Rechtzeitigkeit eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund eines - vermeintlichen - Neuerungstatbestandes
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der H.G., xxxx, W-Straße, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 1989 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom beantragt die Berufungswerberin (Bw.) beim Finanzamt die "Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den gem. § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 vom ". Als einzigen Wiederaufnahmegrund führte sie im besagten Antrag an, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO der KAG (im Folgenden kurz: KAG) vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und diese somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid (). Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügt habe, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom geteilt. Weiters wies die Bw. darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führe. Zunächst sei am für 1989 ein Grundlagenbescheid ergangen, in dem ihre anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt und zugewiesen worden seien. Nach einer den Zeitraum 1989 - 1991 umfassenden Betriebsprüfung (BP) habe das Finanzamt am einen neuen Grundlagenbescheid gem. § 188 BAO für die KAG hinsichtlich des Jahres 1989 mit abweichenden Feststellungen gegenüber dem Grundlagenbescheid vom erlassen. Gegen den angeführten Feststellungsbescheid vom sei Berufung erhoben worden, welche mit Entscheidung der Finanzlandesdirektion (FLD) für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom abgewiesen worden sei. Diese Berufungsentscheidung sei dann am mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bekämpft worden. Diese Beschwerde sei mit Beschluss vom zurückgewiesen worden (). Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 am einen Bescheid erlassen, mit dem es die diesbezügliche Berufung vom mangels gültigem Bescheidadressaten als unzulässig zurückgewiesen habe. Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gemäß § 295 BAO sei auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Unbestritten sei nunmehr, dass sowohl der Grundlagenbescheid vom , als auch der Bescheid vom (Berufungsentscheidung der FLD) für das Streitjahr 1989 ins Leere gegangen seien. Der abgeleitete Einkommensteuerbescheid für 1989 vom sei daher rechtswidrig erlassen worden und auch ein nachträglich rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid würde diesen Mangel nicht heilen. Daher sei der Rechtszustand vor Erlassung des gem. § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheides für 1989 herzustellen und ein Bescheid in der Fassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides (ESt.-Bescheides) für 1989 (aus dem Jahr 1991) zu erlassen. Diese Vorgangsweise sei auch dann zwingend, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein rechtswirksamer (neuer) Grundlagenbescheid vorliege, der im Ergebnis dem abgeänderten ESt.-Bescheid vom entspreche, weil ein solcher neuer Grundlagenbescheid nur zu einer Abänderung des auf Grund der Wiederaufnahme neu erlassenen Bescheides berechtige. Zur Frage der Verjährung sei auszuführen, dass allgemein abgeleitete Abgabenbescheide im Gegensatz zu Feststellungsbescheiden der Verjährung unterliegen würden und daher dem Rechtsunterworfenen ein Rechtsverlust drohe. Die beantragte Wiederaufnahme ermögliche dem Steuerpflichtigen, seine Ansprüche innerhalb der Verjährung geltend zu machen.
Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheiden vom zurück und begründete dies damit, dass die zu Grunde liegende Abgabenansprüche für 1989 absolut verjährt seien. Gem. § 304 lit b BAO sei nämlich nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gem. § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liege. Der abschließende ESt.-Bescheid für 1989 sei am ergangen, der Wiederaufnahmeantrag sei daher nicht innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft dieses Bescheides eingebracht worden, weshalb er verspätet sei und zurückgewiesen werden müsse.
Die Bw. stellte daraufhin rechtzeitig einen Vorlageantrag (Eingabe vom ) und führte darin im Wesentlichen aus: Die Begründung des Zurückweisungsbescheides, dass bereits in der Entscheidung des ) dem Grundlagenbescheid vom jeglicher Bescheidcharakter abgesprochen werde, sei unrichtig. In dem angeführten VwGH-Erkenntnis werde lediglich dem Bescheid der FLD vom der Bescheidcharakter abgesprochen, die Frage, ob bereits der erstinstanzliche Bescheid vom ein "Nichtbescheid" sei, werde vom VwGH ausdrücklich offen gelassen in dem er schreibe (Hervorhebung durch die Bw.): "In der vorliegenden Beschwerde gegen diese Erledigung wird u.a. - in Verbindung mit der Behauptung über die mangelnde Bescheidqualität schon der erstinstanzlichen Erledigung, worauf nicht eingegangen werden muss......" Bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation könne der VwGH im übrigen gar nicht über die Bescheidqualität der erstinstanzlichen Bescheide absprechen, weil diese vor dem VwGH nicht angefochten worden seien, sondern die angeführte Erledigung der FLD vom . Wenn der VwGH bereits über die Bescheidqualität des Grundlagenbescheides vom abgesprochen hätte, wäre im übrigen auch kein Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom erforderlich gewesen. Erst mit diesem Bescheid sei behördlich die Nichtigkeit des Bescheides vom festgestellt worden weshalb frühestens mit diesem Zeitpunkt der Fristenlauf für die Einbringung des Wiederaufnahmeantrages beginnen könne. Der Wiederaufnahmeantrag sei ein aus Rechtsschutzüberlegungen gebotener Rechtsbehelf, der beispielsweise dann von Bedeutung wäre, wenn das Finanzamt mit der Erlassung des abgeleiteten Bescheides säumig sei. Aus Gründen des Rechtsschutzes sei es in verfassungskonformer Interpretation geboten, dass die Frist für einen mit Neuerungen betreffend ein Feststellungsverfahren begründeten Wiederaufnahmeantrag nicht früher zu laufen beginne, als beim zuständigen Finanzamt die Verständigung über die nachträgliche Abänderung, Aufhebung oder die Feststellung der Unwirksamkeit des Grundlagenbescheides einlange, jedenfalls nicht früher, als dem Abgabepflichtigen verlässlich bekannt werde, dass das Finanzamt darauf nicht mit einer amtswegigen Erlassung eines abgeleiteten Bescheides reagiere. Fakt sei, dass der ESt.-Bescheid rechtswidrigerweise auf Grund eines Nichtbescheides geändert worden sei und diese Rechtswidrigkeit auch nicht durch einen etwaigen künftigen gleichlautenden Feststellungsbescheid saniert werden könne (Hinweis auf ); damit wären auch die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme sowie für eine Bescheidänderung gem. § 295 BAO gegeben. Seit dem Tod ihres Gatten () seien ihr auf Grund nachträglich geänderter Bescheide mehrmals große Summen an Steuernachzahlungen mit der Begründung vorgeschrieben worden, dass "Steuerschulden nie verjähren" würden. Dieses Gesetz müsse auch für den Steuerzahler gelten, wenn auf Grund eines "Nichtbescheides" irrtümlich Steuern nachgefordert würden, sodass auch die Rückzahlungsverpflichtung des Staates nicht verjähren dürfe.
Aus der Berufung der Bw. und dem Akteninhalt ergibt sich folgender Sachverhalt: Auf Grund einer Betriebsprüfung betreffend die Jahre 1989 - 1991 bei der KAG erließ das zuständige FA am einen geänderten Grundlagenbescheid für 1989, welcher mittels Berufung vom bekämpft wurde. Von diesem Grundlagenbescheid abgeleitet erließ das für die Einkommensteuererhebung der Bw. zuständige FA am einen geänderten ESt.-Bescheid für 1989, welcher unstrittig noch im Jahr 1997, ein Monat nach dessen Zustellung, in formelle Rechtskraft erwuchs. In der gegen die den Grundlagenbescheid betreffenden abweisende Berufungsentscheidung der FLD vom zu Zl 2002/13/0224 eingebrachten und mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesenen VwGH-Beschwerde vom , stellt die Bw. (sie ist in der Liste der Beschwerdeführer, die in dieser Beschwerde enthalten ist, als Nr. 800 angeführt) durch ihren ausgewiesenen Vertreter dar, dass der Feststellungsbescheid 1989 (Grundlagenbescheid) vom falsch adressiert gewesen sei. Wörtlich wird ausgeführt: "... sind die Beschwerdeführer der Ansicht, dass überhaupt keine rechtsgültigen Bescheide im Jahr 1997 auf Basis der Ergebnisse der Betriebsprüfung ergangen sind. Die Behörde hat in ihrer Ausfertigung dem Erfordernis der gesetzmäßigen Adressatenbezeichnung gem. § 93 Abs. 2 BAO nicht entsprochen. [...] Nach Ansicht der Beschwerdeführer sind daher folgende Bescheide nicht rechtsgültig ergangen: [...] Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1989, 1990 und 1991, alle datiert vom ...." Auf Grund des Zurückweisungsbeschlusses des betreffend die Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung vom , wies das für die Erlassung des Grundlagenbescheides zuständige FA6/7/15 die den Grundlagenbescheid bekämpfende Berufung vom mit Bescheid vom als unzulässig zurück, weil dem bekämpften Schriftstück mangels gültigem Bescheidadressaten kein Bescheidcharakter zukomme. In der Zwischenzeit ergingen im betreffenden Feststellungsverfahren ein weiterer, mit datierter Bescheid, in dem der Ausspruch des am erlassenen Schriftstückes wiederholt wurde, dass es sich beim Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe. Dieser neuerliche Ausspruch wurde zusätzlich mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 4 BAO versehen, der im ersten Bescheid nicht enthalten war. Aus der oben zitierten Formulierung der VwGH-Beschwerde vom ist eindeutig erkennbar, dass das FA mit seiner Entscheidung (Zurückweisung vom der Berufung gegen den Grundlagenbescheid vom ) lediglich einen Mangel bestätigte, der der Bw. bzw. ihrem Vertreter spätestens schon seit der Erhebung der VwGH-Beschwerde im Dezember 2002 gegen die FLD-Entscheidung vom bekannt und bewusst war. Die Bw. stellte vor dem streitgegenständlichen Antrag vom keinen Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich Einkommensteuer 1989.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im gegenständlichen Fall die Rechtzeitigkeit des Antrages der Bw. auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 1989. Nach Ansicht des Finanzamtes hätte dieser Antrag innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Erlassung des letzten ESt.-Bescheides für das Jahr 1989 vom eingebracht werden müssen. Laut Bw. war dies einerseits unmöglich, da die Tatsache der Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid, auf die sie ihren Wiederaufnahmeantrag stützte, innerhalb dieser Frist noch gar nicht bekannt gewesen sei. Andererseits beruft sie sich in ihrer Argumentation darauf, dass die Verjährung noch nicht eingetreten wäre und der ihrer Ansicht nach rechtwidrige ESt.-Bescheid vom daher nach einer Verfahrenswiederaufnahme zu berichtigen wäre.
Hiezu ist rechtlich Folgendes auszuführen: Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Nach § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag gemäß Abs. 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid erster Instanz erlassen hat. Die Bestimmung des § 304 BAO lautet: "Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.
1) Zum Eintritt der Verjährung : Um die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit des auf diese Maßnahme gerichteten Antrages beurteilen zu können, ist zuerst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 bereits eingetreten ist. Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht. Auf Grund dieser Bestimmungen ist bei der veranlagten Einkommensteuer für das Jahr 1989 daher die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 1999 eingetreten. Am Eintritt der absoluten Verjährung ändert auch der Umstand nichts, dass die entsprechende Frist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, ab von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, trat doch die absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 selbst nach Maßgabe einer fünfzehnjährigen absoluten Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004 ein. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 209a BAO der normiert, dass bei einer Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von einem Rechtsmittelverfahren keine Verjährung eintreten kann, ist Folgendes zu bemerken: Die Bestimmung des § 209a BAO lautet: "(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde.(3) Sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, darf in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden." Es ist unbestritten, dass das Grundlagenverfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte Auswirkungen auf das Einkommensteuerverfahren 1989 haben kann. Trotzdem führt das nicht dazu, dass die Einkommensteuer 1989 nicht der Verjährung unterliegen würde, nur weil in Bezug auf die Feststellung der Einkünfte Verfahren offen sind. Fest steht, dass die absolute Verjährungsfrist weder verlängerbar noch hemmbar ist (siehe Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 3. Aufl., Wien 2005, Tz 36 zu § 209) und die Frage der Verjährung nur im Hinblick auf die Abgabenfestsetzung (im gegenständlichen Fall der Einkommensteuer) zu beurteilen ist. Da es sich bei der Feststellung von Einkünften um keine Abgabenfestsetzung handelt, können Feststellungsbescheide ohnehin ohne Bedachtnahme auf die Verjährungsfristen erlassen werden (siehe Ritz, a.a.O., Tz 8 zu § 207). Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 209a BAO ergibt sich aber eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht in die Verjährungs- oder Wiederaufnahmebestimmungen eingreifen wollte. Er wollte vielmehr nur erlauben, dass eine Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen trotz Eintrittes der Verjährung erfolgen kann (arg.: "..., so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen,..."). Dazu zählt etwa der Fall, dass zum Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO eine Berufung oder ein entsprechender Antrag anhängig ist, woraus sich die mittelbare Abhängigkeit des Einkommensteuerverfahrens ergibt. Im Falle der späteren Entscheidung über diese Anbringen kann die Einkommensteuerfestsetzung trotz Eintritts der Verjährung bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen etwa gemäß § 295 angepasst werden (vgl. Ritz, a.a.O., Tz 6ff zu § 209a; Ellinger ua., BAO, 3. Aufl., Anm. 10 zu § 209a). Aus der Bestimmung des § 209a BAO ergibt sich aber nicht, dass der Eintritt der Verjährung dadurch hinausgeschoben würde. Für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag kann § 209a Abs. 2 BAO daher insofern nicht zur Anwendung kommen, als dieser eben nicht vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung trotz Eintrittes der Verjährung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages zulässig ist. Die in dem von der Bw. zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegenstehe, wird vom Unabhängigen Finanzsenat nicht geteilt und ist für diesen auch nicht bindend. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Unabhängigen Finanzsenat (UFSG) sind die Mitglieder des Unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben an keine Weisungen gebunden. Aus diesem Grunde hatte die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen, die nach ho. Ansicht nur die eben dargestellte Auslegung zulassen. Da somit im gegenständlichen Fall auf Grund obiger Erwägungen die Verjährung jedenfalls bereits eingetreten ist, war in weiterer Folge zu prüfen, ob eine der in § 304 lit. a und b BAO für die Bewilligung der Wiederaufnahme (=Wiederaufnahme auf Antrag) festgelegten Ausnahmen von der grundsätzlich maßgebenden Befristung durch die Verjährung vorlag.
2) Zur Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit. a BAO : Die Siebenjahresfrist des § 304 lit. a BAO ist unterbrechbar (bzw. ab 2005 verlängerbar) und hemmbar. Die absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs. 3 BAO) begrenzt aber auch die Frist des § 304 lit. a BAO (vgl. Ritz, a.a.O., Tz 5 zu § 304 unter Hinweis auf Ellinger ua., a.a.O., § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2). Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag vom wurde ohne Zweifel nicht vor Eintritt der absoluten Verjährung, welche mit eingetreten ist, eingebracht. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund der Bestimmung des § 304 lit. a BAO war daher nicht zulässig.
3) Zur Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit. b BAO : Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, S. 120; Ellinger ua., a.a.O., Anm. 5 zu § 304). Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmeantrages bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der sogenannten absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO gestellte Wiederaufnahmeanträge). Im gegenständlichen Fall wurde niemals bestritten, dass die formelle Rechtskraft des zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheides für 1989 vom bereits im Jahr 1997 eingetreten ist. Daraus ergibt sich aber, dass der nunmehr am eingebrachte Wiederaufnahmeantrag nicht innerhalb der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO eingebracht wurde. Die Bestimmung des § 304 lit. b BAO konnte daher ebenfalls nicht als taugliche Rechtsgrundlage für eine Wiederaufnahme herangezogen werden. Insgesamt musste der Unabhängige Finanzsenat unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 304 BAO, wonach eine Wiederaufnahme nach Eintritt der Verjährung nur bei Vorliegen eines Antrages gemäß lit. a oder lit. b der zitierten Norm möglich ist, zu dem Ergebnis kommen, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989 im gegenständlichen Fall ausgeschlossen war. Der außerhalb der Fristen des § 304 lit. a und lit. b BAO gestellte Antrag der Bw. auf Wiederaufnahme des Verfahrens war somit unzulässig. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Finanzamt diesen als unzulässig zurückwies, erging daher zu Recht.
Angemerkt sei dazu noch, dass - abgesehen davon, dass, wie soeben dargestellt, nach ho. Ansicht die Gesetzeslage dies nicht erlaubt - auch die Ansicht der Bw., der streitgegenständliche Antrag wäre deshalb rechtzeitig, innerhalb einer Frist von fünf Jahren, eingebracht worden, weil die neu hervorgekommene Tatsache, nämlich die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid, erst 2008 bekannt geworden sei, dem Berufungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen hätte können: Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt nämlich weder eine neue Tatsache ( mwN) noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (vgl. ). Im Rahmen des Neuerungstatbestandes ist daher - nicht wie von der.Bw. ins Treffen geführt - die am ergangene Entscheidung des zuständigen Finanzamtes (Zurückweisungsbescheid) über die Berufung gegen den Grundlagenbescheid aus 1997 betreffend die KAG zu beurteilen, sondern vielmehr die Tatsachen und Beweismittel, die zu dieser Entscheidung geführt haben (vgl. und vom , RV/1247-L/08). Die Tatsache sowie die Gründe der unrichtigen Adressierung des Feststellungsbescheides vom wurden (u.a.) von der Bw. in der VwGH-Beschwerde vom vorgebracht, bei der sie selbst als Beschwerdeführer (Nr. 800) eingeschritten ist. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren ihr bzw. ihrer steuerlichen Vertretung damit spätestens ab diesem Tag bekannt. Im Abgabenverfahren hat sich der Steuerpflichtige auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (vgl. ). Wenn die Bw. also den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens erst am gestellt hat, so war dies mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe und damit ganz klar außerhalb der Drei-Monate-Frist gemäß § 303 Abs. 2 BAO.
4) Zum Argument, dass allenfalls eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO bzw. eine Bescheidänderung gem. § 295 BAO geboten wäre: Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist allein die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides vom betreffend den Antrag auf Verfahrenswiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer für 1989. Auf die Möglichkeit und Zulässigkeit einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens oder einer Bescheidänderung gem. § 295 BAO ist daher in diesem Verfahren nicht näher einzugehen. Angemerkt sei dazu nur, dass - sofern ein Wiederaufnahmetatbestand überhaupt geben ist (was nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht zutrifft) - auch eine amtwegige Wiederaufnahme nicht möglich wäre, weil auch diese nach Eintritt der Verjährung nicht mehr zulässig ist (vgl. Ritz, a.a.O., Rz 4 zu § 304). Dasselbe gilt auch für eine allfällige Bescheidänderung nach § 295 BAO, weil auch diese Maßnahme grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig ist (siehe Ritz, a.a.O., Rz 11 zu § 295) und abgesehen davon die Grundvoraussetzung für eine Bescheidänderung nach dieser gesetzlichen Bestimmung, nämlich die nachträgliche Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Grundlagenbescheides ebenfalls nicht erfüllt ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war die gegenständliche Berufung daher als unbegründet abzuweisen
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens absolute Verjährung Fristen für Wiederaufnahmeantrag Nichtbescheid Feststellungsverfahren Grundlagenbescheid Bescheidänderung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at