zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 21.06.2000, 1Ob31/00s

OGH vom 21.06.2000, 1Ob31/00s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erich D*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Weinwurm und Dr. Alois M. Leeb, Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Neunkirchen, wegen 1,9 Mio S sA infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 17 R 192/99a-22, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 22 Cg 291/98i-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Beklagte schloss am mit fünf weiteren Gesellschaftern in Notariatsaktsform den Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der klagenden Gesellschaft mbH, der folgende Bestimmung enthält:

"Vierzehntens: Schiedsklausel. Für alle Streitigkeiten aus diesem Gesellschaftsvertrag zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie zwischen diesen untereinander, und zwar auch nach deren Aussscheiden, ist ein Schiedsgericht ausschließlich zuständig. Der Schiedsvertrag wird schriftlich gesondert errichtet und ist auch von jedem neu eintretenden Gesellschafter mitzunterfertigen."

Der Gesellschaftsvertrag war von einem Gesellschafter vorformuliert und sodann vor dem Abschluss mit den einzelnen Gesellschaftern durchbesprochen worden. Zwei Gesellschafter sind der Auffassung, mit Punkt 14. sei noch keine Schiedsvereinbarung getroffen worden, der Beklagte ist gegenteiliger Auffassung. Nach der Gründung der Gesellschaft errichteten die Gesellschafter keinen gesonderten Schiedsvertrag, weil sie daran nicht mehr dachten.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten, der zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage noch ihr Geschäftsführer war, zum Ersatz ihres mit 1,9 Mio S sA bezifferten Schadens, weil der Beklagte gegen das im Gesellschaftsvertrag festgelegte Wettbewerbsverbot verstossen habe. Der Schiedsvertrag sei einer schriftlichen, gesondert zu errichtenden - niemals zustandegekommenen - Vereinbarung vorbehalten worden.

Der Beklagte wendete die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein, weil bereits im Punkt 14. erster Satz des Gesellschaftsvertrags zwischen den Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart worden sei.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Die Auslegung der Schiedsklausel ergebe, dass bereits durch Punkt 14. erster Satz des Gesellschaftsvertrags ein wirksamer Schiedsvertrag zustandegekommen sei.

Das Rekursgericht verwarf die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten. Punkt 14. des Gesellschaftsvertrags stelle nur einen Vorvertrag zum Abschluss eines gesondert zu errichtenden Schiedsvertrags dar.

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs des Beklagten ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Zwischenverfahrens über die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist die Frage, ob die Gesellschafter mit Punkt 14. ihres Gesellschaftsvertrags bereits einen die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts ausschließenden Schiedsvertrag geschlossen oder nur eine Abrede (etwa einen Vorvertrag) (§ 936 ABGB) mit dem Ziel, in weiterer Folge den in Aussicht genommenen Schiedsvertrag abzuschließen, getroffen haben. Der Schiedsvertrag ist ein reiner Prozessvertrag; für seine Auslegung ist daher grundsätzlich Prozessrecht massgebend. Soweit die Vorschriften des Prozessrechts jedoch nicht ausreichen, sind die Auslegungsregeln des ABGB analog heranzuziehen (RdW 1987, 54; SZ 68/112, SZ 70/156, SZ 71/82, je mwN; RIS-Justiz RS0045045; Rechberger in Rechberger2, § 577 ZPO Rz 1 f mwN; Fasching IV 732 und Lehrbuch2 Rz 2171; Rummel, Schiedsvertrag und ABGB in RZ 1986, 146 ff). Da im vorliegenden Fall ein übereinstimmender Parteiwille aller Gesellschafter nicht festgestellt wurde (vgl dazu Rummel aaO 148 f), ist von der Formulierung der Schiedsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag auszugehen. In einem solchen Fall ist der Text der das Schiedsgericht betreffenden Vertragsbestimmung einer vernünftigen und den Zweck der Vereinbarung begünstigenden Auslegung zu unterziehen (vgl SZ 58/60, SZ 59/86; 1 Ob 2193/96y = HS 27/1 ua, zuletzt SZ 71/82; RIS-Justiz RS0044997). Von diesen Erwägungen ist auch die zweite Instanz ausgegangen.

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen, von denen nicht anzunehmen ist, dass sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen, begründet mangels einer über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung die Zulässigkeit des Rechtsmittels an die dritte Instanz im Allgemeinen nicht (1 Ob 58/97d = MietSlg 49.678 uva). Einer Vertragsauslegung kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO inne wohnen, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (1 Ob 2380/96y uva), etwa weil die Auslegungsgrundsätze krass verkannt wurde oder ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurden. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil der Schiedsvertrag nach dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung des Gesellschaftsvertrags erst (in Zukunft) "schriftlich gesondert errichtet" und mit diesem erkennbar - ungeachtet der Vorschriften des §§ 580 ff ZPO - das gesamte Procedere einschließlich der Bestellung der Schiedsrichter festgelegt werden sollte. Hätten die Parteien schon durch den Gesellschaftsvertrag einen Schiedsvertrag iSd § 577 ZPO errichten wollen, hätte es wohl eines Hinweises auf einen gesonderten Schiedsvertrag gar nicht bedurft (SZ 34/35 = EvBl 1961/204).

Die "Schiedsklausel" kann deshalb wohl nur so verstanden werden, dass die Gesellschafter gesellschafts- bezogene Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht austragen wollten, die näheren Bestimmungen über dessen Zusammensetzung sowie die näheren Verfahrensbe- stimmungen, die es zu beachten hat, jedoch erst einem eigens abzuschließenden - und von neueintretenden Gesellschaften mitzuunterfertigenden - Schiedsvertrag vorbehielten, vor dessen Errichtung sie noch nicht gebunden sein wollten (vgl § 884 ABGB).

Demnach ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen.