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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 21.01.2013, RV/0156-F/09

Ist eine Abfertigungszahlung zur Gänze als gesetzliche Abfertigung iSd § 67 Abs. 3 EStG 1988 einzustufen?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw.., Adresse, vertreten durch Engljähringer & Fleisch, Steuerberater OG, 6830 Rankweil, Bahnhofstraße 21, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Haftung des Arbeitgebers gemäß § 82 EStG 1988 hinsichtlich Lohnsteuer für das Jahr 2004 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Anlässlich einer bei der Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.) hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2007 durchgeführten Sozialversicherungs-, Lohnsteuer- und Kommunalsteuerprüfung wurde bezüglich einer Abfertigungszahlung in Höhe von 107.577,40 € an den ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer der Gesellschaft vom Prüfer die Feststellung getroffen, als Berechnungsbasis für die gesetzliche Abfertigung sei das Monatsentgelt des Jahres 2002 in Höhe von 6.470,00 € herangezogen worden. Richtigerweise wäre aber die gesetzliche Abfertigung auf Basis des zuletzt bezogenen Monatsentgelts (Dezember 2004) in Höhe von 3.450,00 € zu berechnen gewesen. Bei Korrektur der Fehlberechnung ergebe sich eine Lohnsteuernachforderung in Höhe von 21.246,37 €.

Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht des Lohnsteuerprüfers und nahm die Bw. mittels Haftungs- und Abgabenbescheid vom für den bei der Prüfung errechneten Lohnsteuer-Nachzahlungsbetrag gemäß § 82 EStG 1988 in Anspruch. Zur Begründung wurde auf den Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bw. am durch ihre steuerliche Vertretung Berufung und ersuchte um dessen ersatzlose Aufhebung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, das Finanzamt habe zu Unrecht Teile der Abfertigungszahlungen an den ehemaligen Geschäftsführer der Bw. als freiwillige Abfertigung qualifiziert und in der Folge größtenteils der tarifmäßigen Versteuerung unterworfen. Richtigerweise wäre die betreffende Zahlung als gesetzliche Abfertigung einzustufen und mit dem begünstigten Satz gemäß § 67 Abs. 3 EStG abzurechnen gewesen.

Den betreffenden Abfertigungszahlungen läge eine am zwischen dem Angestellten XX und der Bw., vertreten ebenfalls durch XX in seiner Funktion als Geschäftsführer, abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarung zugrunde. Zeitgleich sei beim Arbeitsmarktservice (AMS) um Förderungsbeträge gemäß § 27 AlVG angesucht worden. Die Geschäftsführerentschädigung habe im Zeitpunkt der Unterfertigung der Vereinbarung 6.470,00 € (14 mal pro Jahr) betragen. Gemäß der Altersteilzeitvereinbarung hätte dieser Bezug in Höhe des förderungswürdigen Anteils von 3.360,00 € auf 75 % reduziert werden sollen, hinsichtlich des übersteigenden Teils von 3.110,00 € sei die Reduzierung um 50 % vereinbart worden. Zudem sei in Pkt. 6 der Altersteilzeitvereinbarung festgehalten worden, die gesetzliche Abfertigung richte sich nach dem durchschnittlichen Beschäftigungsausmaß der letzten fünf Jahre, wobei der Zeitraum der Altersteilzeit sowie Zeiträume vor Reduzierung der Arbeitszeit anzurechnen wären.

Aufgrund der genannten Vereinbarung hätte die Bw. keinen Anspruch auf Beiträge gemäß § 27 AlVG gehabt, dazu wäre ein Lohnausgleich von zumindest 50% erforderlich gewesen. Deshalb seien in der Folge zwei Versuche unternommen worden, durch nachträgliche Änderungen die ursprüngliche Vereinbarung den gesetzlichen Voraussetzungen anzupassen. Bei den Änderungen habe es sich um Gehaltsverzichte seitens des Dienstnehmers gehandelt. Zunächst hätte für den Zeitraum der Altersteilzeit auf die über der Höchstbeitragsgrundlage gelegenen Gehaltsbestandteile verzichtet werden sollen. Hierzu habe das AMS unter Hinweis auf die Unwirksamkeit von Vereinbarungen über Altersteilzeitgeld unter gleichzeitigem Lohnverzicht durch den betroffenen Dienstnehmer mitgeteilt, für die rechtliche Beurteilung der Altersteilzeitvereinbarung wäre nach wie vor jener Betrag relevant, welcher dem Dienstnehmer vor Übertritt in die Altersteilzeit zugestanden habe (das seien 6.470,00 €). Dies habe zum Abschluss einer weiteren Vereinbarung zwischen der Bw. und dem gegenständlichen Dienstnehmer geführt, derzufolge die rückwirkende Herabsetzung des Gehaltes ausgedehnt worden sei auf die Zeit ab . Gleichzeitig sei die Gehaltsabrechnung rückwirkend korrigiert und es sei der Übergenuss der Bw. rückerstattet worden. Ebenso sei in dieser Vereinbarung festgehalten worden, dass sich der Verzicht lediglich auf Teile der laufenden Bezüge beziehe, nicht jedoch auf den gesetzlichen Abfertigungsanspruch.

Allerdings sei auch diese Vereinbarung vom AMS nicht anerkannt worden, weil im Zeitpunkt des Übertrittes in die Altersteilzeit der Dienstnehmer einen Anspruch auf ein Gehalt von 6.470,00 € gehabt habe und ein rückwirkender Lohnverzicht nicht rechtswirksam sei.

In weiterer Folge sei mit Bescheid des AMS vom der Bescheid auf Zuerkennung des Altersteilzeitentgeltes an die Bw. widerrufen und die bis dahin ausbezahlten Beträge zurückgefordert worden, da das Erfordernis einer gleich bleibenden Zahlung des (rechtlich gebotenen) Lohnausgleiches auf Basis des bis zum Übertritt in die Altersteilzeitarbeit gebührenden Entgeltes nicht mehr gegeben gewesen sei.

In einer neuerlichen Anpassung der ursprünglichen Vereinbarung sei am für die Zeiträume ab 07/2004 bis zur Pensionierung am der Bezug des Geschäftsführers einvernehmlich mit 3.450,00 € festgesetzt worden. Auch hierbei habe sich der Verzicht des Dienstnehmers lediglich auf die laufenden Bezüge für die restliche Dienstzeit bezogen. Die letztgenannte Vereinbarung enthalte keine rückwirkenden Bestimmungen.

Entgegen der rechtlichen Beurteilung durch das AMS sei nun der Prüfer im Rahmen der dem angefochtenen Abgaben- und Haftungsbescheid zugrunde liegenden GPLA (Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) zu dem Schluss gekommen, dass die vorstehend geschilderten Vereinbarungen rechtlich wirksam gewesen seien und dem Dienstnehmer demnach bei Übertritt in die Altersteilzeitarbeit lediglich ein Bezug von 3.360,00 € zugestanden habe. Demnach hätte der Dienstnehmer auch nur Anspruch auf eine gesetzliche Abfertigung gehabt, die sich nach diesem Bezug bemesse, während der darüber hinausgehende Abfertigungsbetrag als freiwillige Abfertigung nach Berücksichtigung der begünstigten Teile der Tariflohnsteuer unterworfen worden sei.

Laut übereinstimmender Meinung in Literatur und Judikatur könne aber ein Dienstnehmer bei aufrechtem Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam auf bereits fällig gewordene Ansprüche verzichten. Dieser Rechtsansicht sei zu folgen und es sei daher auch der Bescheid des AMS vom anzuerkennen.

Auf künftige bzw. noch nicht fällige Ansprüche könne ein Dienstnehmer bei aufrechtem Dienstverhältnis rechtswirksam verzichten. Ein solcher Verzicht liege jedoch lediglich ab für den Zeitraum bis sowie ab für den Zeitraum bis vor. Seine Ansprüche auf die künftig zu zahlende Abfertigung habe der betreffende Dienstnehmer jederzeit gewahrt, denn in beiden nachträglichen Vereinbarungen sei der Verzicht explizit auf die laufenden Bezüge beschränkt worden. Demnach bemesse sich die ihm im Zeitpunkt der Pensionierung zustehende gesetzliche Abfertigung von dem ihm im Zeitpunkt der Unterfertigung der Altersteilzeitvereinbarung zustehenden Gehalt von 6.470,00 € zuzüglich weiterer kollektivvertraglicher Anpassungen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Vielzahl der vorliegenden, zum Teil widersprüchlichen und rückwirkenden Vereinbarungen seien nur durch den Umstand erklärbar, dass die Person des Dienstnehmers und des verantwortlichen Geschäftsführers des Arbeitgebers ident seien. Ein gewöhnlicher Dienstnehmer hätte einer rückwirkenden Gehaltskürzung aus wirtschaftlichen Gründen nicht ohne weiteres zugestimmt. Die wirtschaftlichen Gründe seien aus den Bilanzen des Arbeitgebers hinsichtlich der Umsatz- und Gewinnermittlung einschließlich der Dotierung der Rückstellung für Altersteilzeit für das Finanzamt nicht nachvollziehbar.

Nicht geteilt werde zudem die in der Berufungsschrift vertretene Ansicht, wonach ein Dienstnehmer bei aufrechtem Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam auf bereits fällig gewordene Ansprüche verzichten könne. Diesbezüglich werde auf die auszugsweise zitierte Judikatur des OGH (OGH 9 Ob A 168/93; 9 Ob A 114/93; 9 Ob A 111/95) verwiesen.

Bei Anwendung des § 67 Abs. 3 EStG 1988 und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das laufende Gehalt ab sowohl laut Vereinbarung vom als auch laut Lohnkonto unstrittig 3.450,00 € bis zur Pensionierung betrage, sei eine Rechtswidrigkeit bei der Berechnung der Lohnsteuer für die von der Bw. ausbezahlte Abfertigung nicht erkennbar. Denn die Berechnung der Lohnsteuer von ausbezahlten Abfertigungen des Arbeitgebers richte sich ausschließlich nach den gesetzlichen Vorgaben und könne durch Vereinbarungen zwischen dem Dienstnehmer und seinem Arbeitgeber nicht verändert werden.

Im fristgerechten Vorlageantrag wurde ergänzend unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung sinngemäß vorgebracht, die seitens des Finanzamtes zur Bekräftigung ihrer Rechtsmeinung zitierten OGH-Entscheidungen würden sich auf künftige Änderungen von Dienstverhältnissen beziehen und daher keinen Bezug zum gegenständlichen Fall aufweisen. Dass künftige Änderungen (Verschlechterungsvereinbarungen oder Änderungskündigungen) - im Rahmen der von der Judikatur vorgegebenen Grenzen - möglich seien, stünde außer Streit. Werde jedoch - wie in dem der Berufung zu Grunde liegenden Fall - bei aufrechtem Dienstverhältnis auf bereits entstandene Ansprüche verzichtet, werde dies von der Rechtsprechung mit der Begründung nicht anerkannt, der Dienstnehmer stünde aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Dienstgeber unter einem erheblichen Druck und könnte daher bei Abgabe einer Verzichtserklärung nicht frei entscheiden (sog. "Drucktheorie").

Über die Berufung wurde erwogen:

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der am xxx geborene ehemalige Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. bis zu seiner Pensionierung mit nicht wesentlich beteiligter Gesellschafter der Bw. war (24 % Beteiligung) und aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat. Unstrittig ist zudem, dass der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer bis zu seiner Pensionierung 25 Jahre lang als Dienstnehmer für die Bw. tätig und ab in Altersteilzeit gewesen ist.

Aufgrund des Akteninhaltes wird der Entscheidung folgender weiterer Sachverhalt zu Grunde gelegt:

In der am zwischen der Bw. und ihrem damaligen Geschäftsführer abgeschlossenen Vereinbarung wurde im Sinne des § 27 AlVG die Reduzierung der Normalarbeitszeit ab auf 50 % festgelegt (Durchrechnungszeitraum 18 Monate). Weiters wurde festgelegt, dass sich das bisherige Bruttomonatsgehalt von 6.470,00 € entsprechend der herabgesetzten wochendurchschnittlichen Arbeitszeit verringert. Bezüglich der Abfertigung wurde vorgesehen, dass diese im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Reduzierung der Normalarbeitszeit entsprechend dem durchschnittlichen Beschäftigungsausmaß der letzten fünf Jahre berechnet wird, wobei der Zeitraum der Altersteilzeit wie das direkt vorhergehende Beschäftigungsausmaß angerechnet wird.

Mit der am zwischen der Bw. und ihrem damaligen Geschäftsführer abgeschlossenen Vereinbarung wurde das Gehalt des Letzteren rückwirkend per mit 3.360,00 € festgesetzt und die Rückerstattung des Übergenusses an die Bw. festgelegt. Hinsichtlich der Abfertigungszahlung wurde festgehalten, dass dieser das Gehalt aus dem Jahr 2002 und somit 6.470,00 € zu Grunde gelegt wird, wobei die Abfertigung gemäß gesetzlicher Regelung Ende Dezember 2004 ausbezahlt wird.

In der Zusatzvereinbarung vom wurde festgehalten, dass seit Altersteilzeit vereinbart ist, welche am mit der Pensionierung des Dienstnehmers endet. Weiters wurde vereinbart, dass das Gehalt ab 50% des Gehalts aus dem Jahre 2002 (6.470,00 €) zusätzlich der Teuerung beträgt (das sind 3.450,00 €). Hinsichtlich der Abfertigungszahlung wurde die Übereinkunft getroffen, dass ihr die Basis von 2002 - 6.470,00 € pro Monat zusätzlich der Teuerung - somit insgesamt 6.900,00 € zu Grunde gelegt wird.

Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, dass die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes des Abs. 1 niedriger, so erfolgt die Besteuerung nach dieser Bestimmung. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund

gesetzlicher Vorschriften,

Dienstordnungen von Gebietskörperschaften,

aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst-(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,

eines Kollektivvertrages oder

der für Bedienstete des österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung

zu leisten ist.

Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen oder Abfindungen), mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

Die Regelungen des § 67 leg. cit. sehen somit unterschiedliche Begünstigungen für die Besteuerung von Abfertigungen vor, je nachdem, ob sie auf Grund einer der in Absatz 3 leg. cit. aufgezählten Vorschriften bezahlt werden oder freiwillig. Freiwillig sind Abfertigungen, die auf Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen beruhen, darunter fallen auch Abfertigungen, die die gesetzlich oder kollektivvertraglich vorgesehene Höhe übersteigen.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 67 Abs. 3 EStG 1988 und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB. ) ist die dort vorgenommene Aufzählung der rechtlichen Grundlagen für eine Abfertigung eine taxative. Insoweit die an einen Arbeitnehmer ausbezahlte Abfertigung in einer der dort angeführten Rechtsgrundlagen Deckung findet, kann sie nach dieser Gesetzesstelle begünstigt besteuert werden, ein übersteigender Teil wäre jedenfalls nach den Regeln des § 67 Abs. 6 leg. cit. als freiwillige Abfertigung zu versteuern.

Der gesetzliche Abfertigungsanspruch des nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers richtet sich nach § 23 Abs. 1 AngG. Gemäß dieser Bestimmung beträgt die Abfertigung bei fünfundzwanzig Dienstjahren das Zwölffache des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts.

Demnach ist bei der Berechnung der Abfertigung - gemäß der in § 23 Abs. 1 AngG normierten Grundregel - vom letzten Monatsentgelt auszugehen, wobei jedoch die Judikatur bei der Berechnung eine relativ flexible, praxisgerechte Formel verwendet: Unter dem für den letzten Monat gebührenden Entgelt ist jener Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus den regelmäßig im Monat wiederkehrenden Bezügen, aber auch aus den in größeren Zeitabschnitten oder nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Entgeltbeträgen, wie etwa Aushilfen, Urlaubsbeihilfen, Remunerationen, Zulagen oder Prämien, zusammensetzt (vgl. die bei Dittrich/Tades, Arbeitsrecht zu § 23 AngG E 83 und E 96 bis E 127 angeführte Judikatur).

Von der Grundregel des § 23 Abs. 1 AngG gibt es jedoch im Falle einer Herabsetzung der Normalarbeitszeit ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 AVRAG (Altersteilzeit iwS) Abweichungen. Nach Abs. 4 leg. cit. ist bei der Berechnung einer nach dem AngG zustehenden Abfertigung die frühere Arbeitszeit des Arbeitnehmers vor dem Wirksamwerden der Vereinbarung nach Abs. 2 leg. cit zugrunde zu legen, wenn die Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach Abs. 2 leg. cit. zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzer als zwei Jahre gedauert hat (siehe dazu auch Mayr in ecolex 2002, 599).

Bezüglich des rückwirkenden Gehaltsverzichtes des ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführers ist festzuhalten, dass sich dieser nur aus dessen Gesellschafterstellung und des damit fehlenden typischen Interessensgegensatzes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erklären lässt und einem Fremdvergleich nicht standhält. Denn wie vom Finanzamt zutreffend ausgeführt wurde, hätte ein "normaler" Dienstnehmer einer rückwirkenden Gehaltskürzung nicht ohne weiteres zugestimmt. Wenn aber die gegenständliche rückwirkende Vereinbarung vom einer Fremdvergleichsprüfung nicht standhält, dann ist ihr nach Rechtsansicht des Unabhängigen Finanzsenates auch die steuerliche Anerkennung zu versagen, mit der Konsequenz, dass die ursprüngliche Gehaltsvereinbarung - 6.470,00 € pro Monat zzgl. Sonderzahlungen und sonstiger Bezüge - bis zum Antritt der Altersteilzeit am Gültigkeit hatte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob aus arbeitsrechtlicher Sicht ein rückwirkender Verzicht auf bereits fällige Ansprüche rechtswirksam vereinbart werden konnte.

Die hier strittige Abfertigung wurde auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung bezahlt, die auf die gesetzlichen Vorschriften verweist (vgl. Pkt. 6 der Vereinbarung vom sowie die Vereinbarung vom : "die Abfertigung gem. gesetzlicher Regelung wird Ende Dezember 2004 ausbezahlt"), jedoch hinsichtlich der heranzuziehenden Berechnungsgrundlage hiervon abweicht (vgl. Vereinbarung vom : "Für die Abfertigungszahlung wird die Basis von 2002 6.470,00 € pro Monat zusätzlich die Teuerung, das sind 6.900,00 €, zu Grunde gelegt").

Über Letzteres herrscht in gegenständlichem Fall Uneinigkeit: Vom Finanzamt wird die Rechtsansicht vertreten, dass das laufende Gehalt ab laut Vereinbarung vom und laut Lohnkonto unstrittig 3.450,00 € bis zur Pensionierung betragen habe und sich die Höhe der gesetzlichen Abfertigung somit nach diesem Betrag richte.

Dieser Rechtsansicht kann sich der Unabhängige Finanzsenat auf Grund der gegenständlich zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 4 AVRAG nicht anschließen, denn der "laufende Bezug" iSd §§ 67 Abs. 3 und Abs. 6 EStG 1988 ist derjenige Bruttobezug, der der Berechnung der Abfertigung zugrunde gelegt wird (siehe dazu Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer52, § 67 Abs. 3 Rz 26; Doralt, EStG14, § 67 Tz 30).

Dauerte die Herabsetzung der Normalarbeitszeit im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (hier: mit der Pensionierung zum ) kürzer als zwei Jahre, so ist gemäß § 14 Abs. 4 erster Satz AVRAG die Abfertigung von der Arbeitszeit vor der Herabsetzung zu berechnen. Diese gesetzliche Festschreibung der Bemessungsgrundlage hat zur Folge, dass die Abfertigung, wenn sie bei Beendigung des Dienstverhältnisses geleistet wird, nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu versteuern ist.

Hinsichtlich der vom Bw. und dem Finanzamt ins Treffen geführten Judikatur des OGH ist anzumerken, dass bei Vereinbarung einer Altersteilzeit die Besteuerung einer Abfertigung iSd § 67 Abs. 3 EStG 1988 erst bei tatsächlicher Beendigung des Dienstverhältnisses zulässig ist. Die Bestimmungen betreffend "Änderungskündigung" können jedoch nicht herangezogen werden, denn bei Antritt der Altersteilzeit besteht im Unterschied zur Gleitpension kein Anspruch auf Auszahlung einer Abfertigung, das Vollzeitdienstverhältnis wird nicht beendet (dazu Vock in RdW 2001, 442).

Zusammenfassend ergibt sich somit für vorliegenden Fall, dass sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften (§ 23 Abs. 1 AngG iVm § 14 Abs. 4 erster Satz AVRAG) die Höhe der (gesetzlichen) Abfertigung nach dem für den letzten Monat vor Eintritt in die Altersteilzeit gebührenden Entgelt, das wäre der Juni 2003, errechnet und nicht, wie vom Finanzamt und vom GPLA-Prüfer angenommen, vom Dezember 2004. Angemerkt wird, dass auch laut Rz 1070 der Lohnsteuerrichtlinie 2002 eine Abfertigung, die auf Grund der §§ 11 bis 14 AVRAG zusteht, als gesetzliche Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu behandeln ist und die Bestimmungen betreffend "Änderungskündigung" nicht herangezogen werden können.

Nachdem sich die dem ehemaligen Geschäftsführer der Bw. im Juni 2003 zustehenden Bruttobezüge der Höhe nach gegenüber der vertraglich vereinbarten Basis (Dezember 2002) nicht geändert haben und von der Bw. bei der Berechnung der gesetzlichen Abfertigung daher jenes Gehalt herangezogen wurde, dass ihrem Angestellten im Juni 2003 zustand, erfolgte seitens der Bw. die Berechnung der für die Abfertigung abzuführenden Lohnsteuer entsprechend den gesetzlichen Vorschriften.

Somit stellt sich aus den vorstehend genannten Gründen die Berechnung der Lohnsteuer-Nachforderung durch das Finanzamt und die damit verbundene Heranziehung der Bw. zur Haftung nach § 82 EStG 1988 als rechtswidrig dar, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
RdW 2013/429
ARD 6300/7/2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at