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OGH 25.01.2011, 1Ob4/11m

OGH 25.01.2011, 1Ob4/11m

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus D*****, vertreten durch Dr. Stefan Denifl, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 450 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 215/10t-33, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 5 Cg 11/09m-29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte Zahlung von 450 EUR sA und die (in der Klage mit 15.000 EUR bewertete) Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den gesamten Schaden als Folge des Nichtzustandekommens eines Kreditvertrags mit der beklagten Partei, in eventu im Rahmen der culpa in contrahendo für den Vertrauensschaden. Die Nichteinhaltung der verbindlichen Kreditzusage habe ihn gezwungen, bei einem anderen Bankinstitut einen Kreditvertrag zu ungünstigeren Bedingungen abzuschließen. Im Vertrauen auf die Kreditzusage habe er überdies ähnlich günstige Gelegenheiten zum Abschluss eines Kreditvertrags versäumt. Für die gesamte Kreditlaufzeit ergäbe sich ein voraussichtlicher möglicher Schaden von 130.630 EUR oder 75.800 EUR (nur Vertrauensschaden). Die Höhe des Schadens hänge von der Kursentwicklung ab und sei damit (im Gegensatz zur höheren Bearbeitungsgebühr von 450 EUR) noch nicht exakt bestimmbar.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren und dem Eventualfeststellungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht wies sowohl die Hauptbegehren als auch das Eventualbegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Zur Bewertung verwies es auf die Unterschiede zwischen dem Finanzierungsangebot und dem letztlich abgeschlossenen Kreditvertrag.

In seiner gegen diese Entscheidung gerichteten „außerordentlichen“ Revision, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vorlegte, bemängelt der Kläger die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht als eine aufgrund des möglichen Schadens von ca 130.000 EUR offensichtliche Unterbewertung.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist aber grundsätzlich an die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht gebunden, soferne nicht die Bewertung überhaupt zu entfallen hat, das Berufungsgericht zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften verletzt (was beides nicht zutrifft und auch nicht behauptet wird) oder der dem Berufungsgericht vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum überschritten wird (RIS-Justiz RS0042450 [T8]).

Die vom Kläger gesehene offenbare Unterbewertung, die einer Bindung an den Bewertungsausspruch entgegenstünde (RIS-Justiz RS0109332), lässt sich nicht zwingend aus 30.000 EUR und den vom Kläger angegebenen möglichen Schadensbeträgen (je zuzüglich 450 EUR) ableiten. Ein eindeutig krasseres Missverhältnis zwischen der Einschätzung der Parteien und dem Wert des Entscheidungsgegenstands lag etwa den zu 6 Ob 19/03t und 5 Ob 91/08f beurteilten Fällen zu Grunde, in denen der Oberste Gerichtshof jeweils eine offenkundige Unterbewertung annahm. Im ersten Fall setzte das Berufungsgericht den Streitwert mit dem Einheitswert eines Grundstücks (4.989 S) gleich, obwohl § 60 Abs 2 JN nicht anzuwenden war und der Kläger den Verkehrswert mit 2.000.000 S beziffert hatte und die massive Differenz beider Werte offenkundig war. Im zweiten Fall wurde der Entscheidungsgegenstand eines außerstreitigen Mietrechtsverfahrens mit 10.000 EUR nicht übersteigend bewertet. Das Interesse der antragstellenden Mieterin an der Feststellung des ihr zulässigerweise vorgeschriebenen Hauptmietzins überstieg diesen Betrag aber bereits in einem einzelnen Monat. Vergleichbare Relationen liegen hier nicht vor. Außerdem handelt es sich bei den Angaben des Klägers zur Schadenshöhe nur um eine vorläufige Einschätzung eines von der Entwicklung der Zinsen über einen langen Zeitraum (Kreditlaufzeit 25 Jahre) abhängigen finanziellen Nachteils.

Nach § 502 Abs 3 ZPO idF des BudgetbegleitG 2009 ist die Revision im Streitwertbereich zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR jedenfalls unzulässig, wenn das Berufungsgericht - wie hier - die ordentliche Revision nicht für zulässig erklärt hat. In diesem Fall steht einer Partei nur der an das Berufungsgericht zu richtende, beim Erstgericht einzubringende Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision offen. Die Vorlage der „außerordentlichen“ Revision direkt an den Obersten Gerichtshof ist daher verfehlt. Der ohnehin hilfsweise gestellte Abänderungsantrag ist daher dem Berufungsgericht vorzulegen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus D*****, vertreten durch Dr. Stefan Denifl, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 450 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 215/10t-33, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 5 Cg 11/09m-29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Strittig ist, ob die beklagte Bank, die dem Kläger nach Vertragsverhandlungen den gewünschten Fremdwährungskredit letztlich nicht einräumte, aus culpa in contrahendo für einen (künftigen) Vertrauensschaden haftet. Das Berufungsgericht verneinte dies und ließ (nachträglich) die Revision wegen der Frage zu, wer einen grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen zu beweisen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen diesem Ausspruch nicht zulässig.

Die Ablehnung eines Vertragsabschlusses nach Setzen eines Vertrauenstatbestands muss dem Schutzpflichtigen zuzurechnen sein, etwa weil er den Vertragsabschluss grundlos verweigerte, obwohl er sich bewusst sein muss, dass sein bisheriges Verhalten im Anderen die sichere Erwartung des Vertragsabschlusses hervorruft, weshalb dieser entsprechende Vermögensdispositionen getätigt hat (10 Ob 10/05a = JBl 2005, 716; 7 Ob 41/10w je mwN; vgl Karner in KBB³ § 861 Rz 8 mwN). Wegen der geringeren Bindung an eine bloß faktische Vertrauenslage wird in der Judikatur ein triftiger Grund für den Nichtabschluss eines Vertrags schon dann bejaht, wenn der Vertragsabschluss nicht aus sachfremden Überlegungen gescheitert ist, sondern die neu aufgetretenen Umstände den Vertragsabschluss unzumutbar erscheinen lassen. Nur Umstände, die allein aus der Sphäre des Schutzpflichtigen stammen (von ihm geschaffen worden sind), können dabei nicht berücksichtigt werden (4 Ob 515, 516/91; RIS-Justiz RS0016389). Darüber hinaus wird anerkannt, dass die Bindung an die bloß faktische Vertrauenslage nicht stärker sein kann als jene an einen Vorvertrag, sodass der Vertragsabschluss auch bei Wegfall einer bloß bei einer Partei bestehenden Zweckvorstellung iSd § 936 ABGB sanktionslos verweigert werden kann (RIS-Justiz RS0016413).

Der Kläger wollte den „Kauf einer Wohnung“ mit einem Fremdwährungskredit finanzieren. Er erhielt im Juli 2008 ein (befristetes) Finanzierungsangebot (Fremdwährungskredit [Yen], teils als endfälliger Kredit mit Tilgungsträger). Die Finalisierung der Kreditangelegenheit verzögerte sich zunächst durch Verhandlungen des Klägers mit dem Bauträger über den Preis der Wohnung. Als Folge der Anfang Oktober 2008 einsetzenden internationalen Finanzkrise änderte sich die Situation entscheidend. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wies in ihrer Mitteilung vom alle österreichischen Kreditinstitute auf die Verpflichtung zur erhöhten Sorgfalt bei der Beurteilung des Risikos der Vergabe von Fremdwährungskrediten sowie von Krediten mit Tilgungsträgern gegenüber privaten Haushalten hin und empfahl dringend, keine weiteren Kredite „in Fremdwährungen und an private Haushalte“ zu vergeben. Geändert hatten sich auch die dem bis Ende September 2008 befristeten Finanzierungsangebot zugrunde gelegten Bedingungen für die Refinanzierung bzw Anpassung des Zinssatzes. Der Abschluss eines Kreditvertrags zu den vorgesehenen Bedingungen hätte nach der im Oktober 2008 gegebenen Situation für die beklagte Bank keinen Gewinn oder sogar einen Verlust bedeuten können. Als Reaktion auf diese Entwicklung teilte der Sachbearbeiter dem Kläger in seinen E-Mails vom Oktober mit, dass eine Fremdwährungsverschuldung zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich sei und die ursprünglich angebotene Zinsanpassung definitiv ausgeschlossen werde. Nachdem der Kläger im November 2008 auf die Einräumung eines Fremdwährungskredits bestanden hatte, erklärte die beklagte Partei, die Finanzierung „überhaupt nicht mehr machen zu wollen“, sowie aufgrund der Empfehlung der FMA derzeit „Tilgungskredite nur mehr auf Eurobasis“ anzubieten. Angesichts der vorangegangenen Feststellungen über die geänderten Bedingungen als Folge der Finanzkrise und die Erklärungen der beklagten Partei kommt der Negativfeststellung des Erstgerichts („Warum die beklagte Partei schlussendlich nicht mehr bereit war, die Finanzierung mit dem Kläger durchzuführen, kann nicht festgestellt werden.“) nicht die Bedeutung eines grundlosen Abbruchs der konkret nur über einen Fremdwährungskredit geführten Verhandlungen zu. Dass der Kläger einen Kredit auf Eurobasis akzeptiert hätte, hat er nie behauptet.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, in dieser Situation unvorhersehbar und grundlegend geänderter Rahmenbedingungen keinen grundlos verweigerten Vertragsabschluss anzunehmen, ist zumindest vertretbar. Die dem Zulassungsausspruch zugrunde liegende Frage, zu wessen Lasten die oben zitierte Negativfeststellung geht, stellt sich somit hier ebenso wenig wie jene nach den Voraussetzungen eines sicheren Vertrauenstatbestands, mit dem sich die Revision vorrangig befasst.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00004.11M.0125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAD-01467