OGH vom 28.04.2020, 1Ob36/20f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, wegen 62.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei und den (richtig:) Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 133 R 69/19y-10, womit infolge der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 6 Cg 147/18d-6, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.
Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortungen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine „5SterneBildungsreiseZypern“ als Pauschalreise. Teil des geplanten Reiseverlaufs war unter anderem der Besuch eines „faszinierenden Jahrhunderte alten Kunsthandwerks sowie einer Schmuckmanufaktur“. Wegen der von ihm getätigten Käufe von Teppichen und Schmuck, zu denen er durch unseriöse Praktiken verleitet worden sei, begehrt der Kläger Schadenersatz vom Reiseveranstalter in Höhe der geleisteten Anzahlungen. Er wirft der Beklagten vor, sie hätte ihn vor den manipulativen Verkaufsstrategien der Händler warnen müssen; dann hätte er die Reise nicht gebucht, jedenfalls aber keine Waren gekauft. Obwohl der ihr zuzurechnende Reiseleiter über „die konkreten Abläufe“ beim Teppichhändler und beim Juwelier „informiert/instruiert“ gewesen sei, habe er den Kauf von Teppichen und Schmuck mit der Begründung, dass diese Waren (staatlich) „subventioniert“ seien, als günstige Gelegenheit empfohlen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab, weil sich aus den – daher nicht weiter zu prüfenden – Klagebehauptungen die vom Kläger begehrte Rechtsfolge nicht ableiten lasse. Die Ankündigung im Prospekt sei so zu verstehen gewesen, dass der Reiseveranstalter Exkursionen zu selbständigen Betrieben, nicht aber auch die Verkaufsveranstaltungen als seine Eigenleistung durchführe. Die behaupteten Vorgangsweisen der Verkäufer seien unter das „allgemeine Lebensrisiko“ einzuordnen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang von 12.000 EUR sA (Teppichkauf), hob es aber im Übrigen (50.000 EUR sA [Schmuckkauf]) auf. Ausgehend davon, dass die vom Kläger behaupteten Tatsachen [vorerst] für wahr zu halten seien und hypothetisch zu überlegen sei, ob der Anspruch dann bestünde, bejahte es bei den Vorgängen anlässlich des Kaufs von Schmuck die Schlüssigkeit des Klagebegehrens. Dazu sei der Beklagten eine Warnpflichtverletzung anzulasten, nicht aber beim behaupteten Ablauf des Kaufs von Teppichen.
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO,§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts sind weder die Revision des Klägers noch der Rekurs der Beklagten zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf ([§ 528a iVm] § 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
1. Beide Parteien stellen in ihren Rechtsmitteln nicht in Frage, dass – wie das Berufungsgericht seinen Ausführungen einleitend voranstellte – die (Teppich- und Schmuck-)Händler im Zusammenhang mit den vom Kläger mit ihnen jeweils abgeschlossenen Käufen nicht als Erfüllungsgehilfen des Reiseveranstalters anzusehen sind.
2. Ebensowenig bezweifeln sie (wiederum zu Recht), dass auch der Reiseveranstaltungsvertrag grundsätzlich Schutz und Sorgfaltspflichten als Nebenpflichten umfasst, die vom Reiseveranstalter wahrzunehmen sind (vgl etwa 1 Ob 158/16s; zur Warnpflicht über mit der Reise verbundene Gefahren: 4 Ob 130/09k [Reisetermin während der Hurrikansaison]).
Eine Pflicht aufzuklären (als Ausfluss von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten), wird dann angenommen, wenn der Vertragspartner nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte, insbesondere wenn ihm ansonsten ein Schaden droht (vgl RISJustiz RS0111165; RS0014811 [bes T 5]; RS0016390). Die von den Umständen des Einzelfalls abhängige Lösung der Frage des Bestehens oder Umfangs von vertraglichen Nebenpflichten begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0014811 [T12]; RS0048335 [T4, T 6]; RS0111165 [T1, T 3]).
3. Das Berufungsgericht verneinte – ausgehend vom Klagevorbringen – das Bestehen einer Warnpflicht bei den Teppichkäufen, weil der Kläger dazu nicht einmal behauptet habe, dass die Werte der Leistungen und Gegenleistungen in einem Missverhältnis gestanden seien. Er habe zwar den Begriff List an verschiedenen Stellen verwendet, dieser sei jedoch nicht von konkreten Tatsachenbehauptungen begleitet worden. Seinem Vorbringen habe sich nicht entnehmen lassen, dass seine Willensfreiheit eingeschränkt („verdünnt“) gewesen wäre. Er habe auch nicht vorgebracht, dass er unter Druck gesetzt worden wäre oder aus Furcht gehandelt habe. Diese Beurteilung kann der Kläger mit Ausführungen dazu, dass er zum Ankauf „wertloser“ bzw „minderwertiger/geringwertiger“ Teppiche verleitet und zwischenzeitig entgegen den Zusicherungen mit Steuerforderungen konfrontiert worden sei, nicht erschüttern, weil sie gegen das Neuerungsverbot (§ 482 Abs 1, § 504 Abs 2 ZPO) verstoßen, was auch für die weitere Behauptung gilt, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Händler sich bei „rechtzeitigem Widerruf“ weigerten, geleistete Beträge zurückzuzahlen.
4. Zum Schmuckkauf ging das Berufungsgericht dagegen davon aus, dass die Beklagte als Reiseveranstalterin eine Warnpflicht gegenüber den Reisenden getroffen hätte, wenn sie [oder der ihr zuzurechnende Reiseleiter] in Kenntnis darüber gewesen wäre, dass der Schmuckhändler nahezu wertlose „Geschenke“ mache, um diese später mit nicht unbeträchtlichen Beträgen in Rechnung zu stellen, insbesondere dann, wenn sie die Schmuckkäufe den Reisenden (auch) noch empfohlen hätte. Mit diesen zur Begründung ihrer Warnpflicht vom Berufungsgericht herangezogenen (vorerst für wahr zu haltenden) Umständen setzt sich die Beklagte, indem sie im Rekurs argumentiert, es sei üblich auf Reisen Geschenke zu kaufen, und pauschal behauptet, sie sei für das Kaufverhalten ihrer eigenberechtigten Kunden nicht verantwortlich zu machen, gar nicht auseinander. Damit kann auch sie eine erhebliche Rechtsfrage in ihrem Rekurs nicht aufzeigen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 iVm § 50 ZPO. Für ein nicht zulässiges Rechtsmittel steht Kostenersatz nicht zu. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (und auch nur beantragt, ihr nicht Folge zu geben). Der Kläger hat in seiner (richtig) Rekursbeantwortung zwar den Antrag gestellt, „der Oberste Gerichtshof wolle die Revision zurückverweisen“, aber nicht ausgeführt, dass (oder warum) das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist. Die Rechtsmittelbeantwortungen können daher nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungs bzw -verteidigungsmaßnahmen angesehen werden (RS0035962 [T16]; RS0035979 [T6, T 9]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00036.20F.0428.000 |
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Fundstelle(n):
EAAAD-00811