TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 31.07.2006, RV/1072-W/06

Nachsicht nur von Abgaben, nicht anderer Auslagen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Walter Kreindl, Wirtschaftstreuhänder, 1180 Wien, Pötzleinsdorfer Straße 99, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte der Berufungswerber (Bw.), "Anwalts-Honorarkosten in Höhe von € 11.000,00 aus dem Jahr 2001" nachsehen zu wollen. Begründend führte er aus, dass die genannten Anwaltskosten aus einem ihm völlig unbekannten Prozess resultieren würden, welchen seine 1999 verstorbene Mutter auf Grund eines gerichtlichen Aufkündigungsverfahrens seitens der Hausinhabung geführt hätte. Seine Mutter wäre Mieterin eines Geschäftslokales gewesen, welches sie seit 30 Jahren verpachtet bzw. vermietet gehabt hätte.

Da der Bw. von diesem Verfahren erst einige Zeit nach der Einantwortung Kenntnis erlangt hätte, wäre dieser Prozess ihm vom Gericht aufgezwungen und nicht mutwillig angestrengt gewesen. Auf Grund der Gesetzeslage hätte er auch keine Möglichkeit gehabt, sich von diesem Prozess zu befreien, sondern hätte das Verfahren durch alle drei Instanzen im Interesse der Pächterin durchziehen müssen, was zwangsläufig mit enormen Gerichts- und Anwaltskosten verbunden gewesen wäre.

Infolge eines Gerichtsurteils hätte er die Räumung des Lokales im Jahr 2002 veranlassen müssen. Unmittelbar nach der erfolgten Räumung wäre er von der Hausinhabung über von der Pächterin nicht bezahlte Mietzinsschulden informiert und zur sofortigen Zahlung bei sonstiger Klagsandrohung aufgefordert worden. Zur Vermeidung eines weiteren Prozesses hätte er eine außergerichtliche Vereinbarung auf Basis einer Zahlung von € 80.000,00 erzielt, wofür er jedoch eine weitere Hypothek auf das Haus aufnehmen hätte müssen. Mit der ersten Hypothek, welche derzeit mit € 100.881,54 aushaften würde, hätte er seinen Bruder ausbezahlt. Dazu komme noch, dass die Pächterin eine Klage zur Zahlung von € 213.095,97 betreffend Warenlagerabgeltung, Verlust der Erwerbsquelle und Schadenersatz gegen den Bw. eingereicht hätte.

Weiters hätte er gegen die Mieter des Restaurants T. wegen ausständiger Mieten eine gerichtliche Räumung veranlassen müssen. Durch die lange Verfahrensdauer wäre ihm ein Vermögensschaden von € 43.500,00 entstanden, wobei er auf Grund des nachfolgenden Privatkonkurses eines Mieters lediglich € 30,43 monatlich erhalten würde. Auch betreffend das Restaurant F. wäre auf Grund des Konkursverfahrens der Mieter eine gerichtliche Aufkündigung erforderlich gewesen. Hierbei würden die Gesamtkosten noch nicht feststehen.

Seine finanziellen Reserven wären daher völlig aufgebraucht, wobei noch weitere bedeutende Kosten infolge des noch laufendes Prozesses mit der Pächterin auf den Bw. zukommen würden. Die geschilderte Situation sei für den Bw. deshalb so dramatisch, da durch die extremen Gerichtskosten seine terminisierten Hypothekenzahlungen ernstlich gefährdet wären und er sich daher in einer de facto existenzbedrohenden Lage befinden würde.

Abschließend brachte der Bw. vor, dass er bisher stets korrekt seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen wäre.

In Beantwortung eines an ihn gerichteten Vorhaltes gab der Bw. mit Schreiben vom bekannt, dass die Wohnungen und Lokale mit Ausnahme einer leerstehenden Wohnung alle vermietet wären; Pachteinnahmen für die Lokale hätte er jedoch keine erhalten. Der Verkehrswert des Hauses würde unter der Voraussetzung einer völligen Neusanierung (Kosten: ATS 318.000,00) gemäß eines Sachverständigengutachtens aus dem Jahr 1999 ATS 6.186.000,00 betragen. Die Hypothekarschuld würde mit € 93.479,17 aushaften.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen als unbegründet ab und brachte vor, dass die Höhe des Nachsichtsbetrages schwerlich aus den laufenden Abgabenschuldigkeiten nachvollzogen werden könne.

Fällige Abgabenschuldigkeiten könnten gemäß § 236 BAO durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lages des Falles unbillig wäre. Sachliche Unbilligkeit wäre weder behauptet worden noch könne diese erblickt werden. Persönliche Unbilligkeit liege nur dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde oder die Abstattung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre.

Aus den Einkommensteuererklärungen wäre aber ersichtlich, dass die Pension des Bw. keinesfalls durch Verluste aus der Vermietung eingeschränkt wäre. Im Gegenteil würden die Mieterlöse aus dem Jahr 2004 die Rechts- und Beratungskosten um € 15.325,42 übersteigen. Der vorübergehend zusätzlich durch Streitverfahren mit einzelnen Mietern entstandene Mehraufwand könne durch Überbrückungskredite abgedeckt werden, da trotz Kaufes der zweiten Haushälfte die Hypothekarschuld nur mehr mit € 93.479,17 aushaften würde, obwohl das Pfandrecht vom € 2.000.000.00 betragen hätte.

Durch die Gewährung der Abgabennachsicht würde sich der Lebensstandard des Bw. zwar verbessern, jedoch würde diese gesetzliche Bestimmung nicht diesem Zweck dienen.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wiederholte der Bw. seine im Nachsichtsantrag enthaltenen Angaben und brachte ergänzend vor, dass er durch aufgezwungene Klagen und Konkurse im eigenen Hause sowohl einen Totalverlust von € 116.369,00 erlitten habe als auch zusätzlich auf € 213.100,00 geklagt worden wäre. Dadurch wären seine finanziellen Reserven, alle Ersparnisse eines gesamten Lebens, völlig aufgebraucht. Darüber hinaus stelle die infolge Aufnahme von zwei Hypotheken bestehende hohe Bankverschuldung noch jahrelang eine immense finanzielle Belastung dar. Da er angesichts der hochgradigen Verschuldung währende der letzten sechs Jahre auch seine Pension hätte heranziehen müssen, wäre eine echte Existenzgefährdung gegeben.

Hinzu würden ab dem nächsten Jahr auf Grund der neuen gesetzlichen Bestimmungen weitere immense Aufwändungen infolge des Austausches aller Wasserrohre und elektrischen Leitungen kommen. Eine Evaluierung eines vergleichbaren Hauses würde sich auf etwa € 65.000,00 belaufen.

Weiters brachte der Bw. vor, dass seine persönliche Situation verheerend sei, da er 83 Jahre alt, 50% invalide sowie stark gehbehindert sei und jahrelang an einer aggresiven und progressiven Polyarthritis leide, deren Medikamentierung ebenfalls immense Kosten verursache.

Abschließend avisierte der Bw. eine Zahlung von € 6.000,00.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage de Falles unbillig wäre.

Nach § 236 Abs.1 BAO können daher auschließlich bereits fällige Abgabenschulden nachgesehen werden. Eine Abschreibung setzt aber auch eine vorherige Lastschrift auf dem Abgabenkonto voraus.

In seinem Ansuchen vom beantragte der Bw. jedoch die "Nachsicht betreffend Anwalts-Honorarkosten E 11.000,00 aus dem Jahr 2001".

Da diese Honorarkosten aber weder eine Abgabe sind noch damit das Abgabenkonto belastet wurde, können diese von der Abgabenbehörde nicht nachgesehen werden. Dem Ansuchen war daher schon aus diesem Grunde der Erfolg zu versagen.

Informativ wird dennoch mitgeteilt, dass es angesichts des laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 nicht unbeträchtlichen Einkommens von € 77.672,83 durch die Zahlungsverpflichtungen lediglich zu einer vorübergehenden (bis 2010) Liquiditätsverminderung gekommen war, die aber nicht die Annahme einer Existenzgefährdung begründen kann.

Darüber hinaus ist eine Nachsicht auch deshalb ausgeschlossen, weil eine Abschreibung von € 11.000,00 angesichts der Höhe der Verschuldung nicht zu einer Sanierung des Bw. führen würde.

Die Begründung dieses Antrages, dass der Bw. unerwartete Zahlungen hätte tätigen müssen, weist auf eine Bevorzugung anderer Gläubiger hin, die wiederum eine Nachsicht von Abgaben im Rahmen des Ermessens gänzlich ausschließt (). Da der Bw. auch nicht behauptete, dass andere Gläubiger auf ihre Forderungen verzichtet hätten, wäre der nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigende Umstand, dass sich eine allfällige Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde, als im Rahmen der Ermessensentscheidung auch gegen die Nachsicht sprechenden Grund zu beurteilen ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nachsicht
Abgaben
Honorarkosten
Bevorzugung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at