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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.02.2012, RV/0184-W/12

Studienreise einer Richterin in den Oman

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmer-veranlagung) 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.), eine Richterin, beantragte in ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2008 u.a. Aufwendungen für eine Reise in den Oman als Werbungskosten.

Die beantragten Aufwendungen für diese Reise wurden seitens des Finanzamtes nicht als Werbungskosten anerkannt, weil das Reiseprogramm nicht die von der Judikatur entwickelten Kriterien für die Anerkennung von Studienreisen erfüllte.

Reiseprogramm in das Sultanat Oman vom 23.10.-


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Anreise
Muscat CityTour Abend: Empfang in der österreichischen Botschaft im Oman
9.00 Uhr: Supreme Court Al Khuwair 12.00 bis 16.00 Uhr: Royal Oman Police HQ in Qurum 16.00 Uhr: Fahrt zum Souq
9.00 Uhr: Attorney General Al Khuwair 12.00 Uhr: Administrative Court Fahrt Muscat City Center
9.00: Fahrt nach Nizwa (über Nakhl und Rustaq)
10.00 Uhr: Magistrate und Prosecutors im Justizgebäude Farg 12.30 Uhr: Royal Oman Police (Tanuf - Bahla - Jabrin - Nizwa)
Fahrt nach Muscat über Wahiba Sands und Wadi Bani Khalid
9.00 Uhr: Zusammenfassung der Besprechungsergebnisse 22.50 Uhr: Abflug
10.15 Uhr: Ankunft in Wien

Das Finanzamt anerkannte diese Aufwendungen unter anderem deshalb nicht, weil eine durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag auf Grund der gemachten Angaben nicht erreicht wurde. Die Arbeitszeit wurde wie folgt ermittelt:


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Datum
Arbeitszeit pro Tag / Stunden
Do.
Anreisetag
Fr.
2,00
Sa.
7,00
So.
7,00
Mo.
0,00
Di.
6,00
Mi.
0,00
Do.
2,00
Fr.
Abreisetag
Summe
24,00
Arbeitstage
5 Tage
Durchschnittliche Arbeitszeit/Tag
4,80

Zu dieser Berechnung wurde ergänzend ausgeführt, dass für den Botschaftsempfang am und für die Zusammenfassung der Besprechungsergebnisse am jeweils zwei Stunden Arbeitszeit angesetzt wurden.

Aufgrund dieses zeitmäßigen Ansatzes der beruflich veranlassten Programmpunkte kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass bei der neuntägigen Reise an fünf Arbeitstagen durchschnittlich pro Arbeitstag nur fünf Stunden mit beruflicher Tätigkeit ausgefüllt waren (d.h. nur drei volle Arbeitstage insgesamt). Daher ist nicht davon auszugehen, dass die allgemeinen Programmpunkte (Besuch von Sehenswürdigkeiten, Ausflüge) entscheidend in den Hintergrund getreten sind (Mischprogramm), sodass bei der Reise insgesamt von keiner beruflichen Veranlassung auszugehen ist.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bw. Berufung und begründete diese wie folgt:

Das Finanzamt gelangte zum Ergebnis, dass die Bw. bei der Arbeitsdienstzeit in den Oman aufgrund der angestellten Berechnungen eine durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag im Ausmaß von 4,8 Stunden absolviert hat, dies ausgehend von voller Arbeitszeit. Diese Berechnung ist aus diesem Grund unzutreffend, da die Bw. in ihrer beruflichen Tätigkeit als Richterin nur mit einer halben Auslastung beschäftigt ist. Aus diesem Grund wird beantragt, dass die gesamten Fortbildungs- und Reisekosten für die berufliche Fortbildung zur Gänze als Werbungskosten anerkannt werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im gegenständlichen Berufungsverfahren war die Frage strittig, ob die Kosten einer Studienreiseder Bw., einer Richterin, in den Oman als Werbungskosten im Zusammenhang mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen oder den Aufwendungen für private Lebensführung zuzurechnen sind.

Unstrittig ist, dass die verfahrensgegenständliche Reise von der Delegation der österreichischen Richter und Staatsanwälte veranstaltet wurde und nur Richter und Staatsanwälte teilnahmen.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind WerbungskostenAufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen ergibt sich somit zum einen aus der beruflichen Veranlassung. Sie ist dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufes, nämlich zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen im Rahmen der Einkunftsart getätigt werden. Die (nahezu) ausschließliche berufliche Veranlassung von Kongress-, Studien- und Geschäftsreisen ist durch Anlegen eines strengen Maßstabes festzustellen ().

Zum anderen dürfen die Ausgaben nicht als Kosten der Lebensführungim Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 zu qualifizieren sein.

Die wesentliche Aussage dieser zuletzt genannten Bestimmung ist die, dass gemischt veranlasste Aufwendungen, also Aufwendungen mit einer privaten und einer beruflichen Veranlassung, nicht abzugsfähig sind (sog. Aufteilungsverbot).

Der Zweck dieses Aufteilungsverbotes liegt im Interesse der Steuergerechtigkeit, zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und somit Aufwendungen der Lebensführung abzugsfähig machen kann (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, EStG 1988, § 20 Rz 10).

Aus dem Aufteilungsverbot folgt, dass typischerweise der Lebensführung dienende Aufwendungen selbst dann zur Gänze nicht abzugsfähig sind, wenn sie zum Teil auch beruflich verwendet werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt und eine genaue Unterscheidung vorgenommen werden ().

Zur steuerlichen Anerkennung von Studienreisen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (z.B. ; ; ) entschieden, dass Kosten einer Studienreise eines Steuerpflichtigen grundsätzlich Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 sind, es sei denn, es liegen folgende Voraussetzungen kumulativvor:

"Kosten einer In- oder Auslandsreise sind Aufwendungen für die Lebensführung, außer sie sind ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich veranlasst, was bei Vorliegen folgender Voraussetzungen der Fall ist:

1) Planung und Durchführung der Reise erfolgen entweder im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation oder sonst in einer Weise, die die zumindest weitaus überwiegende berufliche Bedingtheit einwandfrei erkennen lässt.

2) Die Reise muss nach Planung und Durchführung dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bieten, Kenntnisse zu erwerben, die eine einigermaßen konkrete Verwertung in seinem Beruf zulassen.

3) Das Reiseprogramm und seine Durchführung müssen derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt sein, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren.

4) Allgemein interessierende Programmpunkte dürfen zeitlich gesehen nicht mehr Raum als jenen einnehmen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Tätigkeiten verwendet wird. Dabei ist von einer durchschnittlichen Normalarbeitszeit von acht Stunden täglich auszugehen ()."

Planung und Durchführung der Reise

Festgestellt wird, dass die verfahrensgegenständliche Reise von der österreichischen Richterschaft und Staatsanwälten organisiert und durchgeführt wurde und auch nur Richter und Staatsanwälte an dieser Reise teilgenommen haben. Aus dem vorliegenden Programm ist jedoch weder eine lehrgangsmäßige Organisation noch eine überwiegende berufliche Bedingtheit einwandfrei erkennbar.

Erwerb von Kenntnissen, die eine konkrete Verwertung im Beruf zu lassen

Hinsichtlich der Möglichkeit zum Erwerb von Kenntnissen, die für den Beruf konkret verwertbar sind, ist auszuführen, dass Kosten für eine Auslandstudienreise nur dann als Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn sie der Berufsfortbildung bzw. -weiterbildung gedient haben. Um Fortbildung handelt es sich dann, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sei es auch in einer höher qualifizierten Stellung. Fortbildungskosten dienen dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden (Doralt, EStG9, § 16 Tz 203/2, nwN). Demzufolge fordert der VwGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Reise nach Planung und Durchführung dem Steuerpflichtigen die Möglichkeiten bieten muss, Kenntnisse zu erwerben, die eine einigermaßen konkrete berufliche Verwertung gestatten.

Die Bw war im Streitjahr als Richterin tätig, wobei sie in ihrem Berufsfeld nationales Recht anzuwenden hat. Zum typischen Berufsbild einer Richterin gehören die Information über die Aktenlage und des zugrunde liegenden Sachverhaltes, Leitung des Gerichtsprozesses, ... Es ist nicht erkennbar, dass für die richterliche Tätigkeit in Österreich Kenntnisse des osmanischen Rechtssystems (Scharia) von Bedeutung sind, weshalb aus der Sicht des Einkommensteuerrechts der Fortbildungscharakter zu verneinen ist. Aus dem vorgelegten Programm lässt sich ein Bezug zur Tätigkeit eines Richters oder Staatsanwaltes nicht erkennen, auch wenn dieses Wissen von Interesse sein kann. Dass für diese Richterreisen Sonderurlaub nach § 74 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz gewährt wird, hat im Einkommensteuerverfahren nur indiziellen Charakter, entfaltet jedoch keine Bindungswirkung.

Reiseprogramm

Im gegenständlichen Fall beinhaltet das Reiseprogramm einerseits Programmpunkte, die im beruflichen Kontext zur Tätigkeit eines Richters zu sehen sind (zum Beispiel der Besuch des Supreme Court oder Administrative Court), andererseits aber auch ein nicht unbeträchtliches Besichtigungsprogramm (zum Beispiel die Muscat City Tour, Fahrt zum Souq). Weiters weist es Programmpunkte auf, denen wohl ein offizieller Charakter zukommen mag, die aber nicht jeglicher Anziehungskraft auf andere Personen als Richter entbehren, sondern die auch für einen politisch oder wirtschaftlich allgemein interessierten Bildungsreisenden von Interesse sind (). Darunter fällt zum Beispiel der Empfang in der Botschaft.

Die Fahrt von Muscat nach Nizwa (Entfernung ca. 132 km), für die ein Tag veranschlagt wurde, führte zu den Forts in Nakhl und Rustaq. Auch diese Destinationen befinden sich in jedem touristischen Reiseprogramm in den Oman. Gleiches gilt für die Fahrt von Tanuf über Bahla und Jabrin nach Nizwa.

Ebenso erweckt die Fahrt durch die Wahiba Sands, eine Sandwüste mit hohen Dünen und durch das Wadi Bani Khalid, ein Tal mit spektakulären Berglandschaften ein besonderes Interesse bei weltoffenen, an Kultur und Geographie interessierten Personen. Alle typischen Touristenrouten für Omanreisende beinhalten Fahrten durch die Wüsten und Wadis.

Das Reiseprogramm ist derart gestaltet, dass diese Reise ebenfalls eine hohe Anziehungskraft auf andere Personen als Richter und Staatsanwälte ausübt. Es kommt nicht darauf an, ob im konkreten Fall die Teilnahme Dritter an der Studienreise zulässig gewesen wäre, sondern ob das Reiseprogramm auch für Dritte von touristischem Interesse gewesen wäre. Ob tatsächlich andere Personen an dieser Reise teilgenommen haben, ist nicht von Bedeutung.

Aufwendungen für eine Reise, deren Gestaltung ungeachtet ihrer fachspezifischen Ausrichtung auf die Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen für einen weltoffenen, vielseitig interessierten Teilnehmer auch außerhalb des beruflichen Tätigkeitsfeldes des Steuerpflichtigen nicht jede Anziehungskraft nimmt, sind jedoch den Aufwendungen der Lebensführung zuzurechnen ().

Abgrenzung zwischen allgemein interessierenden und beruflich bedingten Programmpunkten

Das Finanzamt ging im Bescheid bei der neuntägigen Reise von fünf Arbeitstagen, die mit einer beruflichen Tätigkeit ausgefüllt waren, mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von fünf Stunden pro Arbeitstag aus.

Hinsichtlich dieser vom Finanzamt vorgenommenen zeitlichen Einschätzung der beruflich bedingten Programmpunkte hat die Bw. nur insofern widersprochen, dass im gegenständlichen Fall nicht von einer Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag, sondern nur von vier Stunden auszugehen sei, da sie zum Zeitpunkt der Reise teilzeitbeschäftigt war.

Zunächst hat ein Steuerpflichtiger anhand des Reiseprogrammes nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, welche Tagesstunden an welchen Tagen beruflichen und privaten Zwecken gedient haben. Eine pauschale Angabe über Arbeitszeiten ist nicht ausreichend. Aus der Gesamtdauer der Arbeitszeit kann ein durchschnittlicher Wert pro Tag errechnet werden; dies ermöglicht den Ausgleich von Minderzeiten einzelner Tage durch Mehrzeiten anderer Tage.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist zur Prüfung des zeitlichen Überwiegens von einer durchschnittlichen Normalarbeitszeit von acht Stunden täglich auszugehen. Die Bw. wendet in ihrer Berufung ein, dass in ihrem Fall nicht von einer Arbeitszeit von acht Stunden auszugehen ist, sondern nur der Hälfte, da sie teilzeitbeschäftigt ist.

Für die Prüfung der beruflichen Veranlassung einer Studienreise ist - jedenfalls wie im gegenständlichen Fall bei Vollzeitbeschäftigten - typisierend von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von acht Stunden an Arbeitstagen auszugehen, unabhängig davon, in welchen Ausmaß ein Steuerpflichtiger beschäftigt ist. Diese Anschauung entspricht auch dem Gleichheitsgrundsatz, da gleichgelagerte Sachverhalte für alle Steuerpflichtigen gleich beurteilt werden. Entscheidend ist das zeitliche Ausmaß der allgemein interessierenden Programmpunkte zu jenen der ausschließlich beruflich veranlassten Aktivitäten (gemessen an der tatsächlichen Abwicklung der Reise).

Aus dem vorliegenden Programm ist eine eindeutige und einwandfreie Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Veranlassung an den einzelnen Reiseabschnitten nicht auszugehen.

Folglich liegt in diesem konkreten Fall eine Studienreise mit so genanntem "Mischprogramm" vor, weswegen diese Aufwendungen in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der in diesem Fall insgesamt von nichtabzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung ausgeht, nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at