Nachsicht von Abgabenschulden (zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe)
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RV/0230-K/07-RS1 | Die Rückforderung von zu Unrecht bezogener Familienbeihillfe stellt eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar und begründet keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO.
Eine Nachsicht wegen persönlicher Unbilligkeit der Einhebung liegt dann nicht vor, wenn der Antragsteller Schulden in Höhe von € 260.000,00 bedienen kann und die Abgabenschulden in Höhe von € 3.900,00 nicht entrichten will, obwohl es ihm zumutbar ist, diese Abgabenschulden in niedrigen Raten zu bedienen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des N.N., K., H.Str.1, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes H, vertreten durch Frau Mag. N.N1., vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber hat mit schriftlicher Eingabe vom um Nachsicht aushaftender Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 3.978,16 angesucht. Die Abgabenschuldigkeiten setzten sich aus vom Finanzamt zurückgeforderter Familienbeihilfe in Höhe von € 2.248,30, Kinderabsetzbeträgen in Höhe von € 967,10 und Aussetzungszinsen in Höhe von € 62,76 zusammen.
Begründend führte er aus, dass sämtliche finanzielle Leistungen seinem Sohn zu Gute gekommen wären und dieser aus finanziellen Gründen und wegen zu hoher Lernbelastung die Schule abgebrochen habe. Der Schulabbruch sei dem Finanzamt rechtzeitg gemeldet worden. Seit Feber 2007 leiste der Sohn den Präsenzdienst ab. Der Berufungswerber habe vor drei Jahren ein Einfamilienhaus errichtet und habe er auch noch für die Ausbildung des zweiten Sohnes zu sorgen. Daher sei er nicht in der Lage, den Betrag zurück zu bezahlen.
Mit angefochtenem Bescheid wies das Finanzamt den Antrag als unbegründet ab. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Voraussetzungen für eine Nachsicht nicht vorlägen, weil es sich bei den Abgabenschuldigkeiten um Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage handeln würde.
In der Berufung vom führt der Berufungswerber aus, dass der Hausbau, die Unterstützung des Sohnes und die Ausbildung des zweiten Sohnes für die Famile wirtschaftlich bedeute, an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit gehen zu müssen. Die bezogene Familienbeihilfe und Kinderbeihilfe sei ausschließlich dem älteren Sohn zu Gute gekommen. Es sei unnannehmbar eine steuerzahlende Familie an die Grenzen der Belastbarkeit zu bringen.
Nachdem das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet abegwiesen hat, beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz. In dieser Eingabe stellt der Bw. ausführlich die monatlichen Belastungen der Familie dar.
Er habe monatlich € 1.015, 11 an Kreditzinsen und € 627,59 für Lebensversicherungen zu bezahlen. Der Aufwand für Strom, Gas und Gemeindeabgaben (Kanal, Wasser, Abfallwirtschaft) betrage monatlich € 226,73, sodass ausgehend von einem Einkommen in Höhe von monatlich € 2.900,00 bis € 3.000,00 abzüglich der fixen Belastungen in Höhe von € 1.869,42, lediglich € 1.030,58 für die Aufwendungen des täglichen Lebens zur Verfügung stehen würden. Im Übrigen habe das Finanzamt die Familienbehilfe angewiesen, weil ein rechtsgültiger Anspruch darauf bestanden hat.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Die Unbilligkeit i.S.d. § 236 Abs. 1 BAO kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.
Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nichtbeeinflussbare Weiseeine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartendeAbgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportionalzum auslösenden Sachverhalt ist (, 0265).
Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt und für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte vorsorgen müssen.
Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint ().
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Dieser ist daher verpflichtet, im Nachsichtsansuchen die gemäß § 236 BAO bedeutsamen Umstände offen zu legen.
Vorweg wird festgehalten dass die Rückforderung von zu Unrecht ausbezahlter Familienbehilfe gemäß § 26 FLAG darauf abstellt, ob die Anspruchsvoraussetzungen für deren Bezug vorlagen oder nicht. Soweit der Berufungswerber daher einwendet, es liege ein Fehler des Finanzamtes vor, ist er darauf hinzuweisen, diese Einwendungen im Abgabenverfahren zu erheben.
Weiters verlangt eine Nachsicht aus sachlichen Gründen einen außergewöhnlichen Geschehensablauf, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weiseeine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat. Diese Voraussetzung erfüllt der vorliegende Fall deshalb nicht, weil es üblich ist, zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzufordern.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner ständigen Judikatur aus, dass eine Unbilligkeit nicht vorliege, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (, , 2004/16/0151).
Dies trifft auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe entspricht der Gesetzeslage und ist eine Auswirkung der generellen Norm, die auf alle Normadressaten gleichermaßen anzuwenden ist. Eine Besserstellung des Berufungswerbers wäre rechtswidrig.
Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse, wirtschaftliche Notlagen (), die die Existenz des Abgabepflichtigen zu gefährden drohen, können persönliche Unbilligkeiten der Einhebung indizieren. Die Frage, ob die Existenz der Person des Abgabepflichtigen gefährdet ist, ist nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden (nachsichtsverfangenen) Abgaben () zu beurteilen. Grundsätzlich ist der Abgabepflichtige gehalten, für die Zahlung der Abgaben vorzusorgen.
Der Berufungswerber hat in den letzten Jahren ein Wohnhaus errichtet und muss dafür Kreditverbindlichkeiten in Höhe von € 230.000,00 sowie ein Wohnbaudarlehen in Höhe von € 32.100,00 bedienen. Die Zinsaufwendungen betragen dafür monatlich € 1.015,11. Gleichzeitig hat der Berufungswerber monatlich € 627,59 an Lebensversicherungen zu bezahlen.
Daraus leitet der Referent beim Unabhängigen Finanzsenat ab, dass der Berufungswerber hinsichtlich der Bezahlung seiner Verbindlichkeiten eine Differenzierung vornimmt, welche dazu führt, dass der Abgabengläubiger gegenüber allen anderen Gläubigern benachteiligt werden soll. Der Abgabengläubiger soll auf seinen Abgabenanspruch verzichten. Gerade die Tatsache, dass der Berufungswerber einerseits Verbindlichkeiten in Höhe von € 230.000,00 und ein Wohnbaudarlehen in Höhe von € 32.000,00 aus dem zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommen bedienen kann, zeigt deutlich auf, dass die Rückzahlung von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von etwa 1,2 % dieser Verbindlichkeiten keinewegs eine Existenzgefährdung für den Berufungswerber bewirkt.
Auf Grund der oben dargestellten wirtschaftlichen Situation kann eine persönliche Unbilligkeit nicht erblickt werden, da die Einhebung der strittigen Abgaben nicht die Existenz gefährdet. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (, , 95/15/0053, , 94/16/0125). Eine solche kann allenfalls gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Situation von der Art ist und die gehäuften Schwierigkeiten von der Intensität und Dauer sind, dass die Einhebung der Abgaben zur Existenzgefährdung des Abgabepflichtigen führen kann (Stoll, BAO-Kommentar, S 2435, Abs. 2).
Eine solche liegt aber selbst nach dem Vorbringen des Berufungswerbers nicht in hinreichender Weise vor. Es fällt nämlich auf, dass der Berufungswerber einerseits bereit ist, mehr als die Hälfte des Haushaltseinkommens für die Bedienung von Krediten und Lebensversicherungen aufzubringen, andererseits der Abgabengläubiger auf seine Ansprüche verzichten soll. Dabei wird angesichts der gesamten Verbindlichkeiten des Berufungswerbers in Höhe von mehr als € 260.000,00 deutlich klar, dass die Abstattung der Abgabenschulden in Höhe von € 3.900,00 wirtschaftlich keine Existenznöte auslöst.
Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (, , 94/13/0047, 0049, 0050). Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (), wobei sich dieses an den Ermessenskriterien des § 20 BAO (Zweckmäßigkeit und Billigkeit) zu orientieren hat. Im Übrigen hat der VwGH wiederholt dargetan, eine Nachsicht könne im Rahmen des im § 236 Abs. 1 BAO eingeräumten Ermessens nicht im für den Bw. positiven Sinne gewährt werden, wenn dies ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung und zu Gunsten anderer Gläubiger ginge (, , 94/13/0047, 0049, 0050, , 95/15/0090, , 2002/14/0082).
Da die gemäß § 236 Abs. 1 BAO vorgesehene Voraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung, nicht erkannt werden kann, war die Berufung aus Rechtsgründen abzuweisen. Der Berufung war daher kein Erfolg beschieden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -K/04 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at