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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 25.05.2009, RV/0419-W/09

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des RP, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des NS, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 3. und 11. Bezirk, Schwechat und Gerasdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den nunmehrigen Gemeinschuldner (Gs.) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH im Ausmaß von € 66.047,13 in Anspruch.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Gs. aus, dass er gemäß Firmenbuchauszug vom bis zum als Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Tatsächlich sei er Geschäftsführer bis zum gewesen.

Für die nicht entrichtete Umsatzsteuer für die Zeiträume 1-5/2001 sowie 10-12/2002 sei der Gs. nicht haftbar, da er zu diesen Zeitpunkten nicht Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei.

Die Begründung im angefochtenen Bescheid sei unrichtig, nicht substantiiert und nicht nachvollziehbar. Die erstinstanzliche Behörde zitiere lediglich ganz allgemein Gesetzesbestimmungen ohne einen konkreten Vorhalt, welche Umsatzsteuerbeträge aus welchen Rechtsgeschäften rechtskräftig gemeldet, veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden seien. Es handle sich hier offenbar bloß um vage Behauptungen des Finanzamtes, die durch keinerlei Beweismittel bzw. kein Zahlenmaterial belegt seien. Es sei nicht genau ausgeführt worden, welche Umsatzsteuerbeträge von der Gesellschaft nicht hätten bezahlt werden können. Der Inhalt des angefochtenen Bescheides sei daher einer Prüfung überhaupt nicht zugänglich, es würden einfach nur irgendwelche Beträge ohne genauen Hintergrund angeführt.

Von der A-GmbH seien vor ihrer Liquidation Liegenschaften nur gekauft worden, dies teilweise auch mit Umsatzsteuerpflicht gemäß einer Optierung im Sinne des § 6 Abs. 2 UStG. Die diesbezüglichen Umsatzsteuerbeträge aus den Kaufpreisen seien allerdings nicht an das Finanzamt, sondern an die jeweiligen Verkäufer abzuführen gewesen, was auch in jedem einzelnen Fall erfolgt sei. Inwieweit die Umsatzsteuer von den Verkäufern in der Folge an das Finanzamt abgeführt worden seien, entziehe sich der Kenntnis des Gs.

Vor und nach der Geschäftsführungsperiode des Gs. sei JG Geschäftsführer der A-GmbH gewesen. Erst nach Übernahme der Geschäftsführerfunktion von JG habe der Gs. festgestellt, dass die Gesellschaft entgegen den Zusicherungen von JG illiquide gewesen sei. Als Geschäftsführer der A-GmbH habe der Gs. ein Projekt in der Bergsteiggasse optimieren sollen. Verkäufe von Liegenschaften, welche zu Umsätzen geführt hätten, hätten in der Zeit von bis nicht stattgefunden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb Umsatzsteuerschuldigkeiten in dem im Haftungsbescheid ausgewiesenen Ausmaß offen aushaften könnten. Tatsächlich könne eine Aushaftung in diesem Umfang nicht bestanden haben, sodass auch keine Abfuhrverpflichtung des Gs. bestanden habe.

In der Zeit von bis hätten keine Verkäufe von Liegenschaften stattgefunden, sodass auch im Haftungszeitraum keine Einnahmen vorhanden gewesen wären. Mangels Vermögens habe die A-GmbH weder gegenüber der Finanz noch gegenüber anderen Gläubigern Zahlungen zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten leisten können. Aus diesem Grund habe die A-GmbH im Haftungszeitraum weder über ausreichende Mittel zur Entrichtung allfälliger Abgaben verfügt, noch wären allfällige Abgabenforderungen gegenüber anderen Forderungen benachteiligt gewesen, da die Gesellschaft im Haftungszeitraum illiquide gewesen sei und über keine Mittel verfügt habe.

Weiters sei festzuhalten, dass die steuerlichen Aktivitäten der Gesellschaft durch die Steuerberatungskanzlei R gemeinsam mit JG betreut worden seien. Es liege kein Verschulden des Gs. für eine allfällige Nichtabfuhr von Abgabenschuldigkeiten oder Verletzung von abgabenrechtlichen Verpflichtungen vor.

Der Konkurs über das Vermögen der A-GmbH sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 3/3 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die Gesellschaft sei aufgelöst und befinde sich im Liquidationsstadium, wobei JG der Liquidator sei. Es sei dem Gs. nicht bekannt, ob die Gesellschaft selbst die Abgabenverbindlichkeiten bezahlen könne. Aufgrund der vorliegenden Informationen sei die Gesellschaft vermögenslos und verfüge über kein pfändbares Vermögen.

Selbst wenn Umsatzsteuerverbindlichkeiten offen aushaften würden, hätte der Gs. eine entsprechende Abfuhr mangels vorhandener finanzieller Mittel in der A-GmbH nicht durchführen können und dürfen. Abgabenverbindlichkeiten seien vom Gs. im Verhältnis nicht schlechter behandelt worden als andere Verbindlichkeiten. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der Gs. den Straftatbestand der Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) verwirklicht hätte, hätte er die anderen Gläubiger durch Begleichung einer allfälligen Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes benachteiligt. Dies könne einem allfälligen Steuerschuldner jedoch nicht zugemutet werden.

Bereits mit Schreiben vom sei der Abgabenbehörde ein Vermögensverzeichnis des Gs. übermittelt worden. Aus diesem sei ersichtlich, dass sich die Verbindlichkeiten des Gs. auf rund € 1,385.000,00 beliefen. Der absolut notwendige Lebensunterhalt des Gs. werde aus seiner Angestelltentätigkeit für die Firma N-GmbH, für welche er ein monatliches Entgelt in Höhe von € 500,00 beziehe, bestritten. Es sei klar erkennbar, dass dieses Einkommen unter dem Existenzminimum gemäß § 291a EO liege. Aus dem Vermögensverzeichnis sei weiters ersichtlich, dass der Gs. über kein verwertbares Vermögen verfüge. Aus diesen Gründen wäre eine allfällige Abgabenschuld beim Gs. uneinbringlich. Das Ermessen sei in Hinblick auf die Uneinbringlichkeit der Forderung von der Behörde weder im Sinne noch im Zweck des Gesetzes entsprechender Weise ausgeübt worden, sodass ein Ermessensfehler bei der Entscheidung vorliege.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Berufungswerber rechtzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Gs. als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Abweisung des Konkurses mangels Vermögens mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 3/3 fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bezüglich des Einwandes, dass die Gesellschaft im Haftungszeitraum illiquide gewesen sei und über keine Mittel verfügt habe, ist zu bemerken, dass am Abgabekonto der Primärschuldnerin nach Ausscheiden des Gs. als Geschäftsführer ohnehin noch Guthaben (etwa € 5.337,92 am ) bestanden, sodass die Verletzung der Zahlungspflicht nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Laut Aktenlage wurden in der Zeit der Geschäftsführungsfunktion des Gs. entsprechend der Bestimmung des § 21 Abs. 1 UStG Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht. Zahlungen zur Entrichtung allfälliger Vorauszahlungen wurden in der Regel zwar nicht geleistet, sodass der Rückstand ab (Saldo 0,00 nach Rückzahlung eines Betrages von € 64.691,48) bis auf € 23.016,86 () anstieg, doch entstand bis durch Überschüsse aus den Umsatzsteuervoranmeldungen erneut ein Guthaben in Höhe von € 5.337,92, welches am mit einem Betrag von 5.337,92 zurückbezahlt wurde, sodass sich an diesem Tag erneut ein Saldo von € 0,00 ergab.

Hinsichtlich des Vorbringens, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb Umsatzsteuerschuldigkeiten in dem im Haftungsbescheid ausgewiesenen Ausmaß offen aushaften könnten, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass laut Begründung der Berufungsvorentscheidung die schuldhafte Pflichtverletzung in der Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen liege, mangels Unterlagen seien die Umsätze der Jahre 2001 und 2002 im Schätzungswege gemäß § 184 BAO ermittelt worden.

Laut Eingabe vom ersuchte der steuerliche Vertreter der A-GmbH nochmals, die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2001 bis zu erstrecken, da zur endgültigen Fertigstellung der Steuererklärungen noch immer einige Unterlagen bzw. Informationen fehlten. Anträge auf Fristverlängerung im Sinne des § 134 Abs. 2 BAO sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes () begrifflich nur innerhalb offener Frist möglich, daher ist im Hinblick auf die Übernahme der Geschäftsführungsfunktion bereits am durch JG davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2001 (und 2002) diesem oblag. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann somit ebenfalls dem Gs. nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Mit Bescheiden vom wurde die Umsatzsteuer für die Jahre 2001 und 2002 gemäß § 184 BAO mit € -93.021,23 anstatt € -107.232,38 und € 70.000,00 anstatt € 18.164,02 festgesetzt, sodass sich Nachforderungen in Höhe von € 14.211,15 und € 51.835,98 ergaben. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 94/14/0148) daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Der Umstand, daß die Umsatzsteuer für 2001 und 2002 in anderer als in den Voranmeldungen erklärter Höhe gemäß § 184 BAO festgesetzt wurde, lässt - gemessen am Inhalt des Abgabenbescheides - zwar nur den Schluss zu, dass die für diesen Zeitraum eingereichten Voranmeldungen unrichtig gewesen sein müssen, trägt aber zur Beantwortung der Frage, ob die objektive Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Gs. (nämlich unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben) subjektiv vorwerfbar ist, nichts bei. Mangels Feststellungen, wonach der Gs. im Zeitpunkt der Abgabe dieser Voranmeldungen bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen hätte erkennen können, kann dem Vorbringen, es liege kein Verschulden des Gs. für eine allfällige Nichtabfuhr von Abgabenschuldigkeiten oder Verletzung von abgabenrechtlichen Verpflichtungen vor, nicht entgegengetreten werden.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgt somit die Inanspruchnahme des Gs. als Haftungspflichtiger für Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH im Ausmaß von € 66.047,13 zu Unrecht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführer
Uneinbringlichkeit
schuldhafte Pflichtverletzung
Zahlungspflicht
Fristverlängerung
Abgabenbescheid
objektive Rechtswidrigkeit
subjektiv vorwerfbar

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at