Wiederaufnahme und Verjährung, kein Antragsrecht auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ: |
---|
RV/0080-S/09 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Schatzl und die weiteren Mitglieder Dr. Daniela Obauer, Dr. Walter Zisler und Dr. Othmar Sommerauer über die Berufung des BWAdresse, vertreten durch die Treuhand Salzburg GmbH, 5020 Salzburg, Kleßheimer Allee 47, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989 sowie die Berufung vom gegen die Zurückweisung des Antrages vom auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO in der am durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom beantragte der Berufungswerber "die Wiederaufnahme des gemäß § 295 abgeänderten Einkommensteuerbescheides 1989 vom ".
Als einzigen Wiederaufnahmegrund führte er an, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO der A AG als RNF der B GmbH und Mitgesellschafter vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und dieser somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid ().
Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten.
Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom geteilt.
Weiters wies der Berufungswerber darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führe.
Der Berufungswerber wies selbst darauf hin, dass der strittige Feststellungsbescheid vom zuerst mit Berufung und dann am mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden sei. Diese Beschwerde sei mit Beschluss zurückgewiesen worden ().
Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 mit einen Bescheid erlassen, mit dem es die diesbezügliche Berufung vom mangels gültigem Bescheidadressaten als unzulässig zurückgewiesen habe.
Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gemäß § 295 BAO sei auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.
Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom zurück und begründete dies damit, der Abgabenanspruch sei gemäß § 209 Abs. 3 BAO absolut verjährt. Der Antrag sei daher verspätet eingebracht worden.
In der Berufung vom bestritt der Berufungswerber diese Tatsache.
Er stützte sich darauf, am sei eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung zur B GmbH und Mitgesellschafter abgegeben worden, über die am erklärungsgemäß abgesprochen worden sei.
Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbenen Personen angeführt worden.
Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem (Erst)Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Damit sei gemäß § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten.
In diesem Schriftsatz führte der BW letztlich noch aus, dass aufgrund der nichtigen Feststellungsbescheide seit dem Jahr 1991 die Behörde verpflichtet wäre einen neuen (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheid zu erlassen. Daher beantrage der BW nun ausdrücklich einen abgeleiteten Bescheid zu erlassen, der den Rechtszustand herstelle, der vor der Erlassung des rechtswidrigen, abgeleiteten Bescheides bestanden habe.
Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, da dieser Antrag außerhalb der gesetzlichen Fristen und damit verspätet erfolgt sei.
Den Antrag des BW auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides wies das FA zurück, da es kein Antragsrecht des Steuerpflichtigen auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gebe.
Darauf beantragte der BW durch seinen ausgewiesenen Vertreter bezüglich der Berufungsvorentscheidung und des Zurückweisungsbescheides beide vom binnen mehrfach verlängerter Rechtsmittelfrist den Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Soweit der (erstinstanzliche) Zurückweisungsbescheid vom betroffen war führte der BW aus, dass im gegenständlichen Verfahren nach § 295 BAO vorzugehen sei, denn auch die nachträgliche bescheidmäßige Erledigung, die zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides geführt hätte, sei in Wahrheit ein Nichtbescheid gewesen, was einer Aufhebung des Grundlagenbescheides gleichzusetzen sei. Es könne nicht sein, dass der von einem Nichtbescheid abgeleitete Einkommensteuerbescheid zwar rechtswidrig ergangen sei, dann aber nicht nach § 295 BAO aufzuheben sei. In verfassungskonformer Interpretation könne daher § 295 BAO nur so ausgelegt werden, dass diese Bestimmung auch im gegenständlichen Fall anzuwenden sei.
Das FA legte diesen als Berufung zu wertenden Antrag des BW ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem UFS zur Entscheidung vor.
Der UFS hat dazu erwogen:
Die Entscheidung basiert auf dem nachstehend dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt, der sich aus den Akten des FA, dem Vorbringen des BW sowie den Akten des UFS ergibt.
Zum Wiederaufnahmenantrag des BW ist Folgendes auszuführen:
Der Berufungswerber beantragte die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1989. Unstrittig ist, dass der letzte Bescheid, der über diese Abgabe absprach, am erging, nicht bekämpft wurde und damit 1997 in Rechtskraft erwuchs.
Der einzige vorgebrachte Wiederaufnahmegrund liegt in der Feststellung des Finanzamtes Wien 6/7/15, das mit Bescheid vom aussprach, dass der Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom der "B GmbH und Mitgesellschafter mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Dieser Ausspruch des Finanzamtes wurde nicht näher begründet.
Der Berufungswerber führte aus, dass die Qualifizierung dieses Grundlagenbescheides als Nichtbescheid eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO darstelle und als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren sei.
Dieser Bescheid erging - wie vom Berufungswerber selbst dargestellt - offenbar als Reaktion auf den . Mit diesem sprach das Höchstgericht zur Adressierung der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/130-16/09/98 aus, dass diese Erledigung deshalb kein Bescheid sei, weil sie sich unter anderem an nicht mehr existierende Personen gerichtet habe.
Der VwGH wies in seiner Begründung aber auch auf die Tatsache hin, dass die Beschwerdeführer selbst auch die mangelnde Bescheidqualität der erstinstanzlichen Erledigungen gerügt hätten.
Die vom Berufungswerber selbst zitierte Beschwerde (VwGH Zl. 2002/13/0224) wurde von insgesamt 964 Beschwerdeführern eingebracht. Der Berufungswerber scheint darin als Beschwerdeführer Nr. XXX auf.
Dieses Schriftstück wurde am beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Auf den Seiten 27 bis 31 dieser Eingabe wird ausführlich dargestellt, dass unter anderem der Feststellungsbescheid 1989 vom falsch adressiert gewesen sei. So weist etwa der zusammenfassende Punkt 1.4.1 unter der Überschrift "Nicht-Bescheide 1997" die folgende Textierung auf:
Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht erfüllt sind.
Damit bestehen keine Zweifel daran, dass das Finanzamt mit der nunmehrigen Zurückweisung vom nur einen Mangel bestätigte, der dem Berufungswerber selbst (bzw. dessen Berater) schon spätestens im Dezember 2002 bekannt und bewusst gewesen ist.
In der Zwischenzeit erging ein weiterer mit datierter Bescheid, in dem der Ausspruch des am erlassenen Schriftstückes wiederholt wurde, dass es sich beim Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe. Dieser neuerliche Ausspruch wurde zusätzlich mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 4 BAO versehen, der im ersten Bescheid nicht enthalten war.
In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen, dass gemäß § 303 Abs. 2 BAO der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen ist.
Diese Frist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen. Sie ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf ). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (vgl. ).
Ein verspäteter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen ().
Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Berufungswerber ausdrücklich darauf, dass die Qualifizierung des Grundlagenbescheides eine neu hervorgekommene Tatsache sei.
Dazu hat der VwGH in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa ) ausgesprochen, dass Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände seien. Dies seien Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta), kommen als tauglicher Wiederaufnahmegrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmegründe.
Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache (vgl. mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (vgl. ).
Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie vom Berufungswerber ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (vgl. ). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, da es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (nova producta) handelt.
Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom wurden vom Berufungswerber selbst am in einer VwGH-Beschwerde vorgebracht, bei der er selbst als Beschwerdeführer (Nr. XXX) einschritt. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber bzw. dessen Vertreter damit spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens datiert mit und wurde damit erst mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls außerhalb der 3-Monatsfrist und damit verspätet war. Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Finanzamt deshalb auch aus diesem Blickwinkel zu Recht zurückgewiesen.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) ...
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).
Gemäß § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Gemäß § 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein
a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, oder
b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides
eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liegt.
Damit ist zunächst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 nach den allgemeinen Regeln - unter Annahme der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sieben Jahre - bereits eingetreten wäre.
Dabei ist zu beachten, dass die absolute Verjährungsfrist auch die Frist des § 304 lit. a BAO begrenzt (vgl. Ritz, BAO³, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2). Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches im Sinne des § 4 BAO (absolute Verjährung).
Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Damit ist die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 1999 und somit jedenfalls vor dem Jahr 2007 eingetreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Frist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I 2004/57) von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, wäre sie selbst nach Maßgabe dieser längeren Frist mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten.
Der hier zu beurteilende Wiederaufnahmeantrag vom wurde damit nach Eintritt der absoluten Verjährung gestellt, was nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig ist.
Das Gesetz erachtet einen Wiederaufnahmeantrag trotz Eintrittes der absoluten Verjährung als zulässig, wenn dieser innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebracht wird. Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5).
Im gegenständlichen Fall ist es unbestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1989 vom bereits in diesem Jahr eingetreten und dass damit zusätzlich diese Fünfjahresfrist spätestens 2002 abgelaufen war.
Damit ist der Wiederaufnahmeantrag auch unter diesem Aspekt nicht mehr zulässig.
Der Berufungswerber wendete auch ein, Verjährung könne aufgrund des § 209a Abs. 2 BAO nicht eingetreten sein, weil der Einkommensteuerbescheid 1989 von der Erledigung eines Rechtsmittels gegen bzw. eines Antrages auf Erlassung des entsprechenden Feststellungsbescheides im Sinne des § 188 BAO abhängig sei.
Gemäß § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.
Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht gemäß § 209a Abs. 2 BAO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde.
Gemäß § 209a Abs. 3 BAO darf, sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden.
Es ist unbestritten, dass das Grundlagenverfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte Auswirkungen auf das Einkommensteuerverfahren 1989 haben kann. Trotzdem führt das nicht dazu, dass die Einkommensteuer 1989 nicht der Verjährung unterliegen würde, nur weil in Bezug auf die Feststellung der Einkünfte Verfahren offen sind.
Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 209a BAO ergibt sich nämlich eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht in die Verjährungs- oder Wiederaufnahmebestimmungen eingreifen wollte. Er wollte nur erlauben, dass eine Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen "trotz des Eintrittes der Verjährung" erfolgen kann.
Dazu zählt etwa der Fall, dass zum Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO eine Berufung oder ein entsprechender Antrag anhängig ist, woraus sich die mittelbare Abhängigkeit des Einkommensteuerverfahrens ergibt. Im Falle der späteren Entscheidung über diese Anbringen kann die Einkommensteuerfestsetzung trotz Eintritts der Verjährung bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen etwa gem. § 295 BAO angepasst werden (vgl. Ritz, BAO3, §209a Tz 6ff; Ellinger ua, BAO³, § 209a Anm. 10).
Da der hier zu beurteilende Wiederaufnahmeantrag bezüglich des Einkommensteuerverfahrens 1989 selbst jedenfalls nicht vor dem Eintritt der Verjährung eingebracht wurde, findet § 209a Abs. 2 BAO insofern hier aber keine Anwendung. Die im vom Berufungswerber zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, wird vom Unabhängigen Finanzsenat deshalb nicht geteilt. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (BGBl. I Nr. 97/2002; kurz UFSG) sind die Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben weisungsfrei. Aus diesem Grunde hat die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen, die nur die eben dargestellte Auslegung zulassen.
Die vom Finanzamt verfügte Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte deshalb im Ergebnis zu Recht. Der Antrag war unzulässig, weil bei dessen Einbringung sowohl die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO wie auch die Fristen des § 304 BAO bereits abgelaufen waren.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal erwähnt, dass vom Finanzamt Wien 6/7/15 anlässlich von Aktenrecherchen des Unabhängigen Finanzsenats Zweifel bezüglich der Wirksamkeit seines eigenen Zurückweisungsbescheides vom geäußert wurden. Diesem Schriftstück fehlte nämlich der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 BAO.
Diese Zweifel führten zur neuerlichen Erlassung eines solchen mit datierten Zurückweisungsbescheides, mit dem die Zustellungsfehler repariert werden sollten.
Damit kann hier festgehalten werden, dass der Bescheid, auf den sich der Wiederaufnahmeantrag stützte, an den Berufungswerber mangels ordnungsgemäßer Zustellung niemals wirksam ergangen ist und ihm gegenüber deshalb keine Wirkungen zu entfalten vermochte.
Aus der Tatsache, dass er sich trotzdem auf dessen Inhalt beruft, kann zwar darauf geschlossen werden, dass ihm sein Inhalt bekannt wurde, was allenfalls die Voraussetzungen des Neuerungstatbestandes erfüllen könnte. Wie oben bereits nachgewiesen wurde, war dies hier aber nicht der Fall, da der Berufungswerber bzw. dessen Vertreter diese Umstände zumindest seit der Beschwerdeführung beim Verwaltungsgerichtshof (Zl. 2002/13/0224) und damit schon lange vor Erlassung dieses Zurückweisungsbescheides gekannt hatte.
Damit war der Bescheid des Finanzamtes zu bestätigen und die Berufung als unbegründet abzuweisen. Mangels Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages war auf dessen Inhalt nicht weiter einzugehen.
Zur Berufung des BW gegen die Zurückweisung des Antrages auf Erlassung eines nach § 295 BAO abgeleiteten Einkommensteuerbescheides ist auszuführen, dass gemäß § 295 Abs. 1 BAO ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ... , von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen ist,...
§ 295 Abs.2 BAO sieht dies ebenso vor, da § 295 Abs.1 BAO sinngemäß anzuwenden ist, wie § 295 Abs. 3 BAO da nur eine weitere Möglichkeit im Rahmen der Regelungen des § 295 vorgesehen ist (arg. "auch ansonsten")
§ 295 BAO sieht also anders als andere Bestimmungen der BAO (zB § 201 oder § 299) kein Antragsrecht neben der Vorgehensweise von Amts wegen vor. Ein derartiges Antragsrecht ist auch unter dem Rechtsschutzaspekt entbehrlich, da § 295 BAO der Behörde keinen Ermessensspielraum einräumt und es bei dieser Ausgangssituation mit der Bestimmung des § 311 Abs.2 BAO ohnedies ein Rechtsmittel gibt, das einen Abgabepflichtigen vor der Untätigkeit des FA schützt, wenn dieses - trotz der entsprechenden Verpflichtung zum amtswegigen Tätigwerden nicht tätig wird. In der Unzulässigkeit des Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß ,§ 295 BAO liegt daher auch kein denkunmögliches Interpretationsergebnis.
Denkbar wäre nur, dass die Behörde (auf Anregung eines Abgabepflichtigen) eine amtswegige Maßnahme setzen würde. Dies liegt aber im gegenständlichen Verfahren nicht vor, das FA hat den vom BW gewünschten neuen Einkommensteuerbescheid für 1989 eben nicht erlassen.
Da ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme nicht zulässig ist, ist im Ergebnis dem FA darin zuzustimmen, dass dieser Antrag zurückzuweisen war. (Siehe auch , RV/0204-W/09 mwN) Auch diese Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at