Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 11.08.2005, RV/0068-I/02

Familienbeihilfe für Enkelkind in Bosnien

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch RA, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Reutte vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum September 1992 bis September 1996 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Berufungsfall ist strittig, ob dem Berufungswerber (Bw.) für sein in Bosnien lebendes Enkelkind N.N. für den Zeitraum 9/1992 bis 9/1996 die Familienbeihilfe gebührt. Das Finanzamt hat diese Frage mit Bescheid vom verneint und die Antragsabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass keinesfalls "behauptet" werden könne, dass der Bw. "den Nachweis der überwiegenden Kostentragung für den Unterhalt des Enkelkindes erbracht " habe.

Gegen den angeführten Bescheid erhob der Bw. form- und fristgerecht Berufung. In der Berufungsschrift, die in den Antrag auf antragsgemäße Nachzahlung der Familienbeihilfe mündet, bringt der Bw. als Begründung vor:

"Die Erstbehörde hält offensichtlich trotz der vorgelegten öffentlichen Urkunden die überwiegende bzw. urkundlich bescheinigt sogar die alleinige Kostentragung des Bw. für sein in Bosnien lebendes mj. Enkelkind im Antragszeitraum für nicht glaubhaft bzw. nicht nachgewiesen. Gemäß § 168 BAO ist die Beweiskraft von öffentlichen und Privaturkunden von der Abgabenbehörde nach den Vorschriften der §§ 292ff ZPO zu beurteilen. Gemäß § 292 ZPO begründen öffentliche Urkunden "vollen Beweis" dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird. Wie, d.h. auf welchem Weg die Unterhaltsleistungen an das mj. Enkelkind gelangt sind, ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht von Bedeutung. Dies kann durch persönliche Übergabe, durch Übermittlung durch dritte Personen, und zwar, und dies übersieht offenbar die Erstbehörde, dem Unterhaltsleistenden namentlich und adressenmäßig bekannte oder aber auch dem Unterhaltsleistenden namentlich und adressenmäßig im einzelnen nicht bekannte dritte Personen (z.B.: unterschiedliche zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina verkehrende Buschauffeure, welche gemäß Erfahrung des ausgewiesenen Rechtsvertreters während der Kriegsereignisse in Bosnien-Herzegowina sehr häufig zugunsten von in Österreich arbeitenden Gastarbeitern aus Bosnien-Herzegowina gleichsam "Kurier- bzw. Geldüberbringerdienste" anlässlich ihrer regelmäßigen Fahrten zwischen Österreich und Bosnien Herzegowina (mit)besorgt haben), durch Bank- oder Postüberweisungen, was während des Krieges in Bosnien-Herzegowina erfahrungsgemäß kaum und wenn, nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und ohne Garantie seitens des überweisenden Geldinstitutes, funktionierte bzw. möglich war, ja selbst durch Assignation (Anweisung) im Sinne des § 1400 f ABGB, was gemäß Erfahrung des ausgewiesenen Rechtsvertreters ebenfalls vorgekommen ist (d.h. z.B. der in Österreich arbeitende Großvater weist (z.B.: telephonisch) einen in Slowenien oder Kroatien lebenden Verwandten (Bruder, Cousin, etc.), welcher über Geld verfügt an, seinem mj. Enkelkind auf seine Kosten d.h. auf Kosten des Assignanten, gegen spätere Rückgabe der Geldbeträge an den Assignaten die entsprechenden Unterhaltsleistungen zukommen zu lassen), erfolgen. Rechtlich entscheidend hingegen ist, ob die Unterhaltsleistungen für das mj. Enkelkind diesem auch tatsächlich zugekommen sind und das mj. Enkelkind mit diesen zumindest überwiegend erhalten worden ist. Dass dem im antragsgegenständlichen Zeitraum so war, geht jedoch mehrfach aus den vorgelegten öffentlichen Urkunden hervor. Dass die selbst beschäftigungs- und einkommenslosen Kindeseltern vom Bw. für den Unterhalt ihres Kindes regelmäßig tatsächlich die genannten Unterhaltsleistungen erhalten haben und dass die vom Großvater erhaltenen Unterhaltsbeträge den Gesamtlebenskosten dieses (Enkel)Kindes entsprochen haben plausibel, zumal es ansonsten niemanden anderen gab, der das mj. (Enkel)Kind erhalten hätte können bzw. Unterhaltsleistungen zugunsten des mj. (Enkel)Kindes erbracht hat, geht nochmals'' aus der ergänzend mit der Berufung vorgelegten beglaubigten (Empfangs)Erklärung der Kindeseltern vom samt beglaubigter Übersetzung hervor."

Weiters weist der Bw. in seiner Berufung darauf hin, dass von anderen Finanzämtern in zahlreichen vergleichbaren Fällen die Familienbeihilfe antragsgemäß gewährt worden sei.

Am richtete die (bis als Rechtsmittelbehörde zuständig gewesene) Finanzlandesdirektion für Tirol an den Bw. ein Auskunftsersuchen, welches vom Bw. mit Eingabe vom wie folgt beantwortet wurde:

"1. Der Grund warum die Familienstandsbescheinigung im nachhinein im Jahr 1997 ausgestellt wurde, ist einfach der, dass der Bw. erst später von seinen bosnischen Kollegen erfuhr, dass diese bereits ab 1995 in Wien und Niederösterreich für ihre Enkelkinder in Bosnien die Familienbeihilfe bekamen. Da im Familienlastenausgleichsgesetz zu § 10 Abs. 3 bestimmt wird, dass die Familienbeihilfe für 5 Jahre zurück gewährt werden kann, wurde diese gesetzliche Bestimmung in Anspruch genommen. Eigentlich ist doch eine Bescheinigung die einen vergangenen Sachverhalt bestätigt, von größerem Wert, als wenn ein zukünftiger Sachverhalt bestätigt wird. Richtig ist, dass vorliegendenfalls die Familienbeihilfe zufolge überwiegender bzw. ausschließlicher Kostentragung der Lebenshaltungskosten begehrt wird. Verlautbarungen oder Aufstellungen über durchschnittliche Lebenshaltungskosten zumindest im Zeitraum zwischen 1992 und 1996 sohin während des blutigen Bürgerkrieges wurden in Bosnien und Herzegowina natürlich nicht geführt. Offenbar wird verkannt, dass die in Tirol schon recht lange währenden Friedenszustände nicht mit den Zuständen im blutigen und brutalen Bürgerkrieg in Bosnien verglichen werden können. Aus dem bereits vorgelegten Urkunden ist ersichtlich, dass die gesamten Lebenshaltungskosten für das in Rede stehende Enkelkind durch die Unterhaltsleistungen des Bw. befriedigt wurden, zumal durch Zeitungsberichte usw. allseits bekannt ist, dass in Bosnien und Herzegowina die Lebenshaltungskosten ganz bedeutend im Vergleich zu Österreich geringer sind. 2. Was die monatlichen Unterhaltsleistungen des Bw. betrifft, ergibt sich auch aus den bereits vorgelegten Unterlagen, dass diese zwischen monatlich 1.000,- bis 2.000 S variierten. Was den Geldfluss in die damaligen Kriegsgebiete zwischen 1992 und 1996 anlangt, erlaube ich mir zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf den ausführlichen Schriftsatz vom sowie die umfassende Berufung vom zu verweisen. Alte Reisepässe sind zufolge der obwaltenden Kriegshandlungen verbrannt oder gerieten in Verlust. Die bezughabenden humanitären Organisationen, sowie die Buschauffeure und die damals in Laibach oder Agram gebildeten Vereine, die mithalfen die notwendigen Gelder nach Bosnien und Herzegowina zu transferieren, sind natürlich jetzt nach 7 Jahren keineswegs mehr greifbar, weder per Name noch per Adresse. Schließlich soll in diesem Zusammenhang noch darauf verwiesen werden, dass der Bw. keinerlei buchhalterische Kenntnisse besitzt, da er doch ein ganz einfacher Hilfsarbeiter ist. Ihre diesbezüglichen Ersuchen hinsichtlich von eindeutigen Aufstellungen usw. erscheinen nicht im Einklang mit den Erfahrungen des praktischen Lebens, zumal es sich hier um recht einfach strukturierte Personen handelt. 3. Hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bw. wird nochmals eine Lohnbestätigung der dienstgeberischen Firma X vom vorgelegt, wonach der Genannte ein netto Einkommen von S 14.843,- monatlich hatte, d.h. einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld fast S 18.000,- netto monatlich. Bei Betrachtung der praktischen Lebenserfahrung ergibt sich wohl die einzig mögliche Schlussfolgerung, dass der Bw. sehr wohl im Stande war für sein Enkelkind mit einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000,- bis 2.000,- zur Gänze aufzukommen. 4. Ob und welche Personen der Bw. sonst finanziell unterstützte, ist nicht bekannt; verwiesen wird jedoch darauf, dass dies nicht von Relevanz ist, da es sich vorliegendenfalls nur darum handelt, ob der Bw. tatsächlich Unterhaltsleistungen für sein Enkelkind erbrachte."

Über die Berufung wurde erwogen:

Anspruch auf Familienbeihilfe hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person aus dem Titel der Haushaltszugehörigkeit anspruchsberechtigt ist. Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nach lit. c leg. cit. dann nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt. Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, gemäß § 2 Abs. 6 FLAG 1967 von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind entspricht. Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, u.a. dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen. Gemäß § 5 Abs. 4 FLAG 1967 besteht kein Anspruch für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, es sei denn, dass Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt ist. Zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens besteht kein Streit über das Vorliegen eines Staatsvertrages im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG 1967. Sie gehen von der Weiteranwendung des schließlich vom Bundespräsidenten im Namen der Republik Österreich zum gekündigten Abkommens (mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit) zwischen der Republik Österreich und der Republik Bosnien-Herzegowina aus (Kundmachung der Genehmigung der Kündigung durch den Nationalrat: BGBl. Nr. 347/1996). Auch das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe steht außer Streit. Strittig ist lediglich, ob der Bw. die Unterhaltskosten für sein mj. Enkelkind im Streitzeitraum überwiegend getragen hat. Vorauszuschicken ist, dass bei der Prüfung dieser Frage auf die tatsächlichen Unterhaltskosten im Streitzeitraum in Bosnien (und nicht etwa auf österreichische Verhältnisse) abzustellen ist (, bzw. v. , 93/15/0208).

Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens wurden vom Bw. folgende Beweismittel vorgelegt: 1. gemeindeamtliche Unterhaltsbescheinigung (Bl. 3 d.A.) 2. gemeindeamtliche Familienstandsbescheinigung (Bl. 7 d.A.) 3. div. Personenstandsurkunden (Bl. 8 - 20 d.A.) 4. eidesstattliche Erklärung der Kindeseltern betr. Unterhaltsempfang (Bl. 49 d.A.) 5. Einkommensnachweis des Bw. (Bl. 77 d.A.) 6. div. Zeitungsausschnitte betr. Verhältnisse in Bosnien (Bl. 79 ff. .A.)

Zu bemerken ist, dass die unter 1. angeführte Bestätigung eine mtl. Unterhaltszahlung von ATS 1.500.- bis 2.000.- bescheinigt, während hingegen in den unter 2. und 4. angeführten Bestätigungen eine mtl. Zahlung von nur ATS 1.000.- angeführt ist. Auch unter Bedachtnahme auf diesen Widerspruch kann nach Auffassung des gefertigten Referenten dennoch als erwiesen angenommen werden, dass der Bw. im Streitzeitraum jedenfalls mtl. ATS 1.000.- als Unterhalt an sein Enkelkind geleistet und dadurch die Kosten des Unterhaltes zumindest überwiegend getragen hat. Für die Annahme der überwiegenden Kostentragung spricht der Umstand, dass es sich beim Enkel des Bw. im Streitzeitraum um ein Kleinkind gehandelt hat (geb. am ) und dass im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in Bosnien auch nur von niedrigen Unterhaltskosten ausgegangen werden kann. Bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles ist weiters zu berücksichtigen , dass die Beweisführung im Hinblick auf die besondere Lage in Bosnien erschwert ist und dass der relevante Sachverhalt schon sehr lange zurückliegt. Die Berufungsbehörde nimmt daher als erwiesen an, dass der Bw. die Kosten des Unterhaltes seines Enkelkindes im Streitzeitraum zumindest überwiegend getragen hat. Die streitige Familienbeihilfe ist daher für den Zeitraum 9/92 bis 9/96 zu gewähren.

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

Innsbruck, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfe
Enkelkind in Bosnien
überwiegende Kostentragung

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