Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 14.04.2010, RV/0550-I/09

Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages


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Miterledigte GZ:
RV/0551-I/09


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0550-I/09-RS1
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages sind im Abgabeverfahren des den Absetzbetrag beanspruchenden Steuerpflichtigen zu prüfen. Einwendungen betreffend die Höhe der Einkünfte des (Ehe)Partners sind ebenfalls in diesem Verfahren zu überprüfen. Es besteht keine Bindungswirkung an den Spruch des Einkommensteuerbescheides des (Ehe)Partners.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, vom bzw. gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck, vertreten durch Finanzanwalt, vom bzw. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2004 und 2005 entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Bw (Berufungswerberin), Mutter von zwei Kindern, hat anlässlich der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2004 und 2005 die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages beantragt. Die Veranlagung der Jahre 2004 und 2005 erfolgte zunächst erklärungsgemäß (Einkommensteuerbescheide vom bzw. vom ).

Nachdem die Einkünfte des (ehemaligen) Lebensgefährten (AB) der Bw wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungsweg mit 15.000 € für die Jahre 2004 und 2005 ermittelt worden sind, verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren und erließ mit Ausfertigungsdaten bzw. (neue) Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005. Der Alleinverdienerabsetzbetrag wurde der Bw in den neuen Einkommensteuerbescheiden nicht mehr gewährt.

In der gegen die Einkommensteuerbescheide vom bzw. fristgerecht erhobenen Berufungen vom bzw. wurde zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, der Lebensgefährte der Bw habe in den Streitjahren überhaupt kein Einkommen bezogen. Er sei starker Alkoholiker gewesen und sei keiner Arbeit nachgegangen. Die Bw habe den Haushalt und die Familie finanziert. Aus diesem Grund habe sie sich im Oktober 2008 von ihrem Lebensgefährten getrennt. AB habe keine Steuererklärungen eingereicht und gegen die Steuerbescheide auch nicht das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Die Bw habe über keine Vollmachten für derartige Schritte verfügt.

AB habe wahrscheinlich im Jahr 2000 eine GmbH gegründet, jedoch keine Einkünfte erzielt. Die Tätigkeit der Gesellschaft sei nach nur 1 1/2 Jahre beendet worden. Im Übrigen müssten zwischenzeitlich die ausständigen Steuererklärungen des (ehemaligen) Lebensgefährten der Bw nachgereicht worden sein.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom hinsichtlich der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 wurde am fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Einem Alleinverdiener steht der Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei zwei Kindern (§106 Abs.1) 699 Euro.

2.) Ein Alleinverdiener ist ua. ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind, der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Weitere Voraussetzung ist, dass der (Ehe)Partner Einkünfte von höchstens 2.200 € jährlich erzielt. Ist mindestens ein Kind vorhanden, erhöht sich die Einkunftsgrenze auf höchstens 6.000 € jährlich.

3.) Im Streitfall hat das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Lebensgefährten der Bw mit 15.000 € im Schätzungsweg ermittelt. Dem Veranlagungsakt von AB ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände das Finanzamt vom Vorliegen von jährlichen Einkünften von 15.000 € in den Jahren 2003 bis 2005 ausgegangen ist.

Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2004 und 2005 des AB enthalten lediglich die Begründung, wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen seien die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelt worden. Weiters wird auf die Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen. Der Betriebsprüfungsbericht vom enthält aber keine weiteren Feststellungen. Im Betriebsprüfungsbericht wird lediglich festgehalten, dass die Bemessungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelt worden seien, weil AB dem Ersuchen um Übermittlung von Unterlagen nicht nachgekommen sei,

Ziel einer jeden Schätzung muss aber sein, eine Schätzungsmethode zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. Ritz, BAO, Kommentar, 3. Auflage Anm.12 zu § 184 BAO und die dort angeführte Judikatur). Mangels hinreichender Sachverhaltsfeststellungen kann die Plausibilität der Schätzung der Einkünfte des AB aber gar nicht überprüft werden.

4.) Im Übrigen vertritt das Finanzamt die Ansicht (vgl. Berufungsvorentscheidung vom ), dass eine Änderung der angefochtenen Bescheide zugunsten der Bw erst nach einer (neuerlichen) Änderung der Einkommensteuerbescheide von AB möglich sei. Diese Rechtsansicht findet im Gesetz keine Deckung.

Bindungswirkung entfalten Feststellungsbescheide für andere Feststellungsbescheide, für Meßbescheide oder für Abgabenbescheide. Eine Bindung an Abgabenbescheide kann auch für eine hievon "abgeleitete" Abgabe bestehen. Dies gilt etwa für Verspätungszuschläge (§135), wo eine Bindung an die festgesetzte Stammabgabe besteht, und für Abgabenerhöhungen (vgl. Ritz, BAO; Kommentar, 3. überarbeitete Auflage, Anm. 1- 4 zu § 192 BAO und die dort angeführten Beispiele).

5.) Im Streitfall besteht jedoch keine Bindung an den Spruch der an AB gerichteten Einkommensteuerbescheide vom . Eine derartige Bindungswirkung wäre rechtstaatlich bedenklich, kommt doch der Bw im Einkommensteuerverfahren ihres (ehemaligen) Lebensgefährten keine Parteistellung zu. Auch fehlt der Bw im Abgabeverfahren ihres (ehemaligen) Lebenspartners die Befugnis zur Einbringung einer Berufung.

Die in den Berufungsschriften vom und erhobenen Einwendungen sind im Rechtsmittelverfahren der Bw zu klären. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Bw ist jedoch unterblieben.

6.) Das Finanzamt hat keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob der (ehemalige) Lebensgefährte der Bw in den Jahren 2004 und 2005 berufstätig war und welche berufliche Tätigkeit er über welchen Zeitraum überhaupt ausgeübt haben soll. Auch fehlen Sachverhaltsfeststellungen aus denen die Höhe der geschätzten Einkünfte (15.000 €) ableitbar wäre. Nicht festgestellt wurde, ob der (ehemalige) Lebensgefährte der Bw alkoholkrank war und aus diesem Grund keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte. Zum Einwand der Bw, dass die Familie in den Streitjahren ausschließlich von ihren Einkünften gelebt habe, wurden ebenfalls keine Feststellungen getroffen.

Das Fehlen beweismäßig untermauerter Sachverhaltsfeststellungen bedeutet aber, dass der Sachverhalt in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass AB in einem Schreiben vom dem Finanzamt mitgeteilt hat, dass er seit 2003 von den Einkünften seiner Lebensgefährtin gelebt habe. Feststellungen, aus denen hervorgeht, weshalb diesem Schreiben (offensichtlich) kein Glauben geschenkt wird, wurden vom Finanzamt ebenfalls nicht getroffen.

7.) Aufgabe des behördlichen Ermittlungsverfahrens ist es, "Vermutungen" durch Fakten solange zu erhärten, bis der Sachverhalt auf Grund schlüssiger Wertung dieser Fakten in freier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen werden kann (). Die Aufgabe, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind (§ 115 Abs. 1 BAO), kommt dabei in erster Linie der Abgabenbehörde erster Instanz zu. Zum einen hat diese eine Berufung erst "nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen" der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen (§ 276 Abs. 6 erster Satz BAO); zum anderen geht der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 279 Abs. 2 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur mehr darin bestehen soll, "notwendige Ergänzungen" des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen.

8.) Im Hinblick auf den Umfang der vorzunehmenden Verfahrensergänzungen war der Aufhebung der Vorrang vor der Vornahme zweitinstanzlicher Ermittlungen zu geben. Die Berufungsbehörde sieht sich deshalb dazu veranlasst, die angefochtenen Bescheide gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung und neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Für die Ausübung des Ermessens in Richtung Bescheidaufhebung sprechen darüber hinaus auch die Gründe der Verfahrensökonomie (Wahrung des Parteiengehörs im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens) und der Erhaltung des vollen Instanzenzuges für den Berufungswerber.

9.) Von der Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 284 Abs. 3 BAO iVm. § 284 Abs. 5 BAO abgesehen

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Anmerkung
abweichend UFS Graz, RV/0379-G/08 vom

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at