Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 08.03.2011, RV/1290-L/10

Ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 möglich, kann das große Pendlerpauschale nicht gewährt werden. Die Tatsache, dass der Bw. auf den Pkw "beruflich angewiesen ist", ist dabei irrelevant. Andere dienstliche Fahrten waren im gegenständlichen Fall nicht zu beurteilen. Die Fahrtkosten auf der Wegstrecke Wohnung-Arbeitsstätte sind daher durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw.., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der angeführten Abgabe bleiben unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diesen Bescheid ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieses Bescheides eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) eingebracht werden.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diesen Bescheid innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Zu beurteilen war ausschließlich das Vorliegen der Voraussetzungen des großen Pendlerpauschales im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 6 lit c EStG 1988 ("Unzumutbarkeitspauschale").

Der Bw. erzielt als ein überwiegend im Außendienst stehender Mitarbeiter eines Versicherungsunternehmens Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Dienstgeber berücksichtigte das große Pendlerpauschale nicht, weil diesem das diesbezügliche Formular nicht vorgelegt wurde.

Anlässlich der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2009 wurde das große Pendlerpauschale beantragt.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurde dieses mit folgender Begründung nicht anerkannt:

Die Entfernung Wohnung -Arbeitsstätte liege unter 20 Kilometer. Auf dieser Strecke sei ein öffentliches Verkehrsmittel vorhanden und auch zeitlich zumutbar. Die beantragte Pendlerpauschale könne daher nicht berücksichtigt werden.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wurde vom Bw. Folgendes vorgebracht:

Es sei zwar richtig, dass die Entfernung Wohnung -Arbeitsstätte unter 20 Kilometer liege (18 Kilometer). Es sei aber nicht möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, da er im Außendienst sei. Solle er mit dem Bus ins Büro fahren und wenn er dann zu einem Kunden in R. müsse, müsse er mit dem Bus wieder nach Hause fahren und sein Auto holen. Es gebe im ganzen Bezirk keinen Versicherungsvertreter, der mit dem Bus ins Büro fahre, wenn Sie einen kennen würden, würde er einen kennen lernen. Er ersuche um positive Erledigung des Berufungsbegehrens.

In der Berufungsvorentscheidung vom wurde ausgeführt:

Die Benützung eines Massenbeförderungsmittels sei unzumutbar, wenn der Arbeitnehmer gehbehindert sei (Bescheinigung gem. § 29 b StVO) kein öffentliches Verkehrsmittel existiere oder folgende Wegzeiten überschritten würden:

Wegstrecke unter 20 Kilometer 1, 5 Stunden .

Da im gegenständlichen Fall die Entfernung unter 20 Kilometer betrage und die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar sei, sei die Berufung abzuweisen.

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag wurde vom Bw. zusammengefasst vorgebracht:

Seiner Meinung nach sei es ihm nicht zumutbar, mit dem öffentlichen Verkehrsmittel ins Büro zu fahren. Seine nächste Bushaltestelle liege 2,5 km von seinem Haus. Er habe ja keine geregelte Arbeitszeit, arbeite manchmal bis 20 Uhr und später. Da fahre doch kein Bus mehr. Er fahre täglich vom Büro weg zu Kundenterminen, wie solle er das machen, wenn sein Auto zu Hause stehe. Da müsste er, wenn er einen Kunden besuchen müsse, mit dem Bus wieder nach Hause fahren und das Auto holen. Öfters fahre er auch von zu Hause zu einem Kunden und anschließend ins Büro, da müsste er ja mit dem Auto zum Kunden dann wieder nach Hause und mit dem Bus wieder ins Büro fahren. Für ihn im Versicherungsaußendienst sei es unmöglich, mit dem Bus zu fahren. Er müsse flexibel sein, er habe keine geregelte Arbeitszeit. Er sehe das auch nicht ein, dass seine Kollegen, die nicht so weit ins Büro und zum Bus hätten, und die Pauschale trotzdem erhalten würden. Wo sei da die Gleichheit?

Im Schriftsatz vom wurde der Bw. vom Referenten um die Beantwortung einiger offener Fragen ersucht.

In der Vorhaltsbeantwortung vom wurden vom Bw. noch ergänzende Unterlagen (Fahrpläne) vorgelegt und die offenen Fragen wie folgt beantwortet.

1. Das Büro des Dienstgebers sei in Adresse2. Er sei als reiner Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Er erledige aber seine Schreibarbeiten und Besprechungen im Büro.

2. Er fahre ca. 8 bis 10 Tage im Monat ins Büro, dann sei er 2 bis 4 Stunden im Büro, anschließend wieder im Außendienst.

3. Die Wegestrecke über 18 km (Wohnung- abcde) gehe über Seiten- und Nebenstrassen, diese sei im Winter schlecht zu befahren und weise starke Steigungen auf. Eine andere Route, wo der Hauptverkehr fahre , sei etwas länger.

4. Bus ca. 40 min - siehe Fahrplan - plus ca. 30 min zu Fuß zur Bushaltestelle, mit dem Auto 5min. Die gesamte Strecke mit dem Auto betrage eine Fahrzeit von 20 Minuten. Sein Problem sei ja nicht die Zeit, sondern dass er doch vom Büro auch zum Kunden müsse, da benötige er einfach das Auto.

Im Telefonat vom wies der Bw. darauf hin, dass er - im Falle der kombinierten Fahrt -in der Nähe der Buseinstiegstelle eine Parkmöglichkeit für den Pkw vorfinde.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gem. § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 zählen dazu auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt u.a.:

lit c)Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit b) folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 Km € 342 jährlich [(BGBl. I 2008/85 zum Inkrafttreten § 124 Z 146 lit b (letztmalig für die Veranlagung 2009)]

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit b und lit c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten...

Der Gesetzgeber hat sich im Falle der steuerrechtlichen Beurteilung von Fahrtkosten für die Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte für eine Pauschalierungslösung (gestaffelt nach Entfernung- bzw. Zeitkriterien) entschieden.

Ist also für den Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels auf der Wegstrecke Wohnung -Arbeitsstätte zumindest auf der Hälfte der Wegstrecke zumutbar, liegen die Voraussetzungen für das große Pendlerpauschalenicht vor.

Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit :

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des EStG 1988 (vgl. Doralt, EStG, 9.Auflage, § 16 Tz 105) bestimmt sich die Zumutbarkeit nach der unterschiedlichen Fahrtdauer mit dem Massenbeförderungsmittel einerseits und dem mit dem PKW andererseits.

Unzumutbar ist die Fahrt mit dem Massenverkehrsmittel insbesondere dann, wenn sie mehr als 3x so lange dauert wie mit dem eigenen Kfz. Allerdings ist im Nahbereich von bis zu 25 Kilometer die Benützung des Massenbeförderungsmittels auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Strecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0001, zum Fall einer kombinierten Fahrt eines Arbeitnehmers (9 Kilometer Fahrt mit dem PKW von der Wohnung bis zur Einstiegstelle und anschließende 23 Tarifkilometer mit Bus und Bahn bis zur Arbeitsstelle) die Verwaltungspraxis (LStR 2002 Rz 255) bestätigt. Selbst in einem solchen Fall der kombinierten Fahrt (PKW und Bus bzw. Zug), wo die Einstiegstelle viel weiter entfernt (9 km) als im gegenständlichen Fall (2,5 km)ist, wurde vom Höchstgericht zeitliche Zumutbarkeit bejaht, weil die Fahrzeit für die gesamte Fahrtstrecke unter der maßgeblichen Grenze lag.

Die Wegstrecke bemisst sich bei Massenbeförderungsmittel nach den Tarifkilometern zuzüglich Anfahrts- oder Gehweg.

Im Falle der Benützung eines PKW wird die kürzeste Straßenverbindung (nach den Angaben des Bws. also 18 Kilometer) herangezogen (vgl. Müller in Steuer-Sparbuch 2008/2009, Pendlerpauschale, S. 87, Lindeverlag, Wien im November 2008).

Aus einer Abfrage aus dem Routenplaner geht sogar eine kürzere Wegstrecke, nämlich 16,07 km hervor. Diese Wegstrecke dauert nach dieser Abfrage mit dem Pkw rund 16 Minuten.

Im Falle der kombinierten Fahrt darf die Teilstrecke vom Verlassen der Wohnung bis zur Einstiegsstelle des öff. Verkehrsmittels nicht mehr als die Hälfte der Gesamtstrecke ausmachen. Dieses Kriterium ist ebenfalls erfüllt. Der Bw. gab am überdies telefonisch bekannt, dass er die Möglichkeit habe, seinen Pkw im Bereich der näheren Umgebung der Buseinstiegsstelle zu parken. Damit ist auch von einer Park & Ride -Möglichkeit auszugehen.

Die Wegzeit betrug beim Bw. :


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Wegstrecke Wohnung zur Arbeitsstätte (einfache Wegstrecke)
Zeitangabe
PKW-Fahrt
20 Minuten
Kombination von Pkw und Öff. Verkehrsunternehmen
45 Minuten- zumutbare Kombination
Gehweg und Bus
70 Minuten - im Nahbereich von 25 Kilometern unter 90 Minuten zumutbar

Auch dadurch, dass die Fahrt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel (im Falle der zumutbaren kombinierten Fahrt in der Dauer von 45 Minuten = weniger als 60 Minuten) nicht 3 x so lange dauert wie mit dem eigenen Pkw (20 Minuten), steht das große Pendlerpauschale nicht zu.

Selbst wenn der Bw. das Kfz täglich für Dienstfahrten verwenden würde, hat dies für die Frage des Pendlerpauschales keine Bedeutung (der Gesetzgeber spricht von der ausschließlichen Möglichkeit der Benützung des Massenbeförderungsmittels).

Ob der PKW auf dieser Strecke als Arbeitsmittel verwendet wird, ist nicht entscheidend (siehe VwGH 2006/15/0319).

Auf die Frage, inwieweit tatsächlich ein öffentliches Verkehrsmittel lt. Fahrplänen zu den Arbeitszeiten des Bws. zur Verfügung steht, braucht hier nicht näher eingegangen werden, weil der Bw. dieses tatsächliche Unmöglichkeit auch nicht vorbringt (lt. Berufung vom : "Es gehe ihm nicht um die Zeit, sondern er müsse den Pkw für seine dienstlichen Fahrten verwenden") .

Er selbst führt an, dass er an 8-10 Tagen im Monat seine Arbeitsstätte mit dem Pkw zu Besprechungen aufsucht.

Unabhängig von der Frage, ob man diese Form der Betätigung im Büro des Dienstgebers zur "Innendiensttätigkeit" zählt oder als Unterbrechung seiner "reinen Außendiensttätigkeit" betrachtet, ist aus dessen Angaben jedenfalls abzuleiten, dass er im Lohnzahlungszeitraum (Monat) seine Arbeitsstätte nicht überwiegend aufgesucht hat.

Daraus kann gefolgert werden:

Ein öff. Verkehrsmittel ist vorhanden. Auf dessen Benützung wurde vom Bw. - nach seinen Angaben - nur aus dem Grunde des konkreten Arbeitsablaufes verzichtet. Darauf ist nach Meinung des Referenten jedoch nicht abzustellen.

Der Bw. habe daher täglich das Auto benützt. Diese Benützung des PKW ist wohl verständlich, weil diese in der Praxis erhebliche Vorteile mit sich bringt (bequemere und flexiblere Arbeitsanreisegestaltung).

Dennoch ist dieser Entschluss des Bws. für die Frage der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung des Pendlerpauschales nicht von Bedeutung.

Die Abweisung ist vielmehr darin begründet, dass im gegebenen Fall die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke zumutbar gewesen ist.

Dienstfahrten des Bws. waren nicht zu beurteilen. Überdies lösen diese Fahrten Kilometergeldansprüche des Dienstnehmers aus, aber für die Frage der Anerkennung des Pendlerpauschales haben diese Fahrten - nach Ansicht des Referenten - keine Bedeutung.

Ob - wie der Bw. ausführt - anderen Personen in einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation das große Pendlerpauschale gewährt wird, kann der Referent nicht beurteilen. Selbst wenn dies der Fall wäre, wird darauf hingewiesen, dass niemand einen Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht hat.

Überdies wird in diesem Zusammenhang bemerkt:

Das Argument, "aus einer beruflichen Notwendigkeit heraus auf den Pkw angewiesen zu sein", trifft nicht nur für die Berufsgruppe des Bws zu. Der Referent hatte vor einiger Zeit einen Fall eines nebenberuflichen Vortragenden (Argumente des damaligen Bws: 8x im Monat zu diversen Vortragsabenden, daher wäre er ebenfalls nach Abschluss seiner Haupttätigkeit (Angestelltentätigkeit) auf den Pkw angewiesen) zu entscheiden. In diesem Fall wurde schließlich die Berufung nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren zurückgenommen.

Das große Pendlerpauschale steht daher nicht zu.

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
großes Pendlerpauschale
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at