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OGH vom 17.05.1967, 1Ob38/67

OGH vom 17.05.1967, 1Ob38/67

Norm

Aktiengesetz § 62;

Aktiengesetz §§145 ff;

Aktiengesetz § 195;

Kopf

SZ 40/73

Spruch

Eine nachträgliche Satzungsänderung (§ 145 ff. AktG. 1965) a) auf Vinkulierung von Namensaktien; b) auf Vereinigung von Aktien, ohne daß es sich um eine

Kapitalsherabsetzung handelt; bedarf der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre. Den diesbezüglich überstimmten Aktionären steht eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses offen.

Entscheidung vom , 1 Ob 38/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beklagte Partei ist eine Aktiengesellschaft. Nach § 5 der bisherigen Satzungen sollten die Aktien auf den Inhaber lauten. Das Grundkapital von 15.000.000 S war in 15.000 Stück Aktien zu je 1000 S eingeteilt. Der Kläger besitzt für seine Geschäftsanteile den Zwischenschein Nr. 2 über sieben voll eingezahlte Aktien. Mit Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom wurde der genannte § 5 der Satzungen derart abgeändert, daß die Aktien auf Namen lauten und ihre Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden sollte. Ferner wurde beschlossen, die Satzung in ihrem § 4 derart zu ändern, daß das Grundkapital von 15.000.000 S in 186 Aktien mit verschiedenen Nennbeträgen zwischen 5000 S und 100.000 S eingeteilt werde. Der Kläger stimmte gegen diese Änderungen der Satzung und erklärte seinen Widerspruch zu Protokoll. Die Satzungsänderung wurde mit den Stimmen der übrigen Aktionäre beschlossen.

Der Kläger begehrt im vorliegenden Prozeß die Feststellung, daß der Beschluß der Hauptversammlung auf Änderung der Satzung durch Aufnahme der Bestimmungen, daß die Übertragung von Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werde und daß das Grundkapital der Gesellschaft von 15.000.000 S in 186 Aktien mit verschiedenen Nennbeträgen eingeteilt werde, rechtsunwirksam sei; gleichzeitig stellt er die Eventualbegehren, die Nichtigkeit dieser Beschlüsse festzustellen oder letztere für nichtig zu erklären; sie seien deshalb unwirksam und allenfalls auch nichtig, weil sie der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre bedurft hätten; die durch die Satzungsänderung beschlossene Vinkulierung der Aktien bedeute eine Beeinträchtigung der Rechte der Aktionäre auf freie Übertragung ihrer Aktien, ebenso sei die Vereinigung seiner sieben Aktien zu einem einzigen Anteil im Nennwert von 7000 S mangels seiner Zustimmung unwirksam.

Die beklagte Partei beantragt, das Begehren aus rechtlichen Gründen abzuweisen.

Das Erstgericht wies das Haupt- und die Eventualbegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige (§ 500 (2) ZPO.).

Es vertrat gleich dem Erstgericht die Rechtsauffassung, daß für eine Satzungsänderung auf Vinkulierung von Aktien nur die qualifizierte Mehrheit nach § 146 (1) AktG. 1965 erforderlich sei; der überwiegende Teil der deutschen Lehre vertrete zwar die Ansicht, daß die nachträgliche Bindung nicht durch eine gewöhnliche Satzungsänderung eingeführt werden könne und daß ein derartiger Beschluß wirkungslos sei, wenn er nicht mit der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre ergehe; auch die österreichische Lehre (Losert - Schiemer - Stadler, Aktiengesetz 1965, Manz, S. 82) vertrete - allerdings ohne nähere Begründung - diese Ansicht, doch handle es sich, wie Würdinger in seinem Buch Aktienrecht 1959 S. 42 f. ausführe, um die alte, in der deutschen Lehre viel erörterte frage, inwieweit die Mitglieder dem Gesellschaftswillen unterworfen seien und wo die Grenzen zwischen der Individualsphäre und dem Wirkungsbereich des Mehrheitswillens zu ziehen sei; die deutschen Lehrmeinungen versuchten, ihre Ansicht auf die im § 35 BGB. genannten Sonderrechte des Mitglieds zu stützen, jedoch finde sich für diese Bestimmung im österreichischen Recht kein Gegenstück; das österreichische Recht ziehe dem Individualrecht das Gesellschafters engere Grenzen; dies ergebe sich schon aus der Bestimmung des § 1188 ABGB., wonach bei der Entscheidung über die Gesellschaftsangelegenheiten hilfsweise die Bestimmungen über die Gemeinschaft des Eigentums (§§ 833 bis 842 ABGB.) anzuwenden seien; es gelte daher mangels anderer Bestimmungen der Mehrheitsgrundsatz.

Das Berufungsgericht schloß sich somit der von Baumbach - Hueck, AktG.[12] S. 202, und von Ritter, AktG.[2] S. 195, vertretenen Rechtsauffassung an, daß das Gesetz in den Fällen, in denen es eine nachträgliche Änderung der Satzung nur mit Zustimmung der getroffenen Aktionäre gestatten wolle, dies ausdrücklich bestimme; im § 62 (1) AktG. 1965 treffe das Gesetz aber eine derartige Bestimmung nicht; auch der Beschluß der Hauptversammlung über die Vereinigung von Anteilsrechten bedürfe zu seiner Gültigkeit nicht der Zustimmung des Klägers, der nicht behauptet habe, daß die Zusammenlegung der Aktien im Zuge einer Kapitalherabsetzung vorgenommen worden sei, er wende sich nur gegen die Neueinteilung des Grundkapitals; dadurch verliere er aber nicht sein Aktienrecht, weil seine Aktien für eine neue zusammengelegte Aktie hinreichten; der Versuch eines einzelnen Aktionärs, Gesellschaftsbeschlüsse zu blockieren, könne in Österreich nur dort Erfolg haben, wo das Gesetz dies eindeutig festlege.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß es dem Hauptbegehren stattgab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, herrscht im deutschen Rechtsbereich, dem das bis in Österreich in Geltung gestandene Aktiengesetz entstammte, über die Beantwortung der Frage, ob die Wirksamkeit eines die Vinkulierung von Namensaktien einführenden Beschlusses durch Satzungsänderung von der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre abhängig ist, keine einhellige Auffassung. Während in den Kommentaren zum Aktiengesetz von Gadow-Heinichen, Godin - Wilhelmi, Schlegelberger - Quassowski und Würdinger der Standpunkt vertreten wird, die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre sei erforderlich, weil es sich bei der Einschränkung der freien Verfügbarkeit über die Aktie um ein Sonderrecht im Sinn des § 35 BGB. handle, erachten Baumbach- Hueck und Ritter eine mit 3/4-Mehrheit der Aktionäre zustandegekommene Satzungsänderung als ausreichend und verneinen ein Sonderrecht auf unbeschränkte Veräußerung der Aktie. Auch die Judikatur der deutschen Gerichte war bisher nicht einhellig. Für den deutschen Rechtsbereich wurde allerdings durch das neue deutsche Aktiengesetz vom , DBGBl. I S. 1089, diese Frage nun ausdrücklich geregelt. Der § 180, der in seinem ersten Absatz dem § 147 des bisherigen und demnach auch in Österreich in Geltung gestandenen Aktiengesetzes entspricht und der dahin lautet, daß ein Beschluß, der Aktionären Nebenverpflichtungen auferlegt, zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre bedürfe, verordnet nun in seinem zweiten Absatz: "Gleiches gilt für einen Beschluß, durch den die Übertragung von Namensaktien oder Zwischenscheinen an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden wird."

Im österreichischen Aktiengesetz 1965 blieb der Wortlaut des § 147 hingegen unverändert.

Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß bei Beurteilung der zur Lösung stehenden Frage nicht von der Bestimmung des § 35 BGB. und dem dort genannten Sonderrecht ausgegangen werden kann. Dieser Begriff ist dem österreichischen Recht zwar fremd, doch kann auch aus den Bestimmungen der §§ 833 bis 842, 1188 ABGB. nicht der zwingende Schluß gezogen werden, das österreichische Recht ziehe dem Individualrecht des Gesellschafters so enge Grenzen, daß durch Mehrheitsbeschluß der Aktionäre - mag auch eine qualifizierte Mehrheit erlangt worden sein - schrankenlos die von den einzelnen, dem Beschluß nicht zustimmenden Aktionären bereits erworbenen Rechte beeinträchtigt oder gar vernichtet werden können. Nach den Vorschriften des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gilt wohl für die Geschäftsführung der bürgerlich rechtlichen Gesellschaft grundsätzlich das Mehrheitsprinzip, nicht aber dort, wo dem Mitglied bestimmte, nicht mehr entziehbare Rechte eingeräumt wurden oder wo es sich um die Ausübung der Mitgliederrechte handelt (vgl. dazu z. B. SZ. XXIII 366). Nun handelt es sich im vorliegenden Fall nicht etwa um einen Akt der Geschäftsführung, sondern um die Veränderung von Rechten, die von den einzelnen Aktionären bereits erworben worden waren. Durch die Satzung kann die Übertragung der Mitgliedschaft grundsätzlich nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das Gesetz macht hier nur eine Ausnahme, nämlich die Bindung der Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft durch die Satzung. Durch den vor einer allfälligen Satzungsänderung in dieser Richtung erfolgten Erwerb der Aktien hat der Aktionär im Rahmen seiner übrigen Mitgliedschaftsrechte aber bereits das Recht auf freie Verfügbarkeit über die Aktie erworben; andererseits kann er seine Mitgliedschaftsrechte auch nicht zurücklegen. Diese können ihm aber auch grundsätzlich nicht entzogen werden, es sei denn, daß das Gesetz eine Ausnahme bildet. Eine solche Ausnahme ist der Fall des § 192 (1) AktG. 1965, der eine Zwangseinziehung von Aktien nur dann für zulässig erklärt, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktie angeordnet oder gestattet war. Gerade dieser Fall zeigt, daß das Aktiengesetz eine Vernichtung des Mitgliedschaftsrechtes oder seine Beeinträchtigung durch Zwang nur im Ausnahmsfall zulassen will, nämlich, wenn diese in der Satzung oder in einer Satzungsänderung vorgesehen war, die schon vor Zeichnung der Aktie erfolgt war, wenn also die Aktionäre schon beim Erwerb der Aktie damit rechnen konnten. Wenn das Berufungsgericht zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung darauf hinweist, daß auch für die Herabsetzung des Grundkapitals nur eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei, obwohl es sich dabei um einen viel schwereren Eingriff in die Rechte des einzelnen Aktionärs handelt als bei der Vinkulierung von Aktien, so ist dem zu entgegnen, daß es sich auch hier um einen besonders geregelten Ausnahmsfall handelt, in dem keine Stütze für eine ausdehnende Interpretation des Gesetzes in einem Fall wie dem vorliegenden gefunden werden kann.

Geht man von diesen Erwägungen aus, dann ergibt sich, daß das Aktiengesetz 1965 selbst einem Eingriff in die bereits erworbenen Mitgliedsrechte des einzelnen Aktionärs grundsätzlich ablehnend gegenübersteht und eine - Beeinträchtigung derselben nur in Ausnahmsfällen zuläßt. Daraus ergibt sich aber weiter, daß das einmal dem Aktionär zugebilligte Mitgliedschaftsrecht, auch soweit es die dem Wesen der Aktie entsprechende freie Übertragbarkeit betrifft, ein wohlerworbenes Recht ist, das dem einzelnen Aktionär durch Majorisierung nicht entzogen werden kann.

Dieselben Erwägungen gelten für die Frage der Vereinigung der Aktien. Die überwiegende deutsche Literatur lehnt die Vereinigung der Aktien ohne Zustimmung der hievon betroffenen Aktionäre ab (Gadow-Heinichen, Aktiengesetz[2] S. 59, Schlegelberger - Quassowski AktG.[3] I S. 31, Baumbach - Hueck, AktG.[11] S. 29, Würdinger-Aktienrecht 1959 S. 50). Würde die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre nicht gefordert werden, wäre nicht nur die Möglichkeit gegeben, daß einige Aktionäre ihrer Mitgliedschaftsrechte verlustig gehen könnten, sondern es würde auch die dem Wesen der Aktien entsprechende und bereits erworbene Negotiabilität nachträglich beschränkt werden. Auch das Aktiengesetz 1965 erklärt die Zusammenlegung der Aktien nur für den Ausnahmsfall der Kapitalherabsetzung zulässig und auch dann nur soweit, als der Mindestnennbetrag nicht eingehalten werden könnte (§ 175 (4)). Auch aus dieser Gesetzesanordnung muß geschlossen werden, daß das Aktiengesetz der Beschränkung der Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Aktionärs grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Ist im vorliegenden Fall auch nicht zu befürchten, daß der Kläger sein Anteilsrecht durch die Zusammenlegung der Aktien verlieren könnte, so würde hiedurch doch die Negotiabilität seiner Aktien, auf die er nach Aktienrecht und Satzung bereits einen Anspruch erworben hatte, beschränkt werden.

Mag also das Aktiengesetz 1965 unter jene Fälle, in denen es eine nachträgliche Änderung der Satzung nur mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre gestatten will, nicht ausdrücklich auch den Fall der nachträglichen Vinkulierung oder der Vereinigung von Aktien außerhalb einer Kapitalherabsetzung aufgenommen haben, so verletzt doch ein Mehrheitsbeschluß den im österreichischen Recht geltenden Grundsatz, daß von der Gemeinschaft bereits zugebilligte und daher wohlerworbene Rechte des Gemeinschafters nicht durch Majorisierung entzogen oder beeinträchtigt werden können. Zur Wirksamkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse wäre daher entgegen der Auffassung der Untergerichte die Zustimmung des von dieser Maßnahme betroffenen Klägers erforderlich gewesen.

Nach einhelliger Literatur zum früher in Österreich in Geltung gestandenen Aktiengesetz (Schlegelberger - Quassowski, AktG.[3] S. 865 f. Gadow-Heinichen, AktG.[2] II. Bd. S. 226 ff., Godin - Wilhelmi, AktG.[2] S. 830), der sich auch Losert - Schiemer - Stadler für den Bereich des nunmehr in Österreich geltenden Aktiengesetzes 1965 anschließen (S. 285 f.), ist ein Hauptversammlungsbeschluß, dem die erforderliche Zustimmung des in seinen Rechten betroffenen Aktionärs verweigert wird, unwirksam. Diese Unwirksamkeit bildet den Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO. Demnach erschien bereits das Hauptbegehren berechtigt, sodaß auf die Eventualbegehren nicht einzugehen war.