Keine Verpflichtung zum Kostenersatz bei irrtümlicher Pfändung einer nicht bestehenden Forderung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. K., nunmehr vertreten durch Masseverwalter Dr. M., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens entschieden:
Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Zur Hereinbringung eines vollstreckbaren Abgabenrückstandes in Höhe von 9.167,17 € zuzüglich der Kosten des Vollstreckungsverfahrens (95,57 €) verfügte das Finanzamt mit Bescheiden vom gegenüber der S-GmbH (Drittschuldnerin) die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung, nämlich die der Berufungswerberin (Bw.) als Abgabenschuldnerin gegenüber der S-GmbH angeblich zustehenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag, dem eine Ausfertigung des Pfändungsbescheides angeschlossen war, wurde der Bw. jede Verfügung über die gepfändete Forderung sowie die Einziehung der Forderung untersagt.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid schrieb das Finanzamt der Bw. für die Amtshandlung vom eine Pfändungsgebühr (91,67 €) zuzüglich eines Auslagenersatzes (3,90 €) vor. Laut Rückschein erfolgte die Zustellung am .
In der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Berufung wendete die Bw. ein, dass eine Pfändung im Sicherungsverfahren keine Pfändungsgebühr (samt Auslagenersätzen) auslöse. Die Pfändung vom hätte "problemlos mit einer früheren allenfalls auch späteren verbunden werden können". Durch die "zahlreichen getrennten Amtshandlungen immer wieder am gleichen Tag" seien unnötige Kosten aufgelaufen. Beantragt werde die Nichtfestsetzung der Pfändungsgebühr samt Auslagenersätzen.
Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen hatte, stellte der Rechtsvertreter der Bw. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag, der kein weiteres Sachvorbringen enthielt.
Mit Gerichtsbeschluss vom (...S....) wurde über das Vermögen der Bw. das Insolvenzverfahren eröffnet und der im Spruch genannte Masseverwalter bestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 lit. a der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) hat der Abgabenschuldner anlässlich einer Pfändung die Pfändungsgebühr im Ausmaß von 1 % vom einzubringenden Abgabenbetrag zu entrichten; wird jedoch an Stelle einer Pfändung lediglich Bargeld abgenommen, dann nur 1 % vom abgenommenen Geldbetrag. Das Mindestmaß dieser Gebühren beträgt 10 Euro.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind die im Abs. 1 genannten Gebühren auch dann zu entrichten, wenn die Amtshandlung erfolglos verlief oder nur deshalb unterblieb, weil der Abgabenschuldner die Schuld erst unmittelbar vor Beginn der Amtshandlung an den Vollstrecker bezahlt hat.
Gemäß § 26 Abs. 3 AbgEO hat der Abgabenschuldner außer den gemäß Abs. 1 zu entrichtenden Gebühren auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen zu ersetzen.
§ 26 Abs. 5 AbgEO bestimmt, dass Gebühren und Auslagenersätze mit Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig werden und gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden können; sie sind mit Bescheid festzusetzen, wenn sie nicht unmittelbar aus einem Verkaufserlös beglichen werden (§ 51).
Wie bereits erwähnt, pfändete das Finanzamt mit Bescheid vom eine angebliche Forderung der Bw. gegenüber der S-GmbH. Nach den Regelungen des § 65 AbgEO über die Forderungspfändung wurde mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an die Drittschuldnerin () die Pfändung bewirkt. Dieser Vollstreckungsakt stellt jene Amtshandlung dar, die der strittigen Gebührenvorschreibung zugrunde liegt.
Das Berufungsvorbringen, eine Pfändung im Sicherungsverfahren löse keine Pfändungsgebühr (samt Auslagenersätzen) aus, geht ins Leere, weil das Finanzamt keine sicherstellungsweise Pfändung im Sinn des § 78 AbgEO durchgeführt hat. Exekutionstitel für die Vollstreckung war nämlich nicht der Sicherungsbescheid vom , mit welchem die Sicherstellung der Lohnabgaben der Jahre 2006 bis 2009 in das Vermögen der Bw. angeordnet wurde, sondern der Rückstandsausweis vom , worin unter anderem vollstreckbare Abgabenschuldigkeiten betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum November 2011 bis Januar 2012 samt Nebenansprüchen ausgewiesen sind.
Die weiteren Ausführungen in der Berufung, mit welchen eine "unnötige" Kostenbelastung aufgrund einer behaupteten Häufung von ungerechtfertigten Vollstreckungsmaßnahmen ("immer wieder am selben Tag") behauptet wird, sind nach der Aktenlage ebenfalls nicht stichhaltig. Die Berufung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als berechtigt:
Grundsätzlich hat der Abgabepflichtige die mit Vollstreckungshandlungen verbundenen Kosten auch dann zu tragen, wenn die Amtshandlung erfolglos verlaufen ist (§ 26 Abs. 2 AbgEO). Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass jede im Vollstreckungsverfahren gesetzte Amtshandlung, mag sie auch von Anfang an aussichtslos sein, den Abgabepflichtigen zum Kostenersatz verpflichtet. Vielmehr ist bei der Entscheidung über die Kostenersatzpflicht zu prüfen, ob die von der Abgabenbehörde unternommene Vollstreckungshandlung überhaupt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente. Handlungen, die sich von vornherein als objektiv ungeeignet darstellen, begründen keine Kostenpflicht. Blieb eine Forderungspfändung deshalb erfolglos, weil die Vollstreckungsbehörde das Bestehen einer Forderung irrtümlich angenommen hat, entfällt die Kostenpflicht, es sei denn, der Abgabepflichtige hat den Irrtum selbst durch ausdrückliches oder auch nur konkludentes Handeln herbeigeführt (vgl. Liebeg, Abgabenexekutionsordnung Kommentar, § 26, Tz 6; ).
Im vorliegenden Streitfall wurde die S-GmbH mit Bescheid des Finanzamtes vom zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung aufgefordert (§ 70 Abs. 1 Z 1 AbgEO). Die Zustellung erfolgte zugleich mit dem Zahlungsverbot (). Weiters ist einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom zu entnehmen, dass die Drittschuldnerin eine (nicht bei den Akten befindliche) Drittschuldnererklärung vom abgegeben hat, mit welcher der Bestand der gepfändeten Forderung dem Grunde nach bestritten wurde.
In der Berufungsvorentscheidung wurde zwar die Feststellung getroffen, dass zur Hereinbringung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Bw. Forderungen gegenüber verschiedenen Drittschuldnern gepfändet worden seien, weshalb die Pfändungsgebühr für jede Vollstreckungshandlung zu entrichten sei. Der Berufungsvorentscheidung lassen sich allerdings keine Gründe entnehmen, welche das Finanzamt zur Annahme berechtigten, der Bw. stünde auch eine Forderung gegenüber der S-GmbH zu.
Da sich auch aus dem übrigen Akteninhalt keinerlei Hinweise auf das Bestehen einer solchen Forderung ergeben, ist davon auszugehen, dass die vom Finanzamt vermutete ("angebliche") Forderung der Bw. gegenüber der S-GmbH gar nicht bestand. Somit stellte die gegenüber der S-GmbH vorgenommene Amtshandlung von vornherein keine geeignete Vollstreckungsmaßnahme dar.
Da der Bw. aus den dargelegten Gründen zu Unrecht Gebühren und Auslagenersätze vorgeschrieben wurden, war der Berufung stattzugeben und der bekämpfte Bescheid aufzuheben.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 26 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at