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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 24.07.2007, RV/1642-W/06

Eine Berufung ist zurückzuweisen, wenn in ein und derselben Sache bereits einmal rechtskräftig entschieden worden ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., S., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Kinder L., Sch., K. und H. für den Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 entschieden:

Die Berufung betreffend den Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 wird zurückgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Am stellte Bw. einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Kinder H., L., Sch. und K.. Am 10. Aug, 2005 brachte sie nochmals ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die 4 Kinder ab ein. Diese Anträge wies das Finanzamt mit Bescheid vom für die Zeit von Oktober 2003 bis Juni 2005 mit der Begründung ab, dass Bw. und ihren Kindern Asyl gemäß § 7 AsylG in der mündlichen Verhandlung mit Wirksamkeit gewährt worden ist. Die Zustellung dieses Abweisungsbescheides vom wird im Schreiben vom , eingelangt bei Finanzamt Lilienfeld St. Pölten am , bestätigt. Dieser Abweisungsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am langte ein neuerlicher - nunmehr formloser - Antrag auf Familienbeihilfe für die Zeit ab Einreise bis ein. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt Lilienfeld St. Pölten als Berufung gewertet und in Folge wegen Fristversäumnis zurückgewiesen. Gegen den Zurückweisungsbescheid wurde berufen. Mit Berufungsentscheidung vom durch den unabhängigen Finanzsenat wurde der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben, da im gegenständlichen Fall keine Berufung vorgelegen sei, hätte auch kein Zurückweisungsbescheid wegen nicht fristgerechter Einbringung ergehen können. Damit war der Antrag vom wieder unerledigt.

Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die 4 Kinder von Oktober 2003 bis April 2004 abgewiesen; da bereits am ein Bescheid über den Zeitraum bis ergangen und dieser Bescheid bereits in Rechtskraft erwachsen sei, sei eine nochmalige Entscheidung über den - wenn gleich auch verkürzten - Zeitraum (Oktober 2003- April 2004) nicht mehr möglich.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde Berufung eingebracht.

Begründend wurde ausgeführt, am sei die Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in Kraft getreten. Daher sei für die Zeit des Aufenthaltes des Bw. in Österreich vor dem die alte Rechtslage anzuwenden und stehe dem Bw. die Familienbeihilfe im Zeitraum vom bis zu.

Zu der Begründung des Finanzamtes, dass über den beantragten Zeitraum bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei, brachte der Bw. vor, dass das Finanzamt verhalten gewesen wäre, den nicht richtigen Bescheid gemäß § 299 BAO aufzuheben und durch einen sachlich richtigen Bescheid zu ersetzen.

Das Finanzamt führte in der abweisenden Berufungsvorentscheidung - Gewährung von Familienbeihilfe für die Zeit Oktober 2003 bis April 2004 - abermals aus, dass im gegenständlichen Fall bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Mit einem rechtskräftigen Bescheid sei grundsätzlich die Wirkung verbunden, dass über den Gegenstand des Bescheids bildende Sache entschieden werde und dass der Abspruch über die Sache auch von der Behörde verbindlich, unwiederholbar, unwiderrufbar und unabänderbar sei. Entscheidend komme es darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt werde. Im gegenständlichen Fall sei Identität zwischen dem Abspruch der Sache und dem neuerlichen Antrag gegeben und könne daher keiner neuerlichen Entscheidung zugeführt werden.

Gegen eine Aufhebung gemäß § 299 BAO brachte das Finanzamt vor, da nach der Neuregelung des § 3 Abs.2 FLAG, BGBl I Nr. 142/2004 für die Gewährung der Familienbeihilfe das Datum des Asylbescheides maßgeblich sei, sei die Familienbeihilfe ab Asylgewährung laufend, nicht aber rückwirkend zu gewähren.

Gegen die Berufungsvorentscheidung brachte die Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein.

Die Bw. erweiterte den Antrag und beantragte die Gewährung der Familienbeihilfe für die Kinder L. , Sch., K. und H. für den Zeitraum Oktober 2003 bis Juni 2005.

Hinsichtlich des Zeitraumes Oktober 2003 bis April 2004 führte die Bw aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe (Flüchtlingseigenschaft) für diesen Zeitraum nach der damals geltenden Rechtslage vorgelegen seien und sie hätte daher den Anspruch auf Familienbeihilfe für den entsprechenden Zeitraum erworben, solange der Antrag innerhalb der § 10 Abs.3 FLAG normierten Frist von fünf Jahren gestellt werde.

Für den Zeitraum Mai 2004 bis Dezember 2004 sei die Flüchtlingseigenschaft gegeben, somit die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe.

Für die Zeit von 01/2005 bis 06/2005 verwies die Bw. auf Artikel 23 der Genfer Flüchtlingskonvention. Flüchtlinge im Sinne dieses Abkommens werde man nicht erst im Zeitpunkt der bescheidmäßigen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch die österreichische Asylbehörde, sondern im Zeitpunkt, in dem sich der Flüchtling aus wohlbegründeter Furcht aus den in der GFK angeführten Gründen außerhalb seines Heimatlandes befände.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat eine Berufung, die gegen einen von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassenen Bescheid eingebracht wurde zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist (§ 273 Abs 1 lit a BAO).

Eine Berufung ist unter anderem dann zurückzuweisen, wenn in ein und derselben Sache die Abgabenbehörde bereits einmal rechtskräftig entschieden hat (Grundsatz "ne bis in idem"). Der Grundsatz "ne bis in idem" besagt, dass eine Abgabenbehörde in ein und derselben Sache nicht zweimal entscheiden darf (Unwiederholbarkeit, Einmaligkeitswirkung). Dieser in der Bundesabgabenordnung nicht ausdrücklich verankerte Grundsatz, gehört aber zu den grundlegenden Pfeilern der Verfahrensordnung (siehe , ) und ist mit dem Begriff "Rechtskraftwirkung von Bescheiden" untrennbar verbunden. Die formelle Rechtskraft ist ausschließlich prozessualer Natur und bedeutet die Unanfechtbarkeit eines Bescheides im ordentlichen Rechtsmittelverfahren. Die materielle Rechtskraft eines Bescheides (sie setzt die formelle Rechtskraft des Bescheides voraus), steht der Erlassung weiterer Bescheide in derselben Sache entgegen, dh das Verbot des "ne bis in idem" ist eine Folge der materiellen Rechtskraft (siehe Bichler, "Ne bis in idem", Das Problem der Rechtskraft im Abgabenverfahren, ÖStZ 1995, 233).

Nach herrschender Lehre bedeutet materielle Rechtskraft im Verwaltungsverfahren die Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und die Verbindlichkeit von Bescheiden. Im Vordergrund dieser Lehre steht die mit Bescheiden verbundene Wirkung, dass diese nicht nur für die Partei unanfechtbar sind und dass über eine Sache ein für allemal entschieden ist, sondern dass der Abspruch über eine bestimmte Sache auch für die Behörden verbindlich, unwiederholbar, unwiderrufbar und unabänderbar ist. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich auf den bescheidmäßigen Willensakt der Behörde, also auf den Spruch des Bescheides, als den Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit auf Grund des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes und der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Rechtslage. Die Rechtskraftwirkung (damit das Wiederholungsverbot) bezieht sich somit auf den Gegenstand des Sachbegehrens beziehungsweise des Sachanspruches und erfasst folglich den (damit verknüpften) Inhalt und Entstehungsgrund des rechtskräftig festgelegten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses (vgl. 86/17/0202f).

Aus dem Wesen der materiellen Rechtskraft entwickelte sich die Lehre von der "Identität der Sache". Anbringen, die etwa auf Abänderung oder Aufhebung eines nicht mehr mit Berufung unterliegenden Bescheides gerichtet sind, sind (wenn dies vor allem im § 273 BAO auch anders gesagt ist als im § 68 Abs. 1 AVG) "wegen entschiedener Sache" zurückzuweisen. Ebenso wie gegenüber der Partei (aus der Rechtskraft heraus in Bezug auf die entschiedene Sache) Eingriff-, (Wiederholungs-) Schranken errichtet sind, bestehen solche auch gegenüber den Behörden. Eine neuerliche Entscheidung, eine Wiederholung, Abänderung wäre unzulässig und anfechtbar, wenn die Behörde in die Rechtskraft ohne ausdrückliche Ermächtigung, wie insbesondere die §§ 293 ff BAO dies vorsehen, eingreift (Stoll, BAO-Kommentar, Seite 944ff).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 3874/A) ist die Behörde nicht berechtigt, über einen Antrag eine Sachentscheidung zu fällen, wenn ein gleiches Ansuchen bereits einmal abgewiesen worden ist und seither keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes behauptet worden ist, mögen auch verschiedene Elemente des ursprünglich bestandenen Sachverhaltes nachträglich anders dargestellt werden bzw. erhoben worden sein. Identität der Sache im Sinne der Verfahrensordnung liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von den mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Parteibegehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (siehe ). Ist ein Bescheid unanfechtbar und unwiderrufbar geworden, so entfaltet er die Wirkung, dass die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann; diese Rechtswirkung wird Unwiederholbarkeit genannt (, , ).

Im gegenständlichen Verfahren hat das Finanzamt bereits am abweisend darüber entschieden, dass für die vier Kinder der Bw. für die Zeit Oktober 2003 bis Juni 2005 keine Familienbeihilfe zu gewähren sei. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen, somit unanfechtbar und unwiderrufbar, sodass die Abgabenbehörde in der durch diesen Bescheid erledigten "Sache" nicht neuerlich entscheiden kann."

Die Ausführungen der Berufungswerberin betreffen die bereits vom Finanzamt am entschiedene "Sache", nämlich dass die Berufungswerberin für den Zeitraum vom Oktober 2003 bis Juni 2005 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Die von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang gemachten Angaben unterscheiden sich lediglich dadurch, dass in einem weiteren Antrag die Familienbeihilfe nur für den Zeitraum vom Oktober 2003 bis April 2004 beantragt worden ist.

Dem unabhängigen Finanzsenat ist es, wegen des Vorliegens von einem formell und materiell rechtskräftigen und damit unanfechtbar und unwiderrufbar gewordenen Bescheid (Abweisungsbescheid vom ), verwehrt, in ein und derselben Sache, ob die Bw. einen Anspruch auf Familienbeihilfe für diesen Zeitraum hat oder nicht, nochmals zu entscheiden.

Die eingebrachte Berufung betreffend den Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 war in Anwendung des Grundsatzes von "ne bis in idem" daher zurückzuweisen.

Betreffend das Vorbringen im Vorlageantrag abermals für den Zeitraum Oktober 2003 bis Juni 2005 und nicht wie in der Berufung für den Zeitraum Oktober 2003 bis April 2004 die Familienbeihilfe zu beantragen, liegt für den Zeitraum Mai 2004 bis Juni 2005 ein neuer Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 3 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 7 AsylG, Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997
§ 273 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Familienbeihilfe
§ 7 AsylG
Flüchtlingseigenschaft
ne bis in idem
Zurückweisung
Unwiederholbarkeit

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at