Anrechnungsvortrag für Quellensteuern nach Verlustjahren
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Miterledigte GZ: |
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RV/0283-L/12 |
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0080 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der OAG, vertreten durch KAG, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes L vom und betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2009 und Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
1. Am erging der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2009 und am der Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2009 an die Bw.
2. Gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2009 und Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2009 wurde mit Schreiben vom (innerhalb der bis verlängerten Frist) Berufung eingelegt.
a. Man ersuche die bezeichneten Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und die Anrechnung von noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus dem Jahr 2008 iHv 153.995,86 € zu gewähren.
Die festzusetzende Körperschaftsteuer ergebe sich wie folgt:
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Gesamtbetrag der Einkünfte der Gruppe | 55.808.664,79 €
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Abzüglich Verlustabzug Gruppe | -18.201.410,69 €
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Einkommen Gruppe (unverändert) | 37.607.254,10 €
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Körperschaftsteuer (unverändert) | 9.401.813,53 €
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abzüglich anrechenbarer MiKÖ (unverändert) | -55.895,32 €
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Anrechnung Quellensteuer 2009 (unverändert) | -43.909,18 €
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Anrechnungsvortrag ausländische Quellensteuer (= Berufungsantrag) | -153.995,86 €
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Einbehaltene Steuerbeträge (unverändert) | -5.461.633,87 €
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Festzusetzende Körperschaftsteuer | 3.686.379,30 €
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statt bisher | 3.840.375,16 €
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b. Im Jahr 2008 habe die Bw. ausländische Einkünfte erhalten, für die Österreich das Besteuerungsrecht zustehe, aber auch dem jeweiligen Quellenstaat. Bei den Einkünften handle es sich um Zinsen und Dividenden für Beteiligungen unter 10% (teilweise bezogen über Investmentfonds). Die genannten Einkünfte seien in Österreich zur Gänze der Besteuerung unterworfen worden. Aufgrund des negativen Einkommens der Bw. im Jahr 2008 hätten die im Quellenstaat einbehaltenen Quellensteuern iHv 153.995,86 € (s Beilage) nicht auf die österreichische Körperschaftsteuer angerechnet werden können. Man beantrage daher die noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus dem Jahr 2008 iHv 153.995,86 € auf die Körperschaftsteuer 2009 anzurechnen.
c. Dass für die Anrechnung von noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus Vorjahren eine konkrete inländische Rechtsnorm fehle, sei nicht schädlich. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern erfolge aufgrund des zwischenstaatlichen Rechts bzw aufgrund des § 48 BAO. Die Berücksichtigung ausländischer Quellensteuern in den Folgejahren ergebe sich primär aus dem Abkommensrecht. Zusätzlich ergebe sich ein Anrechnungsvortrag auch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen.
d. Es entspreche der herrschenden Ansicht, dass DBA abkommensautonom auszulegen seien. Das Ziel der DBA bestehe darin, eine doppelte bzw überhöhte Besteuerung aufgrund der mehrfachen Erfassung der Einkünfte zu vermeiden. Die Anrechnung "auf die vom Einkommen zu erhebende Steuer" könne nach Sinn und Zweck der DBA nur in Richtung der Anerkennung eines Anrechnungsvortrages ausgelegt werden. Jedwede anderweitige Auslegung müsse ein geradezu sinnwidriges Ergebnis zur Folge haben, da die gegenteilige Wirkung - nämlich eine Doppelbesteuerung - eintrete und der Abkommensschutz nicht zur Anwendung käme. Das Totalergebnis im Sinne einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung und im Sinne der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dürfe nicht mehr und nicht weniger als einfach erfasst werden. Darüberhinaus habe der VwGH im Erkenntnis vom , 99/14/0217, festgehalten, dass die Anrechnungsmethode im Ergebnis eine periodenübergreifende Wirkung habe. Dieses Ergebnis werde auch durch die jüngste Entwicklung auf Ebene der OECD als "DBA-Rechtsetzer" unterstützt, wonach Vorschriften zur Beseitigung der Doppelbesteuerung periodenübergreifend anzuwenden seien und diesbezüglich keine zeitlichen Beschränkungen bestünden.
e. Zum gleichen Ergebnis komme man auch durch die vom VwGH im Erkenntnis vom , 99/14/0099, entwickelte gleichheitskonforme Auslegung im DBA-Recht. Aus Art 23 B Abs 1 OECD-MA sei im Sinne einer gleichheitskonformen Interpretation ein Anrechnungsvortrag abzuleiten. Festzuhalten sei auch, dass Art 23 B Abs 1 OECD-MA den zeitlichen Aspekt der Anrechnung gar nicht behandle und Ziel und Zweck der DBA die Beseitigung der Doppelbesteuerung sei, da andernfalls der Abkommensschutz ins Leere laufe.
f. Im gegenständlichen Fall sei die Verlustsituation im Jahr 2008 der entscheidende Faktor. Im Jahr 2008 seien die ausländischen Erträge in die steuerliche Bemessungsgrundlage im Inland miteinbezogen worden und kürzten damit den Verlust bzw den Verlustvortrag. In den Folgejahren - nämlich in Jahren mit positivem Einkommen - ergebe sich daher eine höhere Bemessungsgrundlage und infolgedessen eine höhere Körperschaftsteuer, während die anzurechnenden ausländischen Quellensteuern nachträglich nicht mehr anrechenbar seien. Damit komme es zu einer nicht gewünschten Doppelbesteuerung, die mit der Anrechnungsmethode gerade vermieden werden solle. Diese Nachteile könnten nur dann ausgeglichen werden, wenn ein Anrechnungsvortrag zur Anwendung komme.
g. Zusammenfassend sei zu sagen, dass aus verfassungsrechtlichen und DBA-rechtlichen Überlegungen ein Anrechnungsvortrag vorzunehmen sei und daher die verbliebenen noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus dem Jahr 2008 iHv 153.995,86 € auf die Körperschaftsteuer 2009 anzurechnen seien.
3. Die "anrechenbaren Quellensteuern" bestehen laut Beilage zur KÖSt-Erklärung 2008 im Wesentlichen aus italienischen Wertpapierzinsen (109.807,40 €) und slowenischen Kreditzinsen (39.189,67 €), sowie in geringerem Umfang aus Dividenden und Zinsen aus verschiedenen Ländern (USA, Deutschland, Belgien, Holland usw.).
4. Am wurde die Berufung betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2009 und Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2009 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Strittig ist im gegenständlichen Fall ausschließlich die Frage, ob Quellensteuern aus dem Jahr 2008, nämlich Zinsen und Dividenden betreffend, die im gleichen Jahr aufgrund eines Verlustes nicht anrechenbar waren, im Jahre 2009 auf die Körperschaftsteuer (durch Anrechnungsvortrag) anrechenbar sind.
Eine innerstaatliche Rechtsvorschrift liegt nicht vor, der zwingend eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern im Gefolge von Verlustjahren zu entnehmen wäre. Nach den Gewinnermittlungsvorschriften sind Anrechnungen in jenen Zeiträumen vorzunehmen, in denen die ausländischen Einkünfte erzielt wurden (s mit weiteren Nachweisen auch ).
2. Nach bisheriger Rspr des VwGH und Verwaltungspraxis des BMF wird ein Anrechnungsvortrag in Bezug auf Quellensteuern abgelehnt.
Der VwGH stellt in ständiger Rspr fest, dass zwar der Zweck von DBA die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist, es aber in der Hand der Abkommensparteien liegt, bis zu welchem Ausmaß sie das Ziel verwirklichen wollen ( zu Lizenzeinkünften; ebenso ). Eine Anrechnung hat bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer desjenigen Jahres zu erfolgen, in welchem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Zinseinkünfte steuerlich erfasst worden sind ( zu Zinseinkünften). Der VwGH hat sich bei dieser Rspr nicht nur auf bestimmte Wortfolgen einzelner DBA bezogen, sondern ganz allgemein den Anrechnungsvortrag verneint, weil ein solcher aus Art 23 OECD-MA nicht ableitbar ist (siehe dazu auch ).
In EAS 2021 vom wird (zu kanadischen Lizenzgebühren) ausgeführt, ein Anrechnungsvortrag könne nicht von der Abgabenverwaltung durch Nichtbeachtung eines klaren und eindeutigen Wortlautes der auf Gesetzesstufe stehenden DBA herbeigeführt werden (ebenso EAS 2591 vom zu Zinsquellensteuern nach dem DBA Kroatien). Nach Loukota muss in Verlustfällen kein Anrechnungsvortrag gewährt werden, dies ergibt sich aus Art 23 OECD-MA, wonach der anzurechnende Betrag den Teil der vor der Anrechnung zu ermittelnden Steuer nicht übersteigen darf, der auf die aus dem anderen Staat bezogenen Einkünfte entfällt. Das hat zur Folge, dass dem Abkommensrecht keine Pflicht für einen Anrechnungsvortrag betreffend die Quellensteuer zu entnehmen ist. Auch die übrigen EU-Staaten leiten aus den DBA keine Verpflichtung zum Anrechnungsvortrag ab (SWI 2006, 250).
3. Gegenteilige Auffassungen der Lehre stützen sich auf (1) die Zielsetzung der DBA, bei grenzüberschreitenden Konstellationen dieselbe Besteuerung anzustreben, wie bei innerstaatlichen Sachverhalten und (2) das Erfordernis einer abkommensautonomen Auslegung (zB Gassner, ; Kühbacher, SWI 9/2008, 387).
Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen ergeben sich offenkundig daraus, dass Teile der Lehre die DBA autonom (aus sich heraus) auslegen (s zB Schuch, Verluste im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 163 ff.; Gassner, ), während dagegen andere Teile der Lehre und die Finanzverwaltung (abgeleitet aus Art 3 Abs 2 OECD-MA) die Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts (soweit sich das DBA verschweigt) bei der Auslegung betonen (so zB Loukota, SWI 2001, 203; landesrechtliche Theorie).
Die Lehre vertritt im ersten Fall die Auffassung, dass der Ausdruck "auf die vom Einkommen zu erhebende Steuer" in einer Weise verstanden werden muss, dass "der Abkommensschutz nicht ins Leere läuft" (Gassner, ; Schuch SWI 1999, 469) und die Steuer erst in jenem Zeitraum zu erheben ist, in welchem kein Verlustvortrag mehr zur Verfügung steht, weil Art 23 OECD-MA keine zeitliche Schranke enthält (Nowotny, SWI 1999, 388). Sie kommt auf diese Weise zum Anrechnungsvortrag bei Quellensteuern.
Der BFH nimmt bezüglich der strittigen Frage der Auslegung von Art 23 OECD-MA an, dass innerstaatliches Recht und Recht der DBA zwei Rechtskreise bilden und diese dabei jeweils ihre eigenen Begriffsbestimmungen haben (Sinzger, Die Anwendung des Art 23 OECD-MA, 2006, mit Verweis auf BFH , BStBl II 1971, 379; BFH , BStBl II 1973, 810). Allgemeine Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts können nur herangezogen werden, wenn sie im DBA erwähnt sind. Nach dem BFH ist eine bestimmte Reihenfolge bei der Auslegung einzuhalten, nämlich zuerst Auslegung nach "Wortlaut und Definition des Abkommens", "Sinnzusammenhang und Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens" sowie "Begriffsbestimmung des innerstaatlichen Rechts".
Ungeachtet der Frage nach der Art der Auslegung der DBA ist auch auf das innerstaatliche Recht Bezug zu nehmen, dieses bildet eine Schranke in bestimmten Bereichen (Sinzger, aaO, Pkt 2.1.1.). Gelingt zudem die autonome Auslegung nicht, besteht ein "non liquet" und der Mitgliedstaat kann gemäß Art 3 Abs 2 OECD-MA die Bestimmung nach seinem nationalen Recht auslegen, "wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert". Damit wird auch eine unterschiedliche Auslegung der Vertragsstaaten in Kauf genommen (Sinzger, aaO, Pkt 2.1.2).
Letztlich ist die Interpretation von Art 23 OECD-MA aus dem Kontext heraus vorzunehmen, unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Abkommens. Ziel ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch einheitliche Abkommensinterpretation (Sinzger, aaO, Pkt 2.1.2. mit Verweis auf Art 31 ff WÜRV). Damit reduziert sich die Frage nach dem Anrechnungsvortrag auf die Untersuchung, ob ein solcher Anrechnungsvortrag von den Vertragsstaaten gewollt und in den DBA geregelt ist. Die Lehre leitet ihre Schlüsse, wonach der Anrechnungsvortrag bereits dem Ziel der DBA entnehmbar ist, daraus ab, dass der Abkommensschutz in der Vermeidung der Doppelbesteuerung liegt, die der Nichtanwendung des Anrechnungsvortrages entspringt. Sie setzt damit das in den DBA schon voraus, was sie erst dort zu finden hofft (und gerät damit in einen selbstverschuldeten Zirkelschluss). Es liegt nämlich in der Privatautonomie der Mitgliedstaaten, welche Sachverhalte in den DBA geregelt werden und in welchem Ausmaß Doppelbesteuerungen, die sich aus den verschiedensten Gestaltungen ergeben können, tatsächlich ausgeschlossen werden sollen. Den vertragschließenden Staaten kann nicht von vorneherein unterstellt werden, dass alle Doppelbesteuerungen im jeweiligen DBA definitiv ausgeschlossen werden. Der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten wendet daher das Instrument des Anrechnungsvortrages bei Quellensteuern auch nicht an. Diejenigen Staaten, die einen Anrechnungsvortrag zulassen, tun dies ohne Bezug auf die DBA hilfsweise mit innerstaatlichen (verfahrensrechtlichen) Mitteln. So hat auch Österreich - allerdings nur kurzfristig gestützt auf § 48 BAO - einen Anrechnungsvortrag zugelassen. Gerade die Tatsache, dass sich die Mitgliedstaaten in diesen Fällen nicht auf die DBA (und deren Auslegung) stützen, legt nahe, dass ein Anrechnungsvortrag den Abkommen auch nicht inhärent ist.
Aus der allgemein den DBA zugrundeliegenden Absicht der Vermeidung von Doppelbesteuerungen kann für die Auslegung im speziellen Fall so gerade nichts gewonnen werden.
Das ergibt sich auch aus jenen Zweifelsregelungen, die im Musterkommentar (OECD-MK) dezidiert aufgezählt werden und deren Anführung sinnlos wäre, wenn Doppelbesteuerungen durch bloße Auslegung der DBA vermieden werden könnten. In der Kommentierung der OECD zu Art. 23 B findet sich in Rz 66 (Grundwerk/September 2004, Seite 18, Schmidt, Chr. Blöchle) folgender Passus: " Die erwähnten Probleme werden weitgehend vom innerstaatlichen Recht und der innerstaatlichen Verwaltungspraxis bestimmt und daher ist die Lösung jedem Staat überlassen. Bemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass einige Staaten bei der Anwendung der Anrechnungsmethode sehr großzügig verfahren. Manche Staaten erwägen auch die Möglichkeit des Übertrags nicht in Anspruch genommener Anrechnungsbeträge oder haben diesen Übertrag bereits zugelassen. Die Vertragsstaaten können selbstverständlich den Artikel in bilateralen Verhandlungen ändern, um jeglichem der erwähnten Probleme zu begegnen." Diesen (und den vorangehenden) Passagen der OECD-MK kann entnommen werden, dass sich der Übertrag von Anrechnungsbeträgen (dh ein Anrechnungsvortrag) eben nicht aus den DBA selbst ergibt, weil es andernfalls gesonderter Begünstigungsregelungen der einzelnen Staaten auf freiwilliger Basis (in Österreich zB gemäß § 48 BAO) nicht bedarf.
4. Eine gemeinschaftsrechtliche Anrechnungsverpflichtung von Quellensteuern aus Dividenden hat der verbundene Rs Haribo/Saline, C-436/08 und C-437/08 verneint. Ausgeschüttete Dividenden können Gegenstand einer rechtlichen Doppelbesteuerung sein, wenn sich beide Mitgliedstaaten dafür entscheiden, ihre Besteuerungsbefugnis auszuüben (Rn 168). Im Unionsrecht gibt es beim gegenwärtigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Union (Rn 170). Art 63 AEUV kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er einen Mitgliedstaat verpflichtet, in seinem Steuerrecht die Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat erhobenen Quellensteuer vorzusehen, um zu verhindern, dass eine rechtliche Doppelbesteuerung eintritt (Rn 170).
Damit ist ein Anrechnungsvortrag für Quellensteuern aus Dividenden gemeinschaftsrechtlich nicht geboten. Der UFS kann auch nicht erkennen, dass für Quellensteuern aus anderen Quellen - also zB Zinsen oder Lizenzgebühren - etwas anderes gelten soll.
5. Zusammengefasst ist daher festzuhalten:
a. Auf eine innerstaatliche Norm, die verpflichtend eine Anrechnung in Folgejahren regeln würde, kann sich die Bw. nicht stützen. Nach innerstaatlichem Recht ist die Anrechnung im (Wirtschafts)Jahr der Einkünfteerzielung vorzunehmen. Vereinzelte freiwillige Maßnahmen der Finanzverwaltung nach § 48 BAO (die im übrigen nach derzeitigem Rechtsstand bezüglich des Anrechnungsvortrages ausgesetzt sind) ändern daran nichts.
b. Nach den vorangehenden Ausführungen kann den DBA im Auslegungsweg kein Ansatz für einen Anrechnungsvortrag bei Quellensteuern entnommen werden. Zwar dienen DBA unbestritten der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass der Text eines DBA jede Doppelbesteuerung generell unmöglich macht. Tatsächlich dienen DBA nicht generell der Vermeidung jeder Doppelbesteuerung, sondern nur jener, die vereinbart ist.
c. Mit und 437/08, Rs Haribo/Saline ist klargestellt, dass für Quellensteuern von Dividenden ein Anrechnungsvortrag unionsrechtlich nicht notwendig ist. Das gilt nach Ansicht des UFS auch für Quellensteuern anderer Einkunftsquellen (zB für Zinsen), zumal es in der Hand der Mitgliedstaaten liegt, Regelungen zur Vermeidung solcher Doppelbesteuerungen zu entwickeln. Das Unionsrecht kennt bei seinem gegenwärtigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung (C-436/08, Rn 170). Aus dem Verweis im bezeichneten Urteil in Rn 169, die parallele Ausübung der Besteuerungsbefugnis dürfe nicht diskriminierend sein (mit Querverweis auf ), ist für die Argumentation der Bw. nichts zu gewinnen: In der genannten Entscheidung geht es um die Ungleichbehandlung gebietsfremder zu gebietsansässigen Anteilseignern, die Dividenden einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, wobei das Investment Ersterer benachteiligt wird, was auch durch Verweis auf DBA-Regelungen nicht saniert werden kann. Diese Konstellation ist schon deshalb in keiner Weise mit dem gegenständlich zu beurteilenden Fall vergleichbar, weil bezüglich des Anrechnungsvortrages im gegenständlich zu entscheidenden Fall Gleichstand herrscht, dh jene Staaten die DBA abschließen, lassen jeder für sich einen Anrechnungsvortrag nicht zu. Es wird daher nicht ein Bürger eines Mitgliedstaates gegenüber dem Bürger eines anderen Mitgliedstaates diskriminiert. Vielmehr bleibt der Anrechnungsvortrag auch in den anderen Mitgliedstaaten verwehrt. Es liegt daher keine diskriminierende Ausübung von Besteuerungsbefugnissen im Sinne der Rspr EuGH C-487/08 vor.
d. Die Bw. kann sich daher mit ihrer Forderung auf Anerkennung eines Anrechnungsvortrages weder auf unionsrechtliche Normen stützen, noch auf innerstaatliche Rspr (VwGH, UFS) oder die Auslegung der DBA. Spezifisch verfassungsrechtliche Fragen (dort wären Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Leistungsfähigkeit maßgebliche Kriterien) waren vom UFS nicht zu prüfen.
e. Die von Teilen der Lehre vorgebrachten Argumente konnten den Unabhängigen Finanzsenat nicht überzeugen; dieser geht vielmehr davon aus, dass ein Anrechnungsvortrag für Quellensteuern gesetzlich (innerstaatlich) oder mittels DBA geregelt werden müsste, damit er umsetzbar ist. Die von der Bw angeführten VwGH-Entscheidungen vom , 99/14/0099 und vom , 99/14/0217 betreffen völlig andere Sachverhalte (ausländische Anleihen und Kredite bzw Auslandsverluste) und tragen zum gegenständlich zu entscheidenden Berufungsvorbringen nichts bei.
f. Dass in den die Bw betreffenden DBA ein Anrechnungsvortrag ausdrücklich geregelt ist, hat die Bw nicht vorgebracht und ist den DBA auch nicht zu entnehmen.
Die Berufung war aus den bezeichneten Gründen abzuweisen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 22 DBA USA (E), Doppelbesteuerungsabkommen Vereinigte Staaten von Amerika (Einkommensteuer - Steuerumgehung), BGBl. III Nr. 6/1998 Art. 23 DBA B (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Belgien (Einkommen-, Vermögens-, Gewerbe- u. Grundsteuer), BGBl. Nr. 415/1973 Art. 24 DBA NL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Niederlande (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 191/1971 § 48 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Anrechnungsvortrag Quellensteuer Verlustjahr |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at