Rückzahlungsantrag nach Schuldenregulierungsverfahren für Abgaben, die vor Insolvenz entstanden sind
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/3758-W/08-RS1 | wie RV/0534-S/02-RS1 Für eine durch das Finanzamt durchgeführte Aufrechnung im Zuge eines Konkursverfahrens kommt es darauf an, wann die Abgabenschuld entstanden ist. Entsteht der Abgabenanspruch vor Eröffnung des Konkursverfahrens stehen die §§ 19 und 20 Konkursordnung einer Aufrechnung mit vorher bestehenden Guthaben nicht entgegen. Es ist daher zulässig die Rückzahlung auf den von der Aufrechnung nicht umfassten Betrag einzuschränken. |
RV/3758-W/08-RS2 | wie RV/0618-K/07-RS1 Die Tilgung einer Forderung tritt mit Zugang einer Aufrechnungserklärung rückwirkend in dem Zeitpunkt ein, in dem die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüber gestanden sind. Daher können vor Insolvenzeröffnung entstandene Abgabenforderungen und Abgabengutschriften selbst dann in voller Höhe aufgerechnet werden, wenn das Verfahren mittels Entschuldung endete und die entsprechenden Quoten entrichtet wurden. |
RV/3758-W/08-RS3 | wie RV/0279-W/06-RS1 Wurde das Schuldenregulierungsverfahren nach der rechtskräftigen Einleitung des Abschöpfungsverfahrens aufgehoben, so ist die auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung eines später entstandenen Einkommensteuerguthabens mit einer Konkursforderung zulässig, weil die Aufrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 1 erster Satz KO nur während der Dauer des Konkursverfahrens gilt. Einer solchen Aufrechnung steht auch nicht § 206 Abs. 3 KO entgegen, weil sich diese (die Aufrechnung im Schuldenregulierungsverfahren einschränkende) Bestimmung nicht auf Abgabenrückerstattungsansprüche, sondern auf die von der Abtretungserklärung gemäß § 199 Abs. 2 KO erfassten Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion bezieht. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A.B., Wien, vertreten durch Zmuck & Kislinger Steuerberatung OEG, 8010 Graz, Plüddemanngasse 67b, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom über die teilweise Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung (§ 239 BAO) entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte A.B. (in weitere Folge: Bw.) bzw. sein steuerlicher Vertreter elektronisch die Rückzahlung eines Betrages von € 2.068,74.
Mit Bescheid des damals zuständigen Finanzamtes Graz-Stadt vom wurde das Ansuchen um Rückzahlung teilweise abgewiesen, da das Guthaben aus der Veranlagung der Einkommensteuer 2003 den Zeitraum vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens betreffe und daher mit den Konkursforderungen aufzurechnen sei.
In der dagegen beim Finanzamt Graz-Stadt eingebrachten Berufung vom führte der Bw. aus, dass am beim Bezirksgericht über ihn unter der Aktenzahl 1/03 ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei. Die zu diesem Zeitpunkt offene Steuerschuld stamme aus der langjährigen Unternehmertätigkeit des Bw. Das nunmehr entstandene Steuerguthaben habe mit dieser Steuerschuld nichts zu tun, sondern stamme aus zu viel einbehaltener Lohnsteuer, die für den Steuerpflichtigen bei einer richtigen Besteuerung durch das abzuführende, den Steuerpflichtigen anstellende Unternehmen nicht abzuführender Gehalt gewesen wäre. Das fragliche Steuerguthaben stelle Gehalt des Antragstellers dar, das jedenfalls zur Vorbereitung und auch Erfüllung seines Zahlungsplanes zur Verfügung gestanden wäre.
Am sei der Zahlungsplan mit einer Quote von 6 % angenommen worden. Wäre das Steuerguthaben in dieser Zeit am Konto des Bw. gebucht worden, wäre der Masseverwalter zur Verhinderung der Gläubigerbegünstigung verpflichtet gewesen, eine Gegenverrechnung mit einer bestehenden Steuerschuld zu verhindern. Nach Annahme des Zahlungsplanes sei das Finanzamt jedenfalls nicht berechtigt, diese Beträge zurückzubehalten, da sie jedenfalls zur Erfüllung des Zahlungsplanes aller Gläubiger dem Schuldner zur Verfügung stehen müssen und auszuzahlen seien, da sie auch in keinerlei ursächlichem Zusammenhang mit der in der Konkursforderung des Finanzamtes Graz-Stadt angemeldeten Steuerschuld stehen, sondern vielmehr Gehaltszahlungen darstellen, die vom Arbeitgeber des Steuerschuldners zu viel abgeführt worden seien bzw. im Steuerausgleich dem Bw. jedenfalls persönlich zustehen. Außerdem sei nicht der Steuerzeitraum zu beachten, sondern die Auszahlung bzw. der Zeitpunkt der Gutschrift nach Annahme des Zahlungsplanes, womit jede Gegenrechnung mit Forderungen aus dem Konkursverfahren nicht rechtens sei.
Es werde daher beantragt, das dem Bw. zustehende Steuerguthaben aus 2003 in voller Höhe auszuzahlen.
Am wurde der Akt an das Finanzamt Wien 2/20, das ab die Bezeichnung Finanzamt Wien 2/20/21/22 erhalten hat, abgetreten.
Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde die Berufung mit der Begründung als unbegründet abgewiesen, dass das Guthaben aus der Veranlagung der Einkommensteuer 2003 den Zeitraum vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens betreffe und daher mit den Konkursforderungen aufzurechnen sei. Eine Trennung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und nichtselbständiger Arbeit sei nicht vorgesehen, maßgeblich sei lediglich, ob die Abgaben den Zeitraum vor oder nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens betreffen.
In dem dagegen innerhalb offener Frist eingebrachten Vorlageantrag vom wird darauf hingewiesen, dass das laut Steuerbescheid 2003 ergebende Abgabenguthaben von insgesamt € 2.892,56 zu Unrecht einbehalten und nicht ausgezahlt werde.
Nach Wiederholung des in der Berufung dargestellten Vorbringens ergänzte der Bw., dass mit Beschluss vom der am angenommene Zahlungsplan bestätigt worden sei. Die Quote habe 6 % betragen, davon zahlbar 2,5 % in Form einer Barquote, auszuschütten durch den Masseverwalter binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Konkursaufhebung; die restlichen 3,5 % zahlbar in 7 Halbjahresraten zu je 0,5 % beginnend mit .
Die Finanzprokuratur sei in diesem Verfahren Gläubiger auf Grund von Steuerforderungen gewesen, die noch vor 2003 in den Jahren der Selbständigkeit des Bw. als Einzelunternehmer entstanden waren. Mit der Forderung von gesamt € 46.519,92 habe die ausgezahlte Quote insgesamt € 2.926,44 betragen, die mit mit einer Superquote von Einkommensteuer aus dem unselbständigen Einkommen des Schuldners im Jahre 2003, nach dem Auflaufen der im Schuldenregulierungsverfahren angemeldeten Beträge. Bei richtiger laufender Bemessung der Lohnsteuer samt Absetzbeträgen, Werbungspausschale etc. wären dem Bw. diese Beträge jedenfalls zur Verfügung gestanden, um einerseits seinen Lebensunterhalt samt Alimentspflichten für seine drei Kindern sowie sein Schuldenregulierungsverfahren zu bedienen.
Es folge daher der Antrag, den vollen Guthabensbetrag auszuzahlen und den Bescheid vom in diesem Punkt zu revidieren.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
Nach § 239 Abs. 2 BAO kann die Abgabenbehörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird
§ 215 Abs. 1 BAO: Ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
§ 215 Abs. 2 BAO: Das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde verbleibende Guthaben ist zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist
§ 215 Abs. 3 BAO: Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
§ 215 Abs. 4 BAO: Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Zunächst ist zur Höhe des beantragtes Rückzahlungsbetrages festzuhalten, dass nach Veranlagung der Einkommensteuer 2003 am ein Saldo von € - 3.002,34 am Abgabenkonto des Bw. aufscheint. Am wurde die vom Bw. eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum 12/05 mit einer Lastschrift vom € 933,60 gebucht, die vom vorhandenen Guthaben abgezogen wurde, sodass zum Zeitpunkt der beantragten Rückzahlung ein Betrag von € - 2.068,74 am Abgabenkonto als Guthaben ausgewiesen war. Im Fall eines Rückzahlungsantrages ist grundsätzlich nur über jenen Betrag abzusprechen, der im Zeitpunkt der Antragstellung auf dem Abgabenkonto aufscheint (). Somit war - auch wenn der Bw. im Vorlageantrag einen Betrag von € 2.892,56 zum Gegenstand des Verfahrens machen will - nur über das tatsächliche Guthaben von € 2.068,74 abzusprechen.
Der Hinweis, das entstandene Steuerguthaben stamme aus zu viel einbehaltener Lohnsteuer, die für den Steuerpflichtigen bei einer richtigen Besteuerung durch das abzuführende, den Steuerpflichtigen anstellende Unternehmen nicht abzuführender Gehalt gewesen wäre, kann der Berufung nicht zum Durchbruch verhelfen, da allein die Frage ausschlaggebend ist, ob und in welcher Höhe ein am Abgabenkonto aufscheinendes Guthaben allenfalls zurückgezahlt werden kann. Aus welchen Bescheiden das Guthaben resultiert, ist für die Frage einer Rückzahlung irrelevant.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes () tritt die Tilgung einer Forderung mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend in dem Zeitpunkt ein, in dem die Forderungen einander erstmals aufrechenbar gegenüber gestanden sind. Daher können vor Insolvenzeröffnung entstandene Abgabenforderungen und Abgabengutschriften selbst dann in voller Höhe aufgerechnet werden, wenn das Verfahren mittels Zwangsausgleichs, Ausgleichs oder Entschuldung im Privatkonkurs endete und die entsprechenden Quoten bereits entrichtet wurden ().
Die Aufrechnungslage ist rückwirkend bereits vor der Insolvenzeröffnung eingetreten. Die Verrechnung von Abgabenansprüchen für Zeiträume vor der Konkurseröffnung ist ohne insolvenzrechtliche Einschränkung zulässig ().
Daraus folgt, dass im vorliegenden Sachverhalt konkursrechtliche Vorschriften der Aufrechnung der Abgabengutschrift (Last- oder Gutschrift am Abgabenkonto) aus dem Jahr 2006 aus der Einkommensteuerveranlagung 2003 mit fälligen Abgabenansprüchen der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens nicht entgegenstehen.
Gemäß § 20 Abs. 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Gegenforderung zwar vor der Konkurseröffnung erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbes von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste.
Strittig ist nach den Ausführungen in der Berufung, ob die aus der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2003 resultierenden Gutschriften (inklusive Anspruchszinsen) in Höhe von € 2.892,56 vom gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Tilgung der auf dem Abgabenkonto aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 1.958,96, deren Einbringung gemäß § 231 BAO ausgesetzt war, zu verwenden war oder das dadurch entstandene Guthaben antragsgemäß zurückzuzahlen gewesen wäre.
Da das Guthaben durch die am erfolgte Wiederaufnahme der Einbringung der Umsatzsteuer November 1998 im Ausmaß von € 1.958,96 bis auf einen Betrag von € 109,78 wegfiel und nach § 215 Abs. 4 BAO nur ein verbleibendes Guthaben zurückzuzahlen ist, war der Rückzahlungsbetrag auf das verbleibende Guthaben einzuschränken.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung () die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften der KO und der AO (insbesondere §§ 19, 20 KO und AO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zukommt. Der Einwand des Bw., dass eine Konkursforderung nicht mit einem Guthaben, welches nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens entstanden sei, verrechnet werden könne, übersieht aber, dass diese Einschränkung der Aufrechnung nur während der Dauer des Konkursverfahrens gilt. Nach der Aufhebung des Konkurses kann sich der frühere Gemeinschuldner nicht mehr auf die konkursrechtliche Aufrechnungsbeschränkung berufen (vgl. Fischerlehner in SWK 2002, S 840, mit dem Hinweis auf Schubert in Konecny/Schubert, KO, §§ 19, 20, Rz. 14).
Mit Beschluss vom wurde der am angenommene Zahlungsplan vom Konkursgericht bestätigt. Laut Insolvenzdatei wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Bw. nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Zahlungsplanes aufgehoben. Die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens ist laut Beschluss des Bezirksgerichtes für ZRS vom rechtskräftig. Die vom Finanzamt amtswegig vorgenommene Verrechnung unterlag somit nicht dem Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 erster Satz KO.
Dem Hinweis auf eine allfällige Begünstigung des Abgabengläubigers ist zu entgegnen, dass es sich bei den Verrechnungsvorschriften des § 215 BAO um zwingendes Recht handelt, und nach § 214 Abs. 3 KO selbst die Befriedigung eines Konkursgläubigers, der auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hatte, keine Pflicht zur Rückzahlung des Erlangten begründet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at