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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 20.02.2012, RV/0179-F/10

Sachliche und persönliche Unbilligkeit bei Einhebung einer Erbschaftssteuerschuld

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch WTJ Steuerberatungs GmbH & Co KG, 6830 Rankweil, Bundesstraße 70, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Abweisung eines Antrags auf Gewährung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin brachte durch ihren steuerlichen Vertreter Berufung gegen einen Bescheid ein, mit dem ihr Ansuchen vom um Nachsicht einer Erbschaftssteuerschuld abgewiesen worden war.

In der daraufhin ergehenden abweisenden Berufungsvorentscheidung verzeichnete das Finanzamt vorerst die bisher auf die Abgabenschuld geleisteten Zahlungen: 107,01 €, 83,44 €, 54,21 € und 2.700,00 € (Anm.: letzterer Betrag wurde am einbezahlt).

Im Weiteren wurde seitens des Finanzamtes ausgeführt, eine Nachsicht gemäß § 236 BAO käme dann in Betracht, wenn die Einhebung nach Lage des Falle unbillig wäre. Hiebei treffe den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Die Unbilligkeit der Einhebung könne eine sachliche oder eine persönliche sein. Im Streitfall erscheine die Festsetzung und Einhebung von Erbschaftssteuer nicht sachlich unbillig. Die Berufungswerberin habe anteilig eine Liegenschaft, eine Bibliothek und ein Archiv geerbt. Dass das Haus unter Denkmalschutz stehe und Bibliothek und Archiv der Stadt F gegen Übernahme der Erhaltungskosten überlassen worden wären, ändere nichts an der Verwirklichung des erbschaftssteuerlich relevanten Tatbestandes. Die Liegenschaft sei zudem pfandrechtlich unbelastet, der Erbschaftssteuerbescheid in Rechtskraft erwachsen. Von einer sachlichen Unbilligkeit könne daher nicht gesprochen werden.

Soweit eine persönliche Unbilligkeit zu prüfen sei, stelle das Finanzamt fest, dass die Berufungswerberin bereits die Hälfte des Erbschaftssteuerbetrages einbezahlt habe. Dieser Betrag sei durch Verkäufe von Bildern erwirtschaftet worden. Stelle man die laufenden Einnahmen der Berufungswerberin, die behindert sei und daher nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen könne, den Ausgaben gegenüber, so ergebe sich ein monatliches Plus von 600,00 €. Darin könne kein wirtschaftliches Missverhältnis zur Entrichtung einer Abgabenschuld in Höhe von 2.848,57 € erblickt werden, sei es auch unter Gewährung von Zahlungserleichterungen.

Es liege somit keinerlei Unbilligkeit vor und bestehe kein Raum für eine im Ermessen der Behörde liegende Nachsicht.

Dagegen brachte die Berufungswerberin durch ihren steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz ein und verwies auf die Ausführungen im Nachsichtsansuchen und in der Berufung. Betreffend den seitens des Finanzamtes festgestellten Monatsüberschuss von 600,00 € stellte sie klar, dieser beziehe sich auf sie selbst und ihre Schwester B und es seien dabei noch keine Abzüge für die private Lebensführung gemacht worden. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zum Erbschaftssteuerbescheid sei abgelehnt worden. Sie bitte daher, dem Nachsichtsansuchen, eingeschränkt auf den restlich auf dem Steuerkonto aushaftenden Betrag, zuzustimmen.

Als wesentlicher, das Nachsichtsansuchen stützender Einwand wurde vorgebracht: Bei Berechnung der ErbSt seien Beträge mitverrechnet worden, die sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise für die Berufungswerberin nicht finanziell niedergeschlagen hätten, so

  • sei der anteilige Liegenschaftsanteilserwerb durch eine fideikommissarische Substitution beschränkt ,

  • stehe das Gebäude unter Denkmalschutz,

  • seien Bibliothek und Archiv laut Abhandlungsprotokoll unentgeltlich der Stadt F überlassen worden, die sie erhalten, restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen werde.

Außerdem:

  • alle Gläubiger der Geschwister V hätten ihre Forderungen um 50% reduziert,

  • auch der Finanzbehörde sei der Hälfteanteil (Anm.: 2.700,00 €) überwiesen worden,

  • diese Beträge hätten lediglich durch Bilderverkäufe hereingebracht werden können,

  • Frau BV sei schwer behindert und habe nur eine kleine Pension,

  • Frau NV könne, gesundheitlich bedingt, nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen.

Die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates richtete in der Folge nachstehendes Ergänzungsersuchen an den Finanzanwalt:

"In Ihrer Berufungsvorentscheidung vom vertreten Sie die Argumentation, der Berufungswerberin verbleibe pro Monat ein Plus an Einnahmen von 600 €. Sie könne daher, wenn auch unter Inanspruchnahme allfälliger Zahlungserleichterungen, ihre Abgabenschuld an Erbschaftssteuer sehr wohl abtragen.

Hiezu hat der steuerliche Vertreter in seinem Vorlageantrag eingewendet, der Überschuss von rund 600 € beziehe sich auf beide Schwestern V ( N und B ). Auch sei die private Lebensführung noch nicht in Abzug gebracht worden. Sie haben in der Folge die Berufung dem UFS vorgelegt, ohne auf die Argumentation des steuerlichen Vertreters einzugehen!

Die Aufstellung, auf die sich der Steuerberater offenbar bezieht, befindet sich im Akt NV . Tatsächlich werden nach dieser die Einkünfte der beiden Schwestern (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit N , Pensionseinkünfte B , Einkünfte aus Vermietung beide) nicht persönlich zugeordneten Ausgaben für "Mobiler Hilfsdienst" und "Tagesbetreuung Haus X" gegenübergestellt. Als Ergebnis verbleibt ein Plus von 617,27 € pro Monat. Abzüge für Lebensmittel und Gebrauchsartikel, Medikamente, Wohnungsbetriebskosten, Bekleidung, Schuhe, Reparaturen etc. sind nicht ersichtlich.

Auch wenn eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung zu verneinen sein mag, ist für den UFS nach geschilderter Sachlage nicht hinlänglich klar, ob nicht eine persönliche Unbilligkeit vorliegt.

Bitte nehmen Sie daher binnen obiger Frist zum Ausgeführten Stellung. Teilen Sie der Referentin des UFS mit, ob Sie Kenntnis über Einkünfte und Vermögenswerte der Berufungswerberin besitzen, die aus den bisher dem UFS vorgelegten Unterlagen (siehe mitübersandtes Konvolut, auch zu BV ) nicht ersichtlich sind und reichen Sie die entsprechenden Nachweise ein".

In seinem Antwortschreiben erläuterte der Finanzamtsvertreter, der steuerliche Vertreter der Berufungswerberin habe betreffend die wirtschaftliche Lage nur Behauptungen aufgestellt, sei jedoch Nachweise schuldig geblieben. Was die "Ausgabe Mehrwertsteuer" angehe, sei zu bemerken, dass sich aus der Umsatzsteuererklärung für 2009 eine Inanspruchnahme der Befreiung für Kleinunternehmer ergebe. Stelle man die Einnahmen beider Schwestern V den bekanntgegebenen Ausgaben gegenüber, so lasse sich pro Monat eine Einnahmensumme von 2.009,00 € (= Einkommen N , Einkommen B , Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) sowie eine Ausgabensumme von 820,94 € (Mohi-Hilfsdienst, Mohi-Tagesbetreuung, Taxi) ermitteln, dh ein Saldo von 1.188,06 €. Jeder der Schwestern stünde somit ein Betrag von 594,03 € zur Verfügung. Hinweise auf weitere Ausgaben fehlten. Erst im Vorlageantrag sei auf nicht näher spezifizierte Lebenshaltungskosten hingewiesen worden.

Die Ausführungen des Finanzamtsvertreters wurden dem steuerlichen Vertreter seitens der Referentin des Unabhängigen Finanzsenates mit nachstehendem Ersuchen schriftlich zur Kenntnis gebracht:

"Bitte nehmen Sie binnen obenstehender Frist zur hier dargelegten Verantwortung des Finanzamtes Stellung. Verzeichnen Sie die monatlichen Lebenshaltungskosten der Berufungswerberin. In welchem Umfang ist die Bildersammlung noch vorhanden und welchen Wert verkörpert sie? Verfügt die Berufungswerberin neben dieser und ihrem Hausanteil über weitere Vermögenswerte?"

Der steuerliche Vertreter teilte mit, Frau NV befinde sich seit in Pension und verfüge über einen Monatsbezug von 444,89 €. Eine Umsatzsteuerbefreiung als Kleinunternehmer habe erst ab 2009 gegriffen. Eine Umsatzsteuerschuld von 290,70 € sei am entrichtet worden. Das "Steuerkonto der Vermietung" sei seither ausgeglichen. Die Stadt F habe den wesentlichen Teil der Bildersammlung gekauft. Der Erlös habe

gerade ausgereicht 50% der Verbindlichkeiten abzudecken. Alle Gläubiger, außer dem Finanzamt, hätten die 50%-Lösung akzeptiert. Was den Rest der Bildersammlung betreffe, sei versucht worden, diesen zu veräußern, jedoch bisher ohne Ergebnis. Es dürften keine allzu großen Erwartungen in einen allfällig zu erzielenden Erlös gesetzt werden.

Der steuerliche Vertreter erschien zudem persönlich in den Räumen des Unabhängigen Finanzsenates und überbrachte der Referentin einen Ordner mit Unterlagen betreffend die wirtschaftliche Situation der Berufungswerberin und ihrer Schwester zur Auswertung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Einhebung kann nach Lage des Falles entweder eine sachliche oder eine persönliche sein. Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist. Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten sind keine Unbilligkeit iS des § 236 BAO. Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen, insbesondere Berufungen, nachzuholen (vgl. Ritz, BAO4, § 236, Tz 11 bis 14).

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers und wird stets dann gegeben sein, wenn durch die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet ist. Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend.

Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes. Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde.

Soweit gegenständlich eine sachliche Unbilligkeit in einer dem Fall zugrundeliegenden unrichtigen Erbschaftssteuerfestsetzung erblickt wird, führt die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates hiezu - ungeachtet des Umstandes, dass der Erbschaftssteuerbescheid in Rechtskraft erwachsen ist und das Instrument der Nachsicht wie oben ausgeführt nicht dazu dient, etwa unterlassene Berufungen nachzuholen - erklärend aus:

Fideikommissarische Substitution:

Der Erblasser CV, Bruder der Berufungswerberin, verstarb am xxyyzzzz in F. Der Todestag des Erblassers ist gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 des damals noch in Geltung stehenden ErbStG 1955 auch der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld. Die Bewertung der erworbenen Vermögensgegenstände ist auf diesen Zeitpunkt zu beziehen. Gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG 1955 sind Grundstücke im Hinblick auf Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem entsteht, mit dem Dreifachen des Einheitswertes zu bewerten.

Soweit die Berufungswerberin durch ihren steuerlichen Vertreter eine Wertminderung des ihr angefallenen Liegenschaftsanteils infolge des Vorliegens einer fideikommissarischen Substitution geltend gemacht hat, ist sie auf § 9 BewG zu verweisen. Darin wird zum Ausdruck gebracht, dass Beschränkungen, denen ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Vorerbe oder als Inhaber eines gebundenen Vermögens unterliegt, nicht berücksichtigt werden. Im Kommentar zum Bewertungsgesetz, Twaroch-Wittmann-Frühwald, Band I, S 72, wird hiezu ausgeführt: "Vorerben...und Inhaber eines gebundenen Vermögens sind bürgerlich-rechtlich zwar Eigentümer, haben jedoch nicht die unbeschränkte Herrschaft über ihr Eigentum. Diese Verfügungsbeschränkungen werden bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Der formalrechtliche Eigentümer wird daher, obwohl er nicht die unbeschränkte Herrschaft über das Vermögen hat, abgabenrechtlich dennoch als vollberechtigter Eigentümer behandelt. So wird zB der Vorerbe, der auch gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG als Erbe gilt, abgabenrechtlich als Eigentümer der Vorerbschaft angesehen; die Vorerbschaft erscheint bis zum Eintritt der Nacherbfolge in seinem Gesamtvermögen in dem Umfang und mit dem Wert auf, wie wenn keine Nacherbfolge angeordnet wäre" (vgl. auch UFS, , RV/0226-K/04).

Laut Nachlasshauptinventar im Abhandlungsprotokoll vom aabbcccc war der Erblasser zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ XY mit dem Gesamteinheitswert 324.000,00 S, das sind 23.546 €. Multipliziert man den Halbanteil von 11.773 € mit 3 (dreifacher Einheitswert ab ), ergibt sich ein Betrag von 35.319 € als Bemessungsgrundlage. Im Rahmen der Gesamtaktiva, die den Gesamtpassiva gegenübergestellt wurden, ist er der Berufungswerberin und ihrer Schwester je zur Hälfte zugefallen.

Nach dem Ausgeführten kann darin entsprechend der im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld geltenden Rechtslage keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Denkmalschutz:

Soweit eine sachliche Unbilligkeit darin gesehen wird, dass der Denkmalschutzauflage bei Bemessung der Erbschaftssteuer nicht Rechnung getragen wurde, ist festzustellen:

Gemäß § 28 BewG sind Einheitswerte für Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere unter Denkmalschutz stehende Gebäude, mit 30% des an sich maßgebenden Wertes festzustellen, wenn die durchschnittlichen Erhaltungskosten die erzielten Einnahmen und sonstigen Vorteile übersteigen.

Vorab wird festgehalten, dass eine Einheitswertfeststellung weder Gegenstand des zweitinstanzlich anhängigen Streitverfahrens ist noch sein kann. Dem Unabhängigen Finanzsenat ist auch nicht bekannt, ob der oben genannte Einheitswert von 324.000 S (23.546 €) für die Gesamtliegenschaft (Berufungswerberin und Schwester je ein Viertel) bereits einen reduzierten Wert im Sinne des § 28 BewG darstellt. Diesfalls hätte in einem entsprechenden, vorausgegangenen Verfahren dargelegt werden müssen, dass die durchschnittlichen Erhaltungskosten die erzielten Einnahmen und sonstigen Vorteile übersteigen. Aus der in Streit stehenden Liegenschaft, die sich in prominenter Innenstadtlage befindet, werden Einkünfte aus Vermietung bezogen (zur Gegenüberstellung von durchschnittlichen Erhaltungskosten und erzielten Einnahmen sowie zur allenfalls sogar erhöhten Attraktivität von unter Denkmalschutz stehenden Objekten vgl. UFS, , RV/0276-G/05).

In Zusammenfassung der Sach- und Rechtslage ist jedenfalls zu bemerken, dass in der Heranziehung des Einheitswertes wie laut Abhandlungsprotokoll zur Bemessung der Erbschaftssteuer keine Rechtswidrigkeit erkennbar ist.

Bibliothek und Archiv:

Im Weiteren sieht die Berufungswerberin eine Unbilligkeit darin, dass der Wert von Bibliothek und Archiv in die Erbschaftssteuerbemessungsgrundlage einbezogen wurde, wenngleich diese letztlich der Stadt F unentgeltlich überlassen wurden.

Laut seitens des steuerlichen Vertreters vorgelegten Gutachtens des TS, Inhaber des Antiquariats M, verkörpern Bibliothek und Archiv des verstorbenen Bruders der Berufungswerberin, der selbständiger Historiker war, eine nicht nur für die Familiengeschichte der V´s, sondern vor allem für die Wirtschaftsgeschichte des Bundeslandes und der Stadt F besonders interessante Sammlung. Der Gutachter beurteilte das Archiv in Aufbau und Ordnung als mustergültig. Ebenso wohlgeordnet präsentierte sich die V - Bibliothek, die eine 150-jährige Tradition hat und ca. 3.400 Bände umfasst. Die Sammlung diente dem verstorbenen Historiker zur Publikation neuer Erkenntnisse zur Landeskunde, Kunstgeschichte und Literatur in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen.

Laut Gutachten beträgt der Verkehrswert der Bibliothek 18.450,00 €, jener des Archivs 15.200,00 €, das sind zusammen 33.650,00 €. Dieses Gutachten umfasst nicht das Mobiliar, die Museumsstücke und die Kunstwerke.

Entsprechend dem Nachlasshauptinventar im Abhandlungsprotokoll vom befinden sich Bibliothek und Archiv mit diesem Wert in den Nachlassaktiven. Die Berufungswerberin und ihre Schwester haben laut Abhandlungsprotokoll die bedingte Erbserklärung abgegeben (eigentlich mit Wirkung ab "Erbantrittserklärung"). Die bedingte Erbantrittserklärung steht unter dem Vorbehalt "der rechtlichen Wohltat des Inventariums" (§§ 800, 802 ABGB), dh, die Haftung des bedingt erbserklärten Erben für Erblasser- und Erbgangsschulden ist auf die Höhe der ihm zugefallenen Vermögenswerte beschränkt (Spruzina in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 802, Rz 1).

Das Verlassenschaftsverfahren endet mit der Einantwortung, also mit der Übergabe des Nachlasses in den rechtlichen Besitz des Erben (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, § 2, Rz 3 ff). Gemäß Abhandlungsprotokoll, Seite 6, "Beschluss", Punkt 4), wurde das Nachlassvermögen im Streitfall den bedingt erbserklärten Erbinnen eingeantwortet. Die Abgabenbehörde ist an die im Abhandlungsverfahren abgegebenen, vom Gericht angenommenen Erbserklärungen, gebunden.

Die unentgeltliche Überlassung eines Erwerbes durch Erbanfall nach Abgabe der Erbantrittserklärung unterliegt für sich und unabhängig vom vorherigen Erwerb durch den Erben der Schenkungssteuer (Fellner a.a.O., § 2 Rz 27, 28). Es sind somit zwei Vorgänge zu unterscheiden: Zuerst der Anfall der Erbschaft an den berufenen Erben, der - wie im Fall der Berufungswerberin -Erbschaftssteuer auslöst. Sodann die Schenkung seitens der eingeantworteten Erbin an die Stadt F, die grundsätzlich die Schenkungssteuerschuld nach sich zieht (im Streitfall wurde seitens der Stadt offenbar der Befreiungstatbestand gemäß § 15 Abs. 1 Z 14 lit. a ErbStG 1955 geltend gemacht).

Die Berufungswerberin hat somit die ihr angefallene Erbschaft, die laut Abhandlungsprotokoll auch (anteilig) Bibliothek und Archiv umfasste, durch Abgabe der Erbserklärung angetreten (Vorgang 1) und danach erst verschenkt (Vorgang 2), wobei beide Vorgänge für sich die Steuerpflicht auslösen. Bemerkt wird an dieser Stelle, dass nach herrschender Lehre zwei steuerpflichtige Vorgänge auch schon dann angenommen werden, wenn die Erbschaftsschenkung vor Abgabe der Erbserklärung erfolgt. Auch diese Vorgehensweise verkörpert nämlich bereits das Verfügen über eine Rechtsposition, die eine Bereicherung darstellt (siehe Fellner a.a.O.).

Keine Belastung mit Erbschaftssteuer würde lediglich eine Ausschlagung, das ist die Erklärung gegenüber dem Abhandlungsgericht, die Erbschaft (oder eine Quote derselben) nicht anzunehmen, bewirken. Sie hat zur Folge, dass die Erbschaft (oder die Quote) dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt.

Insofern kann dem Einwand des steuerlichen Vertreters, Bibliothek und Archiv seien der Berufungswerberin nicht zugekommen, im hier relevanten steuerrechtlichen Sinn nichts abgewonnen werden.

Zur sachlichen Unbilligkeit ist zusammenfassend und unabhängig von der Tatsache, dass der Erbschaftssteuerbescheid in Rechtskraft erwachsen ist, festzustellen, dass eine solche nicht vorliegt, weil der in Diskussion gezogenen Erbschaftssteuerfestsetzung der Charakter einer ganz allgemeinen Auswirkung genereller Normen beizumessen ist.

Es verbleibt zu überprüfen, ob eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist. Zur Bewilligung einer Nachsicht aus persönlichen Gründen genügt es, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden ist, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Die Entscheidungsfindung bezüglich des Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit bedingt eine detaillierte Kenntnis der gesamten Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Nachsichtswerbers. Ausschlaggebend ist die wirtschaftliche Lage im Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates über das Nachsichtsansuchen.

Auf die mit 5.350,54 € festgesetzte Erbschaftssteuerschuld wurden 2.700,00 € einbezahlt. Zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung haften auf dem Abgabenkonto der Berufungswerberin 2.848,57 € als fällig und in Vollstreckung aus. Laut zuletzt erlassenem Einkommensteuerbescheid für 2010 erzielte die Berufungswerberin in diesem Jahr Einkünfte von 13.067,92 €, das sind 4.372,40 € aus ihrer Berufstätigkeit für "Z GmbH", Buchhandlung, und 8.827,52 € an Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der steuerliche Vertreter legte eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben beider Schwestern V für das Jahr 2011 vor, aus dem sich ein monatlich verfügbarer Betrag für jede der beiden Schwestern in Höhe von 443,60 € ergibt. Außer der in Streit stehenden Finanzamtsverbindlichkeit hat die Berufungswerberin keine weiteren Schulden.

Nach durchgeführter Verlassenschaftsabhandlung ist die Berufungswerberin, wie auch ihre Schwester, Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ XY. Abgesehen davon, dass diese Liegenschaft aufgrund der fideikommissarischen Substitution zumindest zur Hälfte ein gebundenes Vermögen darstellt, außerdem als Objekt der Vermietung der Einkünfteerzielung dient, wird seitens des Unabhängigen Finanzsenates keine Erforderlichkeit gesehen, sie zwecks Begleichung der Abgabenschuld zu veräußern, was allenfalls einer Verschleuderung gleichkäme.

An weiterem Vermögen verfügt aber die Berufungswerberin zu gleichen Teilen mit ihrer Schwester über die ihr im Erbweg zugefallene Sammlung von Kunstwerken und musealen Objekten. Laut Gutachten des Antiquariatsinhabers TS verkörpert diese einen Verkehrswert von 26.500,00 € (ausdrücklich zu unterscheiden von Sammler- oder Liebhaberpreisen). Soweit aus im eingereichten Ordner aufliegenden Fotos ersichtlich, befindet sich die in den Räumlichkeiten des Verstorbenen ansprechend präsentierte Sammlung in einem gepflegten Zustand und hat der Gutachter auch keine gegenteiligen Feststellungen getroffen. Bilder aus dieser Sammlung wurden bisher gegen einen Kaufpreis von 13.000,00 € an die Stadt Feldkirch verkauft. Es befinden sich also noch Kunstwerke und Objekte im Verkehrswert von 13.500,00 € im Eigentum der beiden Schwestern V. Wenn auch die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates keinen Anlass sieht, dem steuerlichen Vertreter, der von zähen Verkaufsbemühungen spricht, nicht zu glauben, ist es doch wahrscheinlich, dass die noch vorhandene Sammlung bei Einschaltung autorisierter Vermittler - hier ist etwa an das Dorotheum zu denken - ihre Abnehmer finden wird. Möglicherweise kann sogar durch Erzielung von Liebhaberpreisen ein den Verkehrswert übersteigender Erlös erreicht werden. Jedenfalls fänden die steuerlichen Rückstände beider Schwestern darin bei Weitem Deckung.

Soweit also der Abgabenrückstand aus den knapp bemessenen, monatlich verfügbaren Mitteln nur sehr schleppend abdeckbar sein wird, ist verstärktes Augenmerk auf die Realisierung von Vermögenswerten, dh auf den Verkauf der Kunstwerke und musealen Objekt zu legen. Allenfalls ist bis zur Erzielung entsprechender Verkaufserlöse an eine Stundung zu denken.

Zumal in zusammenfassender Analyse somit weder eine sachliche, noch eine persönliche Unbilligkeit vorliegt, fehlt es an der Tatbestandsmäßigkeit für eine Nachsichtsbewilligung gemäß § 236 BAO und besteht kein Raum für eine Ermessensentscheidung. Dem Unabhängigen Finanzsenat ist es übrigens grundsätzlich verwehrt, aus Kulanzgründen auf öffentlich-rechtliche Ansprüche zu verzichten oder diese etwa auf die Hälfte einzuschränken, wie es privatwirtschaftlichen Gläubigern in autonomer Entscheidungsfreiheit offenstehen mag.

Es verbleibt abschließend anzumerken, dass keine Vorsorge für die fristgerechte und vollständige Abgabenentrichtung getroffen wurde, obwohl ein solche zweifellos möglich gewesen wäre, ist der Erblasser doch schon am xxyyzzzz, somit vor mehr als 10 Jahren verstorben (vgl. Ritz, BAO4, § 236, Tz 16).

Insgesamt war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at