Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 11.03.2011, RV/3862-W/10

Mängelbehebungsauftrag, Frist, Zurücknahmeerklärung einer Berufung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrat Dr. Anna Maria Radschek und die weiteren Mitglieder Hofrat Dr. Georg Zarzi, Ing. Josef Bitzinger und Mag. Robert Steier über die Berufungen des Dr. Georg Kahlig, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der M., vom gegen

1.) den Bescheid des Finanzamtes 4/5/10 vom betreffend Zurücknahmeerklärung einer Berufung (§ 85 BAO) gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2000-2003 sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide 2000-2005 und

2.) den Bescheid vom über die Zurückweisung der Berufungen gegen den Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf Fristerstreckung vom sowie gegen den Bescheid vom (Mängelbehebungsauftrag)

nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung

entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben, der bezughabende Bescheid vom über die Zurücknahme der Berufung (Punkt 1) wird aufgehoben.

und beschlossen:

Die Berufung gegen den Bescheid über die Zürückweisung der Berufungen (Punkt 2) wird gemäß § 256 Abs. 3 als gegenstandslos erklärt.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt im Punkt 1 den Antrag betreffend Fristerstreckung für die aufgetragene Verbesserung der Berufung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2000 bis 2003, Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2005, bezughabende Nebengebühren (Bescheide vom ) ab.

Im Punkt 2 des oben angeführten Bescheides stellte das Finanzamt fest, dass die Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2000 bis 2003 sowie betreffend Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2005 und bezughabende Nebengebühren (Bescheide vom ) als zurückgenommen gelte.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte der Berufungswerber (Bw.) wie folgt aus:

"Der angeführte Bescheid wird dahin bekämpft, als

ad 1. mein Antrag vom betreffend Fristerstreckung für die aufgetragene Verbesserung der Berufung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2000 - 2003, Umsatzsteuerbescheide 2000 - 2005 und bezughabende Nebengebühren laut Bescheiden vom abgewiesen, und weiters

ad 2. meine Berufung vom gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2000 - 2003 sowie gegen die Umsatzsteuerbescheide 2000 -2005 und gegen die bezughabendenden Nebengebührenbescheide gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt wird.

Weiters erhebe ich gegen den am zugestellten Bescheid vom betreffend den Auftrag, die insbesondere in der Berufung vom angeführte detaillierte Begründung bis zum nachzureichen, wobei bei Versäumnis dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gilt, Berufung.

Dieser Bescheid wird dahin bekämpft, als ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 275 BAO erlassen wird.

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO stelle ich den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 282 Abs. 1 Z. 1 BAO stelle ich den Antrag auf Entscheidung über beide Berufungen durch den gesamten Berufungssenat.

Die Behörde macht von ihrem Ermessen gesetzwidrig Gebrauch, indem sie mein Fristerstreckungsgesuch vom abweist.

Es ist ein Anachronismus, wenn die Behörde 22 Monate später ermisst, dass vor 22 Monaten eine Fristerstreckung um ein Monat zuviel und unangebracht gewesen wäre, nachdem das ordnungsgemäß ausgeführte Rechtsmittel samt der nachgereichten ausführlichen Begründung der Groß-BP zur Stellungnahme vorgehalten worden ist, die Groß-BP ihre Stellungnahme erstattet hat, die Stellungnahme der Groß-BP mir vorgehalten worden ist, ich für meine beabsichtigte Stellungnahme eine Erstreckung der Frist um 36 Tage (= 4 + 1 Woche) eingeräumt erhalten und schließlich die Stellungnahme zur Stellungnahme der Groß-BP eingebracht habe, und die Abgabenbehörde I. Instanz den Akt zur Entscheidung über die Berufung dem UFS vorgelegt hat.

Der Ermessensausübung solcherart liegt ein gravierendes Manko an Rechtsstaatlichkeit zu Grunde. Die Behörde ist nicht zu dem Zweck berechtigt, über Fristerstreckungsgesuche nach Ermessen zu entscheiden, um den Rechtsuchenden zu düpieren, sondern um der Verfahrensökonomie zu dienen.

Dass im konkreten Fall der Verfahrensökonomie mit den gegenständlichen vier Wochen nicht gedient werden musste, ergibt sich aus der darauf folgenden Ermessensausübung der Behörde, indem nämlich die Frist zur -wirklich nicht unbedingt erforderlichen Stellungnahme des Berufungswerbers zur Stellungnahme der Groß-BP vom 10.07. bis zum erstreckt wurde. Wenn dafür Zeit war, muss auch für die beantragten bzw. benötigten weiteren 4 Wochen für die eminent wichtige und für die Wahrheitsfindung und richtige rechtliche Beurteilung der überaus komplexen Angelegenheit essentielle ausführliche Begründung zur Berufung Zeit gewesen sein.

Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 letzter Satz BAG), wobei unter Billigkeit nach ständiger Rechtsprechung (z.B. ; , 2003/1710132) die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei" zu verstehen ist (Ritz BA03§ 20 Rz 7).

Nun ist im konkreten Fall zwischen der Zustellung der in der Berufung vom angefochtenen Bescheide (), dem Ablauf der im Mängelbehebungsbescheid genannten Frist (), der Vorlage der detaillierten Begründung () und der nunmehr am erfolgten Abweisung des Fristverlängerungsantrages ein Zeitraum von rund zwei (!) Jahren vergangen.

Das Finanzamt ist aber gesetzlich verpflichtet, über Anbringen einer Partei "ohne unnötigen Aufschub" zu entscheiden (§ 311 Abs. 1 BAO, wobei aus Absatz 2 eine Erledigung in maximal sechs Monaten abzuleiten ist). Wäre das Finanzamt dieser gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen, so hätte jedenfalls innerhalb von wenigen Monaten Klarheit darüber bestanden, dass die Berufung als zurückgenommen gilt.

Zu diesem Zeitpunkt hätte aber noch die Möglichkeit bestanden, die in der Berufung vom angefochtenen Bescheide innerhalb der Jahresfrist durch einen Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung der Bescheide durch die Abgabenbehörde I. Instanz auf Grund eines sich als nicht richtig erweisenden Spruches aus dem Rechtsbestand zu beseitigen. Diese Möglichkeit wurde durch die Säumnis der Behörde zunichte gemacht.

Da § 20 BAO das Finanzamt verpflichtet, Ermessensentscheidungen unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen und es diesem Umstand überhaupt keine Rechnung getragen hat, ist seine Ermessensentscheidung auch insofern rechtswidrig.

An dieser Beurteilung kann auch das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des , nichts ändern, da dieses noch zu der - noch kein Antragsrecht der Partei vorsehenden - Rechtslage vor Novellierung des § 299 BAO durch das AbgRmRefG (BGBI. I 2002/97) ergangen ist und zudem kein konkursverfangenes Unternehmen betraf.

Für den gegenständlichen Fall gilt vielmehr mangels anderer im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigender Umstände folgendes:

Wird eine Fristverlängerung beantragt und innerhalb der beantragten Frist das betreffende Anbringen eingebracht, so wird eine Ablehnung des Ermessensantrages in der Regel eine unzutreffende Ermessensübung darstellen (Ritz BA03§ 110 Rz 6; StoII, BAO, 1188). Schließlich hat die Bestimmung einer angemessenen Frist zur Behebung der Mängel einer Berufung unter anderem den Zweck, ohne unvertretbaren Aufschub feststellen zu können, ob die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen ist.

Stellt der Abgabenpflichtige innerhalb der Mängelbehebungsfrist den Antrag, diese Frist zu verlängern, so ist eine solche Feststellung jedenfalls auch dann ohne unvertretbaren Aufschub möglich, wenn der Abgabenbehörde die innerhalb der erbetenen Frist erstattete Mängelbehebung bereits vorliegt. In einer solchen Situation entspricht die Versagung der erbetenen Fristverlängerung daher nicht dem Gesetz ().

Im übrigen negiert die Behörde bei ihrer Ermessensausübung die konkreten Umstände des Falles, dass nämlich ein Konkursverfahren vorliegt, dass die verfahrensgegenständlichen Abgaben Konkursforderungen darstellen, so dass eine Einbringung der Abgaben durch die Abgabenbehörde gar nicht möglich ist (§ 10 KO).

Der bekämpfte Bescheid nimmt auf diesen entscheidungswesentlichen Umstand überhaupt nicht Bezug, dabei ist er insofern entscheidungswesentlich, als einer Stattgabe des Fristverlängerungsantrages ein öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgaben nicht entgegen gestanden sein kann.

Die Ermessensübung stellt sich überdies aus folgenden Gründen als gesetzwidrig dar.

Selbst nach Ansicht des Finanzamtes hätte bei seiner Entscheidung darauf abgestellt werden müssen, "ob die Dauer der ursprünglich gesetzten Frist ausreichend für dessen Beantwortung war und ob die Verlängerung mit dem behördlichen Interesse, insbesondere mit der Einbringung der Abgaben vereinbar ist".

Eine derartige Ermessensabwägung ist jedoch nachweislich nicht erfolgt.

Das Finanzamt hat sich in seiner Begründung zur Ermessensausübung vielmehr ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob der Zeitraum zwischen Schlussbesprechung und Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist als ausreichend zur Ergänzung der Begründung anzusehen ist.

Dem gegenüber wurde jede Auseinandersetzung mit der von ihm selbst als maßgeblich eingestuften Frage der Vereinbarkeit der Fristverlängerung mit dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unterlassen.

Der Bescheid vom ist insofern rechtswidrig" als ein Verbesserungsauftrag gemäß § 275 BAO nicht angebracht war.

Die Gesetzwidrigkeit ergibt sich sogar aus der Begründung des hiermit auch ausdrücklich angefochtenen Bescheides vom , in welchem es nämlich heißt:

"Die in den Berufungen angeführte detaillierte Begründung ist bis zur genannten Frist nachzureichen."

Gemäß § 250 BAO muss eine Berufung enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

Von einer detaillierten Begründung ist nicht die Rede.

Tatsächlich weist meine Berufung vom die vorangeführten gesetzlichen Elemente durchaus auf, so dass sie geeignet ist, einem Rechtsmittelverfahren unterzogen zu werden.

In meinem Bemühen, konstruktiv zu sein, und der Behörde die Mängel des Abgabenverfahrens I. Instanz und dessen Ergebnisse vor Augen zu führen, habe ich mir selbst eine detaillierte Begründung auferlegt, und der Behörde schließlich auch angeboten.

Das berechtigt aber die Behörde nicht, mir einen gesetzwidrigen Verbesserungsauftrag zu erteilen, und in weitere Folge meine Berufung für zurückgenommen zu erklären.

Ein Mängelbehebungsbescheid darf vom Finanzamt nur dann erlassen werden, wenn eine Berufung nicht den in § 250 Abs. 1 oder gegebenenfalls Abs. 2, 1. Satz BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht (§ 275 BAO).

Im konkreten Fall erfüllt die Berufung vom alle in § 250 Abs. 1 BAO normierten Inhaltserfordernisse: sie enthält eine Bezeichnung der Bescheide, gegen die sie sich richtet, eine Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden, eine Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und eine Begründung.

Dementsprechend wird im Mängelbehebungsbescheid auch gar kein Mangel genannt der behoben hätte werden können. Mit diesem Bescheid wurde vielmehr nur aufgetragen, einen in der Berufung bereits angekündigten ergänzenden Schriftsatz (detaillierte Begründung) nachzureichen.

Bei dieser Sachlage wird vom Finanzamt nunmehr aber offenbar die Ansicht vertreten, dass im Schriftsatz vom keine Begründung enthalten gewesen sein soll.

Diese Ansicht ist unrichtig:

Die Begründung findet sich auf Seite 2 der Berufung und lautet insbesondere dahin, dass die "gesetzlichen Gründe für eine Wiederaufnahme der Verfahren" nicht gegeben sind.

Da eine Begründung die Berufungsbehörde nur in die Lage versetzen soll, klar zu erkennen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für Erfolg versprechend hält (Ritz, BAO³, § 250 Rz 14 mit Verweis auf ), ist der Verweis auf die nicht gegebenen Wiederaufnahmegründe jedenfalls als ausreichend zu beurteilen.

Eine Vorgangsweise gemäß § 275 BAO kommt nämlich schon dann nicht mehr in Betracht, wenn eine Berufung ein Anfechtungssubstrat enthält, welches unabhängig von einem allfälligen weiteren Vorbringen einer meritorischen Berufungserledigung zugänglich ist ().

Da die Wiederaufnahmegründe in den vom Finanzamt erlassenen Bescheiden angeführt werden müssen und mit einem Berufungsverfahren selbst im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung keine neuen Wiederaufnahmegründe "nachgeschoben" werden dürfen (Ritz, BA03, § 307 Rz 3) kann somit nicht ernsthaft bestritten werden, dass im konkreten Fall eine inhaltliche Berufungserledigung schon auf Basis des Schriftsatzes vom möglich war.

Da der auf § 275 BAO gestützte Mängelbehebungsauftrag somit rechtswidrig erlassen wurde, erweist sich der Zurückweisungsbescheid auch unter diesem Gesichtspunkt auf Grund der Verletzung von Verfahrensvorschriften zweifelsfrei als rechtswidrig.

Ich stelle daher den Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid

ad 1. dahin abzuändern, als meinem Antrag vom auf Fristerstreckung Folge gegeben wird, und

ad 2. insofern meine Berufung vom für zurückgenommen erklärt wird, ersatzlos zu beheben,

und den Mängelbehebungsauftrag ersatzlos zu beheben."

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Masseverwalter, dass er sich weder in der Position des Abgabenschuldners, noch dessen steuerlichen Vertreters befinde, sondern als Masseverwalter als Hilfsorgan des Gerichtes tätig werde. Dazu sei zu beachten, dass er sämtliche Schritte mit dem Konkursgericht, aber auch mit dem tatsächlichen Abgabenschuldner und dessen steuerlichen Vertreter abklären müsse, was auch einige Zeit in Anspruch nehme. Darüber hinaus führe er aus, dass der Mängelbehebungsauftrag insofern nicht gerechtfertigt gewesen sei, als die Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide eine ausreichende Begründung enthalten habe.

Hinsichtlich der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide sei auszuführen, dass ein Fristerstreckungsantrag, aufgrund einer plötzlich eingetretenen Krankheit des Masseverwalters, notwendig geworden sei, diese Frist ohnehin nicht zur Gänze ausgenutzt worden sei und vom Finanzamt in der Folge das Verfahren auch weitergeführt worden sei, sodass man zu der Annahme hätte gelangen können, dem Fristerstreckungsantrag sei stattgegeben worden.

Es stelle daher einen Ermessensmissbrauch dar, wenn nach zwei Jahren, in denen weitere Stellungnahmen und Ausführungen gefordert gewesen seien, plötzlich erklärt werde, dass das Verfahren bereits vor zwei Jahren wegen Verfristung einzustellen gewesen wäre. Damit habe man ihm auch alle weiteren rechtlichen Möglichkeiten (z.B. Wiedereinsetzungsantrag, oder Antrag auf § 299 BAO) genommen.

Der Masseverwalter gab bekannt, dass er die Berufung gegen die Zurückweisungsbescheide betreffend Mängelbehebungsauftrag und Fristerstreckungsansuchen hiermit zurückziehe.

Der Berufungswerber ersuchte abschließend, den Berufungen Folge zu geben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Nach einer Außenprüfung ergingen Bescheide vom an den Berufungswerber über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für 2000 bis 2003 und betreffend Umsatzsteuer für 2000 bis 2005 sowie betreffend die bezughabenden Nebengebühren. Gegen diese Bescheide erhob der Bw. mit Schriftsatz vom Berufung. Darin führte er aus, dass die sub a) angeführten Bescheide dahin bekämpft würden, als die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO verfügt werde, und hierauf eine neue Veranlagung erfolgt sei, die für die Gemeinschuldnerin materiell erheblich nachteilig sei. Betreffend die angeführten Bescheide (Umsatzsteuer 2000 bis 2005) wurden jeweils der bekämpfte Abgabenbetrag, das Berufungsbegehren sowie das Berufungsinteresse zahlenmäßig dargestellt.

Es wurde der Berufungsantrag gestellt, die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2003 ersatzlos zu beheben und die vormaligen rechtskräftigen Bescheide wiederherzustellen. Weiters seien die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahr 2000 bis 2005 im Sinn der tabellarischen Darstellung abzuändern, und die Nebengebühren adäquat anzupassen.

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Es liegt Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und infolge unrichtiger Anwendung materiellen Rechts vor. Insbesondere mangelt es an den gesetzlichen Gründen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens."

Weiters wurde ausgeführt, dass aufgrund der Komplexität des Falles, die auch eine mehrjährige Außenprüfung und Monate währende Bescheidbegründungen erfordert habe, eine detaillierte Ausführung der Berufung während der gesetzlichen Berufungsfrist - noch dazu während der Haupturlaubszeit und den damit einhergehenden Vakanzen von Mitarbeitern - nicht möglich. Es werde daher eine detaillierte Begründung zu der Berufung nachgereicht und zu diesem Zweck um Frist bis ersucht.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde dem Bw. betreffend diese Berufung aufgetragen:

"Die in den Berufungen angeführte detaillierte Begründung ist bis zur genannten Frist nachzureichen." Der Fristablauf wurde mit bestimmt. Weiters ist folgender Hinweis im Bescheid enthalten: "Achtung! Bei Versäumnis dieser Frist gilt Ihre Berufung als zurückgenommen.

Mit Schreiben vom wurde die Verlängerung dieser Frist bis zum beantragt, dies mit der Begründung, dass der Bw. während der Arbeiten an der aufgetragenen Verbesserung am erkrankt sei und voraussichtlich mit so weit wiederhergestellt sein werde, um die Arbeiten wieder aufzunehmen.

Mit Schriftsatz vom , datiert mit , wurde eine Begründung zur Berufung vom eingebracht. Diese betraf die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2000 bis 2003 sowie jene über die Umsatzsteuer 2000 bis 2005. Bezüglich der angefochtenen Bescheide über Nebengebühren erfolgte keine Begründung. Mit Schreiben vom wurde der Bw. aufgefordert, eine Gegenäußerung zur Stellungnahme der Großbetriebsprüfung bis zum einzubringen. Einem Antrag auf Verlängerung dieser Frist bis zum wurde stattgegeben. Die Gegenäußerung wurde schließlich mit Schreiben vom erstattet.

Der Antrag vom auf Verlängerung der Frist zur Beantwortung des Mängelbehebungsauftrags wies das Finanzamt, fast zwei Jahre später mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Bescheid vom ab (Spruchpunkt 1) und erklärte mit dem selben Bescheid die Berufung vom als zurückgenommen (Spruchpunkt 2). Dagegen richtet sich die gegenständliche Berufung.

Unter einem wurde Berufung gegen den Mängelbehebungsbescheid vom erhoben. Diese Berufung wurde, da ein abgesondertes Rechtsmittel gegen diesen nicht zulässig war, vom Finanzamt mit Bescheid vom zurückgewiesen.

Gemäß § 244 BAO ist gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen, wie im vorliegenden Fall den Mängelbehebungsauftrag ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Sie können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden.

Eine verfahrensleitende Verfügung ist erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid anfechtbar. Daher ist die Rechtswidrigkeit eines Mängelbehebungsauftrages erst mit der Berufung gegen den Zurücknahmebescheid als den das Verfahren abschließenden Bescheid anfechtbar.

Gegen eben diesen Zurücknahmebescheid, der den die Angelegenheit abschließenden Bescheid darstellt richtet sich unter anderem die vorliegende Berufung.

Zu prüfen ist daher zunächst, ob der vorliegende Mängelbehebungsauftrag zu Recht ergangen ist.

Die Berufung vom enthält nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates die vom Gesetz in der Bestimmung des § 250 BAO geforderten inhaltlichen Erfordernisse.

Der Bw. bekämpft unter Bezeichnung des bekämpften Bescheides die verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung des Nichtvorliegens der gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe und beantragt deren Behebung. Eingewandt wurden weiters Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Bei bestimmten Bescheiden (zB Verfügung der Wiederaufnahme) ist § 250 Abs. 1 lit b und c inhaltsleer, weil hier die Anfechtung nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheides bewirken kann, es somit nicht mehrere Berufungspunkte geben kann, weil eine Änderung solcher Bescheide nicht in Betracht kommt (die Berufung kann nur auf Aufhebung gerichtet sein; vgl. ).

Eine ausreichende Begründung ist der Einwand des Nichtvorliegens von Wiederaufnahmsgründen.

Ausgehend davon, dass der Abgabenbescheid mit der verfügten Wiederaufnahme zu verbinden ist bzw. nur nach Wiederaufnahme des Verfahrens möglich ist, ist hinsichtlich der Wiederaufnahmsbescheide 2000 bis 2003 und der bezughabenden Umsatzsteuerbescheide die Begründung der Berufung jedenfalls ausreichend im Sinne der Bestimmung des § 250 BAO.

Wie das Finanzamt in seinem Vorlagebericht vom ausführte, wurden betreffend die angeführten Bescheide (Umsatzsteuer 2000 bis 2005) jeweils der bekämpfte Abgabenbetrag, das Berufungsbegehren sowie das Berufungsinteresse zahlenmäßig dargestellt. Weiters wurde beantragt, die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2005 im Sinn der tabellarischen Darstellung abzuändern und die Nebengebühren adäquat anzupassen.

Die vorliegende Berufung mit der zahlenmäßigen Aufstellung versetzt daher der Intention des § 250 Abs. 1 lit. d BAO die Berufungsbehörde in die Lage, zu erkennen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für Erfolg versprechend hält ().

Der Bw. stellt daher sinngemäß gänzlich den auf Grund der Prüfung festgestellten Mehr-bzw. Minderbetrag und damit die Ergebnisse der Prüfung in Frage, worin die Begründung der Berufung zu sehen ist.

Jedenfalls als vollständig begründet ist demnach die Berufung gegen die Bescheide zu beurteilen, mit denen eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt wurde.

Des weiteren ist zu überprüfen, ob die begehrte Fristverlängerung zu Recht nicht gewährt wurde.

Der verfahrensgegenständliche Mängelbehebungsauftrag weist, wie oben dargestellt, als Frist zur Beibringung der Begründung den aus. Die Abweisung der darüber hinaus beantragten Verlängerung der Frist bis , wobei die Begründung innerhalb der beantragten Frist nachgereicht wurde, unterliegt nunmehr im vorliegenden Rechtsmittelverfahren der Überprüfung der Rechtmäßigkeit.

Hiezu ist festzustellen, dass die Abweisung der beantragten Fristverlängerung am , wie vom Berufungswerber zu Recht eingewandt, somit fast 2 Jahre nach der beantragten Fristverlängerung erfolgte, wobei das Finanzamt zwischenzeitlich die Begründung der Berufung der Betriebsprüfung zur Stellungnahme vorgehalten und deren Stellungnahme dem Bw. vorgehalten hatte.

Die Verlängerung von Fristen liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Behörde.

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Die Ermessensübung hat sich hierbei vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (-0381).

Zweck des Mängelbebungsauftrages ist es unbestritten, die Behörde in die Lage zu versetzen, das Rechtsmittelverfahren voran zu treiben, um dieses inhaltlich in Behandlung nehmen zu können oder mit Einstellung formell zu beenden.

Wird die Fristverlängerung rechtzeitig beantragt und innerhalb der beantragten Frist das betreffende Anbringen (zB die Mängelbehebung gemäß § 275) eingebracht, so wird eine Ablehnung des Fristverlängerungsansuchens idR eine unzutreffende Ermessensübung darstellen (, Stoll BAO, 1188).

Wenn die Abgabenbehörde nunmehr fast zwei Jahre nach der beantragten Fristverlängerung, nachdem sie sich inhaltlich auf die Ausführungen des Bw. eingelassen hatte, die beantragte Fristverlängerung abweist und unter einem das Berufungsverfahren einstellt, kann dies im Lichte der obigen Ausführungen nicht als zweckmäßig erachtet werden.

Bei Betrachtung der Billigkeitsgründe ist weiters in Betracht zu ziehen, dass der einschreitende Masseverwalter im Konkursverfahren einem erhöhten Kostendruck (Genehmigung durch das Konkursgericht) unterworfen ist, welcher Umstand wiederum die vom Finanzamt vorgeworfene fehlende Vorsorge für den Fall der Erkrankung eines Mitarbeiters in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Die Ablehnung der Fristverlängerung erfolgte daher im vorliegenden Fall nicht nach den gemäß § 20 BAO heranzuziehenden Kriterien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Die beantragte Fristverlängerung wäre daherzu gewähren gewesen.

Die bescheidmäßige Feststellung der Zurücknahme der Berufung erfolgte demnach zu Unrecht. Der Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

Die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid war gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos zu erklären, da der Berufungswerber diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat zurückgenommen hat.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at