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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 19.06.2008, RV/1287-W/07

Nachträgliche Geltendmachung von Mieterinvestitionen für die Investitionszuwachsprämie (IZP) 2002

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1287-W/07-RS1
Ein als "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Investitionszuwachsprämie 2002" bezeichnetes Anbringen, das klar auf die Gewährung der IZP unter Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Mieterinvestitionen gerichtet ist, ist angesichts der ausdrücklichen Normierung von § 201 BAO als einzigem anwendbaren Verfahrenstitel in § 108e Abs 5 EStG 1988 als Antrag auf Festsetzung der IZP 2002 gemäß § 201 BAO idF BGBl 1980/151 aufzufassen.
RV/1287-W/07-RS2
Entsprach die erstmalige Geltendmachung der IZP 2002 mangels Zuordnung der im Jahr 2002 angeschafften/hergestellten Wirtschaftsgüter zum Investitionszuwachs nicht den Erfordernissen des § 108e Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I 2002/155, so wäre im Sinne von ein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 85 Abs 2 BAO durchzuführen gewesen. Da dies nicht geschah, konnten die ursprünglich nicht geltend gemachten Mieterinvestitionen - was aus dem Erstantrag nicht hervorgegangen war -, später ´nachnominiert´ werden, ohne dass die von Zorn in Hofstätter/Reichel, § 108e, Rz 10 und von Sutter in AnwBl 2008, 36f aufgezeigte Folge - das Erlöschen des IZP-Anspruches für nicht bis zum Ende der IZP-Geltendmachungsfrist nominierte Wirtschaftsgüter - eintreten hätte können.
RV/1287-W/07-RS3
Hier betraf die geltend gemachte Zustellvollmacht nur das Berufungsverfahren zur IZP 2002. Die Zustellung an die steuerliche Vertretung erfolgte im Sinne der vorstehenden Interpretation, welche eventuell nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nur hinsichtlich der Zwischenerledigungen. Die Enderledigung (Berufungsentscheidung) konnte aufgrund einer Erklärung der steuerlichen Vertretung in der mündlichen Berufungsverhandlung, wonach keine Zustellbevollmächtigung bestehe, an den Berufungswerber persönlich erfolgen, ohne den Sinn von § 103 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 124/2003 ergründen zu müssen.
RV/1287-W/07-RS5
Auf die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 ist § 201 BAO gemäß § 323 Abs 11 BAO noch nicht in der Fassung durch BGBl I 2002/97, sondern noch in der vorhergehenden Fassung durch BGBl 1980/151 anzuwenden.
Folgerechtssätze
RV/1287-W/07-RS3
wie RV/1148-W/03-RS2
Wenn der für den Berufungswerber einschreitende Parteienvertreter sich auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung beruft, die erkennbar das betreffende ESt-Berufungsverfahren betrifft (nicht aber andere Vlg.jahre), so macht der Parteienvertreter damit auch eine diesbezügliche Zustellbevollmächtigung (Zsb) geltend. Nach der früheren Formulierung des § 103 Abs. 2 BAO (insb. ohne "ausdrücklich ... eingeschränkt") hätte sich bereits aus dem Umstand, dass die ggstdl. Zsb jedenfalls nicht für die ESt anderer Jahre gilt, welche im Sinne des § 213 BAO gemeinsam mit der ESt für das Berufungsjahr zu verbuchen sind, die Unwirksamkeit der Zsb für Abgabenbehörden (inklusive UFS) ergeben. Durch das am ausgegebene BGBl I 2003/124, ist seit der § 103 Abs. 2 BAO in neuformulierter Fassung anzuwenden, sodass eine Unwirksamkeit der Zsb nunmehr voraussetzt, dass sie "ausdrücklich ... eingeschränkt" ist. Es stellt sich die Frage, ob die (ausdrückliche) Geltendmachung einer Zsb in einem Umfang, welcher bisher für die Wirksamkeit der Zsb nicht ausgereicht hätte, nunmehr auch als "ausdrückliche Einschränkung" auf diesen Umfang anzusehen ist. Die RV, laut der mit der ggstdl. Gesetzesänderung der Rsp zum bisherigen § 103 Abs. 2 BAO begegnet werden sollte, lässt offen, ob auch für Fälle wie den vorliegenden eine Änderung hinsichtlich der Wirksamkeit der Zsb beabsichtigt war. Im aktuellen Anlassfall (Zustellung im Jahr 2004) wurde der neuformulierte § 103 Abs. 2 BAO aus sprachlichen Gründen derart interpretiert, dass die - notwendigerweise ausdrückliche - Erteilung bzw. Geltendmachung einer Vollmacht im Abgabenverfahren für eine Angelegenheit keine "ausdrückliche Einschränkung" einer Zsb auf diese Angelegenheit im Sinne des § 103 Abs. 2 BAO idF BGBl I 2003/124 darstellt.
RV/1287-W/07-RS4
wie RV/2094-W/02-RS1
Ein Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben im Sinne des § 201 BAO ist zulässig.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Rudolf Wanke und die weiteren Mitglieder Oberrat Mag. Christian Seywald, Landesinnungsmeister Friedrich Nagl und Kammerrat Konrad Antoni im Beisein der Schriftführerin Diana Engelmaier über die Berufung des Bw, vertreten durch Stb-Ges, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom , mit dem der Antrag vom betreffend Investitionszuwachsprämie 2002 abgewiesen wurde, nach der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und setzt gemäß § 201 BAO idF BGBl 1980/151 die Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 idF BGBl I 2002/155 für das Kalenderjahr 2002 mit 4.363 € (=10% von einem Investitionszuwachs iHv 43.630 € als Bemessungsgrundlage) fest.

Entscheidungsgründe

Die Einkommensteuererklärung des Berufungswerbers (Bw) für das Jahr 2002 und die Beilage zur Einkommensteuererklärung 2002 zur Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie (IZP) gemäß § 108e EStG 1988 (Formular E 108e) langten ebenso wie der Jahresabschluss samt Anlagenzugangsverzeichnis am beim Finanzamt ein.

Im Formular E108e waren die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter des Jahres 2002 mit 43.594 € angegeben. Im Formular nicht ausgefüllt war die Rubrik "Verzeichnis von Wirtschaftsgütern, denen der Investitionszuwachs 2002 zugeordnet wird" und es wurde auch nicht auf einer Beilage eine derartige Zuordnung vorgenommen. Denn es lag zwar ein Verzeichnis bei, nach welchem die Gesamtsumme der Anlagenzugänge 97.702,83 € betrug; aber eine Überleitung von 97.702,83 € auf 43.594 € anlässlich der Geltendmachung der IZP am erfolgte nicht.

Die Ermittlung der IZP hinsichtlich des Zuwachses erfolgte auf dem Formular E108e, indem aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten der (fiktiv) begünstigten Wirtschaftsgüter der drei Vorjahre (1999: 7.623 €, 2000: 1.083 €, 2001: keine) ein Durchschnitt von 4.353 € ermittelt wurde. Die 4.353 € wurden von den o.a. 43.594 € abgezogen, sodass 39.241 € als Bemessungsgrundlage für die 10%ige IZP verblieben.

Die in einer Höhe von 3.924 € beantragte IZP wurde am auf dem Steuerkonto zugunsten des Bw (=als Negativbetrag) gebucht (UFS-Akt Bl 7).

Mit Schreiben vom wurde der "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Investitionszuwachsprämie 2002" gestellt zwecks Beantragung der bisher als nicht begünstigungsfähig angesehenen Mieterinvestitionen (ESt-Akt Bl 22/2002), welchem eine (geänderte) Geltendmachung der IZP (Formular E 108e) mit 4.363 € beilag, worin nicht nur die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter des Jahres 2002 mit 46.532 € (statt 43.594 €) anders angegeben wurden, sondern auch die Vergleichsbasis - der Durchschnitt der Anschaffungs- und Herstellungskosten der (fiktiv) prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter der Jahre 1999 bis 2001 - mit 2.902 € statt 4.353 €.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab, weil kein durch Bescheid abgeschlossenes IZP-Verfahren 2002 vorliege und eine sinngemäße Anwendung gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO mangels Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nicht möglich sei (ESt-Akt Bl 27/2002). Anm: Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte in Einklang mit den Eintragungen über FINANZOnline (Zustellungsbevollmächtigung der steuerlichen Vertretung nur bis ; vgl UFS-Akt Bl 68) an den Bw.

Im Namen und Auftrag des Bw und "unter Berufung auf die mir erteilte steuerliche Vollmacht, welche auch eine Vertretungs- und Zustellvollmacht" beinhaltet, wurde mit Schreiben vom durch die steuerliche Vertretung des Bw Berufung gegen diesen Bescheid erhoben (ESt-Akt Bl 29ff/2002). Begründend wurde dargestellt, dass Mieterinvestitionen u.a. laut keine von der IZP ausgeschlossenen Gebäude darstellten. Die Voraussetzungen des Neuerungstatbestandes lägen somit vor. Daher werde beantragt, dem "Antrag gem. § 201 BAO auf Festsetzung der Investitionszuwachsprämie" vollinhaltlich stattzugeben.

Mit Vorhalt der Berufungsbehörde vom (UFS-Akt Bl 9) wurde der Bw gefragt:

  • ob es sich bei dem zusätzlich geltend gemachten Investitionszuwachs iHv 2.938 € um die drei Positionen unter Kontonummer 210 (Betriebs- u. Geschäftsgebäude) des Anlagenverzeichnisses handele;

  • sowie unter Bezug auf den Artikel von Zorn in RdW 12/2006 (betreffend Recht des Mieters auf Entfernung oder Entschädigung):

"a) Wie ist diesbezüglich die Situation hinsichtlich der von Ihnen zusätzlich geltend gemachten Investitionen?"

"b) Wurden die zusätzlich geltend gemachten Investitionen zum eigenen oder zum Nutzen des Vermieters/Verpächters getätigt?"

Abschließend wurde im Vorhalt ausgeführt: "Die Zustellung dieses Schreibens erfolgt an die steuerliche Vertretung, weil diese sich in der Berufungsschrift (jedenfalls ausdrücklich iSd § 9 ZustG idF BGBl I 2004/10) auch auf die erteilte Zustellvollmacht beruft, und deshalb davon ausgegangen wird, dass für das anhängige Berufungsverfahren - anders als im restlichen Besteuerungsverfahren des Berufungswerbers - eine Zustellungsbevollmächtigung geltend gemacht wurde. Die Zustellungsbevollmächtigung ist damit zwar eingeschränkt, aber eine ´ausdrückliche´ Einschränkung iSd § 103 Abs 2 lit a BAO - mit der Folge der Unwirksamkeit der Zustellungsbevollmächtigung gegenüber Abgabenbehörden - ist nach der Formulierung in der Berufungsschrift nicht erfolgt...." Anm: Nach diesem Interpretationsergebnis, das eventuell nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, wurde nur die Zustellung von Zwischenerledigungen vorgenommen. Für die Zustellung der Berufungsentscheidung ist aufgrund einer Erklärung der steuerlichen Vertretung in der mündlichen Berufungsverhandlung, wonach keine Zustellbevollmächtigung bestehe, die Ergründung des Sinnes des § 103 Abs 2 BAO idF BGBl I 2003/124 entbehrlich geworden.

Mit Schreiben vom (UFS-Akt Bl 10) wurde darauf geantwortet, dass es sich bei dem zusätzlich geltend gemachten Investitionszuwachs um die drei Positionen 210: Lüftungseinfassung, Wasserleitungsrohre und Rauchfang handle. Die vom Bw vorgenommenen Investitionen seien notwendig gewesen, um die Benützbarkeit der gemieteten Immobilie für seine Zwecke sicherzustellen. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Bw die gemieteten Räumlichkeiten langfristig, wahrscheinlich bis zu seiner Pensionierung, für seinen Tischlereibetrieb benutzen werde. Daher seien die Mieterinvestitionen ausschließlich in seinem Interesse erfolgt. Laut Vereinbarung mit dem Vermieter bestehe das Recht der Entfernung der Einbauten im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses bzw werde man sinnvollerweise eine Entschädigung - soweit die Investition dann noch werthaltig sei - vereinbaren.

Mit Schreiben vom (UFS-Akt Bl 12) brachte die Berufungsbehörde dem Finanzamt als Amtspartei dieses Vorhalteverfahren durch Ablichtungen zur Kenntnis.

In der Ladung für die mündliche Berufungsverhandlung wurde folgende vermutliche Ableitung der Anschaffungs- und Herstellungskosten IZP-begünstigter Wirtschaftsgüter aus dem Anlagenzugangsverzeichnis vorgehalten, was in der mündlichen Verhandlung von der steuerlichen Vertretung des Bw bestätigt wurde:


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Gesamtsumme der Anschaffungswerte
97.702,83 €
davon nicht prämienbegünstigt:
gebrauchter Lastkraftwagen (Konto 640)
-9.583,33 €
Aus Konto 580 Sonstige Betriebsausstattung:
von Lieferant A aus Beleg 89 (gebraucht):
Inv-nr 4-00
-10.180,00 €
Inv-nr 5-00
-2.200,00 €
Inv-nr 6-00
-4.000,00 €
Inv-nr 7-00
-8.357,00 €
Inv-nr 8-00
-10.174,00 €
Inv-nr 9-00
-3.485,00 €
Inv-nr 10-00
-1.453,00 €
Inv-nr 11-00
-945,00 €
Inv-nr 12-00
-581,00 €
Fahrrad gebraucht
-212,50 €
Zwischenergebnis (entspricht Antrag vom März 2007)
46.532,00 €
Nach Ansicht Oktober 2033 vermeintlich nicht prämienbegünstigt:
Konto 210 Betriebs- und Geschäftsgebäude:
Lüftungseinfassung
-343,00 €
Wasserleitungsrohre
-678,00 €
Rauchfang
-1.917,45 €
Zwischenergebnis (entspricht Antrag vom Oktober 2003)
43.593,55 €

Vorgehalten wurde auch, dass der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten im Vergleichszeitraum (laut Antrag vom Oktober 2003: 4.353 €; laut Antrag vom März 2007: 2.902 €) nach Ansicht des Referenten dadurch zu erklären sei, dass aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter der Vorjahre (1999: 7.623 €, 2000: 1.083 €, 2001: keine) im Oktober 2003 ein Durchschnitt von 4.353 € (= 8.706 € dividiert durch 2) ermittelt worden sei und im März 2007 ein Durchschnitt von 2.902 €, was der Division von 8.706 € durch 3 entspreche.

In der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Wiederaufnahmeantrag als Antrag auf Erlassung eines Bescheides nach § 201 BAO zu verstehen sei.

Dagegen wandte der Vertreter des Finanzamtes ein, dass der Antrag ausdrücklich die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt habe und eine Umdeutung in einen Festsetzungsantrag nach § 201 BAO eine sehr extensive Interpretation sei. Nach dem Gesetz stehe es dem Steuerpflichtigen frei, nicht für alle Wirtschaftsgüter, die an sich begünstigt wären, die IZP in Anspruch zu nehmen. Daher könne nach Ansicht des Finanzamtes nicht gesagt werden, dass die seinerzeitige Berechnung durch den Bw unrichtig gewesen sei. Daher sei auch nach der im Berufungszeitraum anzuwendenden Rechtslage kein Anlass für eine Festsetzung nach § 201 BAO gegeben.

Die steuerliche Vertreterin des Bw hielt dem entgegen, dass die Berechnung jedenfalls insoweit unrichtig gewesen sei, als der Durchschnitt der Vorjahre falsch ermittelt worden sei.

Darauf replizierte der Vertreter des Finanzamtes, dass zwar eine Berichtigung dahingehend vorzunehmen sei, dass ein richtiger Divisor angewendet werde; jedoch könne eine erstmalige Geltendmachung für weitere Wirtschaftsgüter davon nicht umfasst sein.

Über die Berufung wurde erwogen:

Für die Beurteilung von Anbringen soll es nach der Rsp nicht auf die Bezeichnungen von Schriftsätzen und zufällige verbale Formen ankommen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Laut Rsp ist im Zweifel einem Anbringen, das die Partei zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl zur höchstgerichtlichen Rsp: Ritz, BAO3, § 85 Tz 1).

Das zu erschließende Ziel des Antrages vom (samt Beilage) ist klar: Der Bw will die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 in Höhe von 4.363 € erhalten, statt in der vorher (Eingangsstempel ) beantragten und durch Verbuchung auf seinem Steuerkonto am gewährten Höhe von 3.924 €.

Der Verfahrenstitel zur Änderung der Höhe der bisher gewährten, ohne Bescheiderlassung auf dem Steuerkonto des Bw verbuchten Investitionszuwachsprämie 2002 ist durch § 108e Abs 5 EStG 1988 festgelegt: "(5) Die sich aus dem Verzeichnis ergebende Prämie ist auf dem Abgabenkonto gutzuschreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurück. Sowohl die Prämie als auch eine Prämiennachforderung bzw. Rückforderungsansprüche auf Grund einer geänderten Bemessungsgrundlage gemäß Abs. 3 gelten als Abgabe vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes. Auf die Gutschrift sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. Die Prämie ist zu Lasten des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer zu berücksichtigen."

Der Antrag vom wird vom Berufungssenat als Antrag auf Festsetzung der IZP 2002 gemäß § 201 BAO - als dem in § 108e Abs 5 EStG 1988 ausdrücklich vorgegebenen Verfahrenstitel - gewertet.

Da die IZP als Abgabe vom Einkommen iSd BAO gilt, ist § 4 Abs 2 lit a BAO betreffend Entstehung des Abgabenanspruches bei ESt und KSt anzuwenden, wobei nur Z 2 ("für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird....") anwendbar ist, denn es handelt sich bei der IZP um eine für ein ganzes Kalenderjahr zu gewährende Prämie und keinesfalls um eine Vorauszahlung iSd Z 1 oder einen Steuerabzugsbetrag iSd Z 3. Der Anspruch (iSv Abgabenanspruch) auf die IZP 2002 ist daher mit Ablauf des Jahres 2002 entstanden. Vom Abgabenanspruch ist der Abgabenzahlungsanspruch (Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten) zu unterscheiden, der sich bei Selbstbemessungsabgaben aus dem Gesetz oder aus der Selbstberechnung ergibt (Ritz, BAO3, § 4 Tz 3). Auf die IZP angewendet bedeutet dies, dass der Anspruch auf Gutschrift der Prämie auf dem Steuerkonto durch die (rechtzeitige) Geltendmachung entsteht. Dass der Abgabenzahlungsanspruch bzw hier Prämiengutschriftsanspruch am (damals iHv 3.924 €) entstanden ist durch Einreichung des Formulares E108e gemeinsam mit der Einkommensteuererklärung 2002, ändert daher nichts daran, dass der Abgabenanspruch (hier: Prämienanspruch) mit Ablauf des Jahres 2002 entstanden ist.

§ 201 BAO wurde durch BGBl I 2002/97 mit folgender Übergangsbestimmung novelliert: Gemäß § 323 Abs 11 Satz 1 BAO ist § 201 BAO idF BGBl I 2002/97 erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entsteht. Die Neuregelung ist auf Abgabenansprüche nach dem , somit mit Beginn des Jahres 2003 anzuwenden. Der Abgabenanspruch müsste frühestens am entstanden sein; dieser Zeitpunkt liegt nach jenem der Entstehung des IZP-Anspruches für das Jahr 2002. Auf die IZP 2002 ist daher noch nicht § 201 BAO idF BGBl I 2002/97, sondern in der vorhergehenden Fassung durch BGBl 1980/151 anzuwenden, welche lautet: "§ 201. Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefaßt erfolgen."

Diese Fassung ist dadurch gekennzeichnet, dass in keinem Fall die Erfüllung eines Wiederaufnahmstatbestandes, etwa eines sogenannten Neuerungstatbestandes gefordert wird, wie es in dem hier unanwendbaren § 201 Abs 2 Z 3 Fall 2 und Abs 3 Z 2 BAO idF BGBl I 2002/97 durch Verweise auf die Wiederaufnahmsbestimmungen geschieht.

Mit Ausnahme des hier bedeutungslosen letzten Satzes, ist bei der Anwendung von § 201 BAO idF BGBl 1980/151 - im Gegensatz zur Anwendung von Abs 2 der Neufassung - auch keine Ermessensübung vorzunehmen.

§ 201 BAO idF BGBl 1980/151 sieht ein Antragsrecht nicht ausdrücklich vor, sondern es liegt am Abgabepflichtigen, die Behörde von der von ihm behaupteten Unrichtigkeit der Selbstberechnung in Kenntnis zu setzen;wenn sich diese Behauptung als richtig erweist, hat die Behörde einen Abgabenbescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen (Stoll, BAO-Kommentar, 2124, der auch ein allfälliges Abweisen eines diesbezüglichen Antrages vorsieht). Schon vor der Neufassung des § 311 BAO durch das AbgRmRefG, BGBl I 2002/97, waren nach der Judikatur bei Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Selbstbemessung Bescheide zu erlassen (vgl Ritz, BAO2 (1999), § 201 Tz 5). Dies wird umso mehr durch die Neufassung des § 311 Abs 1 BAO durch das AbgRmRefG, die gemäß § 323 Abs 10 mit in Kraft getreten und damit für den ggstdl Antrag anwendbar ist, der Fall sein, denn statt der früheren Entscheidungspflicht "über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen" ist nunmehr in § 311 Abs 1 BAO eine Entscheidungspflicht "über Anbringen" vorgesehen.

Über den als Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO aufgefassten Antrag vom ist daher inhaltlich zu entscheiden (und nicht etwa formal durch Zurückweisung wegen mangelnder ausdrücklicher Normierung eines Antragsrechtes in der damaligen Fassung des § 201 BAO).

Die IZP 2002 ist gemäß § 201 BAO aF festzusetzen, wenn auch nur einer der folgenden Tatbestände zutrifft:

  • Unvollständigkeit der Erklärung;

  • Unrichtigkeit der Selbstberechnung; eine solche liegt schon aus folgendem Grund vor:

Eine Unrichtigkeit der am beim Finanzamt eingelangten Selbstberechnung der IZP 2002 durch den Bw liegt darin, dass der Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser (=der fiktiv prämienbegünstigten) Wirtschaftsgüter der letzten drei Wirtschaftsjahre, die vor dem ... enden, iSd § 108e Abs 3 EStG 1988 falsch berechnet ist: Nur weil dieser Wert im Jahr 2001 Null war, darf das Jahr 2001 bei der Durchschnittsberechnung nicht (durch die Verwendung von 2 als Divisor) außer Ansatz bleiben, sondern es ist 3 als Divisor zu verwenden. Auf allfällige weitere Anlässe zum Ergehen eines Bescheides gemäß § 201 BAO braucht daher nicht eingegangen werden.

Somit ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zur Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2002 zu erlassen. Nach der Formulierung des § 201 BAO idF BGBl 1980/151 ist dabei nicht nur die hier vorliegende offensichtliche Unrichtigkeit der Selbstberechnung zu korrigieren, sondern die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 richtig festzusetzen. Vgl auch Stoll, BAO-Kommentar, 2124, wonach nicht nur der vom festgestellten Mangel erfasste Teil der Abgabe, sondern die Abgabeinsgesamt festzusetzen ist.

Für die Ermittlung der "richtigen" Höhe der Investitionszuwachsprämie sind im gegenständlichen Fall nicht nur die - aufgrund der Judikatur nicht mehr zweifelhaft erscheinende - Begünstigungsfähigkeit der Mieterinvestitionen entscheidend, sondern es ist auch auf die Argumentation von Zorn in Hofstätter/Reichel, § 108e EStG Rz 10 und Sutter in AnwBl 2008, 36f (samt zitiert in: BMF , BMF-010203/0065-VI/6/2008, veröffentlicht in SWK 7/2008 (T 033) nur mit Bezug auf die IZP für 2004) einzugehen.

Die UFS-Entscheidung , RV/2254-W/06, betraf einen Fall, in dem mit der (ursprünglichen) Einkommensteuererklärung 2003 und bis zur Rechtskraft des daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheides 2003 überhaupt keine Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie eingereicht wurde. Demgegenüber hat der Bw die IZP 2002 - wenn auch nicht im Einklang mit § 108e Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I 2002/155 (s unten) - zugleich mit der Einkommensteuererklärung 2002 und somit rechtzeitig beantragt.

§ 108e Abs 4 EStG 1988 in der Fassung BGBl I 2004/57 (StReformG 2005), gemäß § 124b Z 105 EStG 1988 erstmals für Prämien anzuwenden, die das Kalenderjahr 2004 betreffen, aber für das Verständnis der Argumentation bei Zorn und Sutter von Bedeutung, lautet: "Die Prämie kann nur in einer Beilage zur Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungserklärung (§ 188 BAO) des betreffenden Jahres geltend gemacht werden. Sie kann überdies in einer bis zum Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides nachgereichten Beilage geltend gemacht werden. In der Beilage sind die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Investitionszuwachsprämie darzustellen."

Zorn in Hofstätter/Reichel, § 108e EStG Rz 10 und Sutter in AnwBl 2008, 36f beurteilen die Rechtzeitigkeit der Beantragung der IZP bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut. Unter Eintritt der Rechtskraft sei der erstmalige Eintritt der formellen Rechtskraft gemeint, sodass die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens keine neue Möglichkeit der Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie eröffne.

Die Folge der o.a. Ansicht von Zorn und Sutter wäre ein Erlöschen des Anspruches auf die IZP hinsichtlich Wirtschaftsgütern, die für die IZP nach Ende der IZP-Geltendmachungsfrist "nachnominiert" werden.

Die besondere Konstellation des vorliegenden Falles, in welchem die IZP-Geltendmachung im Antrag vom nicht auf bestimmte Wirtschaftsgüter bezogen war, bewirkt aber, dass die o.a. Ansicht von Zorn und Sutter hier keinen Anwendungsbereich hat:

Der Bw hat am eine IZP für das Jahr 2002 iHv 3.924 € geltend gemacht, ohne dass er angegeben hätte, aus welchen im Jahr 2002 angeschafften Wirtschaftsgütern diese Höhe der IZP abgeleitet würde. Damit entsprach die Geltendmachung der IZP 2002 nicht der dafür in § 108e Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I 2002/155 vorgesehenen Regelung, welche lautet: "Der Steuererklärung ist ein Verzeichnis der Investitionszuwachsprämie des betreffenden Jahres anzuschließen (§§ 42, 43). Das Verzeichnis hat die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Investitionszuwachsprämie zu enthalten. Das Verzeichnis gilt als Abgabenerklärung."

Sohin entspricht der vorliegende Fall dem dem VwGH-Erkenntnis vom , 2007/15/0119 zugrundeliegenden Fall: Der Beschwerdeführer in jenem Fall hatte in der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung 2004 beim Feld "E108e" ein "Ja" angegeben, aber nicht bis zum Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2004 das Formular E108e in Papierform mit der Geltendmachung der IZP in näher bestimmter Höhe beim Finanzamt eingereicht. Nach Ansicht des VwGH hatte der Beschwerdeführer durch die rechtzeitige Abgabe der Willenserklärung auf Inanspruchnahme der IZP die Frist gewahrt und die Abgabenbehörde hätte ihm die Behebung der Formgebrechen bei der Geltendmachung der IZP gemäß § 85 Abs 2 BAO auftragen müssen.

Ebenso im vorliegenden Fall: Der Bw hat am die Willenserklärung zur Geltendmachung der IZP 2002 abgegeben, ohne zugleich die vorgesehenen Informationen bekanntzugeben. Die Abgabenbehörde hätte dem Bw daher gemäß § 85 Abs 2 BAO die Behebung dieser Formgebrechen auftragen müssen. Im Sinne von war dem Bw Gelegenheit zu geben, die Formgebrechen des Antrages zu beheben. Dies ist schließlich in der mündlichen Berufungsverhandlung durch Bestätigung der vorgehaltenen Zuordnung von im Jahr 2002 angeschafften Wirtschaftsgütern zur Ermittlung der IZP 2002 geschehen. Damit waren die gesetzlich (und in dem gemäß § 108e Abs 4 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl I 2002/155 iVm § 133 Abs 2 BAO zu verwendenden Formular, vgl eingangs) geforderten Angaben - Verzeichnis der Wirtschaftsgüter für die IZP - gemacht und es bestand kein Anlass mehr, nach § 85 Abs 2 BAO vorzugehen. Bis zu dieser klarstellenden Bestätigung ist kein Teil des IZP-Anspruches des Bw für das Jahr 2002 erloschen. Auch die Verjährung kann schon gemäß § 209a Abs 1 BAO nicht wirksam geworden sein; überdies hat die Erlassung des angefochtenen Bescheides im April 2007 eine Verlängerungshandlung dargestellt.

Da nach der besonderen Konstellation des vorliegenden Falles die Argumentation von Zorn und Sutter hier nicht anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben, ob diese Argumentation, die sich auch auf die Fassung von § 108e Abs 4 EStG 1988 durch BGBl I 2004/57 stützt, auf den zeitlichen Rechtsbedingungsbereich der Stammfassung von § 108e Abs 4 EStG 1988 (BGBl I 2002/155) bezogen werden kann.

Damit ist die vom Bw im März 2007 beantragte Höhe der IZP 2002 "richtig" auch im Sinne der zeitlichen Komponente der Regeln für die Geltendmachung und es ist der Berufung stattzugeben.

Ergeht auch an Finanzamt X zu St.Nr. Y

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108e Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 108e Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 103 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Festsetzungsantrag
Wiederaufnahmsantrag
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at