Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 16.07.2007, RV/0229-L/02

Ist der Feststellungsbescheid ein "Nichtbescheid" kann darauf keine Änderung gem. § 295 BAO gestützt werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der BW, (Bw.), vom gegen die Bescheide des Finanzamtes X vom betreffend Einkommensteuer für den Zeitraum 1990 bis 1993 gemäß § 289 Absatz 2 BAO entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. beantragte für die Jahre 1990 bis 1993 jeweils die Durchführung eines Jahresausgleiches. Dies wurde von der Abgabenbehörde erster Instanz mit den Bescheiden vom , , und durchgeführt.

Im Laufe des Jahres 1996 stellte sich heraus, dass die Bw. steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat, die bislang nicht versteuert worden waren. Im Detail wird hierzu auf die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2052-L/02, verwiesen.

Mit den Bescheiden vom wurde für die Jahre 1990 bis 1993 die Umsatzsteuer für die "Mitges" veranlagt und die Einkünfte gemäß § 188 BAO festgestellt. Diese Schriftstücke waren Grundlage für die Änderung der Einkommensteuerbescheide der Bw. gemäß § 295 BAO. In den nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheiden vom wurden entsprechende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 1990 bis 1993 wurde mit Schriftsatz vom das gegenständliche Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Feststellungsbescheide noch nicht rechtskräftig seien. Es seien Rechtsmittelfristverlängerungsansuchen eingebracht worden, über die noch nicht entschieden worden sei. Es werde der Antrag gestellt, die Einkommensteuerbescheide aufzuheben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es gemäß § 295 BAO zur Einkommensteuerveranlagung keines rechtskräftigen Gewinnfeststellungsbescheides bedürfen würde.

Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Berufung (offensichtlich gemeint: Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bzw. Vorlageantrag) eingebracht und ausgeführt, dass die Feststellungsbescheide Grundlage für die Erlassung der Einkommensteuerbescheide seien. Aus der Bindungswirkung für abgeleitete Bescheide würde sich ergeben, dass abgeleitete Bescheide nicht hinsichtlich der Richtigkeit derjenigen Bescheidelemente, an die sie gebunden seien, angefochten werden könnten. Ohne rechtskräftige Gewinnfeststellungsbescheide sei die Erlassung beziehungsweise der Bestand der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 rechtlich nicht möglich.

Mit Schreiben vom wurde die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt.

Mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für OÖ vom , RV58/1-7/1998, wurde die Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1993 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausführlich dargelegt, dass die Miteigentümerschaft bzw. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur bis zum Verkauf der Liegenschaft (im Jahr 1995) angedauert habe. Gemäß § 191 Absatz 2 BAO sei dann, wenn an eine bereits beendete Personenvereinigung oder Gemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit ein Feststellungsbescheid ergehen soll, dieser an diejenigen zu richten, denen die gemeinschaftlichen Einkünfte zugeflossen sind. Im konkreten Fall wären dies die Bw. und Frau F. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelte dies auch für Umsatzsteuerbescheide. Das heißt, Umsatz- und Feststellungsbescheide, die nach Beendigung der Personengesellschaft an diese ergehen, könnten keine Rechtswirkung entfalten.

Im September 2001 erließ die Abgabenbehörde erster Instanz Umsatz- und Feststellungsbescheide 1990 bis 1993 an die "Ehemaligen Mitgesellschafter (-Eigentümer), Bw. und Frau F". Gegen die Bescheide 1991 bis 1993 wurde Berufung eingebracht. Diese wurde von der Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Berufungsentscheidung vom wieder als unzulässig zurückgewiesen, weil eine automatisationsunterstützt erstellte Bescheidausfertigung nachträglich an den korrekten Adressaten angepasst worden sei und daher unterschrieben oder beglaubigt werden hätte müssen. Da dies nicht geschehen sei, könnten diese Schriftstücke nicht die Rechtsqualität eines Bescheides für sich in Anspruch nehmen.

Die Umsatz- und Feststellungsbescheide 1991 bis 1993, datiert vom wurden schließlich rechtswirksam zugestellt. Auch gegen diese Bescheide wurde das Rechtmittel der Berufung eingebracht, über die mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2052-L/02, rechtskräftig entschieden wurde. Für das Veranlagungsjahr 1990 wurde am ein rechtsgültiger Umsatz- und Feststellungsbescheid erlassen.

In Zusammenhang mit der Einkommensteuerveranlagung der Bw. wurden seit Erlassen der nunmehr angefochtenen Bescheide vom keine Rechtshandlungen gesetzt.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 295 Abs. 1 BAO normiert: "Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist." Klarzustellen ist, dass trotz des missverständlichen Wortlautes im letzten Satz unter "Änderung ... des abgeleiteten Bescheides" die im ersten Satz normierte Ersetzung des abzuleitenden (zB Einkommensteuer-) Bescheides durch einen neuen (zB Einkommensteuer-) Bescheid zu verstehen ist. Somit sind die angefochtenen, auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Bescheide vom voll anfechtbar (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 295 Anm 13) und damit auch gemäß § 289 Abs. 2 BAO entsprechend der Auffassung der Berufungsbehörde in jede Richtung abänderbar und aufhebbar; diesbezügliche Einschränkungen durch § 289 Abs. 1 BAO idF BGBl I 2002/97 können nicht vorliegen, weil in den Einkommensteuerverfahren der Bw. der Streitjahre keine Aufhebungen gemäß § 289 Abs. 1 BAO erfolgt sind.

Die vermeintlichen "Bescheide" des Finanzamtes X vom , die die Grundlage für die Erlassung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide vom sein sollten, sind ins Leere gegangen. Diese sog ´Nichtbescheide´ stellen keine rechtlich relevante Grundlage für die Erlassung abgeleiteter Bescheide dar. Ohne sich tatsächlich auf einen Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) zu stützen, durften die angefochtenen, auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheide vom für die Streitjahre 1990 bis 1993 nach dem Grundsatz "ne bis in idem" aber nicht ergehen, weil über die von den angefochtenen Bescheiden erfassten Inhalte - die Einkommensteuerveranlagungen 1990 bis 1993 - bereits bescheidmäßig abgesprochen war.

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO idF BGBl I 2002/97 ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz bei einer inhaltlichen Entscheidung über eine Berufung berechtigt, "sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen."

Im gegenständlichen Fall war nach Ansicht der Berufungsbehörde (Abgabenbehörde zweiter Instanz) die Erlassung der angefochtenen Bescheide vom überhaupt unzulässig, weshalb sie jedenfalls aufzuheben sind. Damit erlangen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 vom , vom , vom bzw. vom wieder ihre volle Wirksamkeit. Da diese aber keine Anfechtungsgegenstände des anhängigen Berufungsverfahrens darstellen, können sie mit der vorliegenden Berufungsentscheidung nicht abgeändert werden, weshalb die nunmehr rechtskräftigen Feststellungen der Einkünfte vom (für 1991 bis 1993) bzw. vom (für 1990) in diesem Verfahren keine Berücksichtigung finden konnten. Wird nämlich ein Änderungsbescheid gemäß § 295 Absatz 1 BAO erlassen, obwohl der hiefür herangezogene Grundlagenbescheid rechtlich nicht existent war, so ist diese Rechtswidrigkeit nicht dadurch sanierbar, dass nachträglich der Grundlagenbescheid erlassen wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat eine aufhebende Berufungserledigung zu ergehen und allenfalls danach eine neuerliche Änderung gemäß § 295 Absatz 1 BAO seitens der Abgabenbehörde erster Instanz. Diese wird dabei auf die Verjährungsbestimmungen der §§ 207 ff BAO Bedacht zu nehmen haben.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
absolute Verjährung
Feststellungsbescheid
abgeleiteter Bescheid
Verweise
UFS, RD/0006-L/04

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at