Schüler bis
Bezeichnung d. Schule
H
Angaben zum Aufenthaltstitel, Nummer
Subsidiär Schutzberechtigte bbb

Im Akt finden sich zudem folgende, vorgelegte Unterlagen (in Ablichtung)

Bestätigungen (vom , , , und ), aus denen hervorgeht, dass die als Asylwerber eingetragenen Personen aa A und deren Sohn a M seit mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet sind.

Von der Hauptschule h betreffend AAA M für die Schuljahre 2005/2006 und 2006/2007 ausgestellte Schulnachrichten und Jahreszeugnisse;

Von der Hauptschule" betreffend Aa M ausgestellte Schulnachricht für das Schuljahr 2007/08;

Schulnachricht und Jahreszeugnis der Mittelschule betreffend Aa M für das Schuljahr 2008/09;

Betreffend das 1. Schulhalbjahr 2009/10 ausgestellte Schulnachricht der Berufsschule, wonach a M als Schüler die erste Fachklasse für den Lehrberuf Bürokaufmann besucht;

Kursbesuchsbestätigung des Instituts vom , derzufolge a M in der Zeit von bis voraussichtlich die Kursveranstaltung "Meine Chance- Hauptschulabschluss" am institut besucht;

Vom Bundesasylamt zum Nachweis der Identität und Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet am ausgestellte Karte für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 52 AsylG betreffend die Bw. (AIS Zahl mmm) und deren Sohn (AIS Zahl nnn) mit jeweils einen befristeter Aufenthaltsgültigkeit bis ;

Bescheide des Bundesasylamtes (BAA) vom , mit denen sowohl der Bw. als auch deren Sohn M die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 bis zum erteilt wurde. In der Bescheidbegründung heißt es wie folgt: "Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde Ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum erteilt. Am brachten Sie rechtzeitig gegenständlichen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beim Bundesasylamt ein...Aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Ihrem Herkunftsstaat in Verbindung mit Ihrem Vorbringen beziehungsweise Ihrem Antrag konnte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden...";

Versicherungsdatenauszug vom , aus dem folgende Daten hervorgehen:


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Von
bis
Art d. Monate/meldende Stelle
Asylwerberin bzw. Flüchtlinge
Asylwerberin bzw. Flüchtlinge
Arbeitslosengeldbezug
Krankengeldbezug, Sonderfall
Arbeitslosengeldbezug
Krankengeldbezug, Sonderfall
Arbeitslosengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Asylwerberin bzw. Flüchtlinge
Arbeiterin
Asylwerberin bzw. Flüchtlinge
Geringfügig beschäftigte Arbeiterin GmbH
Arbeitslosengeldbezug
laufend
Asylwerberin bzw. Flüchtlinge

Mit Bescheid vom wurde der "Antrag vom auf Familienbeihilfe" für das Kind a M für die Zeiträume August 2006 bis Dezember 2007, Mai 2008 bis November 2008 und ab Dezember 2009 abgewiesen und dies wie folgt begründet:

"Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, wird nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Sie sind bzw. waren im obgenannten Zeitraum nicht bzw. teilweise nur geringfügig beschäftigt, daher besteht gemäß den obigen Bestimmungen kein Anspruch auf Familienbeihilfe."

Am brachte die Bw. gegen den vorgenannten Bescheid Berufung ein und führte begründend auszugsweise wie folgt aus:

"Die Bw. ist im Oktober 2002 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom wurde unter Spruchpunkt I der Asylantrag der Bw. abgewiesen, unter Spruchpunkt II der Berufung der Bw. insofern stattgegeben, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland für nicht zulässig erklärt wurde und ihr ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt wurde...Der Bw. kommt seither rechtskräftig der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu und wurde ihr befristetes Aufenthaltsrecht jedes Jahr verlängert. Die Bw. hat gegen den Spruchpunkt I des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, womit der Bw. auch wieder die Rechtsstellung als Asylwerber zukam. Mit dem (in Kopie beigelegten) hat der VwGH die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die Bw. und ihr Sohn M befinden sich seit Oktober 2002 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet...

Im Hinblick auf das am anhängige Asylverfahren der Bw. (Antragstellung bereits am ) war daher bis zum Schluss des Asylverfahrens der Bw. im November 2007 (bzw. aufgrund der aufschiebenden Wirkung des VwGH auch von April 2008 bis September 2009) § 3 FLAG noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I 2004/142 und nicht in der derzeit geltenden Fassung anzuwenden....

Da die Bw. im Oktober 2002 ins österreichische Bundesgebiet eingereist ist, hält sie sich seit Oktober 2007 sechzig Kalendermonate ständig im Bundesgebiet auf und hatte damit seit Oktober 2007 gem. § 3 Abs. 2 FLAG idF BGBl. Nr. 142/2004 eine Anspruch auf Familienbeihilfe für ihr Kind M bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im November 2007 (bzw. auch von April 2008 bis September 2009, da ihr durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wieder derselbe Status als Asylwerber zukam). Somit kommt der Bw. von Oktober bis November 2007 sowie von Mai 2008 bis November 2008 auch ohne Erwerbstätigkeit und trotz des Bezuges von Grundversorgungsleistungen ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu. Für die übrigen Zeiträume (Dezember 2007 bzw. der Zeitraum ab Dezember 2009) ist die Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG idgF relevant...Die Einschränkung in § 3 Abs. 4 FLAG "sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind" ist allerdings aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes unbeachtlich.

Artikel 28 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom , welche bis in innerstaatliches Recht umzusetzen war, sieht die Gewährung von Sozialhilfeleistungen sowohl an Flüchtlinge als auch an subsidiär Schutzberechtigte vor. Der Begriff der Sozialhilfeleistungen ist in diesem Kontext europarechtlich autonom auszulegen, ein bloß innerstattliches Begriffsverständnis ist dabei nicht maßgeblich. Gemäß Abs. 2 dieses Artikels haben die Mitgliedsaaten zwar die Möglichkeit, Sozialhilfe für subsidiär Schutzberechtigte auf "Kernleistungen" zu beschränken; Beschränkungen der Unterstützung bei Krankheit, Schwangerschaft und Elternschaft sind allerdings ausgeschlossen, da diese explizit vom Begriff der Kernleistungen als mitumfasst festgelegt sind. Dies geht eindeutig aus Erwägungsgrund Nr. 34 der Präambel dieser Richtlinie hervor, der somit in Verbindung mit Artikel 28 der Richtlinie diesbezüglich ein Gleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten mit eigenen Staatsangehörigen verlangt...

Angesichts des hinreichend bestimmten Artikels 28 der Richtlinie 2004/83/EG, der subsidiär Schutzberechtigten ein subjektives Recht einräumt (Anspruch auf "Sozialhilfe") erscheint die Einschränkung in § 3 Abs. 4 FLAG ...als unionsrechtswidrig, da Artikel 28 der RL ausdrücklich ein Gleichbehandlung mit Staatsbürgern vorsieht. Die Einschränkung hat daher in Fällen, wo sie zu einer Ungleichbehandlung mit Staatsbürgern führen würde - wie im konkreten Fall - unangewendet zu bleiben.

Letztlich erscheint es auch unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander wenig sachlich, die Bw. - nur weil sie über ein Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigte verfügt - anders zu behandeln als beispielsweise eine Konventionsflüchtling, der eine Anspruch auf Familienbeihilfe hat, selbst wenn er Leistungen aus der Grundversorgung/Mindestsicherung bezieht und nicht unselbständig oder selbständig erwerbstätig ist...

Es erscheint unsachlich und unverhältnismäßig, subsidiär Schutzberechtigte gegenüber Konventionsflüchtlingen im Bereich von Familienleistungen zu diskriminieren, da die Unterscheidung objektiv nicht zu rechtfertigen ist...

Hilfsweise wird angeregt, der Unabhängige Finanzsenat möge dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen:

Stellt die Familienbeihilfe nach dem österreichischen Familienlastenausgleichsgesetz 1967 eine Kernleistung der Sozialhilfe iSd Artikel 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG dar?

Steht Artikel 28 der Richtlinie 2004/83/EG einer nationalen Regelung (§ 3 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) entgegen, wonach subsidiär Schutzberechtigte nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind, während diese Anspruchsvoraussetzungen für österreichische Staatsbürger nicht gelten?"

Der in Kopie vorgelegte Bescheid des Unabhängigen Asylsenates vom enthält folgenden Spruchteil:

"I. Die Berufung der A aa vom gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes vom , Zahl: ddd, wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

II. Der Berufung der A aa vom gegen Spruchpunkt II des Bescheides vom Zahl ddd , wird stattgegeben. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von A aa nach Russland nicht zulässig ist.

III. Gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG wird A aa eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bis zum erteilt."

In dem zudem vorgelegten Beschluss (Kopie) des heißt es wie folgt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge 1. Der A aa ...und 2. des M a ...den gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom ...erhobenen... Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst: Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen mit der Wirkung stattgegeben, dass den Antragstellern wieder die Rechtsstellung als Asylwerber zu kommt, wobei damit im Besonderen jede Zurück- oder Abschiebung der Antragsteller aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist."

Dem in der Folge vom Finanzamt angeforderten Versicherungsdatenauszug vom ist zudem zu entnehmen, dass die Bw. im Zeitraum vom bis laufend als Arbeiterin beim Amt beschäftigt war/ist.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung unter Verweis auf die Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 mit der Begründung abgewiesen, dass die Bw. über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten verfüge und damit nicht den Asylwerbern gleichgestellt sei. Sie sei außerdem im Berufungszeitraum (8/2006-12/2007, 5/2008-11/2008 und ab 12/2009) nicht beschäftigt gewesen und habe Leistungen aus der Grundversorgung bezogen.

Am wurde dem Finanzamt erneut ein Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für Sohn M überreicht, dem unter anderem die Kopie des mit datierten und mit der Bw. als Dienstnehmerin und dem Amt als Arbeitgeber mit Eintrittsdatum geschlossenen Dienstvertrages angeschlossen war.

Mit Schreiben vom stellte die Bw. außerdem einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und begründete dies im Wesentlichen damit:

"...Die Erstbehörde verkennt zunächst, dass der Bw. nicht nach dem AsylG 2005 subsidiär Schutz zuerkannt wurde. Die Bw. stellte im Oktober 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Letztlich wurde ihr im zweiten Halbjahr 2007 subsidiär Schutz zuerkannt. Das bedeutet, dass ihr Asylverfahren am anhängig war, weshalb gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 ihr Verfahren noch nach dem AsylG 1997 durchzuführen war. Da der Bw. und ihrem Sohn nicht nach dem AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, sondern nach dem AsylG 1997, ist § 3 Abs. 4 FLAG auf sie nicht anzuwenden... Es ist somit § 3 FLAG idF Nr. 142/2004 anzuwenden. Dies bedeutet, dass die Bw. für ihren Sohn dann Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sobald sie sich gemäß § 3 Abs. 2 FLAG seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhält. Die Bw. hat im Oktober 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl eingebracht und befindet sich seither durchgehend im Bundesgebiet...Ihr ist daher für ihren Sohn Ma spätestens ab Oktober 2007 durchgehend Familienbeihilfe zu gewähren."

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wird ausgeführt, dass die Familie den Status subsidiär Schutzberechtigter habe, die Antragstellerin jedoch nicht beschäftigt sei und Leistungen aus der Grundversorgung beziehe, weshalb die Berufung abzuweisen sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist, ob der im Oktober 2002 mit ihrem Sohn M nach Österreich eingereisten, russischen Staatsangehörigen, der nach Abweisung der Asylanträge mit Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in den Zeiträumen August 2006 bis Dezember 2007, Mai 2008 bis November 2008 und ab Dezember 2009 Familienbeihilfe für ihr Kind zustand oder nicht.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (im folgenden Text jeweils in der hier maßgebenden Fassung wiedergegeben und mit FLAG 1967 abgekürzt) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für in dieser Bestimmung festgelegte Voraussetzungen erfüllende Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 3 Abs. 1 u. 2 FLAG 1967 idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004 lautetet:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

Demgegenüber hat die durch Art. 12 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 geänderte Fassung des § 3 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967 folgenden Wortlaut:

"§ 3 (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde."

Die diesbezügliche Übergangsbestimmung des § 55 Abs. 1 FLAG 1967 besagt folgendes:

"Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."

In den Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes wird angeordnet, dass Asylverfahren, die am bereits anhängig waren, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind (§ 75 AsylG 2005).

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 168/2006 wurden mit Wirksamkeit ab dem § 3 FLAG 1967 die Absätze 4 und 5 angefügt, welche lauten:

"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden."

Zufolge § 10 Abs. 2 und 3 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt, wobei die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt wird.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beurteilen. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beantworten sein.

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderungen erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (siehe dazu ).

Der Zeitraum über den im Berufungsverfahren abzusprechen ist, endet sohin jedenfalls mit August 2011 (Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides am ).

Im vorliegenden Fall zieht das Finanzamt die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FLAG 1967 nicht in Zweifel, erachtet jedoch die für die Gewährung der Familienbeihilfe für Nichtösterreicher zusätzlich in § 3 FLAG 1967 festgelegten Bedingungen als nicht gegeben. Strittig ist daher ausschließlich, ob dem Anspruch der Bw. die Bestimmung des § 3 FLAG 1967 entgegensteht.

I) August 2006 bis November 2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom , 2007/15/0170, folgende Feststellung getroffen:" § 55 FLAG verknüpft das Inkrafttreten des § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes 2005. § 55 FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaktes 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 Asylgesetz 2005 das Asylverfahren noch nach dem AsylG 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis, kommt daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch das BGBl. I Nr. 168/2006, mit Wirkung ab vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung.

Dies trifft im Berufungsfall hinsichtlich des unter diesem Punkt zu beurteilenden Zeitraumes zu. Schließlich wird anhand des vorliegenden Akteninhaltes dokumentiert, dass die Bw. für sich und ihren Sohn M am Asylanträge gestellt hat, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom abgewiesen worden sind. Die dagegen eingebrachten Berufungen wurden vom unabhängigen Bundesasylsenat erst am abgewiesen. Im gegenständlichen Fall steht somit fest, dass beide Asylverfahren bereits vor dem eingeleitet und erst nach diesem Zeitpunkt noch nach den Bestimmungen des AsylG 1997 abgeführt und abgeschlossen wurden.

Damit ist aber im Berufungsfall betreffend den Zeitraum bis einschließlich November 2007 noch § 3 FLAG 1967 in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden, da die Asylanträge vor dem gestellt wurden und die diesbezüglichen Asylverfahren zufolge den Berufungen gegen die Bescheide des Bundesasylamtes auch am noch anhängig waren.

Nach den für den Anspruchszeitraum August 2006 bis November 2007 heranzuziehenden Bestimmungen des Pensionsharmonisierungsgesetzes ist neben der hier unstrittig nicht vorliegenden Asylgewährung zum einen von Bedeutung, ob die Bw. im Anspruchszeitraum bei einem Dienstgeber länger als drei Monate beschäftigt war oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen hat. Dass dem so war, behauptet die Bw. nicht und geht auch aus dem vorgelegten Aktenmaterial nicht hervor. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 FLAG 1967 idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes ist somit keinesfalls erfüllt.

Dem unwidersprochenen Vorbringen der Bw. zufolge haben sich jedoch sowohl die Bw. als auch ihr Sohn M vom Zeitpunkt der Einreise nach Österreich an gerechnet ab Oktober 2007 seit 60 Kalendermonaten ständig in Österreich aufgehalten, sodass die Bw. im Recht ist, wenn sie ihren Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2007 bis November 2007 auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 idF des BGBl. I Nr. 142/2004 stützt.

Der Berufung konnte daher für diesen Zeitraum Folge gegeben werden. Der Bw. steht demnach Familienbeihilfe für ihren Sohn M im Zeitraum Oktober 2007 bis November 2007 zu.

Hinsichtlich des Zeitraumes August 2006 bis September 2007 war die Berufung abzuweisen, da die Voraussetzungen der hier anzuwendenden Bestimmung des § 3 FLAG 1967 idF des BGBl. I Nr. 142/2004 nicht vorlagen. Für diesen Zeitraum bestand somit kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

II) Dezember 2007, Mai 2008 bis November 2008 und Dezember 2009 bis August 2011

Mit den im Akt aufliegenden und am ergangenen, letztinstanzlichen Abweisungsbescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates wurden die Asylverfahren abgeschlossen und der Bw. und ihrem Sohn der Status subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt. Entgegen dem Berufungsvorbringen lag damit im hier zu beurteilenden Zeitraum kein offenes Asylverfahren mehr vor. Wird nämlich gegen einen den Antrag auf Asyl abweisenden Bescheid des Bundesasylsenates Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und dieser aufschiebende Wirkung zuerkannt, so führt dies noch nicht dazu, ein Asylverfahren noch immer als anhängig zu werten (siehe dazu Csaszar/Lenneis/Wanke, ,Kommentar zum Familienlastenausgleichsgesetz, Stand: , Seite 194, Rz. 260 zu § 3). Mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VwGH wird zwar der Eintritt der materiellen Rechtskraft nicht jedoch die formelle Rechtskraft der Abweisungsbescheide unterbrochen.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe richtet sich somit beginnend ab Dezember 2007 nach der Bestimmung des § 3 FLAG 1967 in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 oder bereits idF BGBl. I Nr. 168/2006. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe für Nichtösterreicher - abweichend von den im Berufungsfall nicht zum Tragen kommenden Tatbestandsvoraussetzungen der Absätze 1 bis 3 (Aufenthalt nach § 8 und 9 NAG und Asylgewährung) - maßgeblich, dass der antragstellende subsidiär Schutzberechtigte im jeweiligen Monat entweder selbständig oder unselbständig erwerbstätig ist und darüber hinaus im gemeinsamen Haushalt keine Leistung aus der Grundversorgung bezogen wird.

Auf Basis des Parteienvorbringens bzw. der Versicherungsdatenauszüge steht hier außer Zweifel, dass die Bw. im Zeitraum Dezember 2007 bzw. Mai 2008 bis August 2011 keiner selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes nachgegangen ist, sodass gegenständlich bereits eine der im Gesetz kumulativ geforderten Bedingungen für das Bestehen eines Familienbeihilfenanspruches nicht vorliegt. Fehlt aber auch nur eine der im Gesetz normierten Voraussetzungen, besteht nach dessen klarem Wortlaut kein Beihilfenanspruch.

Gegenteiliges wurde auch von der Bw. selbst nicht behauptet. Schließlich hat die Bw. in keinem ihrer Vorbringen den Erhalt bzw. Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung in Abrede gestellt oder releviert, im gegenständlichen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 nachgegangen zu sein.

Soweit § 3 FLAG 1967 in der durch das Fremdenrechtspaket 2005 geänderten Fassung heranzuziehen war, bestreitet die Bw. letztlich auch nicht, dass die Behörde ihre Entscheidung entsprechend dieser gesetzlichen Regelung getroffen hat.

Sie erachtet jedoch die in § 3 Abs. 4 FLAG 1967 erfolgte Einschränkung der Beihilfengewährung an subsidiär Schutzberechtigte ausschließlich im Fall einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit und gleichzeitigem Nichterhalt von Leistungen aus der Grundversorgung im Hinblick auf die in Artikel 28 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom (Statusrichtlinie) gebotene Gleichbehandlung von Staatsbürgern als unionsrechtswidrig und bezweifelt außerdem die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der in § 3 FLAG 1967 in der gegenständlichen Fassung getroffenen Unterscheidung zwischen Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten.

Wenn sich die Bw. auf Art. 28 der Statusrichtlinie beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass der VwGH im Erkenntnis vom , 2011/16/0065, ausgesprochen hat, dass es sich bei der österreichischen Familienbeihilfe entgegen dem Berufungsvorbringen nicht um eine Kernleistung der Sozialhilfe im Sinn des Art. 28 Abs. 2 der Statusrichtlinie handelt, weshalb sich der Beschwerdeführer des diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens auch nicht auf diese berufen konnte.

Was den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 anlangt, so ist darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 1397/06, festgestellt hat, dass dem Gesetzgeber bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen ein großer Gestaltungsspielraum zukommt. Der Gesetzgeber kann den Anspruch auf Familienbeihilfe von einer qualifizierten Nahebeziehung zum Inland abhängig machen. Er kann weiters den Anspruch einer Personengruppe vorenthalten, der eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (BGBl. I Nr. 100/2005) nicht zukommt, für die aber grundsätzlich eine staatliche Versorgung im Wege der Grundversorgung vorgesehen ist.

Da somit jedenfalls im Dezember 2007, sowie im Zeitraum Mai 2008 bis November 2008 und Dezember 2009 bis August 2011 kein Sachverhalt vorgelegen ist, der aufgrund der Bestimmung des § 3 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelt, war die Gewährung der Familienbeihilfe für Sohn M im hier zu beurteilenden Zeitraum nicht möglich.

Die Berufung war daher hinsichtlich der genannten Monate abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at